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Status: Zur Vernichtung freigegeben! - Kapitel 04 - von Aabatyron, 21.07.2007
Status: Zur Vernichtung freigegeben!
Kapitel 4 Der gefangene Geist


Wärme, Geborgenheit, Gefühle des Glücks und die Geräusche die es schon inzwischen kannte. Eine beruhigende Stimme. Sinneseindrücke die immer deutlicher an das kleine sich entwickelnde Bewußtsein drangen.

Es steckte in einem kleinen Körper der sich sogar bewegen lies - unkontrolliert noch, aber es war ein unwahrscheinlich gutes Gefühl, ihn zu spüren.

Dann plötzlich änderte sich alles. Die wohlige Wärme war noch da, aber etwas schien sich grundlegend an der Umgebung geändert zu haben. Panische Gedankenfetzen drangen an das kleine Bewußtsein. Schmerz? Ja es war ein großer Schmerz der alle anderen Sinneseindrücke abgelöst hatte. Irgend etwas stimmte nicht, versuchte das kleine Bewußtsein zu verdrängen. Warum, was war passiert?

Kämpfen - das Bewußtsein mußte dagegen kämpfen in seiner Existenz vernichtet zu werden. Es brauchte alle Kraft, um am Leben zu bleiben. Holte aus dem kleinen Körper alle Energiereserven - es war das wichtigste, dass es überlebte, auch wenn der Entzug der Energien dem kleinen Körper immer mehr Schaden zufügte.

Normalerweise kamen die Energien bisher immer von aussen, von dieser Hülle die es schützend umgab. Die Energie war schlagartig versiegt.

Kämpfen ums überleben - sonst nichts mehr.


Dann nach unendlich langer Zeit kam plötzlich wieder der erste Sinneseindruck von aussen. Eine vertraute Stimme. Energie von aussen. Gierig versuchte der kleine Körper sich jetzt wieder zu holen was er brauchte.

Es war zu spät. Nur das Bewußtsein hatte überlebt. Der kleine Körper hatte großen Schaden erlitten, viele Funktionen waren tot - für immer nicht mehr regenerierbar.

Aber das Bewußtsein hatte überlebt und war so stark wie zuvor.

Immer mehr Energie kam jetzt von aussen, floss durch den noch einzig funktionierenden Bereich des kleinen Körpers, der damit etwas anfangen konnte. Das winzige Gehirn. Milliarden Gehirnzellen entwickelten eine gigantische Aktivität.

Das Bewußtsein wurde stärker als je zuvor - regte das Wachstum von noch mehr Gehirnzellen an. Den kleinen Körper konnte es nicht mehr spüren - er hatte das Geschehen nicht unbeschadet überstanden, war nur noch eine notwendige Hülle.


Aufregung - das Bewußtsein mußte seine bisherige Umgebung verlassen. Schmerz, fremde Stimmen - aber auch vertraute Stimmen. Sorge war aus den vertrauten Stimmen zu hören.

Es war kalt ausserhalb der bisher schützenden Umgebung. Das Bewußtsein war plötzlich umgeben von vielen fremden Eindrücken, hatte Angst - wo war die vertraute Stimme geblieben.

Ein neues seltsames Geräusch machte ihm zusätzlich Angst. Erst jetzt bemerkte es, dass sein eigener kleiner Körper dieses fremde Geräusch verursachte. Er weinte - beklagte sich gegen diese Behandlung.

Schmerzen - irgend etwas fügte im Schmerzen zu - immer und immer wieder. Das war eine grausame Welt. Das Bewußtsein wollte wieder zurück in die schützende Umgebung. Dort war es geborgen, sicher dass sein kleiner Körper nicht gequält wurde.

Dann hörte es plötzlich wieder diese vertraute Stimme, fühlte eine vertraute Wärme. Der kleine Körper lag in den Armen der Mutter. Jetzt war bestimmt alles gut.

Etwas berührte den kleinen Körper. Die Stimme, die zuvor so sorgenvoll geklungen hatte, drückte plötzlich Freude aus – der Vater.

Licht, es war sehr grell. Das Bewußtsein befahl dem kleinen Körper die Augenlieder wieder zu schließen – fast die einzigste Funktion des Körpers, die es noch in der Lage war zu steuern. Irgendwann sahen dann doch die beiden Augen in das Gesicht der Mutter und des Vaters.

Die beiden hatten dem Bewußtsein einen Namen gegeben. Jennyfer sollte es heissen. Vor allem die Mutter sprach diesen Namen so liebevoll aus. Das war beruhigend. Die Mutter würde das kleine neugeborene Wesen mit ihrem Leben beschützen.


Jahre vergehen.

Das Bewußtsein ist sehr mächtig geworden. Aber es ist anders wie all die anderen Bewußtseins, die gewöhnlich in biologischen Körpern wohnen. Diese Individuen nannten sich Menschen und konnten ihren Körper bewegen und mit ihrem Geist steuern.

Jennyfer konnte ihren Körper nicht einmal spüren, geschweige denn, ihn bewußt steuern. Sie kannte inzwischen auch den Grund: Ihre Mutter hatte einen schweren Unfall gehabt, dabei war der Schaden entstanden.

Das Sprachzentrum funktionierte nicht. Es wurden keine Impulse zu den Nervenbahnen geleitet, sie konnte Arme und Beine nicht bewegen. Die Muskeln, ohnehin schon nicht richtig entwickelt, verkümmerten vollständig.

Die Sehkraft war allerdings fantastisch entwickelt und hören konnte sie alles, selbst wenn es noch so leise war. Irgendwann fand Jennyfer heraus, dass sie sogar weit besser sehen und hören konnte wie all die anderen Menschen um sie herum. Sie konnte die Gedanken der Menschen hören und "sah" Dinge, die offensichtlich die anderen nicht sehen konnten.

Wenn ihre Mutter sie im Rollstuhl spazierenfuhr, erfreute sie sich nicht nur an der Schönheit der Blumen, sondern an dem Wunder der Energiestrukturen die hinter dem Geheimnis der Natur steckten - sie konnte es mit ihren Augen sehen.

Jennyfer sah aber noch etwas anderes, es war alarmierend: Der Körper ihrer Mutter war krank. Er wurde von Tag zu Tag schwächer.

Ihr Vater rieb sich in der Arbeit und der Sorge um seine Familie auf. Jennyfer konnte nichts tun, um den beiden zu helfen. Es war eine grausame Marder mit "zusehen" zu müssen, wie zuerst der Vater starb und dann die Mutter mit einer niederschmetternden Diagnose im Krankenhaus landete.

Jennyfer fühlte, wie das Leben aus dem Körper ihrer Mutter wich. Sie hatte noch nie geweint seit dem Tag, als sie sich so an dem Geräusch des Weinens erschrocken hatte - jetzt lies sie es zu, dass ihr Körper dieses Geräusch mit voller Lautstärke produzierte.

Man hatte sie in ein Heim gebracht. Dort wohnten viele Menschen, die ebenfalls ihren Körper nicht steuern konnten - viele besaßen auch fast keine Fähigkeiten, richtig denken zu können.

Ein Jahr war vergangen, die Pfleger behandelten sie gut. Ein junger Mann, der Ersatzdienst leistete, kam besonders oft, um an sonnigen Tagen sie in ihrem Rollstuhl spazieren zu fahren. Mit ihren Augen konnte sie die Freude über einen solchen Spaziergang ausdrücken.

Der junge Mann sah sehr oft in die himmelblauen Augen von Jennyfer - irgendwie hatte er sich in diese überaus intelligent blickenden Augen richtig verliebt.

"Bedauerlich, dass dieses Mädchen nicht sprechen kann", dachte er bei sich, "so erfahre ich nie, ob ihr diese Spaziergänge auch wirklich Freude bereiten".

"Wenn du mich doch nur verstehen könntest", murmelte er leise, als er in die aufmerksam blickenden Augen von Jennyfer sah. "Nur ein Augenblinzeln, wenn du überhaupt etwas verstehen könntest", resignierte er traurig.

Das konnte doch nicht wahr sein. Seine Pflegeperson hatte gerade wirklich mit den Augen geblinzelt. Das war bestimmt eine Täuschung gewesen - weil er es sich so gewünscht hatte, dass sie ihn verstand. Es war ja nicht möglich. Jennyfer war nie in eine Schule gegangen - immer nur alleine zuhause bei der Mutter gewesen – wie sollte sie da überhaupt etwas verstehen.

Benny stellte sich direkt vor seine Schutzbefohlene: "Kannst - du - mich - verstehen?" fragte er langsam und möglichst deutlich.

Jennyfer kniff die Augen zusammen und konnte ihre Freude nicht verbergen, dass es doch möglich war, mit den anderen Menschen Kontakt aufzunehmen. Aufgeregt kniff sie ihre Augen noch ein paarmal zusammen dass dieser junge Mann es auch als Antwort wirklich registrierte.

"Gefallen dir diese Ausflüge?", kam jetzt gleich seine nächste aufgeregte Frage.

Das heftige Zukneifen der Augen von Jennyfer war Benny Antwort genug.


Bisher war man davon ausgegangen, dass die Patientin Jennyfer Bonner schwerstens geistig und körperlich behindert war. Diese Neuigkeit, dass sie alles verstehen konnte teilte Benny sofort dem Professor mit, der dieses Heim leitete.

Nicht nur der Professor stand nach der ersten "Untersuchung" im Raum - auch ein paar andere Kollegen waren zugegen.

Einer dieser Kollegen, ein Wissenschaftler von Amerika, war Spezialist auf dem Gebiet der Neurologie und wies den Dolmetscher an, die Patientin zu fragen, ob sie ihren Körper spüre, oder sich nur nicht bewegen könnte.

Man hatte zuvor mit Jennyfer vereinbart, dass ein Augenzwinkern ein "Ja" bedeutet, und zwei Augenzwinkern ein "Nein".

Der Dolmetscher kam gar nicht zum übersetzen - die Patientin zwinkerte sofort zweimal mit den Augen, was bedeutete, dass sie ihren Körper nicht spüren konnte und aber auch gleichzeitig, dass sie die fremde Sprache verstanden hatte.

"Kannst du Englisch verstehen", fragte jetzt der Professor und kam sich ehrlich gesagt recht dumm vor, sich gleich mit so einer Frage blamiert zu sehen. Allerdings war das einmalige zusammenkneifen der Augen seiner Patientin Antwort genug.

Wie war so etwas möglich?

Instinktiv ahnte der Professor in diesem Moment, dass er in seinem Hause eine Patientin betreute, die für eine wissenschaftliche Sensation sorgen würde.

Wie konnte er in diesem Moment auch wissen, dass seine Patientin noch für viel mehr als nur für eine wissenschaftliche Sensation sorgen würde.


Autor: Werner May


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