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Poesie => Phantasy


Drachenkönigin Epos 01-00 - von Aabatyron, 12.09.2021
Fiktive frei erfundene Story, inspiriert durch Game of Thrones Staffel 8 Episode 6 – gedankliche Weiterführung

Epos 01

„Gaia“

Der letzte Drachen der Drachenkönigin hatte die tote Königin fest in seinen Krallen geschnappt und flog mit ihr vom Ort des Geschehens weg.

Ein Urinstinkt ließ ihn weiter und weiter über alle bekannte Landesgrenzen fliegen. Unter sich sah er die Landschaft vorbeiziehen. Er flog über weite Gebiete die wahrscheinlich nie ein Mensch zuvor betreten hatte. Weite Steppen, Wälder, gewaltige Berge, weite Meere.

Der Zwang so weit zu fliegen bis ihn seine Kräfte verlassen würden und er zusammen mit seiner Drachenkönigin tot vom Himmel fallen würde – die unbekannte Kraft dieses Schicksals zwang ihn immer weiter sich vorwärts zu bewegen. Einer alten Sage entsprechend, würde jeder Drachen kurz vor seinem Tod zu dem ursprünglichen Ort der Geburt der ersten Drachen fliegen um dort zu sterben.

Ein riesiges Nebelfeld tauchte nach der Überquerung eines weiten und endlos erscheinenden Meeres plötzlich am Horizont auf. Im Kern des Nebels war eine rote Glut zu erkennen.

Je näher der Drachen zu dieser ihn magisch anziehenden roten Glut flog, desto mehr verspürte er, dass seltsame Kräfte durch seinen vom Flug geschwächten Körper flossen.

Wärme von zuvor nie gekannter Intensität wärmten seine durch den Flug fast lahmen Muskeln auf. Die Hitze wurde allerdings immer stärker, je näher er dieser seltsamen Lichtquelle kam.

Er spürte eine neue Kraft die durch diese Quelle des roten Lichts übertragen wurde. Könnte diese Kraft seine tote Königin wieder zum Leben erwecken?

Der Drache flog durch den Nebel und plötzlich tauchte vor ihm ein riesiger Vulkan auf, aus dessen Spitze diese rote Glut strahlte wie eine Sonne. Gaia, der Geist der Erde war hier an die Oberfläche getreten und strahlte seine Energie aus.

Mit diesem Geist der Erde verschmelzen, könnte vielleicht das Leben in den Körper der toten Drachenkönigin zurückbringen – der Drache flog immer weiter zu dieser ihn magisch anziehenden Energiequelle.

Er flog nun direkt über die Öffnung, aus deren Mittelpunkt offensichtlich der Geist der Erde seine Energie verströmte. Die Hitze wurde immer intensiver, fing an, bereits die Häute der Flügel des Drachens zu verbrennen.

Für einen Rückzug war es zu spät – die Flügel konnten dem Feuer des Geistes der Erde nicht länger trotzen und der Drache bäumte sich in einer letzten Anstrengung auf, dem vorzeitigen Absturz bevor er das Zentrum dieser roten Glut erreicht hatte zu entgehen.

Mitten in die rote Glut führte dann sein Absturz, das glühende flüssige Gestein der Erde berührte seinen massigen Körper und brachte ihn an der Berührungsstelle sofort zum brennen.

Der Körper der Drachenkönigin war in seinen Klauen noch eine Zeitlang vor der Feuersglut geschützt – aber als der gesamte Körper des Drachens lichterloh brannte, erreichte auch ihren Körper das Feuer der Erde.

Die Energie von Gaia floss in ihren Körper, konnte ihn aber nicht wie den Körper des Drachen verbrennen. Irgend etwas schützte noch immer, wie so oft zuvor im Leben, auch den Körper der toten Drachenkönigin vor dem Verbrennen.

In der Kraft des Feuers war das Geheimnis der Drachenkönigin verborgen – das Feuer von Gaia besaß so viel Energie, dass es das Leben nehmen, aber auch in einen Körper zurückbringen konnte.



„Erwachen“

Trauer, Enttäuschung, Wut – das erste Gefühl nachdem sie wieder zu sich kam. Ihr Geliebter hatte sie verraten und ein Messer mitten ins Herz gestoßen. Sie war ins eiskalte Reich der Toten verbannt worden. Warum aber konnte sie plötzlich eine solch gewaltige Wärme spüren? Was war passiert? Hatte sie doch den Stich ins Herz überlebt? Hatte sie irgend ein Zauber ins Leben zurückgerufen? Verwirrt wollte sie sich umschauen, an welchem Platz sie sich befand. Da war nichts außer einem glühenden roten gleißenden Licht welches tausendmal heißer strahlte als jedes Feuer durch welches sie zuvor geschritten war. Unter ihren Füßen schien der Boden lebendig zu sein – er bewegte sich wie die Wellen auf dem Meer wenn eine leichte Brise darüberweht.

Wie lange sie gebraucht hatte sich aus der Hitze dieses roten Lichtes bewegen zu können, wusste sie nicht zu sagen – aber sie hatte irgend wann doch die Wand dieses Glutkessels erreicht und kletterte nun vorsichtig an der recht steilen Wand zum Rand empor.

Es dauerte gefühlt viele Stunden den Rand dieses Glutkessels zu erreichen, und als sie endlich nach einer mehr als anstrengenden Klettertour auf dem Rand stand, begriff sie das erste Mal, wo sie sich eigentlich befand: Dieser Ort war ein Vulkan mit glutrotem flüssigem Magma in seinem Kern das sich tief unter ihr wie tausend Schlangen ineinander verschlungen bewegte.

War dies möglich? Hatte diese Kraft des roten Feuers sie ins Leben zurückgerufen? Wo war der letzte ihr verbliebene Drache – ihr letztes Kind. Hatten die Verräter ihn auch gemeuchelt? Wie war sie in diesen Vulkankrater gelangt?

Ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen als sie am Fuße des steilen Abhangs des Vulkans plötzlich eine Bewegung von irgend welchen Lebewesen wahrnahm. Es waren mehrere Gestalten, möglicherweise ein Rudel Wölfe, die sich da unten bewegten. Die Nacht fing an sich über die Landschaft zu senken – und sie wusste nicht, ob es gut war dort unten zu sehen, dass Fackeln angezündet worden waren, was offensichtlich bedeutete, dass keine wilden Tiere auf der Jagd waren, sondern es sich um Menschen handeln musste.

Sie befand sich offensichtlich in einem ihr fremden Land – mit ihr fremden Sitten und Gebräuchen. Ihr Status als Drachenkönigin würde ihr da nicht viel weiterhelfen – zumal sie offensichtlich keinen Drachen mehr besaß der den Menschen Respekt einflößen konnte.

Es war ein ungewohntes Gefühl plötzlich von der Trauer der Einsamkeit befallen zu werden und der Angst was passieren würde wenn diese unbekannten Menschen ihren Standort erreicht haben würden. Mit ihren treuen Soldaten und ihren engsten Beratern war sie immer sicher und stark gewesen. Nie hatte sie gezweifelt, jeden und alles besiegen zu können. Sie wollte Gerechtigkeit und Freiheit für alle – aber die Menschen hatten es ihr letztendlich nicht gedankt. Ganz im Gegenteil wurde sie verraten, hintergangen und zum Schluss von dem Menschen ermordet, den sie liebte und dem sie am meisten vertraut hatte. Eine Welle der Wut verdrängte für einen Moment die Angst vor der Zukunft. Warum hatte dies ihr Geliebter getan? Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht vergessen – er war ihre letzte Erinnerung, dass er sogar mehr Schmerz als sie selbst gefühlt hatte als er ihr den Dolch mitten durchs Herz gestoßen hatte. Was hatte ihn bewogen, so etwas Schreckliches in die Tat umzusetzen?

Die Liebe geht über den Tod hinaus – und die Drachenkönigin erschrak nun doch bei dem Gedanken, wie grausam man ihren Geliebten für diese Tat bestrafen würde. Sie erschauerte wenn sie an die Folter dachte, die einem Königsmörder durch ihre Soldaten zukommen musste.

Ein in der Nähe in den Büschen raschelndes Geräusch schreckte sie in ihren trüben Gedanken auf. Sie hörte schnüffelnde Atemgeräusche – vermutlich von Suchhunden der übelsten Art die jeden Moment auf sie losgehen und zerreißen konnten.




„Volk der Vulkaninseln“

Das Dorf der Steinmenschen lag am Fuße des großen Vulkans. Ihr Häuptling Watanobe war ein äußerst kräftig gebauter und sehr kluger Krieger der in vielen Zweikämpfen mit anderen Bewerbern um das Amt des Häuptlings gekämpft hatte und machte seinem Beinamen „Starker Bär“ alle Ehre. Seine Frau Sycomi, schnelles Reh, und seine vier Kinder wohnten in einem stabilen Holzhaus welches er selbst mit Hilfe seiner Freunde erbaut hatte. Es gab eine strenge Hierarchie in seinem Stamm: Die Krieger standen nach ihm über allen Anderen, gefolgt von den Jägern, Arbeitern, Frauen und den Kindern.

Da sein Volk besonders viele Krieger beheimatete, war er nur selten von einem anderen Stamm angegriffen worden. Allerdings mussten diese Krieger immer mit ausreichender Nahrung versorgt werden um ihre Schlagkraft zu erhalten – und die Jäger mussten deshalb ein sehr großes Jagdgebiet durchstreifen.



„Jagdzug“

Es war ein ganz normaler Tag. Das gute Wetter lud direkt dazu ein, einen kleinen Jagdausflug zu unternehmen. Die Jäger hatten ihre Jagdhunde sehr gut dressiert und nahmen sie zur jeder Jagd mit damit sie ihnen das Wild aufspüren und zutreiben konnten. Die heutige Jagd mit acht Jägern und ebenso vielen Hunden führte sie an den Fuß des Vulkans mit üppigen Grasflächen, Wäldern, und Gebüsch in dem sich viel Wild versteckt hielt.

Der Vulkan spendete auch im Winter so viel Wärme dass es immer genügend Wildtiere zum Jagen gab und man keine Angst haben musste, im Winter verhungern oder gar erfrieren zu müssen.

Die alten Überlieferungen der Vorfahren warnten allerdings die dem Vulkan nahe wohnenden Menschen davor, dass der Gott der Erde manchmal die rote Glut von Gaia über den Rand des Kraters treibt und seine Hitze alles in wenigen Sekunden vernichten kann. Die Kinder lernen schon in frühstem Kindesalter, dass sie den Vulkan immer achtsam im Auge behalten müssen und sofort die Flucht ergreifen sollen, wenn sich so eine rote Glut ankündigt. Kein Lebewesen kann das Feuer von Gaia überleben – die Alten des Stammes kennen eine Stelle im Tal, wo man sehen kann, wie ein Dorf quasi von der Macht des Erdgottes versteinert wurde.

„Seid jetzt alle ganz leise damit ihr nicht unser Essen vertreibt“, flüsterte Imotee, der Mutige.

Die Jäger hatten gerade ihre Hunde in den Wald geschickt, allen voraus die Hündin Alta, leichte Pfote, und Shirko, der Gefährliche, um dort Wild aufzuspüren und herauszutreiben, als sich hoch oben auf der Spitze des Vulkans etwas seltsames ereignete. Sanakee, schneller Hirsch, zeigte auf die Spitze des Berges: „Seht doch, schnell, da oben - was ist das?“ Da brannte plötzlich ein helles Feuer aus dem Schlund und ein grausig durch Mark und Bein gehender Schrei ertönte. Die Jäger erstarrten vor Schreck: Speihte nun der Gott der Erde gleich sein flüssiges Feuer auf die Menschen? Die Jäger waren minutenlang wie gelähmt vor Schreck. Balokan, der Gigant, war für seine Unerschrockenheit bekannt, stammelte jetzt aber ungläubig: “Der Geist der Erde ist erwacht!“

Freilich waren alle seit ihrer Kindheit auf dieses Ereignis vorbereitet worden – aber jetzt, da es real gleich passieren würde, kam bei ihnen sehr große Angst auf.

Imotee, der Anführer, entschied, dass einer schnell zum Dorf zurücklaufen musste um den Stamm zu warnen was ihm bevorstand: “Los, eile so schnell du kannst zum Dorf und warne die Anderen“, befahl er Traknan, dem schnellen Läufer. Traknan hatte seinen Namen nicht umsonst – er war wirklich der schnellste Läufer vom ganzen Dorf

Imotee würde mit den anderen Männern hier bleiben um zu beobachten, wie groß das Feuer war, das der Gott der Erde gleich den Berg herunterschicken würde. „Zieht euch sofort zurück, wenn ihr das Feuer des Erdgottes vom Berg herunterfallen seht“, mahnte er seine Männer.

Warten – aber nichts passierte. Sorp, der Listige, meinte: „Da scheint sich der Erdgott wieder beruhigt zu haben“. War alles eine Täuschung gewesen? Nein, die Hunde zeigten deutliche Anzeichen dass sich dort oben wirklich etwas seltsames befinden musste. Sie waren äußerst unruhig und wären am liebsten gleich den Berg hochgerannt um das Unbekannte zu fassen. „Ruhig, liegenbleiben, Ruhig!“, versuchte Vietran, der Friedliche, die Hunde zu beruhigen.

Das rote Feuer des Erdgottes konnte man mit nichts abwehren – hatten die Alten gelehrt – nur eine schnelle Flucht sicherte ein Überleben.

Sie warteten noch eine geraume Zeit, aber es fand offensichtlich keine Aktion des Erdgottes mehr statt. „Diese Ruhe kann täuschen“, flüsterte Sorp, der Listige, leise „wir müssen sehr vorsichtig und aufmerksam sein“.

Dies war auch gerade in den Gedanken von Lartes, dem Unerschrockenen. „Vielleicht sollten wir doch einmal nachschauen, was sich dort oben ereignet hat“, schlug er trotzdem nach einer weiteren Wartezeit vor.

„Aber ja doch, vielleicht finden wir da oben einen fetten Hirsch der vom Feuer des Erdgottes gerade gegart worden ist“, stimmte Sabu, der Hungrige, dem Vorschlag zu.

Inzwischen brach langsam die Nacht über das Land herein. Aufmerksam beobachteten die Jäger den Rand des Vulkans und stellten fest, dass von dort oben kein rotes Feuer auf sie herabregnen würde sondern dass sich dort etwas anderes ereignet haben musste.

Beratung, die Angst vor dem Unbekannten kämpfte gegen den Gedanken, vielleicht jenseits des Vulkanhügels ein Jagdgebiet entdecken zu können das ihnen eine sichere Versorgung für alle Zeiten bescheren konnte.

„Zündet eure Fackeln an und folgt mir“, befahl Imotee seinen Männern, und zu Lartes gewandt: „Du machst die Nachhut!“

Gab es vielleicht erheblich größere Tiere jenseits des Vulkans welche sie bisher noch nicht entdeckt hatten und von denen jetzt eines versucht hatte, den Vulkanhügel zu überqueren und dabei in den Kessel des Vulkans abgestürzt war? Nahrung im Überfluss für ihr Volk? Sanakee, der schnelle Hirsch, meinte auch vor dem Schrei etwas sehr großes am Himmel gesehen zu haben. „Da war vor dem Schrei ein riesiger Schatten am Himmel zu sehen gewesen“, erinnerte er sich laut.

Die Entscheidung des Anführers war gefallen: Die Hunde werden vorausgeschickt um sie sofort vor einer Gefahr warnen zu können – und sie ersteigen auf dem schmalen Tierpfad den Vulkanhügel um auf der anderen Seite nach jagdbaren Tieren Ausschau halten zu können. Natürlich war es gefährlich auf dem Rand des Vulkanhügels auf die andere Seite zu wechseln, aber wenn es dort wirklich einen hohen Tierbestand gab, hatte sich die Mühe gelohnt.

Sie zündeten die Fackeln an um sich auf den Weg machen zu können.

„Seid alle sehr vorsichtig“, mahnte Imotee seine Männer, „wir sind auf diesem Pfad schon sehr lange nicht mehr hochgestiegen“.

Die Hunde liefen voraus, gefolgt von Imotee und seinen Männern. Der Aufstieg war auf dem schmalen Pfad sehr mühsam und es dauerte eine recht lange Zeit bis sie am äußeren Rand des Vulkanhügels angekommen waren. Die vom Grund des Kraters strahlende Wärme hatte eine erstaunlich üppige und vielfältige Fauna wachsen lassen. „Wir sollten im Winter immer hier oben unsere Lager aufbauen“, meinte Sorp, der Listige, „da könnten wir uns die Lagerfeuer sparen und müssten trotzdem nicht frieren“. Hier oben gab es nie einen Winter mit Eis und Kälte. Allerdings flößte die auf den Grund des Kraters wabernde rote Glut den Jägern mächtigen Respekt ein – obwohl sie bis jetzt nur das rötliche Licht sehen und die damit verbundene Wärme spüren konnten. „Und wenn der Erdgott jetzt sein Feuer speit, verbrennt er dir den Hintern“, witzelte Lartes, der Unerschrockene.




„Die erste Begegnung“

Die Hunde wurden immer unruhiger, je weiter sich die Männer durch das dichte Pflanzenwerk in Richtung zum inneren Rand des Kraters vorwärtsbewegten. „Shirko - Alta - Ruhig, bleibt zurück“, befahl Sanakee den beiden Leithunden. Er hatte sie selbst für die Jagd ausgebildet und sie hörten auf jedes Wort von ihm.

Die zwei Hunde hatten offensichtlich etwas direkt vor ihnen entdeckt. In geduckter Haltung bewegten sie sich ganz vorsichtig zähnefletschend langsam weiter vor in das hier wachsende Gestrüpp. Die Hunde waren für die Jagd trainiert und nun fingen sie an, ihr Opfer langsam einzukreisen. Dass sie allerdings sich nicht gleich auf das von ihnen aufgespürte Wild stürzten, gebot den Jägern ebenfalls äußerste Vorsicht. „Da muss sich etwas besonders Gefährliches in dem großen Gebüsch versteckt haben“, mahnte Sabu, der Hungrige, die anderen.

Manche gefährlichen Raubtiere liesen sich mit Feuer vertreiben, wusste Sorp, der Listige, aus Erfahrung. Er streckte seine Fackel weiter vor um sehen zu können, welches Tier die Hunde da im Gestrüpp gestellt hatten und ob sich diese versteckte Bestie mit dem Feuer der Fackeln aus dem Gebüsch treiben lies – und blickte im nächsten Moment in zwei tiefblaue Augen einer jungen Frau mit schneeweißem Haar und einer ungewöhnlich hellen Gesichtsfarbe. „Allmächtiger, was ist denn dies für ein seltsames Geschöpf“, rief er laut. So mächtig war er noch nie in seinem Leben erschrocken. So einen Menschen hatte er zuvor noch nie gesehen – und auch noch nie in einer Erzählung der Alten von so einem Menschen gehört.

War diese junge Frau gefährlich? Offensichtlich nicht – denn sie schien sich genauso wie er selbst erschrocken zu haben.

„Da haben wir aber einen seltsamen Wildfang gemacht“, meinte Balokan an die anderen gewandt.

„Was machen wir denn mit so einem weißhaarigen Irrläufer“, wollte Lartes von seinem Anführer wissen. „Am besten schmeißen wir den Fang gleich in den roten Schlund des Erdgottes um sein Gemüt zu beruhigen“, schlug Sabu vor und schickte sich an, die junge Frau aus dem Gestrüpp und in Richtung Kraterrand zu drängen. „Halt, warte, ich weis etwas viel besseres“, lenkte Vietran, der Friedliche ein, „wir nehmen sie mit und bringen sie auf den Opferplatz“.

Der Anführer rief die Jagdhunde zurück „Platz, aus“ – eine so zierliche Frau stellte normalerweise keine Bedrohung für sie dar.

„Da wird der Häuptling nicht schlecht staunen, wenn er sieht, was wir heute gefangen haben“, versuchte er den anderen die Angst vor diesem entdeckten Wesen zu nehmen. Er gestikulierte ihr, dass sie ihnen folgen sollte. Erst als sie vollends aus dem Gebüsch heraustrat, bemerkten die Männer, dass sie komplett nackt vor ihnen stand.

„Das wird ein gutes Opfer für die Drachen werden“, erklärte er seinen Männern. „Das wird sie vielleicht befrieden, dass wir nicht mehr so viele Tiere jagen und ihnen zum Opfer überbringen müssen“, hoffte er.



„Opfergabe für die Drachen“

Es war seit Generationen schon immer so gewesen, dass der Stamm der Steinmenschen jede Woche zehn Tiere zum Opferplatz der Drachen bringen musste. Eine alte Sage erzählte, dass zu früheren Zeiten die Drachen sich immer wieder Menschen vom Stamme der Steinmenschen geholt hätten bis ein besonders umsichtiger Häuptling allen Mut zusammennahm und den hungrigen Drachen ein paar erlegte Tiere auf einem Opferplatz weitab vom Dorf bereitlegte. Ab diesem Zeitpunkt schienen die Drachen tatsächlich die Mordlust an den Menschen verloren zu haben und fraßen nur noch die Opfertiere.

Ein nachfolgender rebellischer Häuptling meinte diesen Brauch beenden zu können und wollte die Drachen in eine Falle locken – mit dem Ergebnis dass sowohl er, als auch seine gesamten Krieger den Drachen zum Opfer fiel.

Das Volk der Steinmenschen ahnte bereits, dass die Jäger in der Nacht etwas ganz besonderes gefangen hatten. So war das ganze Dorf auf dem Dorfplatz versammelt, als die Jäger mit ihrer Beute eintrafen. Eine weißhaarige junge Frau hatten sie zuvor noch nie gesehen – wussten aber sofort, dass sie das ideale Drachenopfer sein würde. Irgend wie konnten sie eine gewisse Magie spüren und die Hoffnung erwachte, dass man vielleicht mit ihrer Opferung diese gefräßigen Drachen für lange Zeit besänftigen konnte.

Das gefangene junge Mädchen hatte offensichtlich Angst vor dem, was passieren würde. Es sprach eine seltsame Sprache die niemand verstand. Trotz allem war ein gewisser Stolz nicht zu verkennen mit der sie sich in ihrer Situation präsentierte. Jede andere Frau in ihrer Situation hätte vor Angst gezittert und versucht zu entkommen. Gebadet, gewaschen, besondere Kleider angezogen und geschmückt mit dem Stammesschmuck – sah sie zum Schluss aus wie eine echte Königin. Sie schien nicht zu ahnen, was man mit ihr wirklich vorhatte.

Der Tag war gekommen, die Gefangene wurde zum Opferplatz der Drachen geführt. Da man die Opfertiere bisher immer auf dem Boden abgelegt hatte, gab es keine Pfähle zum anbinden des Opfers. Die Krieger signalisierten ihr aber deutlich, dass sie den Kreis nicht lebend verlassen würde, in dessen Mitte sie sie gestellt hatten, falls sie flüchten wollte.

Ein rauschendes Geräusch als ob ein Wirbelsturm im Anmarsch wäre, war plötzlich zu hören. Die Krieger zogen sich auf eine größere Distanz zurück. Das Rauschen wurde immer lauter – die Rückzugdistanz der Krieger zum Opferkreis immer größer.

Dann blickte das Mädchen zum Himmel und sah die sieben riesigen Drachen die sich dem Opferplatz näherten. Einer dieser Drachen überragte die anderen sechs um Längen und schien der Anführer zu sein.

Der Häuptling sah staunend dem Verhalten des Opfers zu: Dieses Mädchen schien keinerlei Angst vor dem herannahenden Unheil zu haben – wie mutig musste man sein um sich so zu verhalten? Die Drachen kamen immer näher - und jetzt schwand selbst bei den weit entfernt in Deckung sitzenden Kriegern beim einen oder andere der Mut einen Blick auf die Drachen zu wagen. „So viel Mut wie diese junge Frau besitzt keiner meiner Männer“, flüsterte er seiner Frau Sycomi zu. „Hoffentlich machen wir mit diesem Opfer nicht einen riesigen Fehler“, entgegnete seine Frau, „ihr wisst doch gar nicht wo sie herkommt und ob sie nicht vielleicht mächtige Freunde hat die sich hernach an uns grausam rächen werden“. Da seine Frau meist mit ihren Ahnungen recht behielt, erschrak der Häuptling nach ihren Worten – an so etwas hatte bis jetzt noch keiner gedacht.

Die junge Frau zeigte noch immer keine Angst – selbst als der größte der Drachen direkt vor ihr zur Landung ansetzte. Der Häuptling sah mit ungläubigem Erstaunen dass sich die junge Frau sogar auf die Begegnung mit den gefräßigen Drachen zu freuen schien.

Der große Drache war gelandet und bewegte sich langsam in Richtung Opferplatz. Der Häuptling konnte es nicht fassen, was er jetzt sah. Der Drache sog die Luft ein, schnupperte an der jungen Frau und sie trat nicht aus Angst vor ihm zurück sondern streckte ihre Hand aus um ihn berühren zu können. „Das, das gibt es doch nicht“, stammelte einer der Krieger. Keiner der Steinmenschen konnte es glauben – aber der riesige Drache schien friedlich zu bleiben und zeigte keinerlei Anzeichen, das Opfer fressen zu wollen. Die junge Frau trat nun nach vorne und sprach etwas in einer fremden Sprache in Richtung des Drachens gewandt. „Lass mich auf deinen Rücken steigen, ich bin deine Königin“ Dieser schien diese fremde Sprache zu verstehen und beugte seine linke Schulter bis zum Boden.

Welches Wesen hatten sie da oben auf dem Vulkanberg gefangen – fragte sich der Häuptling, als nun sich diese fremde junge Frau auf den Rücken dieses gefährlichen Drachens setzte und wieder einen Befehl in dieser fremden Sprache gab. „Los, flieg hoch in die Luft, lass mich diese neue Welt von oben sehen“, befahl sie. Der Drache schien zu folgen und erhob sich hoch in die Luft.

Nun sah man die zuvor als Opfergabe Gefangene sich auf dem Rücken dieses Drachens hoch über ihren Köpfen durch die Luft bewegen als ob sie nur mit ihren Worten diese garstigen Drachen im Bann halten könne.

Selbst der starke und mutige Häuptling verspürte das erste mal in seinem Leben richtige Angst vor dem was nun gleich folgen würde als der riesige Drache wieder zur Landung ansetzte.

„Sie muss eine mächtige Zauberin sein“, ahnte die Frau des Häuptlings, „und sie wird uns jetzt dem Drachen zum Fraß vorwerfen.

Das Mädchen sprang vom Rücken des Drachens, gab einen kurzen Befehl - „Seid meine Wächter“ - und sofort erhoben sich alle sieben Drachen hoch in die Luft um über dem Dorf als ihre Wächter und Beschützer zu kreisen.

Das musste eine Königin sein – wenn sie nur mit Worten einen Drachen bändigen konnte - wusste der Häuptling und warf sich vor ihr auf dem Boden um seine Ehrfurcht zu zeigen. „Gnade“, flüsterten selbst einige der tapfersten Krieger. Alle erwarteten eine Strafe weil sie sie auf den Opferplatz gebracht hatten. Aber überraschenderweise wurde niemand getötet, im Gegenteil – sie deutete allen an aufzustehen und signalisierte ihnen, dass sie keinen bestrafen würde. An den Häuptling gewandt sprach sie. „Du hast mir heute 7 Kinder geschenkt, dafür gibt es keine Strafe“. Er konnte ihre Worte nicht verstehen. Aber ihre Gestik und die Freude in ihrem Gesichtsausdruck sprachen Bände. Bedankte sie sich sogar bei ihm? Woher sollte er auch wissen, dass er heute der Drachenkönigin sieben Kinder geschenkt hatte und sie sich das erste mal seit langer Zeit wieder richtig glücklich und zufrieden fühlte.


„Sieben Kinder“

Die Drachenkönigin hatte sehr selten im Leben zuvor richtige Angst verspürt, aber als sie sich immer enger von den vielen vierfüßigen Bestien, welche mit mindestens sechs recht kampflustigen Wilden den Berg erklommen hatten, eingekreist sah, sah sie ihre letzte Stunde gekommen. Konnte es möglich sein, dass kaum dass sie von dem unbekannten Erdgott wieder zum Leben erweckt worden war, jetzt schon wieder der Tod drohte? Welche Ironie des Schicksals.

Sie kamen immer näher, eine Flucht war unmöglich – es gab nur den steilen Weg nach unten genau in die Arme der grobschlächtig aussehenden Wilden Horde, oder den Weg in den Schlund dieses rot glühenden wabernden Magmas, aus dem sie sich gerade mühsam befreit hatte. Die anfangs flüsternden Stimmen der Jäger wurden immer lauter und im Tonfall waren keine guten Absichten herauszuhören. Sie verstand nichts von dieser seltsam klingenden Sprache.

Als einer dieser Wildlinge ihr mit der Fackel genau ins Gesicht leuchtete erschrak sie mächtig, sah aber auch für einen kurzen Moment ein Aufflackern von Angst im Gesicht ihres Feindes. Wer Angst hat, ist nicht unbezwingbar, wusste sie aus den Erfahrungen ihres früheren Lebens. Diese Wilden machten ihr unmissverständlich deutlich, dass sie ihre Gefangene war – vermieden aber, sie zu berühren als ginge eine ihr selbst noch nicht bekannte Gefahr von ihr aus. Die Hundemeute musste immer wieder davon abgebracht werden, sich doch noch auf die Gefangene zu stürzen. Diese grobschlächtigen Männer unterhielten sich in einer völlig fremden Sprache. Was hätte sie jetzt dafür gegeben, ihre beste Freundin und Dolmetscherin bei sich zu haben – aber die war von einer brutalen Königin vor ihren Augen enthauptet worden.

Oh ja, sie hatte grausame Rache an dieser Königin genommen – hatte deren komplette Stadt und Festung mit allem was darin wohnte zerstört. Die Schmerzensschreie der Kinder hallten immer noch in ihren Ohren. Die Königin der sieben Reiche, ihre bezahlten Soldaten, hatten bestimmt den Tod verdient – aber es kamen ihr nun die ersten Zweifel, ob es richtig gewesen war, die Kapitulation der anderen Menschen einfach ignoriert zu haben. Freilich hatte die Königin der sieben Reiche die Menschen als Schutzschild benutzt – aber waren sie nicht dadurch ebenfalls nur unterdrückt und unter das Joch dieser brutalen Königin gezwungen worden?.

Auf dem schmalen Weg ins Tal machte sich die Drachenkönigin weniger Sorgen um ihr bevorstehendes Schicksal sondern ihre Gedanken drehten sich immer wieder um die Geschehnisse in der Vergangenheit. Sie ahnte zunehmend, dass die Menschen die von ihr versprochene Freiheit letztendlich gar nicht wollten und schätzten. Schaffte sie beispielsweise die Gladiatorenkämpfe, in denen man gekaufte Sklaven gegeneinander zur Volksbelustigung auf Leben und Tod kämpfen lies, ab, führten die Menschen diese Kämpfe mit freiwilligen Kämpfern weiter und das Gemetzel war das selbe – oder sogar noch schlimmer - wie zuvor. Hatten diese Menschen überhaupt die Freiheit verdient? Darüber hatte sie noch nie zuvor richtig nachgedacht. Immer hatte sie Berater um sich versammelt gehabt, die ihr zu der einen oder anderen Handlungsweise geraten hatten – und dies im Nachhinein betrachtet meist zum persönlichenVorteil der Berater anstatt zu ihrem eigenen. Die große Stadt mitsamt der Königin über sieben Reiche komplett zu vernichten war ihre eigene Entscheidung gewesen – und ihr wurde nun plötzlich mit erschreckender Klarheit bewusst, dass auch diese Entscheidung falsch gewesen war. Sie hatte alles verloren – zum Schluss auch noch ihr Leben, niedergemeuchelt von jenem Mann, dem sie vertraut, und den sie geliebt hatte. Seinen unsäglich traurigen Gesichtsausdruck nach der Tat, als das Leben aus ihrem Körper schwand, wird sie nie vergessen. War er zu dieser Tat gezwungen worden? Warum? Von Wem? Wieso?

„Was habt ihr denn da für einen seltsamen Fang gemacht“, rief einer der Krieger den Männern der Jagdtruppe zu. Fremde Stimmen brachten sie von ihren Gedanken wieder in die Wirklichkeit zurück. Sie waren in einem recht großen Dorf angekommen. Sie wurde zu einem großen Platz geführt. Rechts und links des Weges hatten sich die Bewohner des Dorfes aufgestellt und schienen sich über das fremde gefangene Mädchen zu unterhalten. Ein paar Kinder, darunter auch Ekanor, der kleine Fels, versuchten sie zu berühren „Wer ist das“, wollte ein Kind, Sabatym, die Füchsin, von ihrer Mutter wissen – eine junge Frau mit weisen Haaren hatte sie zuvor noch nie gesehen.

In der Mitte des Platzes angekommen wurde sie von einem alle anderen überragenden sehr muskulös gebauten Mann erwartet, welcher mit reich verziertem Gewand und einem farbenprächtigen Kopfschmuck offenbar das Oberhaupt dieses Clans darstellte. Die Frau an seiner Seite war nicht weniger geschmückt und dürfte wohl seine Frau sein. Die Krieger hinter diesen beiden Personen hatten sich in Achtstellung formiert und ließen keinen Zweifel offen, sofort mit ihren Speeren zuzustechen, falls ihr Häuptling bedroht werden sollte. „Los, knie vor deinem Häuptling nieder und erweise ihm Respekt“, befahl er in gewohnter weise. Sie wurde von diesem Häuptling in einer ihr unverständlichen Sprache aufgefordert, irgend etwas zu tun. Natürlich blieb sie dort stehen wo sie stand – Vorsicht war geboten. „Auf die Knie! Sofort“ Die Aufforderung wurde wiederholt – dieses mal aber mit deutlicher Bestimmtheit und einer Drohung im Unterton, war ihr bewusst, auch wenn sie diese Sprache nicht verstand. Der Häuptling schien nun doch verärgert zu sein, dass die Gefangene nicht seinen Befehlen gehorchte. Er gab seinen Kriegern nun noch einen Befehl - „Zeigt ihr wie sie sich einem Häuptling gegenüber zu verhalten hat“ - und gleich danach fühlte sie jeweils eine Lanzenspitze in ihren Kniekehlen. Zwei weitere Krieger zwangen sie auf den Boden bis sie kniend vor dem Häuptling zu Fall gebracht war.

Nein, ihre Verwirrung war nicht durch die Tatsache begründet, dass sie vor einem ihr fremden Häuptling auf die Knie gezwungen worden war – sie war verblüfft darüber dass die beiden Speerträger sichtbar recht kräftig zugestochen hatten, sie aber keinen Schmerz fühlte und offenbar auch kein Blut aus den beiden Wunden lief. Was war mit ihr da droben auf dem Berg passiert?

Viel Zeit zum Nachdenken gab es nicht – aus einem der umstehenden Hütten eilte plötzlich eine seltsam gekleidete Gestalt auf den Platz die eine Totenmaske trug und mit allerlei seltsamen Dingen hantierte. Es war Enerkalam, der Allwissende, der Medizinmann des Stammes. „Ihr mächtigen Dorgans, nehmt sie als Opfer - ihr mächtigen Dorgans, nehmt sie als Opfer - ihr mächtigen Dorgans, nehmt sie als Opfer – ihr mächtigen Dorgans, nehmt sie als Opfer,“ - Er rannte wie ein Verrückter immer wieder um sie herum, spritzte irgend welche Flüssigkeiten über ihr Haupt, verstreute irgend welche mehr als übel riechende Pulver über ihren Körper und warf zum Schluss eine große handvoll Knochen vor ihre Füße.

Ein Raunen ging durch die Menge und er betrachtete die auf dem Boden liegenden Knochen als ob er einen Sack Gold gefunden hätte. Sie musste sich berichtigen – Gold kannten diese Wilden wahrscheinlich gar nicht, und auch nicht dessen Wert.

„Dorgan“ rief er erstaunt aus. Sie wusste nicht, was dies zu bedeuten hatte. War „Dorgan“ gut für sie oder schlecht? Immer noch voller Ehrfurcht standen alle um sie herum und jetzt wurde dieses Wort „Dorgan“ von immer mehr dieser Wilden in die Runde gerufen. Immer wieder riefen sie dieses Wort wie bei einer Beschwörung – und sie schienen auch eine seltsame Ehrfurcht vor ihr bekommen zu haben. Immer wieder hörte sie den Chor der Stimmen - „Dorgan“. Sie tanzten bis zum Morgengrauen in einer schier nicht endenden Prozedur wie in Ekstase um sie herum.

Erst als die Sonne aufging und die ersten Sonnenstrahlen zur Erde fielen, hörte dieser Spuk schlagartig auf. „Los, komm mit, damit wir dich für die Dorgans vorbereiten können“, wurde sie aufgefordert. Ein paar Frauen begleiteten sie in eines der großen Häuser und schickten sich an sie zu baden und einzukleiden. Also war „Dorgan“ doch „gut“ gewesen, war sie sich in diesem Moment fast sicher. Das Bad befreite sie von dem übelst riechenden Zeug welches der Dorfzauberer über sie geschüttet hatte. Der angenehme Duft von verschiedenen Ölen, frische Kleidung, gutes und reichhaltiges Essen, was wollte man mehr. Sie schien in diesem Dorf freundschaftlich aufgenommen worden zu sein.

Am späten Nachmittag wurde sie mit eindeutigen Gesten aufgefordert, dass sie den Frauen folgen sollte. Ab und zu meinte sie von den begleitenden Kriegern wieder dieses Wort „Dorgan“ hören zu können. Nach einer halben Stunde Fußweg waren sie offensichtlich am Ziel angekommen – ein riesiger runder Platz in dessen Mitte sie etwas entdeckte, dass ihr fast das Blut in den Adern gefrieren ließ: Da war eine riesige Lache Blut vergossen worden – die Erde schien stellenweise richtig davon durchtränkt. War dies der Opferplatz dieser Wilden Horde? schoss ihr sofort ein erster Gedanke durch den Kopf. War „Dorgan“ der Begriff für ein Blutopfer.

„In die Mitte stellen“ - Die Krieger zeigten mit ihren Speerspitzen, dass sie sich in die Mitte dieses Platzes stellen sollte. Am Rande dieses Platzes stand ein mit Baumstämmen errichteter Turm und auf seiner Spitze sah sie den Medizinmann dieses Stammes, der ein großes Horn in den Händen hielt. Er blies so kräftig er konnte in dieses Horn und es ertönte ein Signal wie bei einem Angriff eines feindlichen Heeres.

Alle warteten nun auf irgend ein eintretendes Ereignis. „Was oder wen hat dieser Stinkmorchelspritzer mit diesem Hornsignal herbeigerufen?“, sinnierte die Drachenkönigin.

Als sich aus der Ferne ein rauschender Wind ankündigte, zogen sich die Krieger langsam zurück. Der Medizinmann kletterte wie ein Wiesel von dem Turm und ging ebenfalls auf einen größeren Abstand. Das Rauschen wurde immer lauter und kam recht schnell näher. Angst zu zeigen hatte sie als Drachenkönigin jahrelang gelernt zu unterdrücken und sie nicht anderen zu zeigen – aber ihr wurde nun ganz schön mulmig zumute als sie sah, dass sich bereits die ersten Krieger hinter den rings um diesen Platz aufgestellten Steinblöcken versteckten – und wenig später selbst Woka, flinker Pfeil, Anführer der Krieger sich eiligst in Sicherheit begab. Das Rauschen kam immer näher - und plötzlich wich ihre Angst einer freudigen Erwartung: Das war kein herannahender Sturm, dieses Geräusch kam ihr bekannt vor. Es hörte sich an wie der Flügelschlag eines ihrer Drachen. Hatte ihr letzter Drache überlebt? Warum wussten die Wilden, dass es ihn gab. War sie so lange im Feuer des Erdgottes gefangen gewesen dass inzwischen viel Zeit vergangen war für diese geschichtliche Entwicklung?

Sie kannte das rauschende Geräusch des Flügelschlages ihrer Drachenkinder. Etwas war anders – ungewohnt. Und als sie noch einmal angestrengt auf dieses Geräusch hörte, wusste sie was nicht stimmen konnte: Dieser Flügelschlag war viel lauter und kräftiger als sie ihn je vernommen hatte. Wie zur Bestätigung sah sie nun auch eine um Längen größeren Drachen als sie ihn kannte aus der Ferne heranschweben. Es war einer der Urtiere dieser Art – und ohne es sich zuvor richtig bewusst zu werden verschmolz plötzlich ihr Geist mit dem des Drachen und sie konnte ganz deutlich sehen, über welche Landschaft dieses Ungetüm gerade flog. Er würde ihr nichts tun – war sie sich jetzt sicher – er hatte sie sofort als Drachenkönigin erkannt.

Sie konnte ihre Freude kaum mehr verbergen, als sie sah, dass der Drache nicht alleine nahte sondern noch sechs andere Gefährten mitgebracht hatte. Hatte sie das Land der Uhrdrachen gefunden?

Als der Drachen gelandet war und die Wilden sahen, dass er ihren Befehlen gehorchte, sah sie in viele erschrockene Gesichter. „Sie muss eine mächtige Zauberin sein“, flüsterten einige in eisigem Erstarren. Natürlich wollte sie wissen, wohin sie das Schicksal verschlagen hatte und erhob sich mit dem Drachen hoch in die Luft um die Landschaft zu erkunden. Es war offensichtlich eine riesige Insel welche ringsum von den Weiten eines Meeres umgeben war. Man sah sehr viele kleine und größere Dörfer und auch zwei recht große Städte mit Stadtmauern und sogar mehrere steinerne großflächig angelegte Festungen auf der Insel verteilt.

Das könnte mein kleines Königreich werden – dachte sie sich, als sie dem Drachen befahl wieder zu dem Opferplatz der Steinmenschen zurückzufliegen.

Die Bewohner des Steinmenschendorfes hatten nun sichtlich Angst vor Ihr als sie vom Rücken des Drachens gleitete. „Dorgan“, rief eines der Kinder und zeigte in Richtung des wegfliegenden Drachens.

Die Drachenkönigin hatte heute ihr erstes Wort der fremden Sprache gelernt: Dorgan war der Begriff für Drachen.

„Dir wird nichts geschehen“, - der Häuptling konnte ihre Sprache nicht verstehen. Nachdem sie dem Häuptling vermittelt hatte, dass sie ihn wegen der geplanten „Opferung“ nicht bestrafen würde, wurde sie in eines der größten Häuser am Rande des Platzes geleitet und sie wusste, dass sie nun dort wohnen durfte. Drei junge Frauen Rintey - kleine Blume, Rinteysai - große Blume und Sanshyrey - klares Wasser, waren ihr zugeteilt worden, ihre Wünsche zu erfüllen falls sie etwas benötigen würde.

„Das Reich der Dracheninsel“ werde ich es nennen, dachte sie vor dem Einschlafen, „und es wird ein mächtiges Reich werden, indem dieses Mal echter Friede und Einigkeit herrscht“. Und schon fast im Halbschlaf betastete sie ihre Kniekehlen um die Speerspitzenwunden in ihrem Ausmaß zu befühlen. Da war aber nichts, es gab keine Wunden – nicht die geringste Verletzung.



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