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Prosa => Liebe


Das Wiedersehen - von vandunching, 12.08.2004
Anderthalb Jahre war es her - vielleicht länger, so genau wusste er es nicht mehr. Nun wiederholt sich alles. Eine seltsame Freundschaft. Er sitzt vor einem Café in der menschenleeren Altstadt, wartet auf sie. Verspätung. Wie sie jetzt wohl aussieht, nach all der Zeit? Eine Brise an diesem heißen Sommerabend, frischer Wind. Ob er sie erkennen wird? Fragen, die seinen Kopf förmlich sprengen. Nervös greift er in seine Hosentasche; Handy, Taschentücher, Zigaretten. Jetzt rauchen? Was wird sie dazu sagen? Die Erinnerung an einen Rat kommt wieder, er lässt es sein. Lieber noch einen Schluck aus dem Glas, das seit 15 Minuten vor ihm steht.
Dann erscheint ihr Gesicht am Horizont. Zuerst ist er unsicher, ist sie es? Als sie näher kommt steht er auf, geht auf sie zu, sagt kein Wort. Er reicht ihr die Hand, "Hi". 20 Zentimeter Luft trennen die beiden, in 2 Sekunden des Schweigens, die wie eine Ewigkeit in einer Parallelwelt erscheinen, lassen sich ihre Hände nicht los. Küsschen links, Küsschen rechts, ein verwirrter Blick von ihr, dann Schweigen. Fehler? Nein jetzt nicht über Fehler nachdenken, er will jetzt den Augenblick genießen, ihn nachholen. Den Augenblick für den er vor anderthalb Jahren alles gegeben hätte und doch, nicht genau für diesen und sowieso, jetzt nicht mehr. Immer noch hielten sich ihre Hände, doch die dünne Luftschicht zwischen ihnen war nun wie statisch aufgeladen und drückte sie langsam auseinander. Schweigend nehmen sie da Platz, wo seit geraumer Zeit sein Getränk abzustehen droht.
"Lang nicht gesehen" - "Ja". Schweigen ist die Sprache in der sie sich unterhalten. Und doch sagt diese manchmal mehr aus als alles andere. Diese aufgesetzten Bla-Gespräche der Vergangenheit zur Vertuschung von Gefühlen scheinen ein Ende gefunden zu haben. Doch Fragen schweben im Raum, Fragen die keiner stellt, niemand beantwortet, aber die doch jeder zu spüren scheint. "Ist es noch wie früher?", sei es reine Neugier, sei es Interesse oder einfach nur eine Notwendigkeit um einzuschätzen, wie man miteinander umgehen muss, keinem der Beiden gehen diese Worte über die Lippen. Weder direkt noch indirekt, offensichtlich oder verdeckt, offen oder andeutungsweise. Die Vergangenheit prägte beide - mit Wunden, die nun sichtlich zu Narben erstarrt waren. Seit damals, als alles und nichts zerbrach, haben sie nur einmal miteinander geredet, sechs Monate vor diesem Treffen. Es war eine Aussprache - über dreihundert Kilometer.
Sie wusste nun Bescheid über die Wahrheit von damals, er auch. Es herrschte eine gewisse Euphorie, alles könnte werden wie es einmal war, nur dass diesmal keine Fehler gemacht würden. Schließlich konnte man offen reden. Doch Telekommunikation hat mit realer Kommunikation nicht viel zu tun, das merkten nun beide. Die Distanz kann Schweigen brechen, doch nicht auf Dauer. Immer bilden sich zwei Welten aus, die reale und die virtuelle, immer trennt man sie. Die Menschen heute haben zwei Gesichter, wenn auch nur zwei halbe - und die beiden sind keine Ausnahme. Die Ehrlichkeit findet sich im Virtuellen. Er überträgt sie aber nicht ins Reale. Sie auch nicht. Niemand tut das, niemand weiß, wie Worte am Telefon oder elektronische Worte zu werten sind. Sie haben Angst diese auf altmodische Art und Weise zu verifizieren - vielleicht auch kein Bedürfnis. Das wissen sie selbst nicht.
Ein Licht erhellt die hereinbrechende Nacht, es ist seine erste Zigarette, sie bricht nur kurz das Schweigen und kaum die Spannung zwischen den Beiden. "Du hast dich verändert" - "Ja, vielleicht". "Du siehst allerdings immer noch aus wie früher". Indirektes relativiert, die geballte Aussagekraft, möglicherweise sowieso nur Einbildung. Nicht nur die Nacht sorgt für Dunkelheit, beide sind überschattet. Es ist der Schatten der unerwiderten Gefühle, der gescheiterten Liebe, der Verschlossenheit und der Depression. Neben der Zeit das Einzige, was die beiden sich an diesem Abend teilen.

Alfred van Dunching



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