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Prosa => Alltag


kurzes Sonnenbad - von frui, 13.04.2006
Hey Leute! Mir läuft da gerade was Schnuckeliges in mein Blickfeld. Ich kenn den Burschen. Er ist ein Jahr über mir, hängt genau mit den richtigen Menschen rum, wie man so schön sagt. Aber ich bin tolerant, ich will ihn ja deswegen nicht verurteilen. Viele Menschen lernst du nie richtig kennen.
„Hi.“ Ein kurzes, gelangweiltes, lustloses „Hi.“ Mehr krieg ich nicht von ihm. Aber das heißt doch wenigstens schon, dass er mit mir reden will und sich nicht einfach an mir vorbei stiehlt.
„Hi.“
„Hast du Freistunde oder so was?“, fragt er mich, eindeutig bemüht Konversation zu führen.
„Nein.“, antworte ich natürlich wahrheitsgemäß. „Ich bin ein Nanosekündchen zu spät gekommen und da haben sie mich nicht mehr rein gelassen.“ Ein schüchternes Lächeln. Mann Leute haut mich das gerade um. Ich mag Kerle bei denen man nicht das Gefühl hat, dass sie wissen, dass sie toll sind, sondern sich ganz natürlich charmant benehmen. „Und du?“, frag ich, damit unser kleines Gespräch nicht jetzt schon im Krampf endet.
„Ich hab Freistunde. Ja, ich weiß.“, sagt er rasch, als ich meine Überraschung nicht verbergen kann. „Ich weiß, dass es verrückt klingt, da nicht auszuschlafen und dann auch noch hierher zu kommen. Ich kann einfach nicht lange schlafen und meine Mom hat mich heut morgen gleich hier abgeladen.“ Ein Kopfnicken meinerseits. Verdammt Mädel! Lass dir gefälligst was besseres einfallen!
„Was machst du denn dann jeden Montag hier?“ Na ja, wenigstens etwas. Er zuckt nur mit den Schultern. Er hat sich übrigens einige Stufen unter mich gesetzt und während ich ihn mit meinen Augen festnagele, guckt er nur ab und zu hoch.
„Na ja, ich lese, zeichne ein wenig.“
„Was denn?“ Ah, gut so. Interesse zeigen, Mädels merkt euch das fürs Leben, immer Interesse zeigen. Nicht tot quatschen. Jungs reden nicht so viel wie wir. Ihr müsst sie ein wenig ermutigen und abwarten. Ich weiß, wovon ich rede. Jungs müssen lernen zuzuhören und Mädels die Klappe zu halten. Manche jeden Falls. (Gilt für beide.)
„Lesen?“ Ich wackele kurz mit dem Kopf unsicher hin und her und zeige ihm dann mein schönes Lächeln. Nicht das schönste. Man geht ja auch nicht mit Diamanten um den Hals Bäume fällen. Dafür bekomme ich noch mal sein wunderschönes Lächeln zu sehen. Mann, ich muss aufpassen, dass ich mich nicht gleich total verknalle, ich schaff das, glaubt mir. Ich bin echt selten dämlich, was das Thema angeht. Ich muss nur in der richtigen Stimmung sein.
„Keine Ahnung.“
„Du weißt nicht, was du liest?“ Macht das nie. Zumindest wenn ihr was von dem Typen wollt. Unterbrecht ihn nie und macht euch dabei noch über ihn lustig. Gemein sein darf man erst, wenn man sich näher kennt, hat einst ein schlauer Mensch gesagt. Er lacht trotzdem. Zwar etwas nervös, aber er lacht.
„Du bist Lilian, nicht wahr?“, fragt er plötzlich keck, als wenn er von Anfang an zu mir gewollt hatte.
„Ja.“, meine ich platt. Wenn ich in solchen Momenten doch nur etwas Besseres sagen könnte.
„Ich sehe dich öfters auf dem Schulhof mit deinen Freundinnen. Ich mag deine Klamotten.“
Halt Leute. Stopp! Natürlich wacht keine Frau morgens auf und sagt sich: Gott, ich hoffe, dass ich heute nicht im Sturm erobert werde! Das hat auch mal ein schlauer Mensch gesagt, aber mich überrennt das gerade total, dass dieser Kerl mich offensichtlich versucht anzumachen.
„Sind die Bücher, die du liest, so seltsam, dass du auf diese Art von ihnen ablenken musst?“ Peng! Ich wusste gar nicht, dass ich zu solchen Sätzen fähig bin! Wieder ein nervöses Lächeln.
„Du weißt schon, dass man normalerweise in einem solchen Moment nach dem Namen des anderen fragt?“ Ich mag solche Gespräche, wo man ganz ehrlich sagt, was man denkt. „Aber ich helf dir gerne: Meine Name ist Frederik, falls es dich interessiert.“
„Und was machst du, wenn es mich nicht interessiert?“ Ich glaub irgendwas war heut morgen in meiner Milch.
„Tja, dann werde ich meine Gesellschaft dir weiter aufdrängen müssen und verzweifelt ignorieren, dass ich dich offensichtlich langweile.“
Nur für einen Moment sehen wir uns an und lächeln. Leute, bewahrt mich bitte davor, dass ich völlig wegdrifte.
„Was liest du?“
„Du lässt dich nicht ablenken, oder?“
„Da müsstest du schon schärfere Geschütze auffahren.“ Ah! Eine zweideutige Bemerkung! Ich weiß, dass es schlimm ist, dass ich hier so in Panik gerate, aber glaubt mir, diese Art von Gespräch führe ich selten. Ich gehöre zu den Menschen, die solche Gespräche im kleinsten Detail jedem Menschen noch Wochen danach nacherzählen, solange derjenige nur doof genug ist, es sich anzuhören und mich in meinem Wahn nicht zu stoppen.
Für einen Moment sieht er beschämt nach unten. Das sollte er lieber nicht machen, sonst glaubt mein Selbstvertrauen noch die Botschaft zu erhalten, dass ich ihn nervös mache und er gerade verzweifelt versucht seinen letzten mut zusammen zu kratzen und dann würde es sicher Amok laufen.
„Gut, du hast gewonnen.“ Junge, ich danke dir, dass du diesem Gespräch zweier völlig fremder Menschen jetzt die Spannung nimmst. Ich wäre nämlich sonst geplatzt und du hättest danach nicht mehr annähernd so appetitlich ausgesehen. „Ich lese quer durch den Gemüsegarten. Ich hab einfach noch keinen Lieblingsautor gefunden, weil neunzig Prozent meiner Bücher von plötzlichen Wühltischattacken herrühren.“
„Wo kommen die anderen zehn Prozent her?“
Jetzt lacht er doch tatsächlich. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mich gerade besonders witzig fühlen soll oder unsicher, weil ich etwas gesagt habe, was einen Teil meines Charakters enthüllt hat, was ihn offensichtlich amüsiert.
„Wie kommst du gerade auf diese Frage?“ Mist Leute. Es war das zweite. Ich sag euch, es gibt nichts, was einen Menschen mehr entwaffnet, wenn du über eine Eigenart von ihm lachst oder dich einfach über ihn amüsierst. Nicht unbedingt, weil du ihn lächerlich machen willst, sondern weil du die äußerst seltenen Gelegenheit hattest etwas von dem zu sehen, was jeder Mensch so gerne unter viel Make Up zu verstecken sucht: Seinen Charakter.
„Weiß nicht, einfach so.“ Jetzt ist er an der Reihe meine Unsicherheit zu genießen. Irgendwo hat er plötzlich diesen frechen Blick in seinen Augfern hervorgekramt und schaut mich ohne Scham direkt an. Sei stark Lilian! Kann ich mir da nur sagen, um mich selbst davor zu bewahren vor ihm dahin zu schmelzen. Ich wünsche euch allen eine bessere Beherrschung, als die meine.
„Du bist unglaublich.“, meint er nur mit einem kurzen Kopfschütteln. „Ich mach dir nen Vorschlag: Ich lass dich jetzt wieder hier in Ruhe in der Sonne brutzeln, wobei du vorhin zu unwiderstehlich aussahst, als dass ich es hätte unterlassen können dich anzuquatschen und du überlegst dir inzwischen, ob ich dich nach der vierten zu einer Kleinigkeit in der Kantine einladen kann.“
„Zu diesem schrecklichen Futter, das sie dort verteilen?“ Wieder lacht er.
„Wart’s ab. Ich hab einen besonderen Draht zur Frau des Essenausgabe, die zaubert uns was Schönes.“
„Ich überleg’s mir.“, sage ich ungenau.
„Wenn du dir ein ja überlegt hast: Ich warte im hinteren Teil an dem einzeln stehenden Tisch auf dich. So hast du die Chance sogar dorthin zu gehen, ohne Gefahr zu laufen mir über den Weg zu laufen.“
Und weg ist er. Dafür, dass man zu Anfang das Gefühl hatte, dass er ganz schön schüchtern war, hat er einen ganz schön selbstsicheren Abgang hingelegt. Das bringt mich echt zum Grübeln. Wer hat nicht schon von Typen gehört, die absichtlich schüchtern getan haben und dann doch die üblichen Arschlöcher waren?
„Wenn du kommst, erzähl ich dir mehr von meinen Bücher!“
Unter den schattigen Bäumen hatte er sich noch einmal umgedreht und mir das zugebrüllt. Ein letztes flüchtiges Lächeln. In diesem Moment fällt mir zum ersten Mal seine gute Figur auf, als er seinen Arm zum Abschied noch einmal kurz hochstreckt.




©2006 by frui. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

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