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Eine etwas andere Liebesgeschichte Kapitel 12 - von star65, 10.03.2008
Eine Woche spaeter bringe ich es endlich fertig
meinem Vater und Fernando zu berichten, Dass ich mich fuer ein Training mit einem Begleithund angemeldet habe.
Die beiden sind erleichtert. Fernando sagt: "Mensch alter!
Jetzt geht es endlich wieder nach vorn mit dir.
Du kannst dich schliesslich nicht immer nur selbst bemitleiden.
Viele andere Menschen, denen es so ergangen ist
schaffen es auch..." Ich unterbreche ihn:
"Ich bin nicht andere!
Glaubst du etwa ich werde mich damit abfinden,
wie die anderen in einer Werkstatt schrauben zu sortieren?
Nein, wenn das Training mit dem Hund zuende ist,
werde ich einen Beruf finden.
Im Gegensatz zu dir spreche ich sehr gut englisch.
Da muss doch was zu machen sein."
Star fragt: "War dein Gesicht denn zu dieser Zeit
schon wieder voellig rekonstruiert?" "Nein,
die Wiederherstellung hat etwas ueber ein Jahr gedauert.
Nach jedem Klinikaufenthalt musste ich warten,
bis alles verheilt und zusammengewachsen war."
Nun erforscht sie mein Gesicht mit ihren wunderbaren Haenden.
Dabei ist sie so behutsam und vorsichtig,
als sei ich eine der Porzelanfiguren aus dem Wohnzimmer.
Etwas unsicher meint sie:
"Hoffentlich tue ich dir nicht weh.
Falls du Schmerzen hast, gib mir einfach eine Ohrfeige ok?"
"Es ist alles gut. Du weisst es doch. Niemals wuerde ich dich schlagen.
Einige Zonen meines Gesichtes sind fast taub.
weil an diesen Stellen die Nerven beschaedigt sind,
fuehle ich fast garnichts.
Die Gesichtshaut braucht in meinem Fall sehr viel Pflege.
Morgens im Badezimmer dauert es fast so lange wie bei einer Frau.
Mein Problem ist die Nase.
Ich habe jetzt schon das zweite Transplantat innerhalb von drei Jahren.
Bei meiner Nase kommt es immer wieder zu Abstossungsreaktionen.
Kein Arzt kann feststellen, woran es liegt."
In ihrem Kopf arbeitet es.
Beinahe kann ich hoeren, was sie denkt.
Ich glaube Star wuerde gerne sagen:
"Du armer mensch. Du hast schon so viel erlebt."
Ich hasse Mitleid und bin dankbar dafuer, dass sie es nicht ausspricht. Ich denke gerade: "Prima, jetzt ist sie abgelenkt."
Doch da kenne ich Miss Star sehr schlecht. Sie befiehlt:
"Los, erzaehl schon weiter undzwar sofort!"
"Immer zu Ihren Diensten Lady Star.
Nur habe ich wieder einmal vergessen, wo ich stehen geblieben bin.
Bitte habe Erbarmen mit einem kleinen hilflosen Sizilianer,
der dir treu ergeben ist!"
Sie murmelt irgendwas auf deutsch. Als ich immer noch nichts sage, aendert sie die Gangart. Star zieht meinen Kopf an ihre Schulter
und streicht ueber mein Haar. Leise fragt sie:
"Hast du denn ueberhaupt kein Vertrauen zu mir?
Es geht mir wirklich nicht darum dich auszuspionieren.
Nach allem, was ich nun von dir weiss kann ich sehr gut verstehen,
dass du Menschen gegenueber misstrauisch geworden bist.
Ich habe bereits begriffen, dass deine Aroganz und reserviertheit
ein Schutzschild ist. Du spielst den Mr. Superblind
damit die Menschen nicht merken, wie es wirklich in dir aussieht."
Diese Frau hat wieder einmal einen Treffer
mitten in meine Seele platziert.
Weil sie recht hat, fuehle ich mich in die Enge getrieben.
Energisch mache ich mich von ihr los.
Als ich Star vom Sofa auf die Fuesse stellen will, meint sie ruhig:
"Du bbrauchst nicht an mir zu zerren. Ich stehe freiwillig auf.
Achja, noch etwas ganz wichtiges.
Auch jetzt habe ich keine Angst vor dir.
Anscheinend bin ich die einzige Person, welche sich traut
Mr. I am the greatest die Wahrheit zu sagen.
Der Herr kennt das noch nicht
und muss sich erst einmal daran gewoehnen."

Ira erwachte und bezog ihre Position zwischen GM und mir.
Die Huendin stiess uns abwechselnd mit der Nase an.
Sie wollte sicher sagen: "Hoert auf, undzwar auf der Stelle!
Ich kann es nicht ertragen, wenn ihr euch streitet!
Immer diese Menschen!"
Wir beugten uns gleichzeitig zu ihr hinunter
und streichelten das Tier.
Ira drehte den Kopf argwoehnisch zu Herrchen. .
GM sagte etwas auf italienisch zu seinem treuen Hund
und nahm mich bei der Hand.
Er zog mich zum Sofa. "Komm, setz dich wieder zu mir.
Du moechtest doch sicher wissen, wie es ausgeht."

Nun sitzen wir wieder sehr nah bei einander und ich berichte weiter.
Endlich beginnen Andrea, Ira und ich mit dem Training.
Die ganze Sache beginnt mir wirklich Freude zu bereiten.
Andrea schafft es sogar mich zu ueberreden,
zusaetzlich auch ein Training mit dem Langstock zu machen.
Mit Ira laufe ich aber viel lieber,
weil ich dann viel schneller vorankomme.
Wenigsttens habe ich keine Langeweile mehr.
Das Training ist mit sehr viel Konzentration verbunden.
Dadurch werde ich etwas ausgeglichener
und schlafe in der Nacht auch viel besser.
Kurz bevor das Training abgeschlossen ist meint Andrea:
"Gaetano, du bist mein bestes Pferd im Stall.
Mit dir sind es momentan 14 Leute,
die ein Hundetraining machen.
Ich bin sehr angetan davon, wie schnell du alles gelernt hast.
Das ist nicht bei allen Teilnehmern der Fall.
Jeder Mensch hat seine Staerken und Schwaechen.
Dabei spielt es ueberhaupt keine Rolle,
ob dieser Mensch nun blind oder sehend ist."
Ich frage energisch: "Andrea, was willst du mir damit sagen?
Du verfolgst doch ein Ziel,
wenn du mir soviel Honig um den Mund schmierst.
Das ist sonst nicht deine Art zu reden.
Also, was willst du von mir?"
"Sie denkt eine Weile nach und sagt dann:
"Da ist etwas, ueber das ich mit dir reden will. Du hast dich bisher nicht einmal nach den anderen Trainingsteilnehmern erkundigt.
Sie tauschen regelmaessig ihre Erfahrungen unter einander aus.
Weil du sehr gut mit Ira harmonierst,
koenntest du fuer die anderen ein gutes Beispiel sein.
Ich wuerde mich wirklich sehr darueber freuen,
wenn du bei unserem naechsten Treffen dabei waerst."
Diese neue Information muss mein Gehirn,
oder was auch immer davon uebrig geblieben ist erst einmal verarbeiten.
Also spiele ich mal wieder den Grosskotz.
"Kannst du mir sagen, wass ich bei den anderen Flachpfeifen soll?
Sicher suche ich nach einem neuen Beruf.
Aber an eine Stelle als Krueppelpfleger habe ich dabei nicht gedacht.
Das ist dein Job und nicht meiner."
Zum aller ersten mal wird die sonst immer sehr geduldige
und freundliche Andrea ser wuetend.
"Was bildest du dir eigentlich ein?
Meinst du besser als alle anderen zu sein?
oder wie soll ich deine unqualifizierte Antwort verstehen?"
Ich entgegne kleinlaut: "Es tut mir leid.
Aber, ich bin doch wirklich voellig anders als die anderen."
"Wie willst du das denn beurteilen?
Du hast doch noch keinen aus der Gruppe getroffen.
Es kann nicht jeder so gebildet und belesen sein wie du.
Die anderen Trainingsteilnehmer haben eine faire Chance verdient.
Komm wenigstens einmal mit. Wenn es dir dort nicht gefaellt,
brauchst du beim naechsten mal nicht wiederkommen."
Nur damit sie endlich Ruhe gibt, stimme ich Zaehne knirschend zu.
Andrea verabschiedet sich von Ira und mir und sagt kurz und knapp: "Also dann bis uebermorgen."
Der Tag der Krueppelversammlung ist schneller da,
als mir lieb ist. Ich frage meinen Hund: "Was meinst du?
wenn ich mich einfach krank melde
und nicht zu diesem voellig ueberfluessigen Treffen gehe?
Ob die Andrea dann wohl sehr boese mit mir ist?"
Der Hund legt den Kopf schief und stellt die Ohren auf.
Ich hoere Ira antworten:
"Chef, das ist eine ganz schlechte Idee.
Andrea waere bestimmt sehr boese
und wuerde mit dir schimpfen."
Also machen wir zwei uns auf den Weg zum Krueppeltreff.
Forsch stosse ich die Gasthaustuer auf.
Andrea kommt uns entgegen.
Ira begruessst sie stuermisch.
"Beeil dich! alle anderen sind bereits da
und wollen dich gerne kennen lernen!"
"Oh, warte es ab! Wenn die mich erst kennen,
ergreifen die Hohlbirnen garantiert die Flucht.
Na, wo sind sie denn alle?" Ich schlurfe hinter Andrea her.
Meine Begeisterung haelt sich wirklich in Grenzen.
Als wir ankommen, knalle ich demonstrativ die Tuer zu,
damit alle anderen wissen, dass ich da bin. Its Showtime!
Alle Gespraeche verstummen sofort.
Herausfordernd frage ich in den Raum:
"Hey, was ist denn mit euch los?
Seit ihr alle eingeschlafen? Oder ist vielleicht schon jemand an Selbstmitleid gestorben?"
Andrea zischt mir ins Ohr:
"Als der liebe Gott Benehmen verteilte,
bist du bestimmt ganz schnell ausgerissen.
Wenn ich es nicht besser wuesste, wuerde ich denken,
dass du ein dummes, ignorantes egoistisches Arschloch bist.
Reiss dich jetzt verdammt noch mal zusammen
oder ich helfe dir nie wieder. Du hast die Wahl."
Ich grinse sie bloede an
und flehe mit einer kleinen hohen Stimme:
"Nicht schlagen meine Herrin! Ich mache wirklich alles,
was Sie wollen! Nur bitte bitte nicht hauen ja?"
Ploetzlich erwacht die restliche Krueppelbande zum leben.
Einer faengt an zu lachen und alle andern fallen ein.
Naja, wenn sie so froehlich lachen, koennen diese Menschen hier vielleicht garnicht so hohl im Kopf sein.
Wenigstens scheinen sie Humor zu haben.
Auch Andrea muss gegen ihren Willen lachen.
Ira bekommt von mir die Anweisung,
einen freien Platz zu suchen.
Ich parke meinen Luxushintern auf einem Stuhl
und warte auf die Dinge, die da kommen.
Alle Teilnehmer stellen sich erst einmal vor.
Das finde ich voellig ok.
Dann weiss man wenigstens, mit wehm man es zu tun hat.
Einige der Herrschaften hier sind seit ihrer Geburt blind.
Manche haben ihr Augenlicht
so wie ich erst spaeter verloren.
Als ich mit meiner Selbstbeschreibung an der Reihe bin,
weiss ich im ersten Moment garnicht, was ich sagen soll.
Zur Beruhigung streichele ich meinen Hund.
Das weiche Fell zu fuehlen gibt mir immer Sicherheit.
Ira legt ihre Vorderpfote in meine Hand
und dann sage ich mit fester Stimme:
"Hallo zusammen! Mein Name ist Gaetano.
Ich bin 35 Jahre alt
und stehe erst seit kurzer Zeit im Dunkeln.
Andrea hat mich unter Androhung einer harten Strafe
hierher geschleppt.
Weil mich starke Frauen immer sehr aengstigen,
konnte ich nicht anders, als ihr zu folgen.
Zu meiner Person:
Einen Beruf habe ich leider noch nicht.
Meine besonderen Begabungen sind:
schlechtes Benehmen, zuviel Kraft, gutes Englisch,
eine sehr grosse Klappe
und die Liebe zur Musik. Ich spiele Gitarre und Piano.
Manche Menschen meinen auch, dass ich singen kann.
Ausserdem interessiere ich mich fuer alles,
was mit Technik zu tun hat.
Wenn jemand von euch Hilfe am Computer benoetigen sollte,
stehe ich gern zur Verfuegung."
Mit meiner letzten Bemerkung
loese ich eine wahre Flut von Computerfragen aus.
Ich beantworte alles der Reihe nach.
Das Krueppeltreffen ist garnicht mal so uebel.
Es erfuellt mich mit Freude zu merken,
dass ich anderen Leuten helfen kann.
Die Zeit der Langeweile und Tatenlosigkeit
scheint endlich vorbei zu sein.
Als die technischen Probleme weitgehend geklaert sind,
stelle ich eine Frage in die Runde:
"Wer von euch hat einen Beruf?
Vielleicht kann mir jemand helfen,
eine passende Arbeit zu finden."
Die meisten Leute haben eine Stelle als Schreibkraft
oder Telefonist.
drei sind in einer Werkstatt taetig.
Einige sind schon zu alt,
um arbeiten zu gehen.
Eine aeltere Dame, die mir schraeg gegenueber sitzt
hat eine gute Idee.
Du hast eben gesagt, dass du fliessend englisch sprichst.
Da waere doch ein Job als Uebersetzer garnicht schlecht.
Allerdings muesstest du dann an deinem Benehmen
etwas aendern. In der freien Wirtschaft sollte man
sich nicht so auffuehren, wie du es vorhin getan hast."
Mit meiner tiefen John-WayneStimme antworte ich:
"Keep cool grandmother! Du musst wissen,
dass ich sehr viele Gesichter habe. Wenn es sein muss,
kann ich mich auf der Stelle in einen Gentleman verwandeln!"
Wieder beginnt der ganze Verein zu lachen.
Weil die Leute gerade so gut in Schwung sind,
gebe ich noch ein paar witze mit Geraeuschen
und Stimmen zum besten.
Es ist sehr spaet geworden und wir alle gehen nachhause.
Andrea holt mich ein und stellt mit Genugtuung fest:
"Ich glaube, es hat dir bei uns gefallen. Gib es ruhig zu!
Fuer alle andern war das heute eine Abwechselung.
So etwas wie dich kennen die noch nicht."
"Das habe ich dir doch schon einmal gesagt.
Vielleicht kommen sie beim naechsten mal nicht wieder.
Dann waeren wir zwei ganz allein."
Sie faellt mir ins wort: "GM, halt einfach die Klappe.
Ich bin keine Frau, die du so einfach umlegen kannst"
Merke dir das gefaelligst!"
Ich entgegne in meinem verfuehrerischsten Tonfall:
"Oh, wie kannst du dir da so sicher sein? Ich liebe dich,
weil du mein Leben gerettet hast."
Sie drischt mir gegen den Oberarm
und knallt ihre Autotuer zu.
Sie reitet vom Hof, als ginge es um Leben und Tod.



©2008 by star65. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

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