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Prosa => Phantasy & SciFi


Eine Mondscheingeschichte Teil 4 - von Murmeltearding, 31.05.2010
Als sie im Bett lag, kamen die Bilder wieder zurück. Sobald sie die Augen schloss, sah sie das Schlachtfeld vor sich. Sie sah Soul, aber diesmal schien er nicht zu leben. Schreiend stammelte sie im Traum ein paar Schritte zurück. Sie stolperte und fiel auf den Hintern. Als sie merkte, dass sie über Denises, bereits von Fliegen und anderem Ungeziefer befallene Leiche gestolpert war, schrie sie wieder, diesmal nicht nur im Traum.
"Hey, was ist denn los?" hörte sie plötzlich jemanden flüstern. "Beruhige dich, ich bin ja da."
Noch bevor Luna richtig aufgewacht war, hatte sie ihre Arme um Soul gelegt und hielt ihn so fest sie konnte. "Lass mich nicht allein!" flüsterte sie. Schluchzer schüttelten ihren ganzen Körper und Tränen tropften auf Souls Schulter.
"Ich lass dich nicht allein. Ich versprechs." sagte Soul und legte sich neben sie ins Bett. "Jetzt hör aber bitte auf mich zu erwürgen."
Luna lockerte ihren Griff und legte ihren Kopf auf seinen Oberarm und Soul legte seinen anderen Arm um sie. Lunas Hände waren an Souls T-Shirt geklammert als wäre er das einzige was für sie zählte. Warscheinlich war er das auch. Wen hatte sie denn noch außer ihm?

Als Luna am nächsten Morgen aufwachte, lag sie allein im Bett. In ihrem gestreiften Flanellpyjama ging sie verschlafen in die Küche, in der sie Soul hörte. Als sie die Tür aufmachte, riss sie erstaunt die Augen auf. "OMGWTF!!" rief sie. Das dreckige Geschirr und die stinkenden Essensreste der letzten Wochen waren weg und die Küche schien förmlich zu glänzen. "Was ist denn mit dir los?" flüsterte sie ungläubig.
Soul stand in der Mitte der Küche und trocknete gerade den letzten Teller ab. "Ich konnte das stinkende Zeug hier nichtmehr riechen." antwortete er und stellte den Teller in den Schrank über der jetzt sauberen Spüle. "Okay..." murmelte Luna verwirrt und ging an ihm vorbei zum Kühlschrank. Als sie die Tür öffnete, erschrak sie noch mehr. Der ganze Kühlschrank war gefüllt mit Essen und diversen Leckereien. "Soul, irgendwas stimmt mit dir nicht." stellte Luna fest und stellte sich direkt vor ihn. "Gibt es irgendwas was ich wissen sollte? Bin ich schwanger? Bist du schwanger? Was ist los mit dir?"
"Was soll denn los sein?" fragte Soul verwirrt. Er schien nicht zu bemerken, dass er sich anders verhielt als sonst. "Was willst du zum Frühstück? Ich koch dir was." lenkte er ab.
"Keine Ahnung... Cornflakes" sagte Luna abwesend. "Soul, merkst du denn nicht, dass du anders bist?"
"Ich hab nicht das Gefühl, dass ich anders bin." entgegnete er nur und nahm eine Pfanne aus dem Schrank neben dem Kühlschrank. Dann öffnete er den Kühlschrank und suchte wie wild darin herum. "Ich mach dir Spiegeleier" teilte er Luna mit als er die Tür schloss.
Verwirrt schüttelte Luna den Kopf. Die Veränderungen in seinem Verhalten waren nicht wirklich schlecht, er war nur seltsam ordentlich und irgendwie hausmännisch.
Langsam schlurfte Luna ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Auch hier schien alles sauber und ordentlich. So wie es aussah, hatte Soul mindestens die halbe Nacht mit Putzen und Aufräumen verbracht.
Luna hüllte sich in die Decke, die ordentlich zusammengelegt auf dem Sofa lag. Nachdenklich stützte sie den Kopf auf die Knie.

"Essen ist fertig" rief Soul plötzlich. Erschrocken riss Luna den Kopf hoch. Sie war beinahe wieder eingeschlafen.

Der Küchentisch war gedeckt und sogar ein paar Blumen standen in der Mitte. Soul stellte ihr einen Teller mit Spiegeleiern und eine Tasse Kakao hin. Luna zog eine Augenbraue hoch, Soul schien die Bewegung nicht zu bemerken und setzte sich wortlos ihr gegenüber hin. Er hatte ebenfalls einen Teller mit Spiegeleiern vor sich stehen. Der einzige Unterschied war, dass er etwa die dreifache Menge von Lunas Portion vor sich hatte.
Lustlos stocherte Luna in ihrem Essen herum. "Was machen wir heute?" fragte sie nachdem sie das ganze Spiegelei zerlegt, aber keinen Bissen gegessen hatte.
"Ähm... keine Ahnung... lass uns irgendwo raus und rumlungern gehn." antwortete Soul.
"Und mit wem? Sollen wir allein im Park sitzen und uns langweilen?" fragte Luna traurig. "Alle unsere Freunde sind tot... Du kannst die Tatsache nicht einfach ignorieren!"
Soul sagte nichts. Er stand nur langsam auf. Er wirkte irgendwie größer auf Luna als normalerweise. Seine Schultern waren irgendwie breiter. Er war gut einen Kopf größer als sie, aber sie hatte das Gefühl als würde er jetzt, vor ihren Augen noch weiter wachsen. "Ich ignoriere die Tatsache nicht, ich will dir nur helfen über alles hinweg zu kommen. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, aber was willst du denn sonst machen? Den ganzen Tag hier rumsitzen?" Soul sprach ruhig, aber er konnte Luna nicht täuschen. Sie kannte den Unterton in seiner Stimme. Er war wütend. Und zwar nicht wenig. Sie wusste, dass er ihr nichts tun würde, aber als er einen Schritt näher kam, war sie sich dessen plötzlich nichtmehr so sicher. "Ich weiß nicht was wir tun sollen. Ich will nicht einfach weiter machen und so tun als wäre nichts gewesen." Lunas Stimme war zittrig. "Sie sind alle tot. Was sollen wir jetzt tun? Irgendwann wird es jemandem auffallen, dass sie weg sind. Einige von ihnen hatten eine Familie! UND WAS MACHEN WIR DANN?" schrie Sie um ihre Verzweiflung nicht zu zeigen.
"WOHER SOLL ICH IMMER ALLE ANTWORTEN WISSEN?" schrie Soul. "DU TUST ALS WÄRE ICH ALLWISSEND. ICH HABE KEINE LÖSUNG FÜR DIESE SITUATION! VERSTEHST DU DAS NICHT?"
Seine Stimme war immer lauter geworden während er sprach. Das Geschirr in den Schränken schepperte.
Luna wich noch weiter zurück. Sie stand mit dem Rücken zur Wand und drückte sich die Hände auf die Ohren. Liebend gern wäre sie zu Boden gesunken und hätte einfach los geweint, aber sie wusste nicht wie Soul reagieren würde. In den fast 20 Jahren in denen sie ihn jetzt kannte, hatte sie ihn noch nie so wütend gesehen. Selbst jetzt schien er förmlich zu knurren. Ängstlich starrte Luna ihn an. Sie konnte nichts entgegnen. Er war immer derjenige gewesen, der Lösungen für alle Probleme parat gehabt hatte. Wann immer sie nicht weiter wusste, hatte sie einfach Soul gefragt und er hatte gewusst was zu tun war. Sie hasste es ihn ratlos zu sehen. Und auch er selbst schien sich dafür zu hassen. Als sie ihn wieder bewusst ansah und nichtmehr nur starrte, sah sie ihn förmlich in sich zusammen sinken. Langsam setzte er sich wieder hin und starrte auf den Tisch.
Es war das erste Mal, dass Luna ihn weinen sah. Schluchzer schüttelten seinen ganzen Körper. Vorsichtig ging sie einen Schritt auf ihn zu. Als er nicht reagierte, ging Luna weiter und schließlich umarmte sie ihn von hinten. Sie wusste nicht was sie sagen sollte, also entschloss sie sich lieber still zu sein. Sie wusste, dass es keinerlei Worte bedurfte um ihm zu zeigen, dass sie für ihn da war.
Irgendwann hörten Souls Schluchzer auf. Er hatte seinen Kopf auf ihren Oberarm gelegt und schien eingeschlafen zu sein. Auch er hatte also Probleme nachts zu schlafen, daher schien die plötzliche Putzwut zu kommen.
Luna wünschte sich sie wäre stark genug ihn ins Bett zu tragen. Er wog warscheinlich etwa gleich viel wie sie. "Soul" flüsterte sie schließlich. "Komm, geh ins Bett."
Soul machte verwirrt die Augen auf. Er schien im ersten Moment nicht zu wissen wo er war. "Geh ins Bett" flüsterte Luna nochmal.
Soul stand langsam auf und taumelte schlaftrunken ins Bett. Luna folgte ihm.
Als er umgezogen und im Bett war, setzte Luna sich neben ihn. "Ich bleib hier, bis du eingeschlafen bist." flüsterte sie.
Soul nickte nur und legte sich bequemer hin. Luna kuschelte sich an ihn und legte ihre Arme um ihn. Sie war froh, dass er seine Trauer endlich zuließ. Und sie war gerne stark für sie beide.... zumindest für den Moment.

"Hey, nicht im Bett rauchen" murmelte Luna verschlafen als sie am nächsten Tag aufwachte. Soul lag mit einem Joint in der Hand neben ihr. "Ist doch mein Bett, du kannst mir garnichts verbieten" konterte Soul lachend. "Pah" machte Luna nur und nahm ihm den Joint weg. "Okay, dann darf ich ja wohl auch in deinem Bett rauchen." sagte sie und inhalierte provozierend. "Niemals" rief Soul lachend und nahm ihr den Joint wieder weg. Luna kuschelte sich an ihn und langsam wurden die beiden wieder ruhiger. Irgendwann ließ Soul den Rest des Joints in eine leere Weinflasche neben sich fallen. Er legte seine Arme um Luna und die beiden schliefen wieder ein.

Als Luna die Augen wieder öffnete, war Soul weg. Sie hörte wieder die Geräusche aus der Küche, die ihr gestern noch so fremd vorgekommen waren. Heute fand sie die Laute schon irgendwie vertraut und sie ging verschlafen den Geräuschen nach. "Wie spät ist es?" fragte sie und rieb sich verschlafen die Augen. "Es ist vier Uhr Nachmittags... Iss schnell was, ich will heut noch irgendwas unternehmen."
Luna setzte sich gehorsam an den Tisch und aß was er ihr hinstellte. Es war irgendwas fleischiges mit Nudeln und es war köstlich. "Also nach jahrelang nur Pizza ist das hier echt ein Gourmet-Menü" komplimentierte Luna.
"Danke... ich finde mich auch ganz toll... jetzt iss!"
Luna lächelte und aß gehorsam. Das Essen war so gut, am liebsten hätte sie noch den Teller abgeleckt. Soul hatte sich inzwischen umgezogen und wartete ungeduldig. "Jetzt mach schon." quengelte er.
Luna schluckte noch den letzten Bissen und beeilte sich in ihr Zimmer. "Was soll ich anziehn?" fragte sie. Soul stand in ihrer Zimmertür und wartete. "Keine Ahnung... irgendwas." er trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. "Ach jetzt sei nicht so" rief Luna fröhlich. Schließlich entschied sie sich für eine kurzen schwarzen Rock und ein Tank Top. Dann schlüpfte sie in ihre alten Converse und trat aus der Wohnung. Soul griff seufzend nach einer Jacke für Luna und sperrte die Tür hinter beiden zu. "Zieh das an" sagte er und hielt ihr die Jacke hin. "Wir haben nichtmehr August."
Lächelnd griff Luna nach der Jacke. "Was würde ich nur ohne dich machen?"
"Warscheinlich würdest du irgendwo auf der Straße rumhocken und dich jeden Tag nur betrinken."
"Hmm... das heißt, der einzige Unterschied ist jetzt, dass ich ne Wohnung hab?" fragte Luna lachend.
"Ja, so in etwa... da siehst du mal wie gut ich für dich bin."
Lachend gingen die beiden die Straße entlang in Richtung Innenstadt. Vereinzelt waren noch Leute unterwegs. Schon aus der Entfernung fiel Luna ein älterer Mann, südländischer Abstammung auf. Luna sah an sich und Soul herab. So unheimlich wie der Mann tat, sahen die beiden heute garnicht aus. Soul trug schwarze Jeans, ein dunkelblaues T-Shirt mit irgendeinem Aufdruck und seine Converse. Die beiden sahen somit relativ normal auf. Der alte Mann schien aber trotzdem ein Problem mit ihnen zu haben. Seine Augen waren weit aufgerissen und er schien zu überlegen ob er die Straßenseite wechseln sollte. Als nurmehr etwa fünf Meter abstand zwischen dem Mann und Soul und Luna waren, hob er seine Hand und machte das Zeichen gegen den bösen Blick - eine Faust mit ausgestrecktem Zeigefinger und kleinem Finger - in ihre Richtung und murmelte etwas in einer unverständlichen Sprache. Als er an ihnen vorbei war, drehte Luna sich nach ihm um. Auch der Mann hatte sich umgedreht und machte Luna mit einer Geste verständlich, dass sie sich von Soul fernhalten sollte. Luna zog eine Augenbraue hoch und zuckte die Schultern. Es war ihr relativ egal was der Mann von Soul dachte. Provokant legte sie noch ihren Arm um Soul. Innerlich streckte sie dem alten Mann noch die Zunge raus. Das brachte sie zum kichern. Soul sah sie nur unverständlich an und schüttelte den Kopf. Aber auch er lächelte. Je näher die beiden ans Stadtzentrum kamen, desto mehr Menschen waren auf der Straße unterwegs. "Soooul!" rief plötzlich jemand aus einer Seitenstraße. "Ey Junge, dich hab ich ja ewig nichtmehr gesehn.. und Luna, du bist auch hier! Ey alda du siehst ja wiedermal geil aus" redete Michi auf die beiden ein. Luna sah wie Soul die Augen verdrehte als Michi ihn umarmte. Die Freude über das Wiedersehen war eher einseitig. Als Michi auch Luna umarmte, fasste er ihr, wie üblich, an den Hintern. Sie ertrug die Grabscherei mit Fassung. Michi drehte sich um und stellte Luna und Soul einer Gruppe junger Leute vor, deren Namen Luna vergaß sobald er sie ausgesprochen hatte. Sie sah sofort, dass jeder einzelne von ihnen sowieso nicht im Stande war sich ihr Gesicht zu merken. Die Augen von jedem einzelnen von ihnen waren wässrig und blutunterlaufen. Sie hatten irgendwas genommen, geraucht, geschnupft oder gespritzt. Es war ihr eigentlich egal welches von den vieren. Sie hatte sowieso noch keine Lust neue Freundschaften zu schließen. "Beeil dich" flüsterte sie Soul zu als er ihren schrumpfenden Vorrat an Gras wieder aufstockte. Sie wusste nicht warum, aber sie war plötzlich irgendwie nervös. Sie sah die kleine, auf dem Boden sitzende Gruppe an und ihr wurde übel. Sie wollte niemals so enden. Nachdenklich ging sie aus der Gasse und lehnte sich an die Ziegelwand. Ungeduldig wartete sie auf Soul.



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