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Poesie => Nachdenkliches


Ein Versager - von Pedro, 10.08.2010
Frank Bauer hatte immer Angst gehabt zu versagen. Das fing schon in der Schule an, seine Lehrer trauten ihm nicht viel zu. Er sich auch nicht.
Sein Vater, Hilfsarbeiter und begeisterter Zuschauer bei Sportveranstaltungen, nannte ihn immer "Versager", wenn er beim Fußballspiel keine Tore schoss.
In der Firma war es dann weiter gegangen, immer wieder musste er sich durchsetzen, befürchtete zu scheitern.
Rücksichtslos gegen sich, Arbeitskollegen und seiner Familie hatte er sich hoch- gearbeitet, war dann auch Chef der Buchhaltungsabteilung geworden.
Um seine attraktive Frau beneideten viele. Er glaubte, dass er es jetzt geschafft hätte.
Und jetzt stand er hier am Fenster, schaute auf den Nieselregen. Gelder aus der Lebensversicherung hatte er in das Haus gesteckt, nur die Unfallversicherung war ihm noch geblieben.

Sie kam aus der Küche.

„Ich sollte es dir am besten gleich sagen.“

Überrascht schaute sie ihn an.
„Was willst du mir gleich sagen?“

„Komm, lass uns erst mal was essen.“
Er setzte sich an den gedeckten Tisch.

„Nichts da, ich will wissen, was los ist. Du warst in letzter Zeit überhaupt so seltsam.“

„Ich bin arbeitslos geworden, die Firma ist Bankrott gegangen.“

„Und was heißt das jetzt?“

„Schon seit zwei Woche gehe ich morgens aus dem Haus, setze mich in den Park und füttere Vögel. Ich dachte, ich würde schnell eine andere Arbeit finden, habe viele Bewerbungen geschrieben, mich persönlich vorgestellt. Zu alt!
Unser Auto müssen wir auf jeden Fall verkaufen.“

Verständnislos schaute sie ihn an.
„Hast du schon mit deinem Vater darüber geredet?“

„Wir müssen schauen, dass wir irgendwie alleine zu Recht kommen.“

„Um wie arme Leute zu leben, habe ich dich nicht geheiratet.“

„Auch unser Haus ist viel zu groß. Die Raten der Abzahlung sind zu hoch.“

„Was? Das soll auch verkauft werden? Glaubst du, ich will in einer Sozialwohnung hausen?“

„Komm, trinken wir ein Glas Wein, reden wir morgen weiter.“
Er versuchte sie in den Arm zu nehmen, aber sie riss sich von ihm los stieß ihn von sich.
„Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, wir haben kein Geld.“

„Ja, den großen Mann markieren, das konntest du schon immer, viel Getue und nichts dahinter! Das hätte ich längst merken müssen.“

„Ich habe dich doch aus dem Elend herausgeholt, statt in einer Bruchbude zu wohnen, statt an der Kasse dir den Hintern acht Stunden wund zu sitzen, hast du bisher wie eine Prinzessin gelebt. Du konntest deine sportlichen Aktivitäten machen, zur Kosmetikerin gehen, während ich geschuftet habe. Du solltest wieder anfangen zu arbeiten.“

„Was glaubst du, warum ich gerade dich geheiratet habe, nicht aus Liebe!“
Sie schaute ihn an, erwartete wohl, dass er etwas sagen würde, aber er schwieg.

„Schau dich doch mal an, wie du aussiehst, eine dürre, lange Witzfigur, zwanzig Jahre älter als ich. Ich wollte gut leben, anders als meine Mutter.
Wir werden unsere Freunde verlieren und nicht mehr in Urlaub fahren können. Meine Tochter wird ihre Freundinnen vermissen, kann nicht mit der Klasse nach Texas gehen. Das mache ich nicht mit.“
Immer lauter wurde sie, zuletzt hatte sie geschrieen.

„Unsere Tochter dachte ich bis jetzt“, sagte er leise.

Sie schüttelte den Kopf.

Er sagte nichts, stand auf und ging aus dem Haus, ohne sich umzuschauen.
Die Versicherungspolice hatte er auf den Küchentisch gelegt.

Die Brücke überspannte das Tal, von hier oben sah alles klein aus. Er drückte das Gaspedal durch.





>Die Kritiker nehmen eine Kartoffel, schneiden sie zurecht, bis sie die Form einer Birne haben, dann beißen sie hinein und sagen: „Schmeckt gar nicht wie Birne.“< (Max Frisch)



©2010 by Pedro. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

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