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Schiksale in der Hotelbar - von AnimArt, 05.08.2010


Kürzlich, in einer Hotelbar, konnte ich einem Gespräch zwischen einem jungen und einem alten Mann lauschen. Der junge hatte wohl schon einiges getrunken und lehnte deprimiert am Tresen, als ihn der alte plötzlich anstieß:
„Sie sehen sehr traurig aus, junger Mann. Was macht einen so jungen Menschen, der mitten im Leben steht, so traurig?““ „Wollen Sie das wirklich wissen?“ „Erzählen Sie mir alles! Es tut gut, zu reden.“ Seine Stimme klang sanft und Vertrauen erweckend. Ganz gespannt horchte ich den Worten der beiden:
„Wissen Sie - eigentlich fing alles ganz wunderbar an. Es war in der zehnten Klasse, als wir zusammenkamen - Miri und ich. Ihre funkelnden Augen, ihr frisches und herzliches Lachen, ihre heitere, offene Art –alles wirkte so anziehend auf mich. Sie passte zu meinem eher ruhigen, gelassenen Charakter. Sie brachte frischen Wind in mein Leben. Immer fiel ihr etwas ein. Wir unternahmen viel miteinander und durch sie wurde ich auch für andere zugänglicher und gewann mehr Freunde. Unser Freundeskreis war riesig – meist ebenfalls Pärchen, mit denen wir zusammen nette Abende verbrachten. Ich fühlte mich nie allein. Auch an den Abenden zu zweit fühlte ich mich wohl. Sie schaffte eine Atmosphäre, in der ich mich geborgen fühlte. Ihr gelang es, dass ich mich ihr gegenüber immer mehr öffnen konnte und mit der Zeit all meine Probleme mit ihr besprechen konnte. Umgekehrt war es genauso – sie kam auch immer mit ihren Sorgen und Anliegen zu mir. Ich würde sagen, wir waren ein Liebespaar und beste Freunde in einem.“ Er machte eine kurze Pause und sah verträumt in die andere Ecke der Bar. Der alte Mann schwieg.
„Nach dem Abitur“, begann er nach einer Weile, „war es für mich keine Frage, meinen Zivildienst in der Stadt zu machen, in der Miri einen Ausbildungsplatz zur Physiotherapeutin bekam. Wir suchten uns gemeinsam eine kleine Wohnung. Nun waren wir ständig zusammen, so wie wir uns das schon immer erträumt hatten. Und nach anfänglichen Schwierigkeiten, was das Zusammenleben betraf, kamen wir wunderbar miteinander aus. Ich vermisste nichts. Diese Geborgenheit und Zuneigung war alles, was ich benötigte. Ihre Anwesenheit allein genügte, dass es mir gut ging. Schnell hatten wir auch in der neuen Umgebung einen Freundeskreis aufgebaut. Ihre natürliche und aufgeschlossene Art ermöglichten dies. Außerdem fanden wir für uns ein gemeinsames Hobby, welches beiden viel Spaß und Ehrgeiz bereitete: Taekwondoo. Wir trainierten fleißig und veranstalteten interne Wettkämpfe, indem wir uns aneinander maßen. Sie war gut. Und ich war stolz auf sie. Genauso wie sie stolz auf mich war.
Nach meiner Zivildienstzeit entschied ich mich, Jura zu studieren. Ich hatte Glück und bekam einen Platz in unserer Stadt. Keine Ahnung, was ich gemacht hätte, wenn das nicht möglich gewesen wäre. Miri stand hundertprozentig hinter meiner Wahl, so wie sie immer hinter meinen Entscheidungen stand. Das bestärkte natürlich meinen Entschluss. Das Studium forderte mich sehr, doch ich nahm die Herausforderung an. Was sich auszahlte. Meine Noten waren durchwegs gut, was ich nicht zuletzt Miri zu verdanken hatte, die mir alle Zeit zum Lernen ließ, oft auf mich verzichtete, mir viel Besorgungen und andere Aufgaben abnahm und mich, so oft es ging, vor den Prüfungen abfragte. Und das, obwohl sie sich selbst im Prüfungsstress befand. Auch sie schloss ihr Examen super ab. Aufgrund ihrer guten Noten bekam sie eine Stelle in einer Physiotherapeutenpraxis in der Stadt. Wieder mussten wir nicht auseinander. Da sie nun verdiente, leisteten wir uns eine größere Wohnung und gönnten uns auch mal einen Kurzurlaub zwischendrin. Beide hatten wir ein Faible für europäische Großstädte, die wir begeistert und wissbegierig durchquerten und erkundeten.
Mittlerweile waren schon fast neun Jahre vergangen seit wir uns kennen gelernt hatten, wir wohnten knapp sechs Jahre zusammen, Miri arbeitete seit drei Jahren als Krankengymnastin in der Praxis und ich stand kurz vor meinem Staatsexamen.
Ich erinnere mich noch genau: es war eine warme Sommernacht, wir kamen gerade von einem Biergartentreff mit Freunden zurück und gönnten uns noch ein Gläschen Wein auf unserem Balkon. Miri schmiegte sich an mich, wie sie das oft tat, fuhr mir sanft mit ihren zarten Fingern über den Haaransatz an meinen Nacken und Hals. Sie flüsterte: „Weißt du, was ich mir ganz arg wünsche?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich will ein Baby mit dir“, sagte sie und sah verträumt in die Nacht. Ich war erstaunt. Damit hatte ich am wenigsten gerechnet. Noch nie hatten wir ernsthaft über dieses Thema gesprochen, es schien noch so weit weg. Wir waren uns wunderbar nahe an diesem Abend und es gab eigentlich keinen schöneren Moment diese Worte von dem Menschen, der mir am meisten bedeutete, zu hören. Ich küsste sie und drückte sie fest an mich, sagte aber nichts dazu. Diese Nacht machte ich kein Auge zu. Ich musste ständig über Miris Wunsch nachdenken. Vieles ging mir durch den Kopf. Am meisten aber beschäftigte mich die Tatsache, dass ich mein Examen vor mir hatte, noch nicht wusste, wie es danach mit mir weitergehen sollte und ob ich mich schon reif fühlte, so viel Verantwortung zu übernehmen. Am nächsten Tag schilderte ich Miri meine Befürchtungen und Ängste und erklärte ihr, dass ich es für zu früh für ein Baby hielt. Sie versuchte mir ihre Situation klar zu machen: sie befand sich nun schon drei Jahre im Berufsleben, sie suchte nach einer neuen Herausforderung für sich und sie verspürte den sehnlichen Wunsch in ihrem Inneren, ein Kind mit mir haben zu wollen. Ich hatte plötzlich Angst, mein Examen nicht zu schaffen, dadurch nicht für das Kind sorgen zu können und mich für immer an etwas zu binden. Die Angst wuchs je stärker ich Miris Wunsch empfand. Ebenso hatte ich das Gefühl, je mehr ich mich dagegen wehrte, desto größer wurde Miris Verlangen und Drängen. Plötzlich schien sich alles nur noch um dieses Thema zu drehen. Es belastete uns beide extrem, und jeder Versuch, normal und vernünftig miteinander zu reden, scheiterte plötzlich. Es kam soweit, dass wir sogar versuchten, uns aus dem Weg zu gehen. Irgendwann kam der Tag, wir ahnten es beide, als wir beschlossen, uns zu trennen. Der Vorschlag kam von mir, da ich es nicht mehr ertrug und merkte, dass meine Leistungen unter dem Druck litten. Ich sehe heute noch, wie sie mich erschrocken ansah, als ich diesen so gefürchteten Satz sagte. Wortlos packte sie einige Sachen und ging. Sie betrat die Wohnung nie mehr. Ich wusste, wie sehr ich sie verletzt hatte, doch sah ich keinen Sinn mehr darin, es noch einmal zu versuchen. Das Problem würde damit nicht gelöst werden, denn es würde keiner von seinem Standpunkt abrücken. Es war einsam - sehr einsam ohne sie. Um mich abzulenken stürzte ich mich ins Lernen und versuchte, mich nur noch auf das Examen zu konzentrieren. Ein Freund nahm mich ab und zu mal am Wochenende mit weg, da er meinte, ich würde sonst versauern. Dabei lernte ich ab und zu andere Frauen kennen, die ich manchmal auch mit nach hause nahm, um mir ein bisschen die Wärme und Geborgenheit zu holen, die ich so vermisste. Es hielt nur nicht lange an- wenn überhaupt. Den Aufbau engerer Beziehungen blockte ich stets ab. Es zählte nur mein Examen. Die Mühe hatte sich schließlich gelohnt: ich schnitt sehr gut ab- es standen mir fast alle Wege offen. Ich hatte auch schon ein Angebot einer renommierten Kanzlei, in der ich sogar die Aussicht auf Teilhaberschaft hatte. Die Prüfungen hatte ich also bravourös gemeistert. Doch plötzlich gab es nichts mehr, worauf ich zuarbeiten konnte. Das erste Mal fühlte ich eine innere Leere und Sinnlosigkeit in meinem Leben. Ich lag im Bett meines Hotelzimmers, das im Moment mein zuhause ist- wenn man das so nennen kann- und wollte nicht aufstehen, als plötzlich das Telefon klingelte. Mein Freund war dran. Er meinte: „Weißt du schon, dass Miri demnächst heiraten wird?“ Wie ein Blitz durchfuhr es mich und ich sah sie lebhaft vor mir, sah, wie ihre Augen funkelten, wie sie herzlich und frisch lachte und dabei so natürlich und unbeschwert wirkte. Und plötzlich verwandelte sich das Bild der jungen Frau in das eines kleinen Mädchens, welches mich mit diesem wunderbaren Lächeln und dieser Leichtigkeit in ihrem Wesen fröhlich ansah. Und ich wünschte mir nichts sehnlicher als dass dieses Kind meins wäre...“
Mir standen die Tränen in den Augen, und aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass auch die Augen des alten Mannes glänzten. Er stand auf, strich dem jungen Mann übers gelockte Haar und sprach mit bebender Stimme: „Ach ja, junger Mann. Die Zeiten haben sich zwar geändert, doch die Fehler von uns Menschen sind wohl doch die gleichen geblieben.“ Dann verschwand er.


Martina Wächtler



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Kommentare


Von Pedro
Am 07.08.2010 um 08:51 Uhr

Morgen Martina,

du erzählst, wie dein Protagonist dem Alten sein Leid klagt.(Eine Erzählung in einer Erzählung)
Das Ganze liest sich wie ein Bericht über eine lange Beziehung. (Etliche Jahre)
Eine tragische Geschichte, flüssig geschrieben.
Vielleicht solltest du für das Thema einen anderen Aufbau benutzen. Zeige doch in mehreren Abschnitten, wie sich die Beziehung verliert, lass die Protagonisten miteinander reden, über ihre Schwierigkeiten sprechen.
Etliches könntest du dann kürzen.

Ich denke, der Leser könnte sich dann leichter einfühlen und mitfühlen.

Gruß

Pedro

P.S.: Nur meine subjektive Ansicht!

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Es gibt 1 Kommentar


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