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Liebe und Lichtschranken - von Felo, 25.01.2006
Eine Sache, die mich seit Jahren, ja seit Jahrzehnten beschäftigt, die ich mir aber wohl bis heute nie eingestanden habe: Lichtschranken in Supermärkten!


Und zwar die, durch die man am Anfang seinen Wagen (oder auch nur sich selbst, wenn man keinen Euro für einen Wagen dabei hat, und wer besitzt schon diese lächerlichen Chips, die in sporadischsten Abständen an privilegierteste Kunden verteilt werden) schiebt, um dahin zu kommen, wo die ganzen Sachen stehen, die man kaufen will.

So weit ist auch alles in Ordnung: ich schiebe meinen Wagen (ja, ich habe einen Euro dabei!) durch die Schranke hindurch, durch die direkt anschließende Passage (Passage! Wie enorm das klingt! Aber wie heißt das Ding denn eigentlich? Der Durchgang halt, die zwei Metall-Geländer, die sie wahrscheinlich nur deshalb dahingebaut haben, damit kein Kunde, der es sich im letzten Moment noch mal anders überlegt, ausbüchsen kann) und während ich noch so vor mich hin schiebe, mit mir und der Welt im perfekten Einklang, klappt am Ende der Passage, im vollkommenen Timing, die Sperre auf, um mich und meinen Wagen (den Wagen natürlich zuerst) durchzulassen.

Noch nie ist es mir passiert, dass sich die Schranke zu spät oder gar überhaupt nicht geöffnet hätte und einen hässlich scheppernden Zusammenstoß mit meinem Wagen verursacht hätte! Die Klappe geht immer im richtigen Moment auf, um mir in serviler Manier Eintritt zu gewähren. (Das funktioniert, nebenbei bemerkt, auch wenn man nicht mit sich und der Welt im perfekten Einklang ist, beispielsweise, wenn man Liebeskummer hat, weil man endlich eine Frau gefunden hat, die man so richtig toll findet, es sich etwas ganz wunderschönes anbahnt, man auch ganz stark das Gefühl hat, diesmal eine echte Chance zu haben, und dann ganz plötzlich auf der vorletzten Party ein Freund bemerkt, dass er die Frau ja eigentlich auch ganz toll findet und “die ihm ja jetzt schon gefährlich werden könnte”, was er dir natürlich prompt bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit alkoholselig und in Verschwörermine anvertraut. Nur so zum Beispiel. Denn auch dann funktioniert die Lichtschranke. Ich hab’s ausprobiert.)

Richtig kompliziert wird die Sache erst (die Sache mit der Lichtschranke, nicht die mit dem Liebeskummer. Die wird dann so richtig kompliziert, wenn man besagtem Freund erklärt, man selber hege ebenfalls Gefühle für das zarte Wesen, und zwar nicht erst seit der letzten Party, und auch nicht weil man einfach immer geil wird, wenn besoffen ist, wie gewisse andere Leute, die man nicht nennen wolle, die immerhin bis vor kurzen noch eine eigene Freundin aus eigenem Verschulden verloren haben und sich jetzt mal etwas zurück halten könnten, es sei eine wirklich wichtige Angelegenheit für mich und nicht eine bloße Verknalltheit, auch gehe das schon etwas länger und bedeute mir sehr viel, worauf der Freund, ganz Freund, der er ist, bestürzt erklärt, das habe er nicht geahnt, und auch obwohl er die Frau wirklich toll fände, also wirklich toll, wäre er natürlich sofort bereit sich zurückzuziehen, er habe da schon ganz furchtbare Erfahrungen gemacht, bei denen er etwas mit den Ex-Freundinnen zukünftiger Ex-Kumpels angefangen hätte, und so was täte er nicht mehr, und außerdem hätte ich da auch die “älteren Rechte”, was meiner Meinung nach ein ganz grässlicher Begriff ist, weil der bisher immer nur gegen mich verwendet wurde, oder wenn er mal für mich zum Einsatz hätte kommen können, einfach ignoriert wurde, weshalb ich ihm auch nicht wirklich glaube. Nicht weil der Freund ein schlechter Mensch wäre glaube ich ihm nicht, ich halte ihn sogar für einen der besseren Menschen (so im Vergleich mit Hitler, Stalin oder Liberace), sondern weil er halt auch kein Heiliger ist, sondern einfach nur ein ganz normaler Mensch (sofern Trickfilmer - denn daraus bestehen die meisten meiner Freunde: aus 100% Trickfilmer - normale Menschen sein können), und weil außerdem die Gelegenheiten, bei denen er heiligenmäßige Zurückhaltung zu üben hätte, in nächster Zeit sehr häufig sein werden, Gelegenheit, die meistens mit ausgelassener Stimmung und dem mengenweißen Konsum von Alkohol zusammenhängen, oder kurz gesagt: Karneval!

Aber so richtig richtig kompliziert wird die Sache erst dann, wenn man selbst bei solchen Gelegenheiten krank und hustend zuhause bleiben muss, herumsitzt und sich die ganze Zeit krank und hustend fragt, ob das jetzt das Dümmste oder nur das Zweit-Dümmste war, das man machen konnte), wenn man wieder durch dieselbe Lichtschranke zurück nach draußen will. (Wenn Sie jetzt nach oben zurück blättern müssen, haben Sie ein schwaches Gedächtnis. Ich empfehle Tai Gin Seng.)

Das geht nämlich nicht so ohne weiteres. Zum einen, weil es ja eigentlich nicht erlaubt ist, immerhin könne man ja auf diesem Wege ganze Wagenladungen 10er-Packs doppellagigen Klopapiers, extra Komfort, nach draußen schmuggeln ohne dafür den gerechten Preis zahlen zu wollen, zum andern geht es nicht, weil mal von innen nämlich nicht an die blöde Lichtschranke rankommt.

Die liegt zu weit weg, und egal, wie weit man sich streckt, man kann sie nicht erreichen, dafür sind die Arme zu kurz. Wenn man Glück hat, trägt man eine Tasche bei sich, die kann man dann versuchen solange durch die Gegend zu schwenken, bis die Lichtschranke sie erfasst. Dummerweise scheinen Lichtschranken genau zu wissen, worauf sie reagieren sollen, nämlich auf Kunden (menschliche, da Hunde aus guten Gründen nicht in den Supermarkt rein dürfen, sondern satt dessen laut fiepend und gauzend irgendwo im Eingangsbereich angebunden warten müssen, bis Frauchen wieder kommt, was dann alle anderen Kunden zu dem äußerst einfallslosen Kommentar verleitet “Na, wartest du, dass Frauchen wieder kommt?” Es ist erbärmlich, wie wenig Einfallsreichtum manche Leute haben) und auf deren Einkaufswagen. Eine durch die Luft geschwenkte Tasche allerdings, das erkennt die Lichtschranke genau, hat nicht im mindesten die Form und Dichte eines menschlichen Kunden oder gar - Gott bewahre! - eines Einkaufswagens!

Hatte man beim Hereinkommen noch das Gefühl, von einem unterwürfigen Pagen die Tür aufgehalten zu bekommen, sieht man sich jetzt eher einem hochnäsigen Empfangschef gegenüber, den man mit der falschen Krawatte am Hals anspricht. “Mein Herr, ich erkenne einen Einkaufswagen, wenn ich ihn sehe, und ich muss Sie wohl nicht wirklich darauf hinweisen, dass das hier wohl kaum den Ansprüchen eines Einkaufswagens, oder wenigstens eines Kunden entspricht. Und was soll das jetzt sein? Ein Schal? Schwenken Sie da allen Ernstes einen Schal an meinen Sensoren vorbei? Tchh! Ich muss doch sehr bitten!”

Wenn dann wider Erwarten die Klappe doch noch aufgehen sollte, tut sie das mit dem gleichen Mangel an Entgegenkommen, nämlich nach innen, so dass man sich erst einmal aus ihrem Klammergriff befreien und um sie herum hetzen muss, wofür man exakt die Zeitspanne braucht, die etwas länger ist, als die Klappe braucht um schnell wieder zuzugehen. Wenn man dann nach allen Hindernissen auf seinem Weg nach draußen hochroten Kopfes die Lichtschranke wieder passiert, kann man hinter sich das höhnische Geräusch hören, mit dem sie sich öffnet. Am besten, man ignoriert das mit so viel Würde, wie einem noch verblieben ist.


Die andere Strategie, den Supermarkt entgegen der Fahrtrichtung verlassen zu können, ist die: man wartet einfach, bis neue Einkaufende die Lichtschranke passieren, um so hinter ihnen hinaus schlüpfen zu können. Nur ist es leider so, dass genau dann, wenn man sich zu diesem einfachen, aber viel versprechenden Plan durchgerungen hat, keine neuen Einkaufenden mehr den Drang haben, den Supermarkt zu betreten, und man oftmals recht lang hinter der Schranke zwischen den roten Einkaufskörben und dem Basilikum-Regal aushaaren muss, bis sie kommen, und wenn sie dann kommen, dann gleich in ganzen Legionen, die alle durch diese schmale Schleuse wollen, so dass es einem schier unmöglich ist, sich selbst und gegebenenfalls den eigenen Einkaufswagen (denn nur noch mal zur Erinnerung: ja, ich habe einen Euro dabei, und den will ich auch wieder zurück!) gegen diese Flut nach draußen zu zwängen. Je nachdem, in welcher Region man dies dann versucht, muss man auch mit dem mehr oder weniger starken Unmut der Entgegenkommenden rechnen oder zumindest deren Verständnislosigkeit angesichts der Frage, warum man überhaupt erst den Supermarkt betreten habe, wenn man ihn nun gleich wieder ohne einzukaufen verlassen will, und warum man dann überhaupt einen Einkaufswagen mitgenommen habe.

Das ist eine gute Frage, und auch wenn sie mir in Köln meist rheinisch-freundlicher gestellt wird als das beispielsweise in Berlin oder von missgünstigen Schwaben gefragt würde, bin ich doch der Meinung, dass manche Leute auch nicht alles wissen müssen! Es gibt Wissen, für das ist die Menschheit einfach noch nicht reif, und warum ich zuweilen den Supermarkt zu verlassen wünsche, ohne etwas einzukaufen, gehört definitiv in diese Kategorie.


Nun könnte ich natürlich auch, höre ich Sie - bildlich natürlich, denn ich kann Sie ja wohl kaum hören, es sei denn meine Ausführungen nötigen Ihnen einen Schrei ab, den man quer durch ganz Deutschland hören kann - fragen: Warum geht der blöde Arsch nicht einfach durch die Kasse wie jeder andere auch und hört auf, hier so ein Gewese zu machen?

Den blöden Arsch will ich mal überhört haben, Sie unhöflicher Stinkstiefel, und der Grund, warum ich nicht gerne mit leerem Wagen zur Kasse trabe, ist der: es ist mir peinlich.

Nicht etwa, dass ich glaubte, die braven Supermarktkassierer würden mich des Diebstahls oder der Unterschlagung verdächtigen, wohin denken Sie! Nein, die Mitarbeiter meines Supermarktes (natürlich nicht meines eigenen, das wäre ja noch schöner, wenn ich in meinem eigenen Supermarkt derart verbiegen müsste, um wieder nach draußen zu kommen) kennen mich, ich kaufe hier schon seit fast sieben Jahren ein, und sie wissen, dass ich meine 10er-Packs doppellagigen Klopapiers, extra Komfort, freudig und stolz zu bezahle pflege, ja sie verdienen gut an meinen 10er-Packs doppellagigen Klopapiers, extra Komfort, und haben bereits erwägt, mir die Goldene Doppellage zu verleihen, eine Auszeichnung, die mir meine angeborene Bescheidenheit natürlich abzulehnen gebot, es ist also nicht der mögliche Verdacht seitens misstrauischster Kassierer, der mich die Flucht nach hinten antreten lässt, sondern die Scham darüber, ihnen einzugestehen, dass ich in ihrem wundervollsten aller Supermärkte nicht das von mir gewünschte Produkt gefunden habe und so unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen muss. Die Verzweiflung in ihren Augen bricht mir jedes mal schier das Herz, und so schleiche mich beschämt aus dem Hinterausgang, scheue den Konflikt und verkrieche mich kleinlaut. So bin ich nun mal. Es ist ein Jammertal, wie man so sagt in solchen Situationen.

Aber das wird nun alles anders werden! Jawohl! Von Stund an werde ich nicht mehr zurückstecken! Ich werde nicht den Rückzug antreten, mit eingekniffenem Schwanz! Ich werde das nächste mal, wenn ich den Supermarkt mit noch jungfräulichem, weil leerem, Einkaufswagen betrete um eine Tüte Lakritzschnecken zu kaufen und bemerken muss, dass eben diese Lakritzschnecken allesamt schon von einem andern Kunden weggekauft wurden, mit meinem nach wie vor leeren Wagen an die Kasse treten, den dort erwartungsvoll aufblickenden Kassierern fest ins Auge schauen und verkünden “Jämmerliche Krämerseelen! Ich bin von der armseligen Auswahl dieses mickrigsten aller Supermärkte aufs tiefste enttäuscht! Ich verlasse dieses Etablissement unverrichteter Dinge!” oder ich werde vielleicht sogar - ha! das ist ja noch besser! - den betreffenden Kunden aufsuchen und mit ihm um die Lakritzschnecken kämpfen, und vielleicht werde ich sogar um die Frau meines Herzens kämpfen und vielleicht auch nicht!


Ha!


Ähem... Ja, wohl eher nicht...







Nachtrag:

Nachdem ich das alles hier niedergeschrieben habe, bin ich in den Supermarkt gegangen - warum, verrate ich nicht - und es ist mir tatsächlich passiert, dass die Lichtschranken-Klappe sich nicht rechtzeitig vor mir öffnete! Sie hat sich vielmehr überhaupt nicht ganz geöffnet, und hing auch vorher schon so lustlos, ja geradezu verzweifelt in ihrer Halterung, dass ich unzweifelhaft einen Leidensgenossen in ihr erkannte und folgerrichtig diagnostizierte: diese arme, gequälte Kreatur leidet an Liebeskummer!

Ich habe dann allerdings meinen natürlichen Reflex, die Lichtschranke mit in die nächste Kneipe zu nehmen, ihr ein Bier hinzustellen und aufmunternd “Na, was ist los? Komm, erzähl mal” zu ihr zu sagen, unterdrückt, habe meine Tüte Lakritzschnecken und meinen 10er-Packs doppellagigen Klopapiers, extra Komfort, genommen und bin damit nachdenklich erhobenen Hauptes zur Kasse gegangen um sie dort ohne viele Gewese zu bezahlen.




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...und möge der Wind in Eurem Rücken stets der der eigene sein!



©2006 by Felo. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

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