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Sonntag....sonntags - von Jurewa, 13.09.2008
Eine inzwischen vertraute Situation spielte sich im Verkaufsraum ab.
"Warum hast du dem Kunden eben nichts verkauft?", kam die nörglige Frage Reiners, als ein Kunde ohne Tüte den Laden verließ. Sonja hatte sich gerade selbst gefragt, was diesen Kunden und auch die anderen zuvor vom Kauf abgehalten hatte und reagierte deshalb ungehalten auf seine Frage.
"Hast du doch gehört, warum er nichts gekauft hat! Du hockst doch die ganze Zeit hinter der Tür und lauschst, also, was soll die Frage?"
"Aber, ich konnte den Kunden gar nicht sehen, hörte nur, dass er ein Polohemd..."
"Was wollte er, ein Polohemd? Kannst du nun auch nicht mal mehr richtig hinhören?"
"Was regst du dich denn so auf? Ich habe ihn doch gar nicht gesehen und wollte doch nur sagen..."
"Das ist wieder so typisch, du hast von nichts eine Ahnung, aber gibst permanent Ratschläge! Ich kann es schon nicht mehr hören, es regt mich nur noch auf!"
Sie stürzte aus dem Laden Richtung Toilette.
Reiner schaut verwundert hinterher, fragte sich, was Sonja derart aggressiv reagieren ließ. Er hatte doch nur fragen wollen! Die Ursache und Auswirkung standen in absolut keinem Verhältnis. Eine der Ursachen könnten die schlechten Umsätze ihres Textilgeschäftes der letzten zwei Monate sein, überlegte er. Es war nicht zum ersten Mal, dass Sonja so ausrastete. Ihm fiel auf, dass sie schon lange nicht mehr herzhaft lachte und einen leicht verkniffenen Zug um den Mund bekommen hatte. Mit ihrem blondem, kurzem Haar und der schlanken Figur war sie nach wie vor attraktiv, sicher, was auch von den Kunden regelmäßig angemerkt wurde. Im Gegensatz zu ihm war sie zu jedem Kunden freundlich und ließ keinen ihre innere Unruhe spüren.
Sonja schaute auf der Toilette in den Spiegel und dachte, dass das aufhören musste. Es ist doch völlig normal, dass einige nur schauen, sich alles zeigen lassen oder selbst wühlen, um dann doch nichts zu kaufen.
Sie wusste, dass ihr Ton gegenüber ihrem Mann vorhin unangebracht war und beschloss, sich diesmal zu entschuldigen. Es war eher Einsicht in die Situation, weniger ihre Überzeugung.
Er stand mit dem Rücken zu ihr, die Schultern hingen etwas herab, als sie zu sprechen begann:
"Hör mal, Reiner, das eben war, also, es tut mir Leid, dass ich so ausgerastet bin."
Er unterbrach sie fast sofort:
"Ist schon gut, du hast ja Recht, ich habe wirklich nicht richtig hingehört. Mich nervt das genauso wie dich. Im Grunde genommen kennen wir ja einen Teil der Ursachen für die Kaufzurückhaltung. Heute morgen stand schon wieder in der Zeitung, dass die Energiepreise angehoben werden. Wir können es nicht ändern. Was hältst du davon, wenn wir morgen am Sonntag gar nicht öffnen?"
Sie war verblüfft.
Sonntag das Geschäft nicht öffnen? Und diese Idee von ihm? Aufgrund der Bäderregelung durften die Einzelhändler im Ort ihre Geschäfte von Januar bis November auch an den Sonntagen öffnen.
Sonja fühlte, wie sie Begeisterung ergriff. Einfach nicht öffnen? Es hatte fast etwas Verbotenes, trotz dem die Öffnungszeiten freiwillig sind.
Nach einer kurzen Diskussion einigten sie sich auf eine Radtour entlang der E9, ein Radweg, der über den Darß bis auf die Insel Rügen führt.
So vermessen waren sie nicht, Rügen zu erreichen, aber ein Drittel wäre gut zu schaffen.
Der Sonntag versprach, schön zu werden.
Schäfchenwolken am Himmel, etwas kalter Wind und immer wieder Sonne. Es war Mai und da war einfach nicht mehr zu erwarten.
Der Weg führte über die Warnow, wo sie mit der Fähre übersetzten und weiter durch den Wald. Saubere, klare Luft und satte Farben- der Mai hält im Allgemeinen, was er verspricht.
Während der Fahrt drifteten Sonjas Gedanken ab in die tiefe, in die ganz tiefe Vergangenheit dreißig Jahre zuvor. Schon einmal waren sie Ende Mai zusammen unterwegs gewesen, allerdings per Fuß und Richtung Westen. Das Wetter an jenem Tage war wie an dem heutigen: kalter Wind und Sonne, die regelmäßig von Wolken verdeckt wurde. Reiner und sie kannten sich ein halbes Jahr, waren aber immer nur kurz aufeinander getroffen, da Sonja in Berlin und er in Rostock wohnte. An jenem Maitag hatte er frei und sie beschlossen, eine kleine Wanderung entlang der Küste Richtung Kühlungsborn zu unternehmen.
Es war aufregend.
Jedes Wort hatte eine besondere Bedeutung, die Luft vibrierte von den Sehnsüchten und Hoffnungen. Als das Meer endlich vor ihnen auftauchte, war der Strand ganz leer. Es war ein normaler Wochentag, an dem die meisten beschäftigt waren. Die Jugendlichen hielten sich an belebteren Stränden auf, ging es doch für sie ums Sehen und Gesehen werden.
Sonja und Reiner waren allein und verschwanden mit ihrer Lust aufeinander relativ schnell in den Dünen. Sie erinnerte sich, dass die Sonne heiß auf das nackte Hinterteil brannte, jedoch immer mal wieder von einem kaltem Windstoß abgekühlt wurde. Die feinen Sandkörner rieben die Haut auf.
Es störte sie alles nicht.
Als das Meer nun in der Ferne auftauchte, die Räder angeschlossen waren, fragte Reiner Sonja:
"Erinnerst du dich?"
Auch er erinnerte sich und sie sah das Glitzern in seinen Augen. Der Strand war wiederum ganz leer. Vereinzelt sah man Windschützer an den schrägen Dünen und noch vereinzelter Spaziergänger direkt am Meer.
Sie schauten, lächelten und verschwanden wieder sofort in den Dünen. Das gleiche Gefühl, das gleiche Verlangen, die gleiche Lust überkam sie.
Sonja lächelte etwas verlegen, als sie zu ihm sagte:
"Wollen wir? In unserem Alter?"
Gleichzeitig gab sie ihm lachend einen Schubs und er fiel in den Sand.
Der Gedanke an das Alter war so flüchtig.

Später lief sie am Strand entlang, in der Hoffnung, einen Hühnergott zu finden. Diese Steine, in die das Meer ein Loch gewaschen hatte, faszinierten sie von jeher. Noch nie hatte sie einen gefunden, sich aber immer über die Leute gewundert, die einmal am Meer entlang liefen und -zig Götter fanden!
Reiner war im Sand eingeschlafen und erschrak, als er ihre fröhliche Stimme hörte:
"Los, rate mal, wieviele Götter ich in meiner Hand habe!"
Er zog sie zu sich hinunter, sie umarmte ihn und sagte:
"Sieben Götter habe ich!"
Dann bestaunten sie gemeinsam die sechs Steine, die sie in der Hand hielt.
Was für ein schöner Tag, dachte sie, Sonntag eben



©2008 by Jurewa. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

Kommentare


Von Alexander-Grosse
Am 27.06.2014 um 19:57 Uhr

Ich würde dieses Werk gerne in die Rubrik Erotik verlegen.
Ein sehr flüssiger Text und einfach zu verstehen. : )
Man kann sich immer darüber streiten in welche Rubrik die jeweiligen Geschichten gehören und wenn jemand etwas dagegen einzu wenden hat, dass ich diese verschiebe soll sich bitte bei mir melden. Ich lasse mich gerne davon überzeugen, dass dieses Werk hier richtig einsortiert ist.


Von Jurewa
Am 07.08.2009 um 18:42 Uhr

Hallo Scrittore,
danke für dein freundliches Feedback ,-)!
Nach so langer zeit rechnete ich gar nicht mehr mit einem Kommentar, umso mehr habe ich mich gefreut.

Lieben Gruß,
jurewa


Von scrittore
Am 06.08.2009 um 20:53 Uhr

Also mir hat die Story sehr gut gefallen


Von Jurewa
Am 14.09.2008 um 17:59 Uhr

Hallo Nymphadora,

danke für deine Rückmeldung zu der Geschichte.
Nörgelig und nörglig sind zwei selbständig Worte und in meinem Fall ist der Ausdruck richtig geschrieben. Ich musste selber erst einmal nachschauen ,-))!
Zu der Anwendung von Präteritum kann ich nur sagen, dass es reicht, einmal im Satz die Vergangenheit zu bringen:Sonja schaute (Prät.) in den Spiegel... und dann ist es Gegenwart, weil sie es ja in dem Moment denkt, verstehst du?
....So vermessen waren(Prät.) sie nicht, Rügen zu erreichen...hier ist die Zeitform auch korrekt, meiner Meinung nach.

Ich danke dir für dein positives Feedback, das mich sehr gefreut hat.
Ciao,
jurewa


Von Aabatyron
Am 14.09.2008 um 14:44 Uhr

Neben dem PC schlafen? Wenn das mal passiert ist, dann habe ich es allerdings selbst nicht gemerkt.

Spass beiseite - ich bin momentan beim Studieren von Elektrotechnik und Elektronik, Schaltungs- und Steuerungstechnik. Da gibt es immer wieder für meine Lehrunterlagen Ausdrucke anzufertigen. Die Zeit während der Drucker rasselt, nutze ich immer, um im Forum zu schauen, was es Neues gibt.

Es ist äusserst entspannend, so neben der Lernerei immer ein paar gute Geschichten lesen zu können. Das ist meine Art, Entspannungspausen zu machen - andere hören sich dagegen Musik an, usw.

Da hast du mich natürlich recht gut erwischt - das fällt mir jetzt erst auf, dass bei allen Kommentaren die Uhrzeit mit angezeigt wird, wann der Kommentar geschrieben wurde. Beim lernen schaue ich so gut wie nie auf die Uhr - da kann es schon mal auch nach Mitternacht werden.


~*~ Werner May ~*~


Von Nymphadora
Am 14.09.2008 um 10:33 Uhr

Hallo,

eine wirklich schöne Geschichte, obwohl sie für mich eindeutig in die Rubrik Liebe gehört.
Trotzdem habe ich einige kleine Anmerkungen.
(Tut mir leid. ich fürchte daran muß du dich gewöhnen, ich finde fast immer was, auch bei meinen eigenen Texten)

-...kam die nörglige Frage...-
kleiner Rechtschreibfehler, es muß, glaube ich nörgelig heißen.

-...Sonja schaute auf der Toilette in den
>Spiegel und dachte, dass das aufhören
>musste. Es ist doch völlig normal, dass
>einige nur schauen, sich alles zeigen
>lassen oder selbst...-

1. Ich glaube, es müßte es war doch völlig normal heißen.
2. Ich finde, hier hättest du wörtliche Rede einsetzen können. Das hätte die Story noch lebendiger gemacht.

-...So vermessen waren sie nicht, Rügen zu
>erreichen,
aber ein Drittel wäre gut zu
>schaffen...-

Hört sich für mich ein bißchen unschön an. Vielleicht..
So vermessen waren sie nicht, Rügen zu
>erreichen zu wollen...

>Es war aufregend.

Hier erinnert sie sich. Da du sowieso schon in der Vergangenheitsform schreibst, sollte es vielleicht so heißen:

Es war aufregend gewesen.

Mein Gott, was für eine schöne Geschichte. (Ich weiß, ich wiederhole mich)
Deine Geschichte hat mir ein richtiges Lächeln auf die Lippen gezaubert.

p.s. mir fällt gerade was ein. Nörglig? ist das die neue Rechtschreibung? Falls ja, vergiß, was ich geschrieben habe. Davon habe ich keine Ahnung!!!


Nana Nymphadore


Von Jurewa
Am 13.09.2008 um 22:56 Uhr

Hallo Aabatyron,

kann es sein, dass du neben deinem PC schläfst ,-))?
Kaum gepostet und schon ein Kommentar-
wnderbar! Und dann noch ein freundlicher, da sage ich DANKE!
Lieben Gruß,
jurewa


Von Aabatyron
Am 13.09.2008 um 22:42 Uhr

Eine sehr schöne Geschichte - klingt wie aus dem Leben gegriffen - mit Happy-End.


~*~ Werner May ~*~

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