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Eine etwas andere Liebesgeschichte Kapitel 11 - von star65, 10.03.2008
Manchmal ist sie mir richtig unheimlich.
Diese Frau kann meine Gedanken lesen.
Gerade denke ich daran, wieviele Details aus meiner Vergangenheit ich ihr noch berichten muss.
Da fordert sie mich auf, doch weiter zu erzaehlen.
Um Zeit zu schinden frage ich:
"Wie weit habe ich gestern berichtet?
Ich kann mich einfach nicht mehr erinnern."
Ohne nach zu denken antwortet sie:
"Du erzaehltest mir,
dass du dir eine Sprachausgabe fuer den Computer besorgt hast.
Du sprachst auch davon,
dass du in der ersten Zeit keine Hilfe von deinem Vater
und deinem besten Freund Fernando annehmen konntest."
Miss Star hat ein Gedaechniss wie ein Buchhalter.
Sie hat sich alles genau gemerkt.
Erwartungsvoll dreht sie ihren Kopf zu mir und nimmt meine Hand.
Ich versuche ein Ablenkungsmanoever.
"Du traegst zwei schoene Ringe.
Mit welcher Art von Steinen sind sie bestueckt?"
Die Besitzerin der Juwelen antwortet eine Spur zu freundlich:
"Liebster Gaetano! Ich erzaehle dir nachher etwas ueber den Schmuck.
Jetzt bist du erst einmal an der Reihe."
"Kann ich die Aussage verweigern Frau Richterin?"
"Nein Mr. I am the greatest.
Gestehen Sie endlich, undzwar sofort! Haben Sie mich verstanden?"
Meine Star koennte eine gute Geschaeftsfrau sein.
Sie ist sehr hartnaeckig
und verfolgt ihr Ziel wie ein schlauer Jagdhund.
Ich ueberlege einen Moment lang, ob ich fluechten soll.
Sie haelt meine Hand eine Spur fester.
Es hilft nichts. Da muss ich wohl durch.
Ich konzentriere mich
und gehe mit meinen Gedanken zurueck in die Vergangenheit.
Dem Medizinmann, welchem ich im Krankenhaus die Nase brach
zahle ich freiwillig ein grosszuegiges Schmerzensgeld,
damit er die Klappe haelt.
Meine Mutter klagt immer wieder:
"Junge! Wo du doch jetzt so schwer behindert bist,
brauchst du unbedingt eine liebe Frau, die fuer dich sorgt.
Mit so einer schweren Krankheit kann man einfach nicht allein leben!
Das musst du doch langsam einsehen!"
Ich schreie sie an: "Halte einfach deine Fresse!
Du bist sowieso bloed wie ein Sack Kartoffeln!
Eine Frau ist ok. Aber die suche ich mir selber aus!
Hast du das jetzt endlich begriffen?
Naja, begreifen kannst du nicht besonders viel.
Lass mich einfach inruhe!"
Entweder ich schmeisse sie am Ende eines solchen Gespraeches raus, oder ich knalle die Tuer und gehe in den Keller,
wo meine Musikinstromente stehen.
Dieses Theaterstueck fuehren Lamama und ich
mindestens einmal pro Tag auf.
Es ist ein Verhaltensmuster,
aus dem ich mich sehr lange Zeit nicht befreien kann.
Dazwischen immer wieder Aufenthalte in diversen Kliniken.
Als erstes bekomme ich Glasaugen.
Diese werden nach einem Foto angefertigt.
Dann folgt die Wiederherstellung meines Gesichtes.
Viele Eingriffe sind noetig,
damit aus diesem Durcheinander von Haut, Fleisch und Knochen wieder so etwas wie ein Gesicht entsteht.
Ich verwandele mich in ein Ersatzteillager.
Die aerzte entnehmen Haut um sie zu zuechten
und schliesslich zu transplantieren.
Darunter wird Silikon verarbeitet.
Dieses Kunstwerk soll ja die Form
eines menschlichen Gesichtes bekommen.
Das alles ist fuer die Aerzte und auch fuer mich
sehr muehsam und dauert viel zu lange.
Vater und Fernando lesen sich durch Hilfsmittelkataloge
und sonstige Informationen,
die es zum Thema Leben ohne Augenlicht gibt.
Ich brauche zwei Monate um zu erkennen,
dass ich mir irgendwo professionelle Hilfe holen muss.
Mein Ziel ist es, so unabhaengig wie moeglich zu werden.
Also forsche ich im Internet
und finde eine Trainerin fuer Begleithunde.
Ohne Fernando oder meinem Vater etwas davon zu sagen,,
setze ich mich telefonisch mit ihr in Verbindung.
Es faellt mir sehr schwer,
mich mit meiner unabaenderbaren Situation abzufinden.
Vom wirklichen Unfallhergang erzaehle ich ihr natuerlich garnichts.
Ich reisse mich so gut wie es geht zusammen
und waehle die angegebene Nummer.
Es meldet sich ein Anrufbeantworter. "Guten Tag! Mein Name ist GM.
Ich moechte mich sehr gerne darueber informieren,
welche Kriterien ich erfuellen muss,
um Halter eines Fuehrhundes zu werden.
Bitte rufen Sie mich zurueck. Telefon ....
Selbstverstaendlich koennen Sie mir auch eine Mail schicken. Mailadresse: Desperado...
Eine halbe Stunde spaeter klingelt das Telefon.
Ich nehme den Hörer gleich nach dem ersten Tonn ab.
"Guten Tag! Mein Name ist Andrea Sciba.
Haben Sie vor einer halben Stunde
auf meinen Anrufbeantworter gesprochen?""
"Ja, Ich verlor vor kurzem meine Sehfaehigkeit und habe
ehrlich gesagt ueberhaupt keine Ahnung von der ganzen Materie.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich Hunde wirklich sehr gerne habe.
Leider war es mir beruflich bedingt nicht moeglich,
einen Hund zu halten.
Das hat sich jetzt geaendert, weil ich keinen Beruf mehr habe."
"Es ist sicher eine grosse Umstellung fuer Sie.
Wenn Sie ein gutes Verhaeltniss zu Hunden haben,
kann dies die Sacher sehr erleichtern.
Erst jedoch moechte ich mir Ihr Umfeld genau ansehen.
Ich gebe meine Hunde naemlich nur in gute Haende."
"Ja, das kann ich sehr gut verstehen. Wenn es nach mir geht, koennen Sie sofort herkommen.
Das waere eine Abwechselung.
Ich langweile mich, weil ich nicht weiss,
was ich den ganzen Tag machen soll."
"Haben Sie denn keine Hobbys?" "Ich bin Musiker.
Als ich noch sehen konnte habe ich diverse Sportarten betrieben.
Den Sport kann ich jetzt wahrscheinlich vergessen."
"Vielleicht finden wir einen passenden Hund.
dann koennten Sie mit ihm laufen.
Wenn man nicht mehr sehen kann,
ist das Leben nicht zwangslaeufig zuende.
Ich kann sehr gut verstehen, dass Ihnen der Verlust des Sehens
wie ein unloesbares Problem vorkommt.
Da sind eine Menge Dinge, auf die Sie jetzt verzichten muessen.
Bitte bedenken Sie, dass es einige Menschen auf der Welt gibt, denen es aehnlich geht.
diese Leute lernen auch ihr Leben zu meistern.
Bitte verfallen Sie nicht in Depressionen oder auch Selbstmitleid. Wir werden ueber all diese Themen sprechen."
Ich unterbreche sie: "Wann sind Sie hier?"
"Da die Angelegenheit sehr dringend ist,
komme ich in zwei Stunden zu Ihnen. Ist das ok?"
"Ja, ich bin sehr erfreut darueber,
dass Sie sich Zeit fuer mich nehmen.
Etwas muss ich Ihnen noch sagen: Bitte erschrecken Sie nicht.
Bei dem Unfall wurde mein Gesicht ziemlich zerstoert.
Frankenstein ist eine Schoenheit im Gegensatz zu mir.
Meine Festplatte im Kopf ist jedoch arbeitsfaehig.
Ich moechte Ihnen nocheinmal dafuer danken,
dass Sie sich so schnell meiner an." nehmen."
Da unterbricht sie mich: "Das ist mein Job.
Also bis in zwei Stunden."
Ich will noch etwas sagen, aber da hat sie schon aufgelegt.
Die Zeit will einfach nicht vergehen. Dann endlich klingelt es.
Vor Nervositaet
faellt mir der Hoerer der Sprechanlage aus der Hand.
Dann schaffe ich es doch noch den richtigen Schalter zu finden. Die haustuer oeffnet sich. "Hallo, ich bin Andrea.
Darf ich eintreten?" Wir geben einander die Hand.
Dann gehen wir in meine Wohnung. Pruefend schaut sie sich um. "Hier ist es sehr ordentlich. Haben Sie Hilfe
oder machen Sie das alles allein?" "Nun hier kenne ich mich aus.
Vieles geht etwas langsamer als frueher.
Was Haushalt und Technik betrifft komme ich sehr gut klar.
Bei vielen anderen Dingen habe ich eingesehen,
dass ich ohne fremde Hilfe nicht weiterkomme."
Sie ist die Ruhe in Person
und zeigt auch keine Regung wegen meines zerstoerten Gesichtes. "Ich wuerde Ihnen gern einige Hunde vorstellen.
Dann sehe ich gleich, wie die Tiere auf Sie reagieren.
Ist das ok?" "Natuerlich ist das ok! Wann soll es denn losgehen?""Ambesten gleich. Bitte kommen Sie mit mir."
Ich bin total begeistert und richtig aus dem Haeusschen.
Noch im Laufen schnappe ich mir Handy, Geldboerse
und meine Jeansweste.
Draussen haenge ich mich bei Andrea ein.
Mein Herz haemmert wie ein Drumcomputer.
Endlich einmal ohne Papa oder Fernando meine Wohnung verlassen.
Davon traeume ich schon seit langem.
Wir fahren zwanzig Minuten mit dem Auto.
Als wir aussteigen, hoere ich die Hunde schon bellen.
"Wieviele sind es?" "Momentan sind es vier.
Drei von ihnen wechseln bald den Besitzer. Ich zeige Ihnen alle vier."
Sie oeffnet ein Tor und wir gehen hindurch.
Vier freundliche und auch sehr aufgeweckte Fellbuendel
springen um mich herum.
Ich halte ihnen meine Haende zur ersten Kontaktaufnahme hin.
Jeder einzelne Hund begruesst mich. Ich glaube
Andrea beobachtet mich noch mehr als die Wuffis.
Die Tiere und ich spielen und toben eine ganze Weile herum.
Dann setze ich mich auf den Boden. Ein Hund setzt sich zu mir
und stoesst mich mit der Nase an.
Waehrend ich das Tier streichele frage ich: "Du hast aber schoenes weiches Fell. Wie heisst du denn ?"
Weil die Hundedame nicht antworten kann sagt Andrea: "Das ist Ira.
Sie hat noch keinen Besitzer. Doch ich merke,
dass der Hund sehr positiv auf Sie reagiert.
Bei den Anderen machen Sie auch einen guten Eindruck.
Aber unsere Ira hat sich gerade eben ueber beide Ohren verliebt."
Der Hund kuschelt sich wie zur Bestaetigung noch naeher an mich.
Ich hoere Ira sagen:
"Darf ich bitte bei dir bleiben?
Die anderen haben schon ein Zuhause und ich noch nicht.
Wenn ich erst einmal bei dir bin, fuehlst du dich bestimmt nicht mehr so einsam."
Ira und ich unterhalten uns noch eine ganze Weile.
Dann meint Andrea:
"Ja, ich weiß nun, dass ihr euch bestimmt gut verstehen werdet.
Ist es Ihnen recht, wenn wir in vierzehn Tagen mit dem Training anfangen?"
"Das ist ja noch so lange. Aber ich werde alles so machen, wie Sie wollen.
Liebe Andrea, koennen Sie mir wohl sagen, was ich ausserdem noch tun kann?"
"Nach Abschluss des Trainings, waere es sehr gut,
wenn Sie eine Institution besuchen,
die sich mit der Ausbildung blinder Menschen beschaeftigt."
Wieder erscheinen vor meinem geistigen Auge
Bilder von Werkstaetten fuer behinderte.
Momentan frage ich mich gerade:
Warum nennt man einen menschen, dem ein Sinn fehlt
eigentlich behindert?
Nun, das ist ein anderes Thema.
Kehren wir wieder zu Ira, Andrea und mir zurueck.
Sie setzt sich zu dem Hund und mir auf den Boden und meint:
"Gaetano, ich weiss, was Sie jetzt gerade denken.
Es geht nicht um Werkstaetten,
in denen z. B. koerperbehinderte arbeiten.
Nein, ich meine einen Ort, wo Sie die Blindenschrift
und den sachgemaessen Umgang mit Hilfsmitteln erlernen.
Dort haben Sie auch die Moeglichkeit
mit anderen Menschen Erfahrungen auszutauschen."
"Das bringt mir garnichts. weil ich nicht wie andere Blinde bin."
"Haben Sie denn schon andere blinde Menschen getroffen?"
"Nein, das ist auch nicht noetig.
Ich werde mir aber Ihren Vorschlag gruendlich ueberlegen.
Vielleicht kann ich ja doch noch etwas neues lernen."
Wir gehen noch ein Stueck spazieren
und danach faehrt sie mich wieder nachhause.
Dieser Ausflug hat dafuer gesorgt,
dass ich etwas zuversichtlicher und auch ausgeglichener bin.
Erst schreibe ich die neuen Ereignisse in mein Tagebuch.
Dann gehe ich in den Keller und komponiere einige Lieder.



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