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Treppe - von Jurewa, 12.08.2007
Ich stolpere, verliere den Halt und werde von einer Hand, die von einem schwarzen Leinensacko halb verdeckt ist, gehalten. Vor Schreck schließe ich die Augen, mir wird schwindlig.
Mir blieben an diesem Morgen fünfundzwanzig Minuten, dann würde ich es schaffen. Ich hasste es, zu spät zu kommen. Ich beschloss, am Holbeinplatz umzusteigen und nicht am Hauptbahnhof, weil ich dort nur zwei Treppenabsätze runterlaufen brauchte.
Der Fahrkartenautomat war defekt! Typisch. Also musste ich im Zug nachlösen!
Wieso war ich in letzter Zeit so fertig und wegen jeder Kleinigkeit aufgeregt? Es war seit der Trennung von Knut, über die ich einfach nicht hinwegkam. Ich war es, die sich getrennt hatte und wie es so schön hieß: in gegenseitigem Einvernehmen. Als ob man sich so trennen könnte! Einer verließ und einer wurde verlassen, so war das.
Die nächste Station? Lütten Klein, ich hatte noch Zeit, die Trennung, sie ging mir nicht aus dem Kopf, trotzdem sie fast ein Jahr zurücklag. Es war nie bewiesen worden, dass Knut mit seiner Assistentin ein Verhältnis hatte. Sie stritt es ab , er auch, gesehen hatte sie niemand. Wieso war ich davon überzeugt, dass sie ein Verhältnis hatten?
Ich vermisste ihn, immer noch. Zwei Jahre Zusammenleben waren nicht so einfach auszulöschen.
Er hatte eine leichte Art im Umgang mit Menschen, man vertraute ihm schnell. Wenn er den Raum betrat, veränderte sich die Atmosphäre und er war sofort der Mittelpunkt. Außerdem war er ein guter Zuhörer, besonders wenn jemand seinen Rat suchte, Probleme hatte. Und er hatte eine fröhliche Seite, hatte mich oft zum Lachen gebracht.
Einer seiner größten Schwachpunkte war seine ständige Sucherei. Damit hat er mich wahnsinnig gemacht. Wenn ich nur daran denke, wenn der Fahrkartenkontrolleur kam und er seinen Fahrschein nicht finden konnte.
Bei ihm musste auch immerzu etwas passieren. Er saß selten still. Zu Frauen hatte er ein sehr spezielles Verhältnis. Sie waren für ihn Inspiration auf jeder Ebene. Er faszinierte natürlich auch Männer und sie ihn, aber das wollte ich nie sehen.
Ich wusste um meine Eifersucht, diesem Gefühl aus Angst und Traurigkeit. Dieser beunruhigende Zustand resultierte aus einem vorgestellten oder tatsächlichen Entzug von Liebe oder Aufmerksamkeit.
Er beteuerte immer wieder, dass es nur der Mensch sei, der ihn interessierte, nicht die Frau. Ich glaubte es ihm am Anfang, später nicht mehr. Wieso musste er die Frauen ständig berühren, wenn er mit ihnen sprach? Ich berührte doch auch niemanden. Aber war es nicht genau das, was mich an ihm so fasziniert hatte? Diese lockere Art mit allem umzugehen?
Mit meinen Eifersuchtsattacken hatte ich uns das Leben zur Hölle gemacht, es waren keine Unterhaltungen möglich, wir gingen nicht aus, stritten uns wegen Kleinigkeiten. Durch meine Abhängigkeit von ihm hatte ich mehr und mehr mein Selbstwertgefühl untergraben und dann verloren. Ich zog aus und suchte mir eine kleine Wohnung.
Vor sechs Monaten hatte ich Ralph kennengelernt, der mir gleich das Gefühl von Ruhe und Sicherheit gab. Er arbeitete im Nachbarinstitut. Während eines Meetings saßen wir nebeneinander und kamen so in Kontakt, der schnell intensiver wurde. Das Leben mit ihm verläuft gleichförmig. Der Besuch von kulturellen Veranstaltungen wird abgesprochen. Unangemeldete Besuche gibt es nicht. Wir harmonieren gut miteinander und doch verlässt mich dieses Gefühl nicht, dass etwas fehlt. Nur was?
Bramow, die nächste Haltestelle war Holbeinplatz, da ich musste aussteigen.
Der Zug hielt direkt an der Treppe, ich lief darauf zu, rempelte eine Frau an, kam ins Stolpern, fiel fast die Treppe hinunter und konnte mich gerade noch am Geländer und an einem Männerarm festhalten, der vor mir auftauchte.
Ich starre auf den Ärmel, schwarzes Leinen, die Manschette des weißen Hemdes schauen hervor, nicht zugeknöpft, bei den meisten wirkt das schlampig. Ich kenne nur einen, wo es sehr lässig wirkt. Als ich aufsschaue, blicke ich in die Augen von Knut. Ich fühle, wie mein Blut nach unten sackt, wie mir schwindlig wird.
Ich bin doch auf dem Weg zu Ralph, ich habe gar keine Zeit.





©2007 by Jurewa. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

Kommentare


Von Aabatyron
Am 29.08.2007 um 16:34 Uhr

...guter Schluss der Geschichte!

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Es gibt 1 Kommentar


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