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Prosa => Humor & Satire


Heribert - ein verkannter Philosoph - von Marlene_von_Hagen, 04.04.2013
Wissen Sie eigentlich wovor ich mich am meisten fürchte? Ich sage Ihnen nur: Orangensaft im Tetrapack! Angestochen und offen in meiner äußersten Tasche vergessen!
Können Sie sich vorstellen, was das für ein Gefühl ist? Feuchtigkeit, die in einem herum schwappt und die rauen Innentaschen mit tintenbeschmiertem Heftpapier verklebt? Das ist ein grausliches Gefühl, glauben sie mir! Wie wenn man sich mit Schleifpapier zu waschen versucht.
Sie glauben mir nicht? Dann probieren Sie es doch einmal selbst aus!
Es gibt nur eines, das noch schlimmer ist! Sogar schlimmer als jenes Käsebrot, das Alois vor etwa vier Jahren in mir vergessen hat. Natürlich über die Sommerferien!
Den ganzen Sommer über gammelte es vor sich hin - ich konnte ihm dabei zusehen, wie es sich in seine Einzelteile zerlegte. Ich sage Ihnen, kein schöner Anblick. Zumindest bekam ich in dieser Zeit Gesellschaft ...
Zuerst kam eine Schar von Ameisen - äußerst unkommunikative, ignorante Wesen, die ständig nur damit beschäftigt waren, jeden noch so winzigen Krümmel aus meinen Taschenfalten zu stibitzen. Und dann kamen die Würmer und die Fliegen. Wo zuerst noch die Würmchen sich schweigend durch das Brot bohrten und mich an den unmöglichsten Stellen auf unhöflichste Weise kitzelten, verfielen die Fliegen später in endlose und nicht zu stoppende Gespräche. Noch heute dröhnt mir der Schädel, wenn ich an ihr unaufhörliches Surren und Flügelputzen zurückdenke.
Am liebsten war mir da noch der kleine, schwarze Käfer. Er nannte sich selbst Günther, und ich stellte mich bei ihm, als Fa. Heribert vor. Zumindest stand das auf der Rückseite meiner Außentasche, auf einem fein säuberlichen Stoffetikett.
Wir wurden schließlich über diesen kurzen Sommer Freunde und redeten bis spät in die Nacht hinein, als die Ameisen und sogar die Fliegen und Würmer schon längst schliefen.
Ich erinnere mich an keinen Ferienzeit, die mir schneller vergangen ist, als diese zwei Monate. Meist lungerte ich gelangweilt von Anfang Juli bis Ende August in einer Ecke herum und wartete darauf, dass der Sommer endete.
Erst als ich im Herbst wieder zum Einsatz kam, und die Mutter meines derzeitigen Besitzers angewidert den Inhalt meiner selbst entleerte, verlor ich Günther aus den Augen. Ich trauere noch heute dieser schönen Zeit nach. Dennoch diesen scheußlichen Geruch des in sich zerfallenden Käsebrotes hätte ich mir lieber erspart!
Bei meinem Leder, hat das schon gestunken! Aber es gibt ja wirklich noch viel Schlimmeres!
Milch, die an einem heißen Sommertag in meinen Taschen verschüttet wird.
Können Sie sich vorstellen, wie abscheulich das erst zu stinken beginnen kann?
Da sind heutzutage gängige Buttersäurestreiche der Kinder ein Klacks dagegen! Da wäre mir ja noch dieses klebrige Cola lieber!
Ich sage Ihnen! Als Schulranzen mehrerer Generationen erlebt man schon so einiges!
Sie wollen jetzt Beispiele? Denken Sie doch ein wenig nach! Sie waren doch auch einmal Besitzer eines so tollen Utensils!
Und tun Sie jetzt bitte nicht so, als hätten Sie meine Verwandten mit Glaceehandschuhen angegriffen! Das können Sie jemanden anderem erzählen ...
Na, fällt Ihnen schon ein passendes Beispiel ein, wie Sie einen von uns gequält haben? Bestimmt gehörten gerade Sie zu jenem Typ Kind, das nichts lieber tat, als uns an einem einzelnen Riemen zu packen, und uns schlürfend durch den Dreck ihres verstaubten, mit Krümmeln und leeren Kaugummipapieren übersehenen Kinderzimmerbodens zu schleifen.
Geben Sie mir Recht?
Na also, geht doch!
Ich sage Ihnen jetzt etwas. Für heute haben wir genug geplaudert. Aber morgen, da unterhalten wir uns über Philosophie!
Was Sie glauben ich hätte keine Ahnung davon? Sie sind mir ja einer! Wo denken Sie denn, habe ich meine Zeit alltäglich verbracht? Na in allen möglichen Klassenzimmern, aller Altersstufen!
Ich weiß bestimmt weit mehr über Philosophie als Sie!
Sie glauben mir nicht? Na wir werden ja sehen.
Aber jetzt bin ich müde. Sie entschuldigen mich. Ich muss mich noch von der schweren Last des Tages erholen ... Eins kann ich Ihnen sagen. Dass was die Kinder von heute in uns herum schleppen ist nicht mehr normal! Aber darüber reden wir ein anderes Mal. Gute Nacht.

Ihr Heribert Schulranzen



©2013 by Marlene_von_Hagen. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

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