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01 Die vergessene Armee der Kinder - von Aabatyron, 04.12.2008
Dieser Text wurde als Rohtext von Aabatyron geschrieben und anschließend von Sunshishi lektoriert.


Die vergessene Armee der Kinder


Kapitel 01 Erwachen

Lektorierte Version

’Es ist verdammt kalt heute morgen’, dachte Armin, als er aufwachte.
Irgendwas war anders, als an den vorherigen Tagen, wenn er morgens erwachte und nach einer erfrischenden Dusche in den großen Frühstücksraum gehen musste.
„Das Licht“, murmelte er schlaftrunken vor sich hin, „blendet heute, wie eine kleine Sonne.“
Tatsächlich fingen seine Augen an, zu schmerzen und er musste die Augenlider zu schmalen Schlitzen zusammenkneifen, um es aushalten zu können. Seltsam, trotz des beheizten Raumes, erschauerte sein Körper wiederholt von einer unerklärlichen inneren Kälte.
„Habe ich mich womöglich mit einer Grippe angesteckt?“, überlegte er laut, während er versuchte, aus seinem Bett zu krabbeln.
Die Augen tränten, ob des grellen Lichtes und er sah nur verschwommen die Gegenstände in dem Schlafraum.
„Hey, wo sind meine Kleider?“, rief er laut, als er an den Platz griff, wo sie üblicherweise fein säuberlich gefaltet lagen. Da war nicht einmal das kleine Schränkchen, auf dem er sein Kommunikationsarmband liegen hatte. Mit seinen sechzehn Jahren war er mehr als gewissenhaft und für die Ordnung seiner Sachen verantwortlich. Er wusste, dass er am Abend alles aufgeräumt gehabt hatte. Mit beiden Händen rieb er sich die Tränen aus den Augen, um eine bessere Sicht zu bekommen. Das Licht wurde angenehmer, doch noch immer zeichnete sich seine Liegestätte undeutlich vor seinen Augen ab.
„Was zum Teufel ist heute morgen mit mir los?“, schimpfte Armin, als er nicht einmal sein Bett richtig erkennen konnte.
Wütend wiederholte er den Vorgang mit beiden Händen, um seine Augen von der Tränenflüssigkeit freizubekommen. Als er meinte, dass es genügen würde, schmerzten die Augen nicht von dem grellen Licht, sondern von der heftigen Reiberei.
„Das kann nicht wahr sein“, brach es aus ihm heraus, als er deutlich sah, dass er vor einem Gebilde stand, das alles sein konnte, aber nicht sein Bett.
Das sah aus, wie eine große ovale Schale, bei der man einen Deckel hochgeklappt hatte. Überall hingen kleine Schläuche und Leitungen aus der Wandverkleidung heraus. Auf dem Deckel blinkten hunderte von kleinen Lampen in stetig wechselndem Rhythmus.
„Wo bin ich?“, fragte er sich leise.
Das Gefühl zunehmender Angst wurde stärker, aber es gab noch eine zweite, intensivere Empfindung. Armin ahnte, dass er bestraft werden würde, wenn er Angst zeigte. Verwirrt von diesen Gefühlen sah er sich in dem Zimmer um.
„Das ist nicht mein Schlafraum“, überlegte er laut.
Da waren viele andere dieser seltsamen, ovalen Gebilde.
Neugier.
Wieder ein unbekanntes Gefühl.
Auch darauf war eine Strafe angekündigt.
Armin wusste nicht, warum und von wem er bestraft werden sollte. Er war sich jedoch sicher, dass es so war. Der Wissensdurst war stärker, als das Drängen des Unterbewusstseins. Mutig schritt er zu der am nächsten stehenden Schale. Der Deckel bestand aus einem durchsichtigen Material. Wo die vielen Lampen ihr Lichtspiel veranstalteten, war ein Stück Metall eingefügt.
Armin wollte wissen, ob jemand in dieser Schale lag und wer es war.
Es war seine Freundin Jennyfer.
Was hatte man mit ihnen gemacht?
„Hey, bist du wach?“, rief er laut und hämmerte gegen die Scheibe.
Das Material war aus gehärtetem Glas. Seine Knöchel schmerzten, so heftig hatte er geklopft. Während er sich die Hand rieb, überlegte er krampfhaft, wie man diesen Glasdeckel öffnen konnte. Es musste einen Verschlussmechanismus geben.
„Aber ja, das ist es“, murmelte er, während er hastig zu seiner Liegestätte zurückeilte.
Da war die Verriegelung gelöst. Man müsste leicht erkennen, wie der Deckel zu öffnen war.
„Verdammter Mist!“
Alles Schimpfen half nicht.
Der Deckel war umlaufend mit einem Rand aus Metall bestückt, ohne einen erkennbaren Verschlussmechanismus zu besitzen.
„Das kann nicht wahr sein! Das Ding muss doch auf gehen“, tobte er, während er um das Gebilde herumlief.
Ein kleines Bedienfeld war auf der Oberseite des Glasdeckels eingelassen. Dort blinkte bei seiner Liegestätte der Schriftzug „Automatikbetrieb“. Armin eilte zur Schlafschüssel seiner Freundin zurück. Da gab es ebenfalls dieses kleine Bedienfeld.
Ohne jegliche Art einer Anzeige.
’Vielleicht ist das Ding kaputtgegangen und leuchtet deshalb nicht mehr’, grübelte er.
Der Schock raste beim nächsten Gedanken durch seinen ganzen Körper und er fühlte deutlich, wie seine Beine taub wurden.
‚Mein Gott, wenn das Ding ohne Funktion ist, dann ist meine Freundin da drin elend erstickt.’
Durch das Glas sah er auf ihren Brustkorb.
Sein Gesicht wurde blass. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu.
Jennyfer lag ohne die kleinste Bewegung unter dem Glasdeckel.
„Sie atmet nicht.“
Armin starrte sie minutenlang an und versuchte, eine Bewegung von ihr wahrzunehmen.
Nichts.
Ihm wurde schlecht. Es war ein Albtraum, dass Jennyfer tot war und er in einer fremden Umgebung stand.
’Die anderen Kapseln!’, schoss es ihm durch den Kopf.
Er rannte zur nächsten Schlafschüssel und schaute in das Innere. Da lag noch jemand, den er gut kannte. Klaus, einer seiner Klassenkameraden. Nach ein paar Minuten Beobachtung stand fest, dass er offensichtlich nicht mehr am Leben war.
Die nächste Kapsel, das gleiche Bild.
Eine gute Freundin von Jennyfer. Tot.
Egal, durch welche Scheibe er blickte, sie waren alle in diesen Dingern erstickt.
„Ich muss hier raus“, murmelte er resigniert, als er an der letzten Schlafschüssel die Atmung des darin liegenden Jungen kontrolliert hatte und auch bei ihm feststellen musste, dass er erstickt war.
Der Raum hatte eine Tür. So eine hatte Armin nie zuvor in einem Schlafraum gesehen. Das sah aus, wie eine Tresortür, die man von Banken kannte. Das Zahlenschloss würde er nie und nimmer knacken können.
Das hatte Millionen von Kombinationen.
Er war in diesem Raum eingesperrt.
Vielleicht sollten die vielen Jugendlichen, die in diesen Schalengebilden lagen, diesen Raum nicht mehr verlassen. Verstört kauerte sich Armin in eine Ecke des Raumes. Langsam wurde ihm bewusst, was passiert war. Bestimmt hatte seine Kapsel nicht funktioniert und ihn deshalb nicht erstickt, wie all die anderen. War es ein grausames Schicksal, dass er durch einen technischen Defekt dieser Tötungsmaschinen überlebt hatte, um einen noch grausameren Tod durch Verdursten und Verhungern in Einsamkeit sterben zu müssen? Langsam ging er zu der Kapsel, in der Jennyfer lag. Sie war erst fünfzehn Jahre und für Armin das wunderschönste Mädchen. Wie im Märchen lag sie da drinnen. Friedlich, mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
„Die haben sie nicht erstickt, sondern erst eingeschläfert“, erkannte er auf einmal. „Niemand stirbt an Sauerstoffmangel und lächelt.“
Das hatte bei seiner Kapsel nicht funktioniert. Warum auch immer sie jemand umbringen wollte, bei ihm hatte die Technik versagt. Nein, er würde nicht qualvoll über Tage hinweg verdursten. Vielleicht war in den Kapseln noch so viel Gas, dass es ihn vor dem Verdursten betäuben würde. Wütend schlug er mit dem Handballen auf das kleine Bedienfeld auf der Kapsel seiner Freundin.
„Verdammt, wenn ich bloß wüsste, wie man das Ding aufmachen kann!“
Da rührte sich nichts.
Zunächst.
Dann fingen die Leuchtfelder an, zu blinken.
„Automatikbetrieb – Manuell – Automatikbetrieb – .“
Von einem einzelnen Gedanken getrieben, tippte er schnell auf das nächste, aufleuchtende Zeichen. „Manuell“ blieb konstant in der Anzeige. Armin wich erschrocken einen Schritt zurück, als ein Summen und Brummen verriet, dass eine Funktion ausgeführt wurde. Es dauerte gute fünf Minuten, bis er im Inneren der Kapsel eine Aktivität sehen konnte. Durch die vielen Schläuche wurde eine rote Flüssigkeit gepumpt. Das Lächeln auf dem Gesicht seiner Freundin war verschwunden und hatte sich in eine schmerzverzerrte und angsterfüllte Grimasse verwandelt.
„Jennyfer! Sie lebt! Mein Gott, sie lebt!“, jubelte Armin erleichtert, als er erkannte, dass diese ganze Apparatur eine komplizierte Wiederbelebungsmaschinerie war.
Jennyfer wand sich in der Kammer, als ob sie mit dem Erstickungstod kämpfen würde. Als sie die Augen aufschlug und Armin direkt ansah, konnte er den stummen Hilfeschrei förmlich hören, obwohl das Glas der Scheibe keinen Schall durchließ. Er deutete ihr an, sich zu beruhigen, obwohl er nicht wusste, wie die Kapsel zu öffnen war. Er hoffte, dass der Erbauer dieser Gebilde dafür eine Automatik eingebaut hatte. Nach einer geschätzten Ewigkeit hörte er ein Geräusch, wie bei einem Kurzschluss von Leitungen und danach verriet ein summender Ton, dass Motoren in Betrieb genommen wurden.
Langsam wurde der Deckel der Schlafschüssel geöffnet.
Jennyfer blinzelte in das Licht der Raumbeleuchtung.
„Mir ist furchtbar kalt“, war ihr erster stockend gesprochener Satz.
Panischer folgte: „Meine Augen... Ich kann nichts mehr sehen. Mein Gott, was ist passiert? Bin ich blind?“
„Schließ die Augen, das wird nach ein paar Minuten besser“, versicherte ihr Armin.
Er nahm das am ganzen Körper zitternde Mädchen in seine Arme, um sie zu wärmen.
„Das wird gleich besser“, versuchte er, Jennyfer weiter zu beruhigen.
Offensichtlich hatten seine Worte Wirkung. Das Zittern ließ nach und nach ein paar Minuten wurde ihr Körper nur ab und zu von diesen Kältewellen geschüttelt.
„Wo sind wir hier?“, fragte Jennyfer zaghaft.
Am Gesicht ihres Freundes konnte sie sehen, dass dieser auch einen großen Schock erlitten haben musste.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Armin mehr als nachdenklich.
Nach einer langen Pause meinte er zuversichtlicher: „Wir werden das herausfinden.“
Die Augen seiner Freundin hatten sich an das helle Licht gewöhnt und sie schaute sich in dem großen Saal aufmerksam um.
Armin beantworte ihre Frage, bevor sie überhaupt fragen konnte: „Ja, in diesen komischen Schlafschüsseln liegen überall die anderen, die mit uns in dieser Schule waren.“
„Warum?“, grübelte Jennyfer laut.
„Das werden wir herausfinden. Versprochen.“
„Ich habe Durst“, stellte Jennyfer überrascht fest. „Du auch?“
Da hatte seine Freundin ein Problem angesprochen. Freilich verspürte er seit seinem Erwachen ein größer werdendes Gefühl des Flüssigkeitsbedarfes, aber in diesem Raum gab es nichts dergleichen.
„Wir müssen diese Tür auf bekommen“, sinnierte er laut.
Jennyfer blickte auf die elektronischen Kombinationsschlösser.
„Karla! Wir müssen Karla aus ihrem Schlafei holen. Die macht das Schloss dieser Türe in dreißig Sekunden auf.“
Karla war ein absolutes Mathematikgenie. Die verblüffte selbst den Professor manchmal. Professor Goldheimer hatte ihr einmal einen siebenfach hexagonal verschlüsselten Code zum knacken gegeben.
„Da braucht der beste Computer zwei Jahre, bis er die Sequenz berechnet hat“ warnte er Karla vor.
Heimi, so nannten ihn seine Schüler liebevoll, hatte nicht schlecht gestaunt, als Karla nach knapp zehn Minuten mit der Lösung zurückkam und belustigt fragte: „Was soll denn an der Aufgabe schwierig sein?“
Die Weckprozedur von Karla ließ sich ohne wütenden Faustschlag auf das Bedienfeld einleiten. Ein Antippen mit dem Finger genügte.
„Schließe deine Augen, das wird gleich besser“, beruhigte dieses Mal Jennyfer die frisch zum Leben erweckte Karla.
„Treibt ihr einer eurer dummen Scherze mit mir?“, beschwerte sich Karla sofort, als sie den ersten, klaren Gedanken fassen konnte.
„Gebt mir wenigstens meine Kleider, wenn ihr bei der Kälte schon splitternackt durch die Gegend rennen müsst“, fordert sie mit ernster Stimme.
Als sich Karla nicht bloß für Mathematik, sondern momentan mit Biologie zu befassen schien, wurde es Armin doch peinlich, von Kopf bis Fuß eingehend betrachtet zu werden.
„Es gibt in dem Raum keine Kleider“, entgegnete wütend. „Und zudem ist das kein Scherz, sondern trauriger Ernst.“
„Wir wissen nicht, wie wir hierher gekommen sind. Du musst uns helfen, diese Tür zu öffnen. Das ist kein Blödsinn, den wir mit dir treiben wollen“, beteuerte Jennyfer.
Karla sah sich aufmerksam in dem Raum um.
„Ein Brutraum? Wie um alles in der Welt kommen wir hierher?“
Armin sah seine Freundin fragend an.
„Was zum Henker ist ein Brutraum?“
„Hey Karla, jetzt willst du uns auf die Rolle nehmen...“, bemerkte Jennyfer nervös.
„Mann, ihr wisst aber auch gar nichts. Das sieht aus, wie einer dieser Räume, in dem man vor ein paar Jahren versucht hat, spezielle genbehandelte Embryos zu züchten, um aus ihnen später die besten Kämpfer für die Antiterrorbekämpfung rekrutieren zu können“, klärte sie die beiden staunend dastehenden Mitschüler auf.
„Und wenn du so intelligent bist, kannst du uns gleich sagen, warum sie uns in diesen Raum gesperrt haben“, forderte Armin verärgert.
„Na, vielleicht wollten sie die intelligentesten Schüler vor irgendwas schützen“, erklärte Karla. „Vergesst es schnell wieder“, feixte sie und musste sich den Mund vor Lachen zuhalten. „Das kann nicht sein, sonst wärt ihr beide nicht mit eingesperrt worden.“
Jetzt war Armin stinksauer. Ein wenig auch darüber, dass er zuvor so eine Angst hatte ausstehen müssen und Karla das Ganze als Scherz aufnahm.
„Jetzt schwätz keinen Blödsinn. Ohne uns wärst du in dieser Brutschale geröstet worden.“
Das zeigte Wirkung.
„Was ist mit all den anderen in diesen Schalen?“, wollte Karla wissen, bevor sich an dem Codeschloss zu schaffen machte.
„Die lassen wir noch schlafen, bis wir wissen, ob es in den anderen Räumen Essbares oder Trinkbares gibt“, entschied Armin.
Der Code für das Zahlenschloss wäre für Armin oder Jennyfer ein unüberwindliches Hindernis gewesen. Karla machte sich an dem Eingabefeld des Schlosses zu schaffen.
„Das ist unmöglich!“, entfuhr es ihr nach knapp einer Minute.
Nicht nur Jennyfer wurde ob dieser Äußerung von Karla blass.
„Du musst es schaffen, den Code zu entschlüsseln“, flüsterte Armin leise.
„Es gibt keinen Code zum Entschlüsseln“, entgegnete Karla.
Sie hatte Armins Stoßgebet gehört.
„Dann werden wir hier drinnen verhungern“, resignierte Jennyfer.
„Quatsch, niemand wird verhungern. Es gibt keinen Code zu knacken, weil die Zahlensequenz die gleiche ist, wie bei der Aufgabe von Professor Goldheimer“, klärte Karla die beiden auf. „Das ist eine seltsame Geschichte“, fügte sie hinzu und in ihrem Gesicht war deutlich zu sehen, dass sie sich ernsthafte Gedanken darüber machte, was das alles zu bedeuten hatte.
„Los, öffnen wir die Tür!“, holte Armin die beiden Mädchen in die Realität zurück.
Es gab ein saugendes Geräusch, als sie mit vereinten Kräften die dicke Panzertüre langsam nach innen zogen. Der Raum hinter der Panzertüre war tatsächlich wie eine Kantine eingerichtet. Allerdings schien alles vollautomatisch zu funktionieren.
„Ich brauche unbedingt etwas zum Trinken“, entschied Armin und schritt zielstrebig auf eine der vielen Ausgabeeinheiten zu.
Kaum hatte er auf dem Bedienfeld das Getränk vorgewählt, erschien nach kurzer Zeit ein Plastikbecher mit entsprechendem Inhalt.
„Meinst du, das Zeug ist genießbar?“, fragte Jennyfer vorsichtig, als Armin den Becher an die Lippen setzte um daraus zu trinken.
Vorsichtig nippte Armin von dem Inhalt. Es schmeckte nicht schlecht. Der zweite Versuch war ein richtig großer Schluck. Jennyfer wollte gerade ihren Becher ansetzen, als sich Armin seltsam verhielt.
„Was ist mit dir?“, fragte sie besorgt, als er im Gesicht mehr an Farbe zunahm und vergeblich nach Luft rang.
Karla ließ ihren Becher fallen wie eine heiße Kartoffel.
„Wahrscheinlich ist das Zeug ungenießbar und hat giftige Pilze angesetzt, wenn es lange über dem Verbrauchsdatum ist.“
Armin ruderte derweil mit den Armen und japste verzweifelter nach Atem.
„Schnell, wir müssen ihn auf den Kopf stellen, damit das Giftzeug herauskommt“, wusste Karla von einem Erste-Hilfe-Kurs.
Die beiden Mädchen packten Armin an den Beinen und brachten es fertig, dass er die Flüssigkeit tatsächlich ausspuckte. Zehn Minuten lang konnte er vor lauter Husten keinen zusammenhängenden Satz herausbringen.
„Es ist nicht giftig“, keuchte er und räusperte sich. „Ich habe mich verschluckt.“
Seine Hals brannte wie Feuer. Anscheinend war sein Kehlkopf durch die Zwangsschlafperiode zuvor aus der Übung gekommen.
„Jetzt sollten wir uns Kleider besorgen“, meinte Jennyfer, als alle ihre Becher geleert hatten.
Die nächste Tür war die gleiche Panzertüre, wie zu dem Schlafsaal.
„Verblüffend, aber wahr. Es ist der gleiche Code“, verriet Karla, nachdem sie die Öffnungssequenz eingegeben hatte.
Gemeinsam zogen sie diese Tür weit auf, dass man durch die Öffnung schreiten konnte.
„Mein Gott, was ist hier passiert?“, fragte Karla mit besorgter Stimme.
Der Raum sah aus, wie nach einer Saalschlacht. Auf der Panzertüraußenseite konnte man Spuren eines heftigen Kampfes sehen.
„Da, seht!“, rief Armin zu den beiden Mädchen, die vorsichtig durch die am Boden liegenden Trümmer stapften. „Da gibt es Kleiderkammern oder das, was von ihr übrig ist.“
Der Blick der beiden Mädchen folgte seinem ausgestreckten Arm. An einer Wandseite befanden sich viele, kleine Fächer. Die meisten waren gewaltsam aufgebrochen worden und über den Boden verteilte sich der Inhalt. Karla bewies wieder, dass sie mit ihren vierzehn Jahren nicht so schnell zu beeindrucken war.
„Na los, solange die anderen schlafen, haben wir freie Auswahl“
„Wo sie recht hat, hat sie recht!“, bestätigte Jennyfer und versuchte, etwas passendes zu finden.
Es gab alle Arten und Größen von Kleidungsstücke. Seltsamerweise waren die großen Ausführungen zerrissen, als ob sich jemand darum gestritten und versucht hätte, das Kleidungsstück dem anderen aus den Fingern zu reißen.
„Das ist viel besser“, meinte Armin erleichtert, als er sich eine vollständige Garnitur Kleider herausgesucht hatte und passende Schuhe finden konnte.
„Das muss ein moderner Schutzbunker sein“, überlegte Karla laut.
„Was da passiert ist? Und warum sind wir hier drinnen?“, wollte Jennyfer wissen.
„Da müssen wir wohl eine der nächsten Türen...“
Armin verstummte schlagartig mitten im Satz.
„Mein Gott, was ist das?“, schrie Jennyfer in höchster Panik über das laute Dröhnen hinweg.
Es gab einen dumpfen Schlag, als Karla gegen einen der Blechschränke mit den Kleidern fiel. Sie hielt sich geistesgegenwärtig an dem Rahmen der Türverkleidung fest. Die Vibration erfüllte den gesamten Raum und schwoll weiter an.
„Schnell, gib mir deine Hand“, rief Armin zu seiner Freundin gewandt.
Er klammerte sich an den Schrankaufbau und konnte gerade noch die entgegengestreckte Hand seiner Freundin greifen, bevor diese auf die andere Seite des Raumes geworfen wurde.
„Das muss ein gewaltiges Erdbeben sein. Haltet euch gut fest“, riet Karla unnötigerweise.
Sie hatte sich am Kopf verletzt und die Blutstropfen auf ihrer Kleidung verrieten, dass die Wunde schnell versorgt werden musste.



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Rohtextversion:

Die vergessene Armee der Kinder


Kapitel 01 Erwachen

„Es ist verdammt kalt heute morgen“, dachte sich Armin als er aufwachte. Irgendwie war es anders als an den anderen Tagen wenn er morgens erwachte und nach einer erfrischenden Dusche in den großen Frühstücksraum gehen musste.

„Das Licht“, murmelte er noch schlaftrunken vor sich hin, „ das blendet ja heute wie eine kleine Sonne“. Tatsächlich fingen seine Augen an zu schmerzen und er musste die Augenlieder zu schmalen Schlitzen zusammenkneifen um es aushalten zu können.

Seltsam, der Raum schien gut beheizt, trotzdem erschauerte sein Körper immer wieder von einer unerklärlichen inneren Kälte. „Habe ich mich womöglich mit einer Grippe angesteckt“, überlegte er laut, während er versuchte vollends aus seinem Bett zu krabbeln.

Die Augen hatten ob dem grellen Licht angefangen zu tränen und er sah nur verschwommen die Gegenstände in dem Schlafraum. „Hey, wo sind meine Kleider“, rief er laut, als er an den Platz griff wo sie sonst immer fein säuberlich gefaltet lagen. Da war nichts, nicht einmal das kleine Schränkchen auf dem er sein Kommunikationsarmband liegen hatte. Mit seinen 16 Jahren war er mehr als gewissenhaft und für die Ordnung seiner Sachen selbst verantwortlich – und er wusste ganz genau: Er hatte am Abend alles fein säuberlich aufgeräumt gehabt.

Mit beiden Händen rieb er sich die Tränen aus den Augen um eine bessere Sicht zu bekommen. Das Licht schien auch inzwischen schon ein wenig angenehmer zu sein. Immer noch etwas undeutlich zeichnete sich seine Liegestätte vor seinen Augen ab. „Was zum Teufel ist denn heute morgen mit mir los?“, schimpfte Armin, als er nicht einmal sein Bett richtig erkennen konnte.

Fast wütend wiederholte er den Vorgang mit beiden Händen, die tränenden Augen von der Tränenflüssigkeit freizubekommen. Als er meinte, dass es jetzt genügen würde, schmerzten die Augen nicht nur von dem grellen Licht, sondern von der heftigen Reiberei.

„Das kann doch nicht wahr sein“, brach es richtig aus ihm heraus, als er jetzt ganz deutlich sah, dass er vor einem Gebilde stand, das alles sein konnte, aber nur nicht sein Bett.

Das sah aus wie eine große ovale Schale, bei der man einen Deckel hochgeklappt hatte. Überall hingen kleine Schläuche und Leitungen aus der Wandung heraus, auf dem Deckel blinkten hunderte von kleinen Lampen in stetig wechselndem Rhythmus.

„Wo bin ich?“, fragte er sich leise selbst – das Gefühl zunehmender Angst wurde plötzlich immer stärker. Aber es gab noch eine zweite stärkere Empfindung. Armin ahnte im Unterbewusstsein, dass wenn er Angst zeigte, würde er dafür bestraft werden. Er war stark – er musste sich nicht fürchten – drängte sein Unterbewusstsein, dieses aufkommende Angstgefühl zu vertreiben.

Völlig verwirrt von diesen gegensätzlichen Gefühlen sah er sich jetzt in seinem „Schlafraum“ um.

„Das ist nicht mein Schlafraum“, überlegte er laut. Da waren noch viele andere dieser seltsamen ovalen Gebilde.

Neugier – schon wieder so ein seltsames Gefühl. Auch darauf war eine Strafe angekündigt. Armin wusste nicht warum, auch nicht von wem er dafür bestraft werden sollte – im Unterbewusstsein wusste er es einfach, dass dies so war.

Die Neugier war stärker als das Drängen des Unterbewusstseins. Mutig schritt er zu der am nächsten stehenden Schale.

Der Deckel bestand größtenteils aus einem durchsichtigen Material. Nur dort, wo die vielen Lampen ihr Lichterspiel veranstalteten, war ein Stück Metall eingefügt. Natürlich wollte Armin wissen, ob jemand auch in dieser Schale lag, und wer es war.

Durch den Deckel konnte er sofort erkennen, wer sich in der Schale befand – es war Jennyfer, seine 15-jährige Freundin. Was hatte man nur mit ihnen gemacht?

„Hey, bist du wach“, rief er laut und klopfte mit den Knöcheln der Hand gegen die Scheibe. Das Material war bestimmt aus gehärtetem Glas – seine Knöchel schmerzten, so heftig hatte er versucht seine Freundin zu wecken. Während er sich die Knöchel mit der anderen Hand rieb um damit den Schmerz zu lindern, überlegte er krampfhaft, wie man diesen Glasdeckel öffnen konnte.

Bestimmt gab es irgendwo einen Verschlussmechanismus. „Aber ja, das ist es!“, murmelte er, während er hastig zu seiner „Liegestätte“ zurückeilte. Da war der Verschluss offen, da müsste man leicht erkennen, wie man den Deckel aufmachen kann.

„So ein verdammter Mist“. Da half alles noch so laute Schimpfen nicht: Der Deckel war umlaufend nur mit einem Rand aus Metall bestückt ohne irgendwo erkennbar einen Verschlussmechanismus zu besitzen.

„Das kann doch wirklich nicht wahr sein! Das Ding muss doch irgendwo zu öffnen sein“, schimpfte er laut, während er um das Gebilde herumlief und überall nach einer Möglichkeit suchte, es öffnen zu können. Nur ein kleines Bedienfeld gab es auf der Oberseite des Glasdeckels. Dort blinkte bei seiner Liegestätte nur der Schriftzug „Automatikbetrieb“.

Armin eilte zu der „Schlafschüssel“ - so hatte er diese seltsamen Gebilde inzwischen getauft – seiner Freundin zurück. Da gab es auch dieses kleine Bedienfeld – allerdings ohne jegliche Art von Anzeige.

Vielleicht war das Ding kaputtgegangen und leuchtete deshalb nicht mehr – kam ihm plötzlich der Gedanke.

Der Schock raste beim nächsten Gedanken durch seinen ganzen Körper und er fühlte deutlich, wie seine Beine fast taub wurden: „Mein Gott, wenn das Ding ohne Funktion ist, dann ist meine Freundin da drin elend erstickt“

Durch das Glas sah er auf ihre Brust die sich normalerweise heben und senken müsste. Sein Gesicht wurde immer blasser – die Angst fing an, ihm die Kehle zuzuschnüren. Das Mädchen lag ohne die kleinste Bewegung unter dem Glasdeckel – sie atmete nicht. Wieder und wieder versuchte Armin eine Bewegung von ihr wahrzunehmen um eine Hinweis darauf zu haben, dass sie noch lebte.

Wie lange er vor der Kapsel gestanden hatte konnte er nicht sagen – jedenfalls war ihm schlecht geworden. Der Gedanke, dass seine Freundin tot war, er in einer völlig fremden Umgebung ohne Wissen was eigentlich passiert war, das war wie ein böser Albtraum.

„Die anderen Kapseln“ - schoss ihm plötzlich noch ein Gedanke durch den Kopf. Er rannte zur nächsten Kapsel und schaute in das Innere. Da lag noch jemand, den er gut kannte: Klaus, einer seiner Klassenkameraden. Nach ein paar Minuten Beobachtung stand fest: Auch er war nicht mehr am Leben – er atmete offensichtlich auch nicht mehr.

Die nächste Kapsel, das gleiche Bild: Eine gute Freundin seiner Freundin – auch tot.

Egal durch welche Scheibe er auch blickte – sie waren alle in diesen Dingern erstickt.

„Ich muss hier raus“, murmelte er fast schon resigniert, als er an der letzten „Schlafschüssel“ die Atmung des darin liegenden Jungen kontrolliert hatte und auch bei ihm feststellen musste, dass er ebenfalls erstickt war.

Der Raum hatte nur eine einzige Türe. So etwas hatte Armin allerdings noch nie zuvor gesehen. Das sah aus wie eine Tresortür die man bisher nur von Banken kannte. Das Zahlenschloss würde er nie und nimmer aufbekommen, das hatte Millionen von Kombinationen.

Er war in diesem Raum praktisch eingesperrt. Vielleicht sollten die vielen Kinder, die in diesen Schalengebilden lagen diesen Raum gar nicht mehr verlassen.

Resigniert kauerte sich Armin in eine Ecke des Raumes. Langsam wurde ihm bewusst, was vielleicht wirklich passiert war. Bestimmt hatte seine Kapsel nicht funktioniert und auch ihn erstickt wie all die anderen. War es ein grausames Schicksal, dass er durch einen technischen Defekt dieser Tötungsmaschinen überlebt hatte um einen noch grausameren Tod durch Verdursten und Verhungern in Einsamkeit sterben zu müssen?

Langsam ging er zu der Kapsel, in der seine Freundin lag. Ein wunderschönes Mädchen – wie im Märchen lag sie da drinnen friedlich, mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

„Die haben sie nicht erstickt – die haben es mit Gas gemacht“- fiel ihm plötzlich ein - „niemand erstickt an Sauerstoffmangel und lächelt dabei“

Das war es: Bestimmt hatte dies bei seiner Kapsel nicht funktioniert. Warum auch immer sie jemand umbringen wollte – bei ihm hatte die Technik versagt.

Nein, er würde nicht qualvoll über Tage hinweg verdursten. Bestimmt war in den Kapseln noch so viel Gas, dass es auch ihn vor dem Verdursten betäuben würde.

Wütend schlug er mit dem Handballen auf das kleine Bedienfeld auf der Sichtscheibe der Kapsel, in der seine Freundin lag: „Verdammt, wenn ich nur wüsste, wie man das Ding aufmachen kann!“

Da rührte sich nichts – zunächst. Plötzlich fingen die Leuchtfelder auf dem Bedienfeld an zu blinken: Automatikbetrieb – Manuell – Automatikbetrieb - Manuell.... usw.

Fast wenn er seine Freundin dadurch wieder zum Leben erwecken könnte, tippte er schnell, als gerade wieder der Schriftzug „manuell“ auftauchte, auf das aufleuchtende Zeichen.

„Manuell“ blieb jetzt konstant in der Leuchtanzeige. Dann wich Armin erschrocken einen Schritt zurück. Ein Summen und Brummen verriet, dass jetzt irgend eine Aktivität ausgeführt wurde. Es dauerte fast eine viertel Stunde bis er auch im Inneren der Kapsel plötzlich eine Aktivität sehen konnte.

Durch die vielen Schläuche wurde eine rote Flüssigkeit gepumpt. Das Lächeln auf dem Gesicht seiner Freundin war verschwunden und hatte sich in eine schmerzverzerrte und angsterfüllte Grimasse verwandelt.

„Jennyfer, sie lebt – mein Gott sie lebt“, schrie Armin erleichtert, als er erst jetzt erkannte, dass diese ganze Apparatur anscheinend eine komplizierte Wiederbelebungsmaschinerie war.

Jennyfer wand sich inzwischen in der Kammer, als ob sie wirklich mit dem Erstickungstod kämpfen würde.

Als sie plötzlich die Augen aufschlug und Armin direkt ansah, konnte er den stummen Hilfeschrei förmlich hören, obwohl das Glas der Scheibe keinen Schall durchlies.

Er deutete ihr an, sich zu beruhigen – obwohl er nicht wusste, wie die Kapsel zu öffnen war. Er hoffte, dass der Erbauer dieser Gebilde auch dafür eine Automatik eingebaut hatte.

Nach einer Ewigkeit erscheinenden Zeit hörte er ein Geräusch wie bei einem Kurzschluss von Leitungen und danach verriet ein summender Ton, dass irgend welche Motoren in Betrieb genommen wurden.

Langsam wurde der Deckel dieser „Schlafschüssel“ geöffnet.

Jennyfer blinzelte in das Licht der Lampen von der Raumbeleuchtung. „Mir ist so furchtbar kalt“, war ihr erster stockend gesprochener Satz. Dann kam fast panisch hinterher: „Meine Augen, ich kann nichts mehr sehen – mein Gott was ist passiert – bin ich blind?“

„Schließ die Augen, das wird nach ein paar Minuten besser“, beruhigte sie Armin.

Er nahm das am ganzen Körper zitternde Mädchen in seine Arme um sie ein wenig zu wärmen. „Das wird gleich besser“, versuchte er, Jennyfer weiter zu beruhigen. Offensichtlich hatten seine Worte doch Wirkung. Das Zittern ließ nach, und nach ein paar Minuten wurde der Körper nur noch ab und zu von diesen „Kältewellen“ geschüttelt.

„Wo sind wir hier?“, fragte Jennyfer fast zaghaft weil sie am Gesicht ihres Freundes sehen konnte, dass dieser anscheinend auch einen großen Schock erlitten haben musste.

„Ich weis es auch nicht“, antwortete Armin mehr als nachdenklich. Und nach einer recht langen Pause, schon etwas unternehmungslustiger: „Aber wir werden das bestimmt herausfinden“

Die Augen seiner Freundin hatten sich inzwischen an das helle Licht gewöhnt und sie schaute sich in dem großen Saal aufmerksam um.

Armin beantworte ihre Frage, bevor sie überhaupt fragen konnte: „Ja, in diesen komischen „Schlafeiern“ liegen überall die anderen Kinder die mit uns in dieser Schule waren“.

„Warum?“, sinnierte Jennyfer laut.

„Das werden wir herausfinden – versprochen!“

„Ich habe mächtigen Durst“, brach es plötzlich aus Jennyfer heraus, „du auch?“

Da hatte seine Freundin ein Problem angesprochen. Freilich verspürte auch er schon seit seinem „Erwachen“ ein immer größer werdendendes Gefühl, dass sein Körper dringend Flüssigkeit brauchte – aber in diesem Raum gab es nichts dergleichen.

„Wir müssen diese Türe aufbekommen“, sinnerte er laut. Jennyfer blickte auf diese elektronischen Kombinationsschlösser. „Karla, wir müssen Karla auch aus ihrem „Schlafei“ holen, die macht das Schloss dieser Türe in dreisig Sekunden auf.

Karla war ein absolutes Mathematikgenie. Die hatte selbst ihren Professor manchmal verblüfft, wie schnell sie die Aufgaben lösen konnte. Professor Goldheimer hatte ihr einmal einen siebenfach hexagonal verschlüsselten Code zum knacken gegeben. „Da braucht der schnellste und beste Computer fast zwei Jahre bis er die Sequenz berechnet hat“ hatte er Karla vorgewarnt.

„Heimi“ - so nannten ihn seine Schüler liebevoll – hatte nicht schlecht gestaunt, als Karla nach knapp zehn Minuten mit der Lösung zurückkam und so richtig belustigt fragte: „Was soll denn an so einer Aufgabe schwierig sein?“

Die Weckprozedur von Karla lies sich auch ohne wütenden Faustschlag auf das Bedienfeld einleiten. Ein Antippen mit dem Finger genügte völlig.

„Schließe deine Augen, das wird gleich besser“, beruhigte dieses mal Jennyfer die frisch zum „Leben erweckte“ Karla.

„Ihr treibt doch wieder einer eurer dummen Scherze mit mir?“, beschwerte sich Karla sofort, als sie den ersten klaren Gedanken fassen konnte.

„Gebt mir wenigstens meine Kleider, wenn ihr bei der Kälte schon splitternackt durch die Gegend rennen müsst“, fordert sie mit ernster Stimme.

Als sich Karla anscheinend nicht nur für Mathematik, sondern auch momentan mit Biologie zu befassen schien, wurde es Armin doch ein wenig peinlich, so von Kopf bis Fuß eingehend betrachtet zu werden.

„Es gibt in dem Raum keine Kleider“, entgegnete er schon fast ein wenig wütend, „und zudem ist das kein Scherz von uns, sondern trauriger Ernst“.

„Wir wissen selbst nicht, wie wir hierher gekommen sind. Du musst uns helfen diese Türe zu öffnen – das ist jetzt wirklich kein Scherz oder Blödsinn den wir mit dir treiben wollen“, beteuerte auch Jennyfer.

Karla sah sich jetzt erst so richtig aufmerksam in dem Raum um. „Ein Brutraum? - Wie um alles in der Welt kommen wir in einen Brutraum?“

Armin sah seine Freundin fragend an: „Was zum Henker ist ein Brutraum“.

„Hey Karla, jetzt bleib mal ernst – jetzt willst doch du uns auf die Rolle nehmen. Du musst uns helfen diese Türe aufzubekommen“, versuchte Jennyfer Karla vom Ernst der Lage zu überzeugen.

„Mann ihr wisst aber auch gar nichts. Das sieht aus wie einer dieser Räume, in dem man vor ein paar Jahren versucht hat, spezielle genbehandelte Embryos zu züchten um aus ihnen später die besten Kämpfer für die Antiterrorbekämpfung rekrutieren zu können“, klärte sie die beiden staunend dastehenden „Mitschüler“ auf.

„Und wenn du schon so intelligent bist, kannst du uns ja auch gleich sagen, warum sie uns in diesen Raum gesperrt haben“, forderte jetzt Armin richtig verärgert.

„Na vielleicht wollten sie die Intelligentesten Schüler vor irgend etwas schützen“, erklärte Karla, feixte aber dann hinterher, mühsam sich das lachen verkneifend: „vergesst es ganz schnell wieder, das kann auch nicht sein, sonst wärt ihr beide ja nicht mit eingesperrt worden“

Jetzt war Armin wirklich wütend – auch ein wenig darüber, dass er zuvor so eine Angst hatte ausstehen müssen und Karla das Ganze eher als Scherz aufnahm. „Jetzt schwätz keinen solchen Blödsinn heraus – ohne uns wärst du doch in dieser Brutschale irgend wann geröstet worden, wenn wir dich nicht herausgeholt hätten“

Das zeigte Wirkung. „Was ist mit all den anderen in diesen Schalen?“ wollte Karla wissen bevor sich an dem Codeschloss zu schaffen machte.

„Die lassen wir noch ein wenig schlafen bis wir wissen, ob es in den anderen Räumen etwas Essbares oder Trinkbares gibt“ entschied Armin.

Der Code für das Zahlenschloss wäre für Armin oder Jennyfer ein unüberwindliches Hindernis gewesen.

Karla machte sich an dem Eingabefeld des Schlosses zu schaffen. „Das ist unmöglich!“ entfuhr es ihr laut nach knapp einer Minute.

Nicht nur Jennyfer wurde ob dieser Äußerung von Karla blass. „Du musst es einfach schaffen, den Code zu entschlüsseln“ flüsterte Armin leise.

„Es gibt keinen Code zum Entschlüsseln“, entgegnete Karla. Sie hatte das leise geflüsterte Stoßgebet von Armin gehört.

„Dann werden wir hier drinnen verhungern“, resignierte Jennyfer.

„Quatsch, niemand wird verhungern. Es gibt keinen Code zu knacken, weil die Zahlensequenz genau die gleiche ist wie bei der Aufgabe von Professor Goldheimer“, klärte Karla die beiden auf. „Das ist schon eine recht seltsame Geschichte“, fügte sie noch hinzu und in ihrem Gesicht war deutlich zu sehen, dass jetzt auch sie sich ernsthafte Gedanken darüber machte was das alles zu bedeuten hatte.

„Los, öffnen wir die Tür!“, holte Armin die beiden Mädchen in die Realität zurück.

Es gab ein saugendes Geräusch, als sie mit vereinten Kräften die dicke Panzertüre langsam nach innen zogen.

Der Raum hinter der Panzertüre war tatsächlich wie eine Kantine eingerichtet. Allerdings schien alles vollautomatisch zu funktionieren.

„Ich brauche unbedingt etwas zum Trinken“, entschied Armin und schritt zielstrebig auf eine der vielen Ausgabeeinheiten zu. Kaum hatte er auf dem Bedienfeld das Getränk vorgewählt, erschien nach kurzer Zeit ein Plastikbecher mit entsprechendem Inhalt.

„Meinst du, das Zeug ist genießbar“, fragte Jennyfer vorsichtig, als Armin den Becher an die Lippen setzte um daraus zu trinken.

Vorsichtig nippte Armin ein wenig von dem Inhalt. Es schmeckte nicht schlecht. Der zweite Versuch war ein richtig großer Schluck.

Jennyfer wollte gerade auch ihren Becher ansetzen um zu trinken, als sich Armin plötzlich ganz seltsam verhielt.

„Was ist mit dir?“, fragte sie besorgt, als er im Gesicht immer mehr an Farbe zunahm und offensichtlich vergeblich nach Luft rang.

Karla lies ihren Becher fallen wie eine heiße Kartoffel: „Vermutlich ist das Zeug ungenießbar und hat giftige Pilze angesetzt – wenn es schon lange über dem Verbrauchsdatum ist“

Armin ruderte derweil mit den Armen und rang immer verzweifelter nach Luft.

„Schnell, wir müssen ihn auf den Kopf stellen damit das Giftzeug wieder herauskommt“, wusste Karla von einem der Erste-Hilfe-Kurse.

Die beiden Mädchen packten Armin an den Beinen und brachten es fertig, dass er die Flüssigkeit tatsächlich wieder ausspuckte. Fast eine viertel Stunde konnte er vor lauter Husten keinen Satz mehr herausbringen. „Es ist nicht giftig, ich habe mich nur verschluckt“, konnte er dann zwischen immer wiederkehrenden Hustenanfällen hervorbringen. Seine Kehle brannte wie Feuer – vermutlich war sein Schluckmuskel durch die Zwangsschlafperiode zuvor etwas aus der Übung gekommen.

„Jetzt sollten wir uns aber unbedingt Kleider besorgen“, meinte Jennyfer als alle ihre Becher geleert hatten. Armin hatte mit kleinen Schlucken es auch fertiggebracht, den Becher jetzt ohne sich zu verschlucken zu leeren.

Die nächste Tür war genau die gleiche Panzertüre wie zu dem „Schlafsaal“. „Verblüffend, aber wahr, es ist sogar der gleiche Öffnungscode“, verriet Karla, nachdem sie die Öffnungssequenz eingegeben hatte.

Gemeinsam zogen sie auch diese Türe so weit auf, dass man durch die Öffnung schreiten konnte.

„Mein Gott, was ist denn hier passiert?“, fragte Karla mit besorgtem Unterton in der Stimme.

Der Raum sah aus wie nach einer Saalschlacht. Selbst auf der Panzertüraussenseite konnte man deutliche Spuren eines heftigen Kampfes sehen.

„Da, seht doch“, rief plötzlich Armin zu den beiden Mädchen die vorsichtig durch die am Boden liegenden Trümmer stapften um sich nicht zu verletzen, „da scheint es Kleiderkammern zu geben – oder das, was von ihnen übrig ist“

Der Blick der beiden Mädchen folgte seinem ausgestreckten Arm. An einer Wandseite gab es tatsächlich sehr viele solcher kleinen Fächer. Viele davon waren gewaltsam aufgebrochen worden und überall auf dem Boden lag der Inhalt verteilt herum.

Karla bewies wieder, dass sie mit ihren 14 Jahren nicht so schnell zu beeindrucken war: „Na los, solange die anderen schlafen, haben wir freie Auswahl“

„Wo sie recht hat, hat sie recht!“, bestätigte Jennyfer und versuchte etwas passendes zu finden.

Es gab wirklich alle Arten und Größen von Kleidungsstücke. Seltsamerweise waren die großen Ausführungen meist zerrissen – gerade so, als ob sich jemand darum gestritten und versucht hätte, das Kleidungsstück dem anderen aus den Fingern zu reißen.

„Das ist jetzt schon viel besser“, meinte Armin erleichtert, als er sich eine vollständige Garnitur Kleider herausgesucht hatte und auch noch passende Schuhe finden konnte.

„Das muss so ein moderner Schutzbunker sein“, sinnierte Karla laut.

„Was da wohl passiert ist – und vor allem: Warum sind wir hier drinnen?“, wollte auch Jennyfer wissen.

„Da müssen wir wohl noch eine der nächsten Türen...“ Armin verstummte schlagartig mitten im Satz.

„Mein Gott, was ist das?“, schrie Jennyfer in höchster Panik.

Es gab einen dumpfen Schlag, als Karla gegen einen der Blechschränke mit den Kleidern fiel. Sie hielt sich geistesgegenwärtig an dem Rahmen der Türverkleidung fest.

„Schnell, gib mir deine Hand“, rief Armin in Richtung zu seiner Freundin gewandt. Auch er hielt sich an dem Schrankaufbau fest und konnte gerade noch die entgegengestreckte Hand seiner Freundin greifen bevor diese auf die andere Seite des Raumes geworfen wurde.

„Das muss ein gewaltiges Erdbeben sein, haltet euch ja gut fest“, warnte Karla. Sie hatte sich am Kopf verletzt und die Blutstropfen auf ihrer Kleidung verrieten, dass die Wunde schnell versorgt werden musste.



Wenn einer der drei in diesem Moment geahnt hätte, was tatsächlich die Ursache für diese „Erschütterung“ war, und wie und warum sie in diese „Anlage“ gekommen waren, und voll allem, was ihnen noch bevorstand – sie hätten sich entsetzt.



©2008 by Aabatyron. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

Kommentare


Von Aabatyron
Am 02.01.2009 um 21:41 Uhr

Besonderen Dank an Sunshishi für die Lektorierung des Rohtextes.
Die lektorierte Version hat mich echt begeistert. Vielleicht wird die Idee eines gemeinsamen Buches im Jahr 2009 doch Wirklichkeit?





~*~ Werner May ~*~


Von sunshishi
Am 21.12.2008 um 13:31 Uhr

Hallo^^

Deine Geschichte klingt interesant. Hast dir ein spannendes Thema herausgesucht und es gut umgesetzt. Die Figuren können natürlich noch an Dreidimensionalität (mehr Personenbeschreibung und weitere Charakterisierung) zulegen, was sich sicher im Lauf der Geschichte erledigen wird.
Auch am Schreibstil (vor allem Rechtschreibung und Grammatik) kann noch etwas gefeilt werden. Ein paar Tippfehler sind dir durch die Finger geschlüpft^^
Und es wäre interessant, zu erfahren, in welcher Zeit und welchem örtlichen Rahmen die Personen vorher aufgewachsen sind bzw. wie groß die Veränderungen zum jetzigen Geschehen sind (hast du schon teilweise durch Armins Gedanken/Aussagen gezeigt).
Werde mir bei Gelegenheit auch mal die anderen Kapitel vornehmen.

Liebe Grüße
SuShi





I laugh in the face of danger - then I hide till it goes away.


Von Aabatyron
Am 13.12.2008 um 18:02 Uhr

Da muss ich wohl zur Erklärung ein wenig von der "Storryidee" verraten:

Jeder der Kinder besitzt eine besondere Fähigkeit - die aber keines der Kinder selbst momentan kennt.

Ich wollte eigentlich die Geschichte wie ein "Puzzle" schreiben. Das heißt, die Kinder entdecken langsam Stück für Stück ihre besonderen Fähigkeiten und lernen mit ihnen umzugehen und sie einzusetzen.

Du hast natürlich recht - dieser Wechsel der Personenperspektive kann wirklich den Lesefluss unterbrechen wenn man sich auf eine Person gerade "konzentriert" hat. Da habe ich jetzt echt das Problem, dass ich nicht zu schnell verraten will, was der einzelne besonders beherrscht. Das sollten die Akteure eigentlich nach und nach herausfinden während sie gemeinsam versuchen aus ihrer vermeintlichen "Gefangenschaft" in dieser Anlage herauszukommen.

Auf jeden Fall werde ich deinem Rat folgen und die Anzahl der Personen, bei denen ich die Entdeckung ihrer Fähigkeiten beschreiben will, so klein wie möglich halten.

Bei den Grund-Karakteren der einzelnen bin ich ehrlich gesagt selbst noch ein wenig am überlegen, in welche Ruprik ich sie einsortieren werde (und für Vorschläge die zur heutigen Jugend passen dankbar).

Der Grundgedanke besteht darin, dass sie sehr unterschiedlich sind, aber letztendlich die ihnen zugedachte Aufgabe nur gemeinsam meistern können.

Bin mal gespannt, was die anderen Leser dazu meinen.

Überarbeiten muss ich den Text auf jeden Fall - bei den ins Forum gestellten Kapiteln (erster Entwurf) ist bildlich gesprochen die Tinte noch nicht einmal trocken - da gibt es bestimmt noch einige Anregungen und Änderungen.

Bis jetzt nominiert:
Armin
Wird als erster erweckt als dem "Gebäude" Gefahr droht. Besitzt bsondere Fähigkeiten im Umgang mit Technik.
Jennyfer
Besondere Fähigkeit, Dinge wahrnehmen zu können. Ahnt Gefahren im Voraus.
Karla
Ein absolutes Mathematikgenie. Naturwissenschaftlich hoch begabt. Sehr leichtsinnig im Umgang mit Gefahren. Liebt es, anderen Streiche zu spielen.
Karl
Ein Muskelpaket mit Kräften wie ein Elefant. Nicht gerade der schnellste im Denken und wird recht schnell zornig.
Jonny
Sehr kräftig. Immer überlegt welche Handlung er durchführt. Hat besondere telepathische Fähigkeiten.
Klaus
Kräftig. Intelligent. Absolut zuverlässig. Besondere Fähigkeit: Wird noch nicht verraten.



Von NicoleKiefer
Am 12.12.2008 um 22:14 Uhr

Die Thematik an sich finde ich gut, und als ganzes betrachtet gefällt mir das Kapitel.
Was mir nicht gefällt ist das zweimal mittendrin die Perspektive wechselt, von Armin auf Jennyfer, das ist irritierend.
Ich bin mir sicher wenn man den Text noch ein bis zweimal überarbeitet, die Charaktere mehr beschreibt sowohl äußerlich als auch was in ihrem inneren vor sich geht. Kann dies ohne weiteres ein sehr guter Roman werden da die Thematik an sich schon fesselnd ist und man sich fragt was wohl als nächstes geschehen wird.

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Bewertung: 5.0/6
(59 Stimmen)

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