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Prosa => Phantasy & SciFi


Von Feen und Glühwürmchen - von sunshishi, 26.04.2009

„Nicht essen!“
Daniel blinzelte verwirrt und blickte sich suchend um. Hatte er die dünne Stimme tatsächlich vernommen?
Der geheime Garten hatte ihn bereits vor Wochen gelockt, doch seine Eltern hatten ihm verboten, darin zu spielen. Heute abend wagte er sich über die morsche Mauer. Was er sah, ließ sein Herz höher schlagen, denn die wilde Vegetation lud zum Erkunden ein. Er begutachtete seine Entdeckung eingehend und stellte fest, dass es genügend Möglichkeiten gab, auf Bäume zu klettern und von ihnen herunter zu springen. Außerdem trugen sie leckere Früchte, von denen er sich einen großen Apfel schnappte. Mit aufgerissenen Augen und einem breiten Lächeln wollte er gerade hinein beißen, als er die Warnung vernahm.
Da stand er in diesem seltsamen Garten voller Apfel- und Birnenbäume, überwuchert von wildem Efeu und Kletterwinden und konnte niemanden entdecken, der zu ihm hätte sprechen können. Daniel zuckte stirnrunzelnd die Schultern und widmete sich seiner Beute. Mit beiden Händen umfasste er den honiggelben Apfel, riss den kleinen Mund weit auf und biss gierig hinein. Sein Mund füllte sich mit süßlichem Geschmack und er biss ein weiteres Mal zu, dann presste er die Lippen zusammen, damit der leckere Saft nicht hinauslaufen konnte und mampfte genüsslich.
„Habe ich nicht gesagt, du sollst das nicht essen?“, vernahm er die leise Stimme erneut.
Erschrocken fuhr er herum und blickte sich suchend um, aber er sah niemanden.
„Hier oben, du Dieb.“
Daniel hob seinen Kopf und sah zum Apfelbaum hinauf, von wo aus er angesprochen wurde. Beinahe hätte er sich an dem Bissen verschluckt, als er das kleine, geflügelte Wesen zwischen den Zweigen entdeckte. Hinter einigen Blättern stand ein Feenmädchen und funkelte ihn aus dunkelblauen Augen wütend an, während sie ihre winzigen Hände in die Hüften gestemmt hatte. Schwarzen Locken umrahmten ihr dreieckiges Gesicht und wucherten in alle Richtungen. Ihre Kleidung bestand aus Blättern und als Hut hatte sie die Blüte einer blauen Blume verwendet, die der Junge nicht kannte. Als das kleine Geschöpf jetzt erbost auf ihn zukam, ließ er vor Schreck den Apfel ins hohe Gras fallen und zupfte nervös an seinem Lieblingsshirt, das dunkelblaue mit den Zebrastreifen.
„Diese Äpfel sind nicht für dich“, beschwerte sich die Fee, als sie am Ende des Astes angekommen war und vor seinem Gesicht stand.
„Nie hört jemand auf mich“, meinte sie beleidigt und breitete ihre zarten Flügelchen aus.
Daniel stolperte verwirrt zurück, als sie auf ihn zugeflogen kam. Sie ließ sich zu Boden gleiten und griff nach dem angebissenen Apfel. Mit Leichtigkeit hob die Fee ihn hoch und flog zum Baum zurück.
„Das sind unsere Äpfel, weißt du.“
„Du… Du meinst, es gibt noch mehr wie… wie dich“, stammelte Daniel ungläubig.
Die Fee drehte sich bedächtig herum und kam langsam näher an ihn heran. Die Augenbrauen mürrisch zusammengezogen und die Zähne gebleckt, machte sie einen Furcht erregenden Eindruck. Verunsichert wich der Junge rückwärts aus und stolperte über einen kleinen Stein. Er fiel hinten über, landete unsanft auf dem Hosenboden und verlor seine Baseballmütze, dass seine wuscheligen, blonden Haare zum Vorschein kamen. Das Feenmädchen flog zu ihm herab und stellte sich auf seine Brust.
„Glaubst du, ich würde hier alleine leben“, keifte sie und grinste ihn bösartig an.
Als er sich umblickte, sah er in jedem Baum unzählige, kleine Wesen. Sie starrten zu ihm hinunter und breiteten langsam ihre Flügel aus.
Das war zuviel für Daniel.
Er rappelte sich auf und stürzte panisch auf die Mauer des Gartens zu. Mit letzter Kraft kletterte er hinüber und entfloh den wütenden Bewohnern. Nie wieder würde er einen Fuß in dieses Gebiet setzten, so viel stand für ihn fest. Wenn sie den Garten besitzen wollten, hatte er nichts dagegen. Er konnte anderswo spielen.
„Hallo, Daniel.“
Mit einem kurzen Aufschrei fuhr er herum und blickte in das Gesicht seiner Klassenkameradin Julie. Ihre dunkelblauen Augen lächelten verschmitzt. Sie liebte es, ihn zu erschrecken. Die beiden spielten oft zusammen, obwohl Daniel es nicht mochte, wenn sie zu bestimmend wurde. Ihre schwarzen Haare fielen ihn dichten Wellen auf ihre Schultern und wurden notdürftig durch eine blaue Ballonmütze gebändigt.
„Wo hast du deine Mütze gelassen?“, fragte sie.
Daniel drehte sich zu dem geheimnisvollen Garten um und schüttelte den Kopf, um das Bild der Feen loszuwerden.
„Sag bloß, du fürchtest dich vor Glühwürmchen“, neckte sie ihn, seinem Blick folgend.
„Glühwürmchen?“
„Ja, natürlich. Jeder weiß, dass es in diesem Garten von ihnen wimmelt. Was hast du gedacht, was es dort gibt?“
Sie lachte und zog ihn mit sich, während er sich noch einmal umwandte. Waren es tatsächlich Glühwürmchen und nicht Elfen?
„Ich habe dir schon mal gesagt, du sollst nicht in fremde Gärten eindringen“, mahnte sie ihn und er verdrehte die Augen.
„Nie hört jemand auf mich“, meinte sie beleidigt und wandte sich ab.
Daniel blieb abrupt stehen und starrte sie entgeistert an. Dann schüttelte er erneut seinen Kopf und folgte ihr.
Es war alles nur ein Traum, oder?


Sandra Schmidt



I laugh in the face of danger - then I hide till it goes away.



©2009 by sunshishi. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

Kommentare


Von sunshishi
Am 30.07.2009 um 20:24 Uhr

Auch hier bedanke ich mich für das Lob. Ich weiß, dass meine Stärke im Kinder- und Jugendbereich liegt. "Der Lichtkristall" dürfte eventuell für etwas ältere Jugendliche sein. Außerdem schreibe ich an einer Vampirgeschichte, die durchaus auch Erwachsene lesen könnten.


Von Jason-Potter
Am 26.07.2009 um 16:41 Uhr

Sehr schöne Kinderkurzgeschichte. Viel mehr (im positiven Sinn) kann ich dazu leider nicht sagen.
Schreibst du auch für Erwachsene und Jugendliche, wenn ja würde ich gerne mal davon lesen, denn deine Schreibweise gefällt mir.


Von Zeira_God
Am 12.05.2009 um 15:32 Uhr

Eine richtig schöne Geschichte und ich könnte mir auch eine Fortzetzung gut vorstellen. ;-)
Auf jeden Fall hat es Spaß gemacht diese zu lesen.


Von sunshishi
Am 26.04.2009 um 21:27 Uhr

Danke, das freut mich^^
Eine Fortsetzung für diese Geschichte gibt es nicht, dafür habe ich noch eine andere mit den beiden Kindern.
Übrigens arbeite ich gerade mal wieder an deinem nächsten Kapitel. Ich hoffe, ich bin bis zum 1. Mai durch.


Von Aabatyron
Am 26.04.2009 um 19:18 Uhr

Das ist genau die Geschichte um den Sonntagnachmittag "ausklingen" zu lassen - passt so richtig zu dem herrlichen Wetter.
Das Ende macht natürlich neugierig auf eine Fortsetzung....

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Es gibt 5 Kommentare


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