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Jeder Monat hat 100 Worte - von Brain, 22.10.2011
Januar

So gerne würde ich noch einmal die Sonne sehen. Vor vier Jahren hatte ich sie zuletzt gesehen. Dann war alles zugrunde gegangen. Die Menschen hatten es geschafft, die Welt zu zerstören.
Nun saß ich hier und wartete einfach nur noch auf meinen Tod. Lange würde es nicht mehr dauern. Die Vorräte gingen uns langsam aus und die Kälte des Januars zog durch die Tunnel. Noch einmal zog ich meine Decke enger um mich, in der Hoffnung, dass es wärmer werden würde, aber es brachte schon lange nichts mehr. Strom gab es nicht mehr, mit brennbaren Materialien wurde sparsam umgegangen.



Februar

Ein weiterer Monat ist vergangen. Vor ein paar Tagen war ein Troß aus einem anderen Teil der U-Bahn angekommen. Sie hatten Lebensmittel dabei und fragten an, ob sie bei uns unterkommen könnten. Natürlich durften sie, denn sie teilten ihre Lebensmittel mit uns. Vielleicht würden wir doch länger leben, als wir zu hoffen wagten. Mittlerweile war es ein richtiger Kampf zu überleben. Alleine in den letzten vier Tagen haben wir drei Leute in den Tunneln verloren. Sie hatten sich verlaufen und waren dann einfach erfroren.
Es war so kalt, hoffentlich wurde es bald wieder etwas wärmer. Alle wünschten sich das sehnlichst.



März

Mittlerweile waren von unserer Gruppe, die einst knapp achtzig Menschen umfasst hatte, nur noch zwölf übrig. Die anderen waren im letzten Monat bei einem Massaker umgekommen. Eine fremde Gruppe hatte uns angegriffen, sie wollten an unser Essen, aber wir hatten es mitnehmen können bei unserer Flucht, die kläglichen Reste die davon noch übrig waren.
Frierend saßen wir in einem ausgebrannten Waggon, welcher in einem kleinen Nebenzweig stand und beobachteten misstrauisch die größere Gruppe, welche an uns vorbeizog. Vielleicht würden sie uns ja aufnehmen. Man wusste ja nie, ob sie Fremden gegenüber aufgeschlossen waren oder nicht. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.




April

Sie waren Nomaden. Niemals blieb die Gruppe länger als einen Tag an einem Ort.
Ja, die Gruppe hatte uns tatsächlich aufgenommen. Am Anfang herrschte sehr viel Misstrauen, aber die Kämpfe schweißten zusammen. Ich hab ein nettes Mädchen kennen gelernt. Sie ist nur ein Jahr jünger wie ich. Aber irgendwie interessiert sie mich nicht, eher ihr großer Bruder. Aber ich wagte nicht einmal zu hoffen und versuchte lieber mich auf das Mädchen zu konzentrieren. Es lenkte etwas von der Dunkelheit um uns herum und der ganzen problematischen Situation ab.
Das größte Problem war ja, dass wir fast keine Lebensmittel mehr hatten.




Mai

Ich weiß nicht, wie das passieren konnte...Vor ein paar Tagen hat er mich einfach in einem unbeobachteten Moment gegen die Tunnelwand gepresst und geküsst. Es war einfach nur ... WOW gewesen. Keiner aus der Gruppe hatte etwas dagegen gesagt, sie hatten nur gelächelt und waren weitermarschiert. Seit diesem Moment berührte er mich ständig, hielt meine Hand und küsste mich. Nachts schliefen wir eng umschlungen und Cryto schützte mich. Oft gab er mir etwas von seiner Nahrungsration ab.

Aus einem der wenigen funktionierenden Funkgeräte kam seit einigen Tagen ein verzehrtes und fast unverständliches Gemurmel. Es gab Hoffnung, eine größere Gruppe zu finden.




Juni

Wir hatten sie gefunden, heute morgen tauchten sie plötzlich überall um uns herum auf. Maschinengewehre im Anschlag. Sofort hatte Cryto sich vor mich gestellt und geschützt.
Aber dann hab ich ihn gesehen... meinen Vater. Ich hab ihn nur noch anstarren können. Er hatte sich damals für mich geopfert, hab ich gedacht. So schien es jedenfalls damals.

Doch nun stand er da. An der Spitze dieser Soldaten, die Waffe direkt auf Crytos Herz gerichtet. Ohne weiter nachzudenken, einfach meinem Gefühl nachgebend, stellte ich mich zwischen die beiden und dann erkannte er mich. Einfach so hat er mich wieder akzeptiert und aufgenommen.




Juli

Der Monat war wie ein Traum gewesen. Mein Vater war schon immer genial gewesen, aber das was er geschaffen hatte, war einfach nur ein Geniestreich. Eine kleine Stadt mitten unter der Erde.
In einer großen Höhle waren einfache Häuser aus dem Gestein gehauen, verschiedenstes Gemüse wurde angebaut, sogar Tiere lebten gesondert in kleinen Ställen, auch Handel wurde betrieben. Cryto, seine Familie und ich wohnten in einem der größten, dem Haus meines Vaters.
Seit wir vor ein paar Tagen hier angekommen waren, hatte ich ihn aber nicht mehr gesehen. Viel zu sehr war mein Vater eingespannt in die Verwaltung der Stadt.



August

Nur wenige Tage hatte es gedauert, aber in der Zeit war die Temperatur schlagartig gestiegen, wie es immer im August war.

Wir wurden knallhart mit einbezogen. Wer nicht arbeitete, flog kompromisslos aus der Stadt. Vater wollte eine Ausnahme für mich machen, aber lieber war ich bei Cryto auf dem Feld, als alleine in dem kleinen Raum den wir bewohnten.

Irgendwie fiel es mir leichter, die ganze Diktatur hier zu ertragen, wenn Cryto bei mir war. Seine kleine Schwester und seine Mutter waren ja für die Wäschereien eingeteilt worden. Wirklich jeder hatte eine Aufgabe. Vielleicht war es etwas zu streng organisiert.





September

Irgendwas hatte sich verändert. Unruhen waren aufgekommen, die letzten zwei Wochen durften weder Cryto noch ich nach draußen, weil wir angeblich im Visier von jemanden waren. Ich hatte es nicht verstanden, aber Cryto scheinbar doch. Immer war er um mich herum und ließ mich keine Sekunde aus den Augen.

Fast täglich hörte man Gewehrschüsse von überall. Aber bisher schienen die Aufständischen keine Erfolge zu haben. Seit mehreren Tagen kuschelte ich eigentlich nur noch mit Cryto und versuchte, eine alte Funkanlage zu reparieren.

Irgendwie waren von Crytos alter Gruppe Menschen verschwunden, wie viele anderen. Etwas ging vor, doch was es war, wussten wir nicht.





Oktober

Wir waren geflüchtet. Mein Vater, Cryto und ich. Sonst niemand. Cryto war seit Tagen nicht mehr er selbst. Seine Mutter und Schwester waren tot aufgefunden worden, durchgeschnittene Kehlen. Jemand hatte sie umgebracht. Das war auch der Grund für unsere schnelle, übereilte Flucht gewesen.

Wir rannten durch die dunklen Tunnel, orientierten uns nur an den Schienen.
Cryto und mein Vater hatten schwere Rücksäcke auf dem Rücken und nun suchten wir einen neuen Zufluchtsort. Einfach nur weg von der außer Kontrolle geratenen Stadt.

Wir wussten nicht wohin es ging, aber das wichtigste war, dass wir zusammen waren und nicht irgendwo alleine unterwegs.





November

Es wurde wieder kälter. Kaum zu glauben, dass wieder fast ein Jahr vergangen ist. Irgendwie wird die Zeit in den Katakomben der Stadt unwirklich. Bald würde ich nicht mehr wissen, welcher Tag war.

Die Dunkelheit ließ sich immer schwerer ertragen. Am liebsten wäre ich geflohen, aber wohin? Das einzige was mich noch hielt, war Cryto. Ich konnte ihn doch nicht allein lassen, so gesehen verankerte er mich in diesem Leben. Ohne ihn gäbe es mich schon lange nicht mehr.

Nicht nur mir schien es von Tag zu Tag seelisch schlechter zu gehen, auch Cryto und Vater litten unter der Situation.




Dezember

Wir hatten einen Weg nach oben gefunden. Heute wollten wir hinauf gehen. Alles war besser als diese erdrückende Dunkelheit. Es war eher Zufall gewesen, dass wir auf diesen kleinen Bahnhof gestoßen waren. Der Staub auf dem Boden zeigte deutlich, dass schon sehr lang niemand mehr hier gewesen war.

Wenn wir diesen Weg beschritten, würde es kein zurück mehr geben. Vielleicht gibt es ja noch Leben oben auf der Erde, vielleicht war es auch unser Tod, aber egal was wir finden würden, alles war besser als das hier.

Wir müssen gehen, schwere Schritte nähern sich dem Bahnhof immer mehr. Lieber an der Oberfläche sterben, als hier getötet zu werden...




©2011 by Brain. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

Kommentare


Von KeltenPrinz
Am 23.10.2011 um 10:49 Uhr

12 x 100 Worte ohne ein "vorher" oder "danach" und es hat mir gefallen ...ehrlich!!! schöne Idee!

Du hast Deinen Schreibstil der kargen,trostlosen Szenerie angepasst, "blumiger" wäre zu viel gewesen ... meiner Meinung nach!!

ein paar kleine "Aber" aus meiner Sicht habe ich dennoch...

Am Schluss erweckst Du den Eindruck, als hättest Du Deine Notizen der letzten zwölf Monate für die "Nachwelt" abgelegt ... in Zeitdruck, da irgendwer bestimmt wieder hinter "Euch" her war. So wie Du aber geschrieben hast, liest es sich, als hättest Du Dich am Ausgang erstmal hingesetzt und "entspannt" Deine Erlebnisse aufgeschrieben ... zwischendurch wechselt es wieder in die Tagebuchform ... das ist ein Kuddelmuddel ...
Mir gefällt die Tagebuchform gut, Dir vielleicht auch? Sie bringt eine gewisse Schnelligkeit in den Text!

Die Sache mit dieser unterirdischen Stadt ist ausbaufähig, nimm ein paar Füllwörter weg und Du hast Platz, ohne den Rahmen der 100 Wörter zu sprengen...

Bist Du in dem Text eine Frau oder ein Kerl? Andererseits verleiht dieses "Rätsel" einen zusätzlichen Reiz...

Eine Idee von mir, bevor es Dir zuviel wird... Ich hatte beim Lesen eine entzivilisierte Menschheit vor Augen ... warum gibst Du den Protagonisten nicht auch entsprechende Namen? "Tizian" klingt eher nach Party und "Dad" nach Vorstadtidylle ...

Peter






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