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Eine etwas andere Liebesgeschichte Kapitel 6 - von star65, 10.03.2008
Nun erfahre ich also, dass es Marc gibt.
Er ist 29 Jahre alt und ein sehr vertraeumter Pianist.
"Wie hast du ihn kennen gelernt?"
"Wir trafen uns auf einem Sommerfest
des regionalen Blindenvereins.
Innerhalb einer Stunde hatten wir unsere Daten ausgetauscht.
Dann kam eins zum andern. Wir haben viel gemeinsam.
Aber ich habe erkannt, dass es keine Basis fuer eine Beziehung ist.
Der junge Mann hat sich in seinem Leben
nicht sonderlich mit der realen Welt beschaeftigt.
Stehts lebte er in einer Traumwelt. Heute wundert er sich,
dass er mit seinen Mitmenschen keinen Kontakt bekommt."
"Ja, dieses Verhalten gibt es bei Musikern sehr haeufig.
Doch man sollte immer daran denken, das es einen Grund gibt,
warum ein Mensch ist wie er ist". "Ja, da hast du sicher recht.
Nur habe ich jetzt erkannt, dass ich nicht mein ganzes Leben
als grosse Schwester oder Psychologin verbringen will."
"Was meinst du, wenn du grosse Schwester sagst?
Ich hoere diesen Ausdruck im Zusammenhang mit euch beiden
schon zum zweitenmal."
Star will etwas sagen und findet offenbar nicht die passenden Worte.
Ich forsche:
"Meinst du das physisch oder seelisch?"
"Beides trift zu. Wir sind nicht wir koennen nicht
ach, ich weiss nicht, wie ich es erklaeren soll!"
Jetzt wird die Sache langsam interessant.
Also sage ich ruhig: "Ihr schlaft nicht miteinander.
Der junge Klavierspieler ist offensichtlich kein Italiener."
Sie richtet sich auf und haut mit der Faust auf den Tisch.
"Na, du bist mir ja eine grosse Hilfe! Vielen Dank dafuer!
Das bringt mich wirklich weiter. Typisch Mann eben!"
Wiedereinmal will sie fortlaufen.
Damit der Zorn verschwindet,
nehme ich sie einfach in die Arme
und es funktioniert. Ihre Wut loest sich in Luft auf.
"Entschuldige. Das war wirklich ein dummer Spruch.
Weisst du, wenn ich ueberlege, rede ich oft Bloedsinn.
Diese Situation ist bestimmt nicht einfach fuer dich."
Nein, es ist alles so schwierig und aussichtslos.
Ich hatte immer gedacht, der Altersunterschied spielte keine Rolle.
Nun muss ich erkennen, dass er mich oder uns eingeholt hat."
"Wie macht sich der Altersunterschied bemerkbar?"
"Gespraeche ueber das aktuelle Zeitgeschehen
kann ich mit ihm garnicht fuehren. Er hoert kaum Nachrichten
oder befasst sich mit der Situation unserer Gesellschaft.
Marc beschwert sich immer, weil er nirgends mitreden kann.
Dann sage ich ihm, dass er etwas fuer seine Allgemeinbildung tun soll.
Aber das koennte ich auch meiner Kaffeemaschine erzaehlen.
Es waere das gleiche Resultat. Er tut sich immer selber leid."

Fuer mich war es eine grosse Erleichterung,
einmal mein Herz ausschuetten zu koennen.
Jeder in meiner Umgebung sagte zu mir:
"Was willst du denn? Ihr seid beide Musiker
und passt doch sehr gut zusammen."
Ich hatte mir die gleichen Worte auch immer selber vorgesagt.
GM war nicht schuld an meinen Zweifeln.
Die hatte ich auch vorher schon gehabt.
Immerwieder versicherte ich mir, dass Marc einfach nur Zeit brauchte.
Ein Gespraech wie GM und ich es jetzt fuehrten,
waere mit Marc nicht moeglich. Dann hatte ich noch eine Erkenntniss:
"Wenn ich ein Problem habe, kann ich mit ihm garnicht darueber reden.
Er hat sich in seiner Gefuehlswelt so sehr verzettelt,
dass er mit sowas total ueberfordert waere."
GM fragte:
"Warum hast du dann solange an einer Beziehung festgehalten,
obwohl du wusstest, was auf dich zu kommt?"
"Dafuer gibt es mehrere Gruende.
Ich wollte und konnte nicht akzeptieren,
dass ich mir wiedereinmal den falschen ausgesucht habe.
Du hast mit deiner Formulierung allein im Urwald
einen wunden Punkt in mir getroffen.
Das spielt sicherlich auch eine Rolle bei meiner Entscheidung."
"Wass bedeutet es, wenn du sagst,
dass du dir wieder einmal den falschen ausgesucht hast?"
"Bjoern war genau das Gegenteil von Marc.
Er war in allen moeglichen Vereinen. hatte dort diverse Posten.
Der fing alles an und brachte aber nichts wirklich zuende.
Ich glaube, Bjoern hatte Angst, im Leben irgendwas zu verpassen.
Deswegen war er immer auf der Jagd nach neuen Aemtern und Posten.
Wir kannten einander ueber 20 Jahre lang.
Vor zwei Jahren brach der Kontakt entgueltig ab.
Wenn ich dir erklaeren wuerde warum,
muesstest du eine ganze Woche hierbleiben."
"20 Jahre sind eine lange Zeit. Ich nehme an,
dass Bjoern die grosse Liebe deines Lebens war.
Dann kam der Pianoplayer
und danach der psychischkranke Sizilianer.
Du musst eine sehr starke Frau sein.
Sowas haelt sicherlich nicht jeder aus."
"Ja, es war die Liebe meines Lebens.
Lange Zeit kam ich einfach nicht von ihm los.
Ich habe immer gewusst, dass es einmal zuende ist.
Doch das es so endet, konnte ich nicht ahnen.
Mit Marc habe ich seelisch mehr gemeinsam als mit Bjoern.
Mit Bjoern hatte ich rein physisch ueberhaupt keine Probleme.
Heute wuerde ich sogar sagen,
dass der Sex am Ende unsere gemeinsame Basis gewesen ist."
Noch nie hatte ich einem Menschen so ein Gestaendniss gemacht.
Man kann sagen,
dass die Festplatte in meinem Kopf eine Sonderschicht einlegte.
Mein bisheriges Leben war ploetzlich auf dem Pruefstand
und wurde einer gewissenhaften Qualitätskontrolle unterzogen.
Gm fischte seine Uhr aus der Hosentasche und stellte fest:
"Es ist schon 11 Uhr.
Wir muessen morgen beide wieder frueh aufstehen.
Ich verspreche dir, dass wir morgen weiter reden, wenn du willst.
Bitte versuche zu schlafen.
Am naechsten Morgen sieht man die Dinge oft klarer."
Es war schoen fuer mich zu wissen,
wenn ich einen schlechten Traum haette, war jemand da.
Ich fragte: "Bleibst du bei mir?
Ich kann jetzt einfach nicht allein sein."
"Ja sicher! ich kann doch nicht zulassen,
dass die Flut wiederkommt."
Es ueberkam mich eine Zuversicht und Ruhe,
wie ich sie schon lange nicht mehr empfunden hatte.
Im Bett redeten wir noch ein bisschen
und dann schliefen wir ein.
Eine Stunde spaeter wachte ich wieder auf.
An Schlaf war nicht zu denken.
Mir ging vieles im Kopf herum. Ganz leise schlich ich fort.
Dann schnappte ich mir ein Telefon
und rief meine Freundin Steffi an. Sie war noch wach
und ich erzaehlte ihr alles von A-Z.
Nachdem ich meinen Report beendet hatte stellte sie fest:
"Ja, das habe ich mir schon gedacht."
"Was meinst du damit?"
"Du sprachst so begeistert von GM.
Da ahnte ich schon, das du verliebt bist."
"Ich habe ihm auch von Marc erzaehlt.
Erst war er ungehalten.
Dann hat er mich getroestet
und jetzt schlaeft er friedlich in meinem Bett.
Nur ich kann einfach nicht pennen."
Wir redeten noch ein Bisschen von Frau zu Frau.
Irgendwann legten wir auf und ich ging wieder ins Bett.
Ich war ganz leise und vorsichtig.
Trotzdem erwachte GM sofort.

Star hat offensichtlich eine Wanderung durch das Urwaldhaus gemacht.
Jetzt versucht sie gerade unbemerkt wieder ins Bett zu klettern.
Ich lege die Arme um sie und frage:
"Warum spazierst du um diese Zeit herum?
Kann ich dir irgendwie helfen oder etwas fuer dich tun?"
Sie antwortet unsicher: "Nein, ich glaube ich weiss nicht.
Entschuldige, dass ich dich aufgeweckt habe. Es tut mir leid."
"Das ist ueberhaupt nicht schlimm.
Unser menschliches Gehirn hat die Eigenschaft, immer online zu sein.
Sogar wenn wir schlafen denken wir.
Nur dann können wir unsere Gedanken nicht kontrollieren.
So entsttehen die Traeume. "Bist du Mediziner oder Seellendoktor?"
"Ich war und bin vieles in einer Person.
Jetzt quatzsche ich eine Menge dummes Zeug.
Ich rede sehr leise und eintoenig. Daraufhin schlaeft sie ein.

Als der Radiowecker sich meldete,
war die andere Seite des Bettes leer.
Ich ging ins Bad und dort traf mich der Schlag.
GM stand unter der Dusche und sang italienische Schnulzen.
Rock, blues und folk hatte ich schon von ihm gehoert.
Diesmal sang er wie ein Opernsaenger.
Ich musste laut lachen.
Da sprang er aus der Dusche und fiel mir klatzschnass
mit seinem ganzen Kampfgewicht um den Hals.
Er legte seinen Mund auf den meinen. Ich protestierte:
"Keine Zeit ich muss arbeiten und du wahrscheinlich auch!"
"Ja, das ist leider richtig. Schade, nicht wahr?"
Irgendwann schaffte ich es zu duschen und mich anzuziehen.
Meine Kollegen wunderten sich sehr ueber mich.
Ich war locker, entspannt und einfach gut gelaunt.
"Was ist denn mit dir los? so froehlich heute."
"Ach, das Leben ist einfach schoen."
Mehr wollte ich ihnen nicht erzaehlen.
Als die Fruehschicht vorbei war,
wartete ich auf meinen Sizilianer.
Diesmal traf er gegen 18 Uhr bei mir ein.
Fuer seine Verhaeltnisse war er an diesem Abend sehr still.
Ich fragte: "Was fehlt dir?
Sind die Geschaefte nicht gut gelaufen
oder bist du vielleicht traurig?"
"Mit den Geschaeften ist alles ok. Weisst du, ich bin auch so einer
von den wehleidigen spaet erblindeten, die immer Jammern.
Ich kann kein Auto und kein Motorad mehr fahren
meinen frueheren Job habe ich auch nicht mehr.
Manchmal ueberkommt mich eben ein Anfall von Selbstmitleid.
Es ist genau das, was ich so sehr bei anderen verachte.
in solchen Momenten kann ich mich selbst nicht ausstehen."
So hatte ich ihn noch nie reden hoeren. Also ging ich zu ihm
und nahm ihn wortlos in die Arme. Wir hielten einander fest
und waren uns in jeder Hinsicht sehr nah.
"Ich aergere mich auch oft darueber,
dass ich keinen Fuehrerschein machen kann."
"Ja, aber du kennst es nicht anders.
Es ist etwas voellig anderes, wenn man noch nie gesehen hat.
Du hast mir erzaehlt, dass du dunkelbraune Haare hast.
Ich kann mir die Farbe vorstellen.
Da du von Geburt an nichts siehst,
hast du auch keine visuellen Eindruecke."
"Meine Eltern haben mir immer die Farben von Tieren, Gegenstaenden
oder meiner Kleidung genannt."
"Das ist sehr positiv und umsichtig von ihnen.
Aber davon weisst du nicht, wie eine Farbe aussieht.
Ich will es dir an einem Beispiel erklaeren:
Du kannst dir die Ira vorstellen und weisst sicher genau,
wie sie sich anfuehlt.
Doch weil ddir der Sehsin fehlt,
wirst du niemals wissen, wie sie aussieht."
"Da hast du sicher recht.
Dennoch sind mir visuelle Angelegenheiten nicht total egal.
Dinge wie Kleidung, Schmuck und Makeup sind mir sehr wichtig
und nehmen in meinem Leben einen sehr grossen Raum ein."
""Das weiss ich.
Kurze Zeit war ich in einer Blindenbildungseinrichtung.
Dort verbrachte ich drei Wochen.
Schliesslich haben sie mich des Hauses verwiesen.
In diesem Auffanglager waren alle Arten von Menschen vertreten.
Spaet erblindete, Lernbehinderte
und auch psychisch kranke so wie ich."
"Warum sagst du das immer? Ich habe den Eindruck,
dass du im inneren stabil und gefestigt bist."
Daraufhin lachte er. Es klang nicht froehlich,
sondern angespannt, verbittert und auch einwenig irr.
Diesmal war er es, der seinen Kopf an meine Schulter legte
und ich fuehlte, dass dieses Lachen sehr nah am Weinen war.
Ihm uebers Haar streichend sagte ich: "Es ist alles gut.
Ich bin bei dir und wenn du mit mir reden moechtest,
werde ich dir zuhoeren. Gestern warst du fuer mich da
und heute moechte ich dir gern etwas davon zurueckgeben.
Bei mir brauchst du nicht beweisen, dass du ein toller Kerl bist.
Ich mag dich auch viel lieber,
wenn du nicht den Mr. I am the greatest heraushaengen laesst."
Ploetzlich ohne Vorwarnung riss er sich von mir los.
Er fragte in einem aroganten und sehr ueberheblichen Ton:
"Was willst du eigentlich von mir? Glaubst du wegen einer Nacht
kannst du ueber mein Leben bestimmen? Lass mich einfach inruhe!
Sonst wirst du bezahlen und auch dafuer buessen."
In diesem Moment war er mir wirklich unheimlich.
Aber ich wusste, wenn ich jetzt Angst zeigte, haette ich verloren.
Also blieb ich ganz ruhig und sagte leise: "Lieber Gaetano,
ich moechte nicht ueber dein Leben bestimmen. Sag mir doch bitte,
was ich falschgemacht habe. Auf keinen Fall wollte ich dir zunahetreten.
Momentan ist dein verhalten mir gegenueber sehr ungerecht."
Er erhob sich und stand vor mir. Ich fasste nach seinen Haenden.
Er hatte sie zu Faeusten geballt.
Seine Haende haltend fragte ich freundlich:
"Willst du mich etwa schlagen? nur weil dir die Argumente ausgehen
und du gemerkt hast, dass ich recht habe?"
GM riss mich vom Stuhl hoch und wir standen voreinander.
Ira kam angelaufen und stellte sich zwischen uns.
"Wenn du mich erschreckst ist das nicht schlimm.
Doch auf den Hund solltest du wirklich ruecksichtnehmen.
Ira ist eines der friedlichsten Wesen, das ich kenne.
Sie hat es mit dir nicht immer einfach.
Ich hoffe sehr, dass sie keine Schlaege bekommt.
Sollte ich das herausbekommen, kannst du dich warm anziehen.
Die Menschen, die mich kennen sagen,
wenn ich Wut habe verfuege ich ueber sehr viel Kraft."
GM zuckte zusammen,
als wenn er schon eine Tracht Pruegel von mir eingesteckt haette.
Er fluesterte kaum hoerbar: "So etwas wuerde ich niemals tun.
Traust du mir sowas wirklich zu?"
Ich stellte mich dumm, weil ich es ihm nicht so einfach machen wollte.
"Wie meinst du das? Ich traue dir eine Menge zu.
Vorallem dann, wenn du deinen Willen nicht bekommst
oder eine Weibsperson dich vielleicht einmal durchschaut.
Es muss doch fuer dich mehr als demuetigend sein,
wenn eine Frau keine Angst oder auch Ehrfurcht vor dir hat nicht wahr?"
Mit ganz kleiner Stimme fragte er: "Wirfst du mich jetzt hinaus?
Ich koennte es gut verstehen. Das ist es,
was ich mit psychisch krank gemeint habe. Es kommt ueber mich
und ist meistens staerker und ich komme einfach nicht dagegen an.
Niemals wuerde ich dich oder Ira schlagen. Was ich vorhin gesagt habe war scheisse. Es tut mir aufrichtig leid!
Du hast gestern gesagt, dass wir uns moegen. Halte mich bitte nochmal fest so wie vorhin."
Ich war nicht mehr wuetend sondern tief bewegt.
Wir schlangen die Arme um einander und Ira legte sich wieder schlafen.



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