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Droormanyca 04 - Auf dem Planet der Folaner Kapitel 04 - von Aabatyron, 04.10.2008
Droormanyca

Kapitel 4 - Die Überlieferung


Die Überlieferung

Droormanyca hörte den Erzählungen des Häuptlings aufmerksam zu. Es war äußerst interessant zu erfahren, welche Abenteuer sein Volk erlebt hatte, während sie bis zu der Anhöhe, auf der sie jetzt lebten, gewandert waren und dort das Dorf unter der stetigen Gefahr eines Angriffs der Droorms aufgebaut hatten.
Das Volk der Folaner war ursprünglich in einem großen Tal mit rings umgebenden Bergen beheimatet gewesen. Auf den weiten Ebenen dieses Tales gab es Wild in Hülle und Fülle - kein Folaner brauchte je Hunger zu leiden. Die Sklavinnen suchten nach Beeren und Früchten ohne Angst haben zu müssen, von einem Raubtier angefallen zu werden. Die Berge mit ihren steilen Wänden waren der ideale Schutz. Die Tiere, die sich in dem Tal aufhielten, waren alle friedlich und konnten den Folanern nicht gefährlich werden. Aus dem klaren Wasser der von den Berghängen herabstürzenden Wasserfälle holten sie ihr Trinkwasser und fingen ab und zu auch einige Norlems die in den fließenden Bächen schwammen. Es gab nur eine Stelle im ganzen Tal, wo man die Berge, die dort am niedersten waren, überwinden konnte. Aus Holz und Stricken hatten die Folaner wie eine Art große Treppe gebaut an der man hochklettern und die Bergspitze erreichen und überqueren konnte. Jeder junge angehende Krieger musste dieses Hindernis überwinden um seine Mutprobe, mit einem Droorm zu kämpfen, die ihn zum Krieger machte, durchführen zu können. Kein Droorm konnte bisher das Hindernis in Form der hohen Berge überwinden und in das Tal gelangen.
Die Bäche, die sich nach den herabstürzenden Wasserfällen bildeten, flossen durch das weit gestreckte Tal und vereinigten sich am Ende zu einem richtigen Fluss. Dieser Fluss wurde am Rand der Berge in einer Senke zu einem See gestaut und floss vermutlich durch die vielen unterirdischen Höhlen unter den Bergen auf die andere Seite ab. Wenn jemand in dem See badete, musste er an manchen Stellen aufpassen, nicht von den Strudeln des in diese Höhlen strömenden Wassers mitgerissen zu werden. Wartarkaan hatte mit Vollendung seines siebzehnten Lebensjahres wie viele vor ihm mit einem Droorm ausserhalb des Tales gekämpft, und es mit viel Geschick und noch mehr Glück fertiggebracht, seinen Gegner an einer empfindlichen Stelle zu treffen und sogar zu töten. Als er mit einer Kralle des besiegten Droorms als Jagdtrophäe stolz in sein Dorf zurückkam, wurde er in den Kreis der Anwärter als Nachfolger für den Häuptling aufgenommen. Feelinor war noch nicht ganz 15 Jahre alt, und als die jüngste Tochter des herrschenden Häuptlings eine besondere Schönheit und sehr intelligent. Als sie mitbekam, dass Wartarkaan sie zur Frau nehmen wollte, bat sie ihren Vater, den Wunsch von Wartarkaan abzulehnen. Sie hatte sich bereits selbst einen andern kräftigen jungen Mann ausgesucht mit dem sie später eine Familie gründen wollte.

Von allen Anwärtern auf das Nachfolgeamt des Häuptlings war Wartarkaan der geeignetste junge Krieger. Er hatte zwar nicht unbedingt die größten Körperkräfte wie einige seiner Mitbewerber, handelte aber immer sehr überlegt und hatte einen ausgesprochenen Gerechtigkeitssinn. Es fiel dem Häuptling deshalb auch nicht leicht, gerade seinem heimlichen Favoriten den Wunsch mit seiner Tochter eine Familie gründen zu wollen, ablehnen zu müssen. Die Familie von Tarkoon, des jungen Mannes, welchen seine Tochter als zukünftigen Familienvater ihrer Kinder ausgesucht hatte, war sehr einflussreich und hatte hohes Ansehen. Er wusste zudem, dass der Vater Tarkoons es auch gerne sah, wenn sein Sohn durch eine Heirat mit der Tochter des Häuptlings beide Familien noch enger zusammenbrachte. Wartarkaan hatte zusammen mit diesem kräftigen Krieger schon einige Male ausserhalb ihres Dorfes und den schützenden Bergen an einer Jagt teilgenommen, und wusste, dass er mit ihm den „gefährlichsten“ Gegner hatte, wenn es zu dem Ausscheidungskampf für das Amt des Häuptlings kommen sollte. Wenn der Häuptling das Amt übergeben wollte, mussten die jungen Krieger so lange darum unter bestimmten Regeln kämpfen, bis nur noch einer übrigblieb. Der zweite der letzten beiden Kämpfer war automatisch der Stellvertreter, oder musste einspringen, wenn einmal ein amtierender Häuptling überraschend durch irgend welche Kämpfe getötet wurde. Wer bei einem dieser Kämpfe gegen die Regeln verstieß, durfte sich nie mehr für das Amt eines Häuptlings bewerben.

So waren einige Monde Zeit vergangen – Wartarkaans Schmerz über die Ablehnung seines Wunsches, Feelinor als zukünftige Frau zu bekommen, war inzwischen abgeklungen. Es gab ein anderes junges Mädchen, das ihm schon immer ohne dass er es gewollt hatte, Früchte, ausgesuchte Beeren und auch schon einige selbst angefertigte Tücher geschenkt hatte. Er gestand sich erst jetzt, als er sich von den Gedanken um Feelinor endlich befreite, ein, dass auch er, sie gern mochte. Wie wenn ihre Eltern bereits auf seine Frage gewartet hätten, sagten sie seinem Wunsch, ihre Tochter Kyrona zur Frau nehmen zu können, sofort zu.
Es war alles für die Hochzeit von Feelinor und Tarkoon, sowie für Wartarkaan und Kyrona vorbereitet worden. Das würde ein großes Fest geben – es kam selten vor, dass gleichzeitig zwei Familien durch Heirat vereinigt wurden. Man hatte es anlässlich der Feier sogar fertiggebracht, einen Manock zu erlegen und sein Fleisch für die Festlichkeit zuzubereiten. Alle freuten sich schon auf das Hochzeitszeremonial. Es gab eine uralte Überlieferung bei ihrem Volk, nachdem es der Frau nur ein einziges Mal erlaubt war, ihren Mann zu schlagen. Dieses Ritual wurde kurz bevor der Häuptling die Paare vereinigte, durchgeführt. Angeblich sollte mit diesem Schlagen der Mann für immer dazu gemahnt werden, dass für ihn ab jetzt nur noch seine eigene Frau das wichtigste in der Familie war und er sich ab sofort nicht mehr bei anderen Frauen alleine aufhalten durfte. Manche der Männer wurden nach diesem Zeremonial tatsächlich durch eine sichtbare Beule an der Stelle, wo sie geschlagen worden waren, noch Tagelang an diese „Pflichten“ erinnert – vor allem dann, wenn sie sich kurz vor ihrer Eheschließung nochmals alle Freiheiten genommen hatten und dabei erwischen ließen oder verraten wurden. Weder Tarkoon noch Wartarkaan mussten befürchten, dass sich ihre zukünftigen Frauen dazu hinreißen ließen, sie bei dem Ritual so für Tage zu „kennzeichnen“.

Viele Schalen mit Früchten und Beeren waren auf den Tischen für die Festgemeinschaft aufgestellt worden. Es duftete nach dem zubereiteten Fleisch vieler erlegter Tiere und des Manocks sowie nach den verschiedensten Gewürzen. Der Häuptling hatte alles für die Hochzeitszeremonie vorbereitet und freute sich besonders, heute würde seine „Lieblingstochter“ einen starken und intelligenten Ehemann bekommen, der sie mit Sicherheit immer beschützte und in der Lage war, sie aufgrund seiner ungewöhnlichen Körperkräfte vor Gefahren bewahren zu können. Es war immer für Mutter und Vater ein bedrückendes Gefühl, wenn ihre Tochter oder ihr Sohn die behütete häusliche Umgebung der Eltern für immer verließ – es war für den Häuptling wichtig, zu wissen, dass er sich bei seiner Tochter keine Sorgen machen musste. Trotzdem würde ihm seine Tochter fehlen – das wusste er mit Sicherheit. Auch wenn er sie des öfteren an die Sitten und Vorschriften des Stammes hatte erinnern müssen, mit ihrer fröhlichen und aufgeweckten Art hatte sie es stets geschickt verstanden, sich als „Nesthäkchen“ Freiheiten herauszunehmen, die er den älteren Geschwistern nie hätte erlaubt. Es war manchmal recht anstrengend gewesen, ihre Eigenwilligkeit zu erdulden, aber alles wurde dadurch entschädigt, dass sie trotz vieler Arbeiten immer gut gelaunt, geschäftig im Haus ihrer Mutter immer behilflich war, und auch ihm bei vielen Dingen half. Sie hatte die Begabung, wenn es darum ging, besonders schöne Muster in die Kleider einzuweben oder äußerst geschickt handwerkliche Dinge herzustellen – er war sehr stolz auf seine Tochter. Sie war die letzte seiner Kinder die das Haus verlassen würde, jedesmal wenn eines seiner Kinder ausgezogen war, fehlte danach ein Stück des gewohnten Lebens und die ungewohnte Ruhe erinnerte ihn schmerzlich daran, dass auch er und seine Frau wieder eine Zeit älter geworden waren.

Die beiden „Bräutigams“ waren schon seit geraumer Zeit fertig und bereit für die Hochzeitszeremonie, sie warteten ungeduldig auf die beiden jungen Frauen. Diese bereiteten sich im Haus der Frauen auf ihre Hochzeit vor. An ihrem fröhlichen Lachen, welches ab und zu aus dem Haus zu hören war, konnte jeder erkennen, dass die beiden weit weniger aufgeregt wie ihre Bräutigams waren, und sich auf die kommende Zeremonie richtig freuten. Der Häuptling hatte zusammen mit seinem Medizinmann alles für die Hochzeitszeremonie vorbereitet und war sichtlich erleichtert, als sich endlich die Türen am Haus der Frauen öffneten und ihm dadurch signalisiert wurde, dass er gleich mit der Zeremonie beginnen konnte. Seltsamerweise veränderte sich der sorgenvolle Gesichtsausdruck des Medizinmanns auch dann nicht, als er die wunderschön gekleideten und geschmückten Mädchen aus dem Haus kommen sah. Er war den ganzen Tag schon sehr ernst und nachdenklich gewesen, am Morgen hatte er dem Häuptling sogar allen Ernstes geraten, die Hochzeit heute nicht durchzuführen. Der Häuptling wusste, dass der Medizinmann die Gabe hatte, Gefahren zu erahnen und in seinen Träumen die Zukunft sehen zu können. Als er den Medizinmann erstaunt gefragt hatte, warum man gerade heute die Zeremonie nicht durchführen solle, hatte dieser geantwortet: In seinen Träumen hatte er gesehen, dass heute ein großes Flammenmeer vom Gott des Feuers viele Hochzeitsgäste verschlingen würde. Nun ja, dachte sich der Häuptling, als er beim letzten Mal davor gewarnt hatte, dass der Gott des Hagels jeden Folaner, der nicht sofort im Haus Schutz suchte, erschlagen würde, gab es anschließend nur einen sehr heftigen Regenschauer. Also dachte er sich, dass es heute dann wohl auch nicht so schlimm kommen würde. Allerdings konnte der Medizinmann den Optimismus des Häuptlings nicht teilen, das Gefühl, dass heute etwas Furchtbares geschehen würde, wurde bei ihm immer stärker. Auch der Häuptling hatte sich fast ärgerlich selbst dabei ertappt, wie er aufgrund dieser „Warnungen“ sorgfältig die Halterungen der Fackeln nochmals überprüft hatte, damit nicht doch noch aus Versehen ein Brand entstehen würde.

Alle Angehörigen hatten sich auf dem großen Platz vor dem Zeremonienhaus versammelt, und sahen jetzt zu, wie die beiden jungen Frauen, begleitet von ihren Müttern und ihrer persönlichen Dienerschaft, stolz in das Haus der Zeremonien gingen. Das Haus war auf der dem großen Platz zugewandten Seite offen, damit alle sehen konnten, wie der Häuptling zusammen mit dem Medizinmann die beiden Paare für immer vereinigen würde. Vor allem jene, die auch bald verheiratet werden würden, drängten sich in die vorderen Positionen um genau zu sehen, was bei dieser Zeremonie alles auf sie zukommen würde. Die beiden Paare stellten sich vor dem Häuptling auf und er konnte nun beginnen. Die leise geführten Unterhaltungen der wartenden Gäste verstummten, schließlich wollte jeder hören, was da vorne gesprochen wurde.
Jetzt fiel es dem Häuptling erst auf – auf dem Platz war es plötzlich totenstill. Kein Tier war zu hören, nicht einen einzigen Laut. Dies war äußerst ungewöhnlich, denn sonst hatte man sich schon ab und zu über das laute Geschnatter der Tiere, die es in diesem Tal zahlreich gab, aufgeregt, da sie die wohlverdiente Ruhe gestört hatten. Seltsam, wo waren eigentlich alle Haustiere? Normalerweise streiften sie bei solchen Feiern schon lange um den Platz, um bei passender Gelegenheit auch etwas von dem Essen der Hochzeitsgäste abzubekommen. Er sah sich um, es war nirgends eines der Haustiere zu sehen. Er war gewiss kein ängstlicher oder abergläubischer Folaner, aber als ihm in dieser Situation die Warnung des Medizinmannes wieder deutlich zu Bewusstsein kam, jagte es ihm einen Schauer über den Rücken. Anscheinend hatte diese rätselhafte Stille und das Fehlen sämtlicher Haustiere nicht nur ihn irritiert, auch manche der Hochzeitsgäste wurde die Unnormalität dieser Stille erst jetzt bewusst, sie konnten aber auch keine Erklärung dafür finden.
Als er durch einen entsetzten Schrei alarmiert, in die Richtung der Personen, die ihn ausgestoßen hatten, sah, stockte ihm der Atem. Während er jetzt selbst die kräftigen Erschütterung des Bodens spüren konnte, bildete sich fast in der Mitte des Dorfplatzes ein Riss im Boden, der sich mit hoher Geschwindigkeit immer mehr verbreiterte. Viele der Gäste die dort gestanden hatten, verloren den Halt, und fielen in die sich immer weiter öffnende Spalte. Andere die sich gerade noch am Rand festhalten konnten schrien verzweifelt um Hilfe. Kyrona sah, wie ihre Schwester von der zurückweichenden Folanermenge immer weiter gegen den Rand dieser Erdspalte gedrängt wurde und wollte ihr zu Hilfe eilen. Als sie bei ihr ankam, sah sie, wie ihre Schwester mit letzter Kraft versuchte, sich an dem immer mehr abbröckelnden Rand festzuhalten. Mit aller Kraft hielt sie den Arm ihrer Schwester fest um zu verhindern, dass diese in die tiefe Erdspalte fiel. Wartarkaan eilte sofort den beiden zu Hilfe und versuchte die Schwester seiner Braut aus der Erdspalte zu ziehen. Die Erschütterungen wurden immer stärker und inzwischen brachen große Stücke vom Rand ab und rutschten nach unten. Man konnte die gellenden Schreie der Folaner hören, wenn sie unten von den fallenden Brocken zerquetscht wurden. Kyrona und Wartarkaan hatten das Mädchen gerade aus der gefährlichen Spalte herausgezogen und dachten, dass sie jetzt gerettet sei. Da brach der gesamte Rand in einem Stück ab und die beiden Mädchen hingen an den Armen von Wartarkaan. Obwohl er verzweifelt versuchte, sich dagegenzustemmen, spürte er, dass er von dem Gewicht der beiden Mädchen langsam Stück für Stück trotzdem in die Spalte gezogen wurde. Auch Kyrona bemerkte, dass er sie beide nicht halten konnte. Sie hatte ihrer Familie fest versprochen, immer auf ihre kleine Schwester aufzupassen und sie zu beschützen. Sie versuchte sich vom Griff der Hand Wartarkaans zu lösen – vielleicht konnte er dann hoffentlich ihre kleine Schwester noch retten. Als dies ihre kleine Schwester sah, fing sie bitterlich an zu weinen, denn sie hatte Kyrona sehr lieb und wollte sie nicht verlieren. „Rette meine Schwester und versprich mir, sie immer zu beschützen“, flehte Kyrona Wartarkaan an. In seinem Blick sah sie, dass er ihre Bitte, auch unter Einsatz seines Lebens, erfüllen würde, und sie ließ die Hand von ihm los. Ohne die Kraft, reagieren zu können, sah Wartarkaan mit Entsetzen, wie Kyrona in die Tiefe stürzte und von einem roten Glutstrom, der sich inzwischen auf dem Grund der Erdspalte gebildet hatte, begraben wurde. Er zog ihre Schwester jetzt mit aller Kraft die er aufbringen konnte, aus der Erdspalte, und trug sie schnell vom Rand weg. Erst jetzt sah er das Ausmaß der Zerstörung. Die Häuser waren zum größten Teil eingestürzt und an allen Ecken und Enden brannte es. Er sah noch mehrere dieser gefährlichen Erdspalten, aus denen jetzt der Gott des Feuers Flammen und Rauch speite. Die erste Spalte war fast 20 Meter breit geworden und die rote Glut stieg in ihr immer höher und höher. Er sah seinen Bruder auf der anderen Seite der Spalte stehen, konnte aber nicht verstehen was der ihm zurief. Überall waren die Schmerzensschreie von den Folanern zu hören, die unter den Trümmern der Häuser eingeklemmt lagen und nun vom Feuer gefangen wurden. Wartarkaan wusste instinktiv, dass wenn dieses rote Feuer bis an die Oberfläche gestiegen war, würde es keiner seiner Stammesangehörigen überleben. Er befahl deshalb, dass alle die noch laufen konnten, sofort aus dem Tal über die Treppen am Fuß der Berge flüchten sollten. Von weitem sah er, dass von seinem Elternhaus nicht mehr viel übriggeblieben war. Als er an dem Platz wo die meisten Hochzeitsgäste von seiner Familie gestanden hatten, einige der schweren Holzbalken auf die Seite zog, konnte er erkennen, dass er heute nicht nur seine geliebte zukünftige Frau, sondern auch seine Eltern verloren hatte. Er ging weiter durch das Dorf, oder das was von ihm übriggeblieben war, um zu sehen ob es noch andere Überlebende dieser Katastrophe gab. Manche suchten ihre Brüder oder Schwestern, Vater, Mutter – jedem den er sah, befahl er, sofort dieses Tal zu verlassen, und über die Berge zu fliehen. In den Überresten des Zeremonienhauses lag der Häuptling schwerverletzt zwischen den Trümmern. Ein Balken hatte ihn förmlich aufgespießt, er war aber noch bei Bewusstsein. Als er Wartarkaan sah, bat er ihn das Amt des Häuptlings zu übernehmen, und die Überlebenden über die Berge zu führen. Wartarkaan versprach ihm, dass er die Flucht bereits befohlen hatte. In dem Wissen, dass Wartarkaan ein guter Nachfolger für das verantwortungsvolle Amt eines Stammesführers war, verließ der Geist des Häuptlings seinen Körper. Tarkoon lag mit gebrochenem Rückgrat unter den Trümmern und unter ihm begraben, seine junge Braut Feelinor. Er hatte vermutlich noch versucht, sie mit seinem Körper zu schützen, als die schweren Balken des Hauses durch das Erdbeben herabgestürzt waren. Als Wartarkaan das Haus verlassen wollte, hörte er ein leises Stöhnen. Obwohl die Feuerglut in der Erdspalte fast den Rand erreicht hatte kehrte er sofort um. Vielleicht konnte er noch jemand aus den Trümmern retten. Unter den Trümmern lagen sehr viele Personen, aber wo er auch versuchte noch eine lebende Person zu entdecken, es rührte sich nichts. Wieder ein leises Stöhnen. Er drehte sich um – es war genau von der Stelle gekommen, wo er vorher die beiden Erschlagenen, Tarkoon und Feelinor gesehen hatte. So schnell er konnte, wuchtete er den auf den beiden liegenden zersplitterten Balken zur Seite. Jetzt erst sah er, dass Feelinor noch lebte. Sie hatte an den Beinen einige Verletzungen, anscheinend hatte sie der Körper von Tarkoon doch so geschützt, dass sie ansonsten nicht schwer verletzt worden war. Wartarkaan hob Feelinor auf und trug sie, so schnell er konnte, aus dem Haus. Man konnte jetzt deutlich die ungeheure Gluthitze spüren, die von dem flüssigen Magma, das gerade über die Ränder der Erdspalte quoll, ausgestrahlt wurde. Wartarkaan lief so schnell er konnte mit Feelinor auf seinen Armen, die aufgrund ihrer Verletzungen an ihren Beinen nicht mehr gehen konnte, zu der rettenden Leiter, die auf den Kamm des Berges führte. Gottseidank, diese Konstruktion war nicht beschädigt worden, und hatte auch noch kein Feuer gefangen. Viele hatten sich nicht retten können, aber er sah, dass alle die es geschafft hatten, sich aus den Trümmern der Häuser zu befreien, hier angekommen waren. Manche standen inzwischen schon ganz oben auf dem Gipfel des Berges und waren ratlos, wie es jetzt weitergehen sollte. Einige besonders kräftige junge Männer halfen den Verletzten, auch die Treppe zu besteigen. Sie mussten sich beeilen, denn das flüssige Magma bahnte sich mit immer höherer Geschwindigkeit einen Weg durch das Tal. Feelinor war schon nach oben gebracht worden, die letzten machten sich auf, die Treppe zu besteigen, als die Feuerwand nun bedrohlich nahe kam. Wartarkaan trieb die vor ihm Kletternden dazu an, sich zu beeilen. Noch während er selbst die Treppe hochstieg, entzündete sich das Holz dieser Konstruktion an vielen Stellen von der immer stärker werdenden Hitze. Wartarkaan war am Ende seiner Kräfte, als er endlich oben ankam, aber das unter ihm immer stärker lodernde Feuer hatte alle Reserven seines Körpers mobilisiert. Erst von hier oben konnte man das gesamte Ausmaß dieser Katastrophe erkennen. Das ganze Tal brannte in hellem Feuerschein. Vom Dorf der Folaner war nichts mehr vorhanden, an seiner Stelle war jetzt ein riesiger See flüssiger, rotglühender Magma. Aus dem Erdinnern sprudelte immer mehr dieser Feuersglut nach oben. Das Wasser der Bäche wurde vollständig verdampft, ehe es den vormals stattlichen See erreichen konnte. Selbst in dem See konnte Wartarkaan erkennen, wie unter Wasser ein roter Feuerschein loderte und das Wasser so erhitzte, dass es in Form von Dampf mehrere Hundert Meter nach oben geschleudert wurde. Keiner von seinen Familienangehörigen hatte diese Katastrophe überlebt, sie waren auf der anderen Seite der Erdspalte gewesen, von der es seines Wissens nach keine Möglichkeit mehr gab, bis hierher zu der rettenden Treppe zu gelangen.

In der Hoffnung, dass es keine weiteren Erdbeben mehr gab, beschloss Wartarkaan, dass sie auf der Bergspitze erst einmal ausruhen sollten. Er kannte in dem Gebiet hinter den Bergen eine kleine Anhöhe, auf der man sich vielleicht ansiedeln konnte. Diese Anhöhe hatte vielen schon dazu gedient, bei ihren Mutproben mit den Droorms, sich zurückzuziehen, und sich von dort mit Erfolg gegen einen Angreifer verteidigen zu können. Nur musste man zuerst einmal zu der Anhöhe gelangen, das war schon mit starken Kriegern ein Problem, die freie Strecke dazwischen zu durchlaufen. Mit den vielen Verletzten würde es bestimmt sehr mühsam und gefährlich werden. Wenn sie die Verwundeten, die selbst nicht mehr laufen konnten, über die Ebene transportieren würden, war dies für die Droorm wie eine Einladung zum Mittagessen, denn die Ebene war wie ein Präsentierteller für leicht erlegbare Beute. Aber nicht umsonst war Wartarkaan als besonders intelligent bekannt. Obwohl er sehr müde war, hielt ihn der Gedanke an eine List, wie man der Gefahr, die von den Droorms ausging, begegnen konnte, noch sehr lange wach. Er suchte sich am nächsten Tag einige besonders mutige und starke Krieger aus und erklärte ihnen seine in der Nacht ersonnene List: Zuerst mussten sie einen Droorm erlegen. Wenn sie sein Blut sammelten, konnten sie damit eine Spur auslegen. Da die Droorms frisches Blut Meilenweit wittern konnten, mussten sie versuchen, sie möglichst weit von der Gruppe der letzten Folaner wegzulocken. Sobald sich die Droorms an der Stelle wo sie meinten, eine Beute zu finden, eintrafen, mussten möglichst viele von ihnen so verletzt werden dass sie bluteten. Entweder brachten sie sich dann selbst um, oder aber andere hungrige Droorm wurden von ihrem Blut angelockt und waren dann hinterher bestimmt so satt, dass sie nicht auch noch Jagt auf die letzten Überlebenden der Folaner machten. Dies war ein mehr als verwegener Plan, aber die einzigste Möglichkeit, die Anhöhe vielleicht mit allen unbeschadet erreichen zu können und zu überleben. Er zog mit seinen Kriegern los, und es dauerte gar nicht lange, bis sie von einem dieser fressgierigen Droorms entdeckt wurden. Hatte der Droorm gedacht, leichtes Spiel mit dem einen Gegner, den er zunächst sah, zu haben, so war er jetzt völlig überrascht, als plötzlich 15 dieser bewaffneten Zweibeiner aus ihren Verstecken sprangen und ihre Speere nach ihm warfen. Der Plan von Wartarkaan funktionierte: Als sie das Blut von dem erlegten Droorm an einer weit ab gelegenen Stelle verteilten, kamen schon nach kurzer Zeit viele dieser Kolosse aus dem nahen Wald, in der Meinung jetzt umsonst an ein Fressen zu gelangen. Bei ihrer ersten Attacke wählten die Krieger das Tier als Ziel aus, welches sich fast in der Mitte der aufgeregt witternden und schnüffelnden Herde aufhielt. Als es mehrfach verletzt wurde, rochen die anderen das frische Blut und gingen sofort auf ihren Artgenossen los. In dem ganzen Getümmel bemerkten die Droorms nicht mehr, dass immer mehr von ihnen durch die gezielten Speerwürfe der Folaner verletzt wurden. Das war schon seltsam, wenn einer von ihnen von einem Speer getroffen und verletzt wurde, ging er umso wütender auf seine anderen Artgenossen los. Wartarkaan zog sich mit seinen Kriegern vorsichtig und leise zurück. Er musste nun die restlichen Stammesangehörigen schnellstens auf die schützende Anhöhe bringen. Während die Verletzten von den anderen abwechselnd getragen wurden und man sich beeilte, die freie Strecke zwischen den Bergen und der Anhöhe so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, konnte man in weiter Entfernung das wütende Gebrüll der angreifenden hungrigen Droorms und die Todesschreie ihrer zuvor verletzten Artgenossen hören. Selbst als alle sicher auf der Anhöhe angekommen waren, konnte man noch bis spät in die Nacht das markerschütternde Gebrüll der Droorms hören. Wartarkaan gönnte seinen Kriegern trotzdem keine Ruhe. Alle die noch einigermaßen fähig waren zu arbeiten, mussten mithelfen, Bäume zu fällen, um eine Befestigung anzulegen. Er wusste nicht, wann die Droorms nach diesem „Fressen“ wieder Hunger bekommen würden.

Nach ein paar Wochen war die Anhöhe nicht nur schnell notdürftig, sondern so gut befestigt, dass man sich vor Angriffen sicher beschützt fühlte. Die anfangs behelfsmäßig errichteten Unterkünfte wichen langsam befestigten Hütten und Häusern. Man hatte hier viele der heilenden Pflanzen gefunden und damit die Verwundeten behandelt. Wartarkaan wurde einstimmig zum Häuptling ihres Volkes gewählt. Die Versorgung mit Fleisch war hier auf der Anhöhe nicht mehr so einfach wie bei ihrem alten Wohnort, dem Tal. Hier lauerten rings herum viele Raubtiere und allerlei, auch bis jetzt noch unbekannte Gefahren. Die Wunden von Feelinor waren inzwischen verheilt. Sie konnte zwar ihren Schmerz um den Verlust ihres zukünftigen Mannes und ihrer Familie nicht vergessen, aber darin war sie nicht alleine. Trotzdem ging das Leben weiter, durch die vielen anfallenden Arbeiten konnte man einfach nicht mehr so lange über das erlittene Schicksal nachdenken.

Es waren drei Jahre vergangen. Wartarkaan hatte inzwischen Feelinor zur Frau genommen und sie erwartete ihren ersten Nachwuchs. Es war ein gesunder Junge und wurde auf den Namen Torkaan getauft. Die Aussenbefestigung war inzwischen so gut angelegt, dass sie sogar den gelegentlichen Angriffen von Droorms standhielt. Nur an einer Seite mit offenem Gelände, hatte man den Schutzwall so gebaut, dass er in beiden Richtungen überquert werden konnte. Da ein Droorm zuerst einmal für einen Angriff auf die Anhöhe klettern musste, konnte er von oben mit Leichtigkeit abgewehrt werden. Bei der Beschaffung des Fleisches oder von Früchten, waren immer viele Krieger mit dabei, die Einen erlegten das Wild, die Anderen beschützten die Jäger davor, dass sie nicht selbst Opfer eines größeren Jägers wurden. Im Dorf hatte man einen tiefen Brunnen gegraben der inzwischen sauberes, klares Trinkwasser für das ganze Dorf lieferte. Es war vorher recht mühselig gewesen, unter der stetigen Gefahr eines Angriffs durch die Droorms oder anderer Raubtiere, das Wasser aus einem außerhalb liegenden Bach hastig ins Dorf schleppen zu müssen. Bei der Flucht aus dem Tal hatten sie fast alle ihre Haustiere verloren, man war froh, wenn man bei einem Jagdzug ein Tier erwischen konnte, das mit der Zeit gezähmt, sich als Haustier eignete.

Als nach zwei weiteren Jahren Feelinor eine Tochter gebar, war die Freude sehr groß. Die kleine Myranor war ein richtiger Sonnenschein und entwickelte sich prächtig. Allerdings zeigte sich schon ihn ihrer frühesten Jugend, dass sie sowohl die Intelligenz und das Geschick ihres Vaters, sowie auch die Hartnäckigkeit und das Durchsetzungsvermögen ihrer Mutter geerbt hatte. Manchmal konnte sie ihren Eltern einen richtigen Schock versetzen, wenn sie nicht auf sie hörte und draussen vor dem Schutzwall mit einem jungen Manock spielte, der sich hierher verirrt hatte. Ihre Mutter hatte sie mehr als einmal gewarnt: Ein Tritt von einem Muttertier dieser putzigen kleinen Wesen, konnte einen erwachsenen Mann auf der Stelle töten. Und dann war da ja noch die Gefahr mit den immer hungrigen Droorms. Aber ihre Tochter meinte nur: „Wenn ich einen sehe, laufe ich schnell über den Schutzwall, da kann das dicke Schnappmaul bestimmt nicht hochklettern.“

Es war auf einem der Streifzüge nach geeignetem Wild: Die Jäger verfolgten schon seit geraumer Zeit einen ausgewachsenen Manock, der aber offensichtlich verletzt sein musste. Diese Tiere waren normalerweise so flink und schnell, dass sie selbst einem Droorm mit Leichtigkeit entkommen konnten. Wenn man einen Manock fangen wollte, konnte das nur mit ausgelegten Fallen bewerkstelligt werden. Diesen Manock, den sie gerade verfolgten, hatten sie in einer Senke liegend entdeckt und zuerst gedacht, dass er tot sei. Als sie sich dem Platz näherten, war er aufgesprungen und hatte sich deutlich hinkend im Gebüsch versteckt. Wartarkaan sah die Möglichkeit diesen Burschen aufgrund seiner Verletzung zu erwischen, und die Krieger kreisten das Tier langsam ein. Tatsächlich erwischten sie ihn, er hatte eine große Wunde an einem seiner Hinterläufe und machte einen erschöpften Eindruck. Es sah fast so aus, als ob er zuvor schon von einem anderen Jäger verfolgt und getrieben worden war. Wartarkaan mahnte seine Männer zur äußersten Vorsicht, denn wenn der Jäger ein Droorm gewesen war, mussten sie sehr gut aufpassen. Ohne viel Gegenwehr ließ sich der völlig ermattete Manock gefangennehmen und sie banden seine Beine zum Abtransport zusammen. Aufgrund der lang dauernden Verfolgung waren sie heute sehr weit von ihrem bekannten Jagdgebiet abgekommen und mussten sich nun beeilen, vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause zu sein. Sie waren noch keine 200 Meter gelaufen, als einer der Krieger stehenblieb und die anderen mahnte, in Deckung zu gehen. Vor ihnen im Wald lag ein ..... Folaner? Tatsächlich, offensichtlich war es ein Angehöriger ihrer Rasse, stammte aber nicht aus ihrem Dorf. Als der am Boden liegende Folaner sah, dass dies kein Droorm gewesen war, der sich durch das Gebüsch geschlichen hatte, stöhnte er auf, und versuchte sich zu erheben. Deutlich konnte man auf seiner Brust zwei Stellen erkennen, wo er den Tritt dieses Manocks abbekommen hatte, und der hatte ihm offensichtlich alle Rippen gebrochen, so mühsam wie er versuchte, nach Atem zu ringen. Er konnte trotz aller Anstrengung nicht mehr sprechen. Wartarkaan deutete ihm an, dass sie ihn mit in ihr Dorf nehmen würden. Ein paar Äste von den Bäumen waren schnell zu einer Trage zusammengebunden, der schwer Verwundete wurde vorsichtig darauf gebettet. Man kann sich die Überraschung vorstellen, als die Jagdtruppe mit einem erlegten Manock ins Dorf zurückkam, und auch noch einen Folaner von einem anderen Stamm mitbrachte.

Es dauerte fast drei Wochen, bis der verletzte Fremde erste Anzeichen der Genesung zeigte. Feelinor hatte sich um seine Pflege gekümmert, und ihre Tochter Myranor, die ihrer Mutter bei der Pflege half, hatte jetzt doch gehörigen Respekt vor den Manocks bekommen. Sie hatte immer gedacht, ihre Mutter würde bei ihren Warnungen vor diesen Tieren ein wenig übertreiben. Als der fremde Folaner wieder richtig sprechen konnte und genug Kräfte gesammelt hatte, erzählte er Erstaunliches: Anscheinend gab es noch sehr viele Stämme von der Rasse der Folaner. Auch wusste er von einer kleinen Gruppe, die in einem Tal gewohnt hatte, und dort durch den Zorn des Feuergotts vertrieben worden war. Sie hatten bis vor kurzem bei ihrem Stamm gewohnt, sich dann aber doch dazu entschlossen, sich eine sichere, neue Heimat zu suchen, wo sie nicht alle paar Wochen vor den Droorms fliehen mussten, und deshalb leider ihren Stamm wieder verlassen. Wartarkaan vermutete, dass dies die Gruppe auf der anderen Seite der Erdspalte gewesen sein musste. Lebte sein Bruder noch? Und wenn, wie hatte diese Gruppe fliehen können? Die schlechte Nachricht war allerdings die weitere Erzählung, dass es anscheinend immer mehr von diesen Droorms gab, die inzwischen schon richtig Jagd auf Folaner machten. Er hatte zusammen mit seinem Volk schon fünf mal von Plätzen, wo sie ihr Dorf aufgebaut hatten, fliehen müssen. Beim letzten mal wäre ihr Dorf nicht einmal fertig aufgebaut gewesen, als sie schon wieder vor den heranstürmenden Droorms hätten fliehen müssen. Wartarkaan hatte zwar aus den alten Überlieferungen seiner Urväter auch ähnliches erfahren, aber da er bis zu seinem 19ten Lebensjahr nur in dem geschützten Tal gewohnt hatte, wollte er diese Geschichten damals nicht glauben. Nach dieser Überlieferung hatte ein mächtiger Häuptling eines großen Stammes, sein Volk in das Auge des Feuergottes geführt, und allen versprochen, dass ihnen bis zu diesem Ort nie ein Droorm folgen könne. Damit die in dem Schutz des Feuergott lebenden Krieger aber trotzdem die Gefahr außerhalb ihrer sicheren neuen Heimat nie vergessen würden, müssten sie mit Vollendung ihres 17ten Lebensjahres mit einem Droorm ausserhalb dieses geschützten Gebietes kämpfen. Nur wer das Blut eines Droorm vergießen würde, könnte sehen, welche Wut, unbändige Kraft und Gewalt in einem solchen Tier stecke, das würde mit Sicherheit keiner in seinem ganzen Leben vergessen.

Droormanyca wusste natürlich sofort bei den Erzählungen des vor ihr sitzenden Häuptlings Wartarkaan, dass das Volk der Folaner in dem Krater von einem riesigen Vulkan gewohnt hatte, und sie mehr als Glück gehabt hatten, entfliehen zu können, als dieser wieder Aktivitäten zeigte. Sie wusste, dass es häufig vorkam, dass sich in inaktiven Vulkankratern Ebenen mit sehr fruchtbarer Erde bildeten. Die Droorm waren aufgrund ihrer Körpergröße nicht in der Lage gewesen, so einen Krater zu erklimmen. Wenn die Folaner gewusst hätten, auf welchem „Pulverfass“ sie sich damals angesiedelt hatten, die Gefahr der Droorms währe ihnen dagegen lächerlich erschienen.

Droormanyca fragte den Häuptling, ob er je versucht hätte, seinen Bruder oder andere Überlebende dieser Katastrophe zu finden. Wartarkaan musste das Dorf auf der Anhöhe beschützen, er hatte deshalb nie die Möglichkeit gesehen, das Dorf für längere Zeit zu verlassen, um seinen Bruder und die anderen Überlebenden zu suchen. Ausserdem hatte er nicht so viele mutige Krieger, die ihn auf einer Suche hätten begleiten können. Da die Droorms sich tatsächlich immer stärker vermehrten, wurde es immer schwieriger, ausserhalb des Dorfes nach Wild zu jagen. Es kam immer häufiger in letzter Zeit vor, dass die Jäger sehr schnell zu Gejagten wurden und sie froh sein mussten, heil in ihr Dorf zurückkehren zu können. Roohn, der Krieger aus dem fremden Folanerstamm, war nach seiner vollständigen Genesung bei dem Stamm von Wartarkaan geblieben. Er hatte ihnen gezeigt, wie man Fallen baut, um die Manocks zu fangen. Allerdings herrschte meistens herbe Enttäuschung, wenn man kontrollierte, ob ein Manock in einer dieser Fallen gefangen worden war, und man dann feststellen musste, dass ein Droorm die Beute bereits schon gefressen hatte. Das Schlimme war dabei, dass die Droorm in ihrer unersättlichen Fressgier meistens die Fallen vollständig zerstörten und man wieder mühselig neue bauen musste. Einmal, als sie wenig Erfolg mit der Jagd in ihrem bekannten Gebiet gehabt hatten, waren sie auf der Suche nach Wild so weit gewandert, dass sie auf die Überreste eines Dorfes von den Angehörigen Roohns gestoßen waren. Deutlich waren die Zeichen zu erkennen, dass die Bewohner ihre Behausungen offensichtlich sehr hastig verlassen hatten. Einige Überreste von zerfleischten Haustieren zeigte den Jägern, dass die Droorms hier offensichtlich die Einwohner völlig überrascht und anschließend im Dorf bei ihrem „Festmahl“ gewütet und ganze Arbeit bei der Zerstörung des Dorfes geleistet hatten. Den Spuren zufolge, konnte man annehmen, dass die Bewohner des Dorfes in den nahen, dichten Wald geflohen waren. Der Wald bot bedingten Schutz vor den Droorms. Wenn sie großen Hunger hatten, konnte es durchaus vorkommen, dass sie ohne Rücksicht auf eigene Verletzungen durch das dichte Unterholz stürmten um ihre Beute zu erwischen. Mit ihrem enormen Körpergewicht und ihrer Knochenpanzerung wälzten sie dabei die im Wege stehenden Bäume einfach nieder. Nur die mächtigen, bis zu 25 Meter durchmessenden und über 200 Meter hohen Yokoonholzbäume trotzten diesen Körperkräften. Dieses Holz war so fest und hart, da konnte ein Droorm in vollem Anlauf dagegenrennen ohne dass es brach. Die Bearbeitung dieses Holzes war allerdings eine ganz besondere Anforderung an die Folaner. Es konnte nur mit sehr scharfen Werkzeugen geschnitten werden und war schwer wie Stein. Wartarkaan hatte aus diesem Holz die äußere Befestigung des Schutzwalls seines Dorfes anfertigen lassen. Wenn ein Droorm, oder ein anderes Raubtier gegen die angespitzten Enden der im Boden verankerten Pfähle lief, wurde er trotz seines Knochenpanzers aufgespießt und anschließend von den kleineren Räubern gefressen. Wartarkaan konnte sich noch immer nicht vorstellen, wie es Droormanyca bei ihrem ersten Auftauchen in seinem Dorf geschafft hatte, diese Pfähle bei ihrer Flucht vor den nahenden anderen Mitgliedern ihrer Rasse zu zerbrechen. Hätte er gewusst, dass Droormanyca es sich selbst auch nicht erklären konnte, warum sie solche außergewöhnlichen Kräfte hatte, er wäre mit Sicherheit noch mehr überrascht gewesen.

Es war inzwischen schon früh am Morgen, aber Droormanyca war von der Geschichte Wartarkaans so begeistert, dass sie ihn immer wieder ermunterte weiterzuerzählen, wenn er eine längere Pause machen wollte. Amüsiert saß seine Frau Feelinor bei der Gruppe dabei und sah zufrieden, wie sich Wartarkaan offensichtlich selbst auch freute, in Droormanyca so eine wissbegierige Zuhörerin gefunden zu haben. Bei seinem eigenen Volk waren es nur die Kinder, die man sonst mit solchen Geschichten begeistern konnte – die Älteren hatten ja alles selbst miterlebt, denen brauchte niemand diese Geschichte erzählen. Als Wartarkaan allerdings versuchte, Droormanyca dazu aufzumuntern, auch etwas von ihren „Abenteuern“ zu erzählen, stellte er mit Verblüffung fest, dass sie plötzlich sehr traurig und nachdenklich wurde. Als ihr Bewusstsein erwacht war, sah sie den sicheren Tod vor Augen. Sie hatte keine „Jugendzeit“ erlebt, zumindest hatte sie keinerlei Erinnerungen darüber. Nachdem sie von ihrer „Zwillingsschwester“ gerettet worden war, hatte sie erfahren, dass sie eine sogenannte „Replication“ ihrer Schwester war. Die Menschen, so wurde der Stamm genannt, von dem ihre Schwester kam, hatten keine solche besonderen Körperkräfte – also war selbst ihre Schwester, die auf dem Planet Erde aufgewachsen war, dort eine Aussenseiterin. Deshalb hatte sie auch das Angebot ihrer Schwester, mit auf ihren Heimatplanet zu kommen, abgelehnt. Wenn auf dem Planet Erde schon ihre Schwester ihre Fähigkeiten nicht zeigen durfte, wie würde es ihr dann wohl dort ergehen wenn sie nicht einmal wusste, woher sie eigentlich kam. Ihre Schwester hatte auf der Erde trotz ihrer besonderen Fähigkeiten einige Freunde gewinnen können, sie aber würde dort vermutlich sehr einsam sein. Feelinor beruhigte sie, denn sie sah die Verlorenheit von Droormanyca in deren tiefblauen Augen. Es war für Feelinor nicht vorstellbar, seine eigene Herkunft und Jugend nicht zu kennen. Es war schon seltsam im Leben, dachte Feelinor: Viele ihres Stammes hätten vermutlich alles gegeben, um solche Körperkräfte wie Droormanyca zu besitzen – Droormanyca sah sich durch diese Körperkräfte zur Aussenseiterin abgestempelt, und sie wünschte sich nichts sehnlicher im Leben, als „normal“ zu sein und sich auch an eine „Vergangenheit“ erinnern zu können. Feelinor nahm Droormanyca in ihre Arme als Bestätigung, dass sie in ihr eine sehr gute Freundin sah – egal welche Körperkräfte sie hatte. Droormanyca würde lernen müssen, dass die Kraft einer ehrlichen Freundschaft sehr viel größer sein konnte, als ihre Körperkräfte, von denen sie annahm, dass sie durch sie zur einsamen Aussenseiterin verdammt wurde. Auch Wartarkaan war von der Reaktion auf seine Frage an Droormanyca überrascht. Er kannte sie bis jetzt als starke und äußerst mutige Kriegerin – offensichtlich hatte sie zwei Eigenschaften in sich vereinigt: Den Mut und die Kraft eines Kriegers, und auf der anderen Seite war sie eine sehr empfindsame sensible junge Frau, auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens. Also wenn er solche Körperkräfte von der Natur geschenkt bekommen hätte .... - so verrückt zu sein, sich über ein solches Geschenk zu beklagen, das können nur die Frauen – dachte er sich. Wie wenn Droormanyca Gedanken lesen könnte, sah sie ihn gerade etwas vorwurfsvoll an. Plötzlich änderte sich der „vorwurfsvolle“ Gesichtsausdruck und völlig überraschend für alle, verkündete Droormanyca, dass sie sich gerade entschieden hatte, die versprengte Gruppe mit dem Bruder von Wartarkaan in den nächsten Wochen suchen zu wollen. Schließlich könnte man doch auch die von der Natur geschenkten „besonderen Kräfte“ vielleicht doch zu etwas Sinnvollem nutzen. Müde von der Feier während der Nacht, und auch etwas von dem anstrengenden Unternehmen, die große Kriegerin mit den Erzählungen von der Geschichte der Folaner vom Nachdenken über ihr eigenes Schicksal abzulenken, gingen Wartarkaan und Feelinor in ihre Hütte. Droormanyca zog sich auch in ihre Unterkunft zurück. Allerdings blieb sie noch sehr lange wach. Zu intensiv waren die zwiespältigen Gedanken daran, wie es sein konnte, dass manche sich sogar wünschten, ihre besonderen Fähigkeiten zu haben, sie selbst aber wiederum nichts sehnlicher wollte, wie die Eigenschaften, die die anderen im Moment hatten. Welches verrückte Spiel trieb eigentlich die Natur mit den Wesen die von ihr kamen?


Weitere Fortsetzungs-Kapitel von den Abenteuern Droormanycas auf dem Planet der Folaner:

Kapitel 05 - Die Suche
Kapitel 06 - Der Djoka
Kapitel 07 - Der Dämon
Kapitel 08 - Verletzung und Schmerz
Kapitel 09 - Der Atem des Erddämons
Kapitel 10 - Geysire
Kapitel 11 - Die Regeneration
Kapitel 12 - Die "Fremden"
Kapitel 13 - Die Kannibalen
Kapitel 14 - Die Schlucht
Kapitel 15 - Die Karawane
Kapitel 16 - Die Heimkehrer
Kapitel 17 - Die Macht der Feehls


Weitere Kapitel lesen:  01   02   03   04   


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