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Prosa => Phantasy & SciFi


Fragment: Kryptis - von Crisperton, 07.06.2013
Una hatte nicht mehr geredet seit sie auf ihren Vater zu sprechen gekommen waren und egal welches Thema Albert auch angeschnitten hatte, Una gab nur knappe Antworten und schien sich nicht auf ein längeres Gespräch einlassen zu wollen
Und so durchwanderten sie schweigend, stundenlang, den mittlerweile, von der Nacht, in tiefe Schwärze gehüllten Wald, bis sie schließlich an eine Lichtung kamen in dessen Mitte ein kleiner Waldsee lag. „Wir sind da! Und sogar noch vor Mitternacht. Wir haben also noch ein wenig Zeit um uns vorzubereiten.“ Albert war verwirrt. „Wir sind da? Ich sehe hier nichts als Bäume und einen See.“ Una wischte ein paar Ameisen von einer weit aus dem Boden ragenden Wurzel, setzte sich drauf und sah zu Albert auf. „Mehr soll man ja auch nicht sehen! Oder hast du gedacht eine geheime Stadt steht hier einfach so, nur von Bäumen geschützt, in einem Wald rum? Es wäre nur eine Frage der Zeit bis man sie gefunden hätte.“ Eigentlich einleuchtend, dachte Albert und seine Neugierde erwachte aufs Neue. „Ist sie unsichtbar?“ hauchte er geheimnistuerisch? Wieder hatte Una nur ein Lächeln für seine Unwissenheit übrig, jedoch eines, welches Albert nicht das Gefühl gab dumm zu sein. Vielmehr schien sie es zu genießen, ihm Rivar Stück für Stück näher zu bringen, mit all seinen Gefahren und Geheimnissen. „Warte es ab. Ich kann dir zwar nicht versprechen, dass es angenehm für dich wird oder dass du es beim ersten Mal zu schätzen weißt, aber vergessen, wirst du es nie.“ Langsam kam Unbehagen in Albert auf. Wenn Una schon anfing von Unannehmlichkeiten zu sprechen, konnte das nicht gut enden. Mit unwohlem Gefühl im Bauch setzte er sich neben sie. Una kramte derweil in ihrem Umhang herum und zog einen ledernen Beutel hervor, den sie, aus welchen Gründen auch immer anfing akribisch zu untersuchen. „Hast du irgendetwas dabei was nicht nass werden darf?“ fragte Una beiläufig, während sie eine dunkle Stelle des Leders näher begutachtete.
Und als Albert nach wenigen Sekunden endlich begriff, worauf das alles hinauslaufen würde, sprang er auf. „Nein Una, ich bin ein miserabler Schwimmer, ich kann das nicht, hörst du! Ich werde auf keinen Fall in den See gehen, auf keinen Fall!“ Una schien seine Reaktion erwartet zu haben und blieb die Ruhe selbst. „Mach dir keine Sorgen du wirst nicht schwimmen müssen.“ Una unterbrach die Überprüfung ihres Lederbeutels und sah Albert jetzt direkt an. „Wir tauchen!“ Sie schien wirklich zu denken, dass ihn diese Tatsache beruhigen konnte. „Und mach dir keine Sorgen, wir sollten nicht länger als zehn Minuten brauchen. Das ist vorbei, bevor du überhaupt begriffen hast was passiert ist“ Albert war entrüstet. „Una, ich schaffe es nicht einmal 30 Sekunden die Luft anzuhalten. Wie stellst du dir das vor?“ „Um Luft brauchst du dir keine Gedanken machen, das verspreche ich dir. Und jetzt setz dich wieder und sei vor allem wieder leiser, du schreist ja selbst den letzten Drakk aus dem Schlaf.“ Albert war völlig aufgewühlt und hinsetzen, würde er sich jetzt bestimmt nicht. Zehn Minuten ohne Luft. Wollte sie ihn umbringen?
„Alles was trocken bleiben soll, hier rein.“ Befahl Una tonlos und hielt ihm den ledernen Beutel auf. Albert packte gehorsam aber nervös alles an, in seiner Jacke befindlichen Gegenständen, hinein. Nachdem Una den Beutel in ihrem Umhang verschwinden ließ und sich noch einmal aufmerksam umgeschaut hatte trat sie auf die Lichtung und winkte Albert heran. Trotz seiner Bemühungen sich ein wenig zu entspannen wurde Albert immer unruhiger je näher sie dem Ufer kamen. Una hatte ja versprochen, dass er sich um Luft keine Sorgen machen brauchte, aber wirklich beruhigt hatte ihn das nicht. Das besserte sich auch nicht als sie am Ufer angekommen waren. Im Gegenteil. Der See lag so windgeschützt in dem Wall aus Bäumen, dass er nicht einmal durch kleinste Wellen getrübt war. Außerdem schien das Mondlicht einfach an der Wasseroberfläche abzuprallen. Und so lag er, wie ein übergroßer, unheimlicher, schwarzer Spiegel Albert zu Füßen. Una machte den ersten Schritt ins Wasser und verschwand gerade einmal bis zu den Knöcheln. Das konnte Albert dann doch zumindest ein wenig beruhigen, hatte er sich doch vorgestellt, wie er sogleich vom kalten Nass in die Tiefe gerissen wurde. Jetzt verlangte Una nach seiner Hand und der unausweichliche Zeitpunkt, erneut Mut zu beweisen schien gekommen. Das sonst stattgefundene Gefühlsfeuerwerk, als er Unas Hand nahm blieb aus. Zu sehr konzentrierte sich Albert auf das nun Kommende. Der erste Schritt ist immer der schwerste, dachte Albert nach anfänglichem Zögern schließlich und tauchte seinen Schuh in sein Spiegelbild. Sofort spülte kaltes Wasser selbst letzte Reste von Alberts Zuversicht davon. Er sträubte sich innerlich so sehr gegen die nächsten Schritte, dass er das Gefühl hatte von Una, wie ein bockender Esel, meterweit in den See gezogen zu werden. Sie waren bis zu den Knien verschwunden, als Una plötzlich stehen blieb. „So, jetzt kommt der unangenehme Teil.“ Einen schier faustgroßen Angstkloss runterschluckend, beobachtete er wie Una einen ledernen Trinkbeutel hervorholte. „Halte beide Hände auf und lass nichts daneben fallen.“ Albert hielt die Hände auf und Una quetschte den Trinkbeutel, bis ein großer Haufen, trüben, farblosen Gelees auf Alberts Händen lag. Sofort stieg ihm der Gestank von Fischabfällen in die Nase. Angewidert hielt er seine Hände soweit er konnte von sich weg, ohne jedoch etwas von der Substanz zu verschütten. Una verschloss den Lederbeutel wieder, hing ihn sich hinten an ihren Gürtel und wischte sich eine Handvoll des fischigen Puddings auf ihre linke Hand. Diesmal lachte sie nicht über ihn, auch sie schien es Überwindung zu kosten, das sämige Gelee in die Hand zu nehmen.
Tief durchatmend starrte sie auf die schleimige Masse. „Was um Gottes Willen ist das Una?“ „Was es ist sage ich dir lieber nicht, aber die Kjell nennen es nur Chokassee, das heißt soviel wie Brechreiz.“ Ja, dachte sich Albert, ein passenderer Name wäre auch ihm nicht eingefallen. „Schiebe es tief in deine Nasenlöcher bis sie komplett voll damit sind und dann den Rest in deinen Mund.“ Albert entgleisten sämtliche Gesichtszüge. „Ich soll was?! Ich kann es gerade so ohne mich zu übergeben in meiner Hand halten, das kann ich mir unmöglich in die Nase, geschweige denn in den Mund stopfen!“ Una reagierte energisch. „Es wird dir ermöglichen unter Wasser zu atmen. Chokassee filtert den Sauerstoff aus dem Wasser und hält selbiges auch von deinen Lungen fern. Also, erst in die Nasenlöcher und zwar bis sie wirklich voll damit sind, das ist wichtig, hörst du; und dann den ganzen Rest in den Mund und bis hinten in den Rachen drücken. Ich muss mich darauf verlassen können, dass du das richtig machst, ansonsten wirst du ertrinken Albert.“ Das war eindeutig. Doch es half ihm nicht bei seiner Entscheidung. Unentschlossen betrachtete er die übelriechende Masse in seinen Händen. „Albert, wir sind so weit gekommen, willst du jetzt aufgeben, so kurz vor dem Ziel?“ Albert war reglos, der Ekel ließ es nicht zu, dass seine Hände seinem Gesicht auch nur einen Millimeter näher kamen. „Wenn deine Nase erst voll damit ist, wirst du kaum etwas schmecken, das verspreche ich dir. Und lass deine ganze Luft aus den Lungen bevor du es einnimmst, dann sinken wir die ersten Meter etwas schneller. Und Albert…komm nicht in Versuchung es runterzuschlucken.“
Ein unscheinbares Lächeln umspielte Unas Mund und steckte auch Albert an, zumindest für einen kurzen Moment. „Also dann, guten Appetit.“ Versuchte Albert seinen Ekel zu überspielen und drückte, ohne weiter darüber nachzudenken, großzügig den widerlichen Gallert so tief in seine Nasenlöcher, dass er ihn fast schmecken konnte. Dermaßen angewidert musste er sich jedoch sehr darauf konzentrieren sich nicht zu übergeben und atmete dreimal tief ein und ein letztes Mal kraftvoll aus, bevor er sich den letzten Rest unter größter Anstrengung seiner Selbstbeherrschung in den Mund stopfte. Erwartungsvoll sah er zu Una, die ihn nun ebenfalls ansah und kurz davor war, sich selbst den letzten Rest Chokassee in den Mund zu stecken. „Es tut mir leid Albert, aber das wird jetzt wahrscheinlich eines deiner schlimmsten Erlebnisse. Du musst mir einfach vertrauen.“ Und ehe Albert irgendetwas von dem eben Gesagten richtig verstanden hatte, schob sich Una die stinkende Gelatine in den Mund, trat von hinten an ihn heran, umklammerte seinen Körper, wie auch seine Arme so fest, dass er sich nicht mehr bewegen konnte und schleuderte sich mit ihm voran in die Tiefe. Doch noch bevor Albert ins Wasser schlug, meinte er jemanden am Waldrand gesehen zu haben. Jemanden, der mit großen, gelben Augen auf ihn zurück starrte.

Die mondbeleuchtete Wasseroberfläche entfernte sich immer weiter, während Albert durch Unas Gewicht tiefer und tiefer hinab gezogen wurde. Panische Angst und sein Verstand verboten ihm jedoch den Mund zu öffnen und zu versuchen durch das Chokakssee zu atmen. Wie eine Raupe, gefangen in einem Spinnennetz wand er sich mit letzter Kraft und versuchte sich zu befreien, um wieder an die Oberfläche und somit an rettenden Sauerstoff zu kommen. Doch Una hielt ihre Umklammerung mit Armen und mittlerweile sogar Beinen eisern. Albert meinte zu spüren, wie sein entkräfteter Körper versuchte noch letzte Reste Sauerstoff aus seinem Körper zu ziehen, bevor er ohnmächtig werden und ertrinken würde. Doch seine Lungen schienen zusammengefallen und an einander zu kleben. Wie ein Bogen krümmte er sich ein augenscheinlich letztes Mal. „Lass es zu, öffne endlich deinen Mund, atme, vertrau mir!“ hörte er Unas Stimme dumpf hinter sich und Luftblasen wirbelten aufgeregt an ihm vorbei. Doch Albert konnte seinen Mund nicht öffnen, stattdessen spürte er, wie das Leben langsam seinen Körper verließ. Kalt, kälter noch als das Wasser des Sees, kroch der Tod an seinen Knochen empor, bei seinen Füßen anfangend, weiter, immer weiter, bis seine langen, dünnen Finger schließlich sein Herz umschlossen und fest zudrückten, sich das Recht einfordernd, welches ihm bei der Geburt gegeben wurde. Seine Augen fielen zu, sein Körper erschlaffte vollends und Albert hörte sein Herz ein letztes Mal aus weiter Ferne schlagen, bevor ihn die Schwingen endloser Finsternis umfingen.

„Albeeeert!“ Kein Licht am Ende des Tunnels, aber jemand der seinen Namen zu kennen schien. „Aaalbeeert!“ Die Stimme war stark gedämpft und es klang so, als würde jemandem ein Kopfkissen aufs Gesicht gedrückt. „Kannst du mich hören Albert?“ Panik schwang mittlerweile in der Stimme und irgendjemand fing an ihn kräftig durchzuschütteln. „Mach doch bitte die Augen auf! Bitte Albert, Bitte!“ Allerdings ging auch eine angenehme Vertrautheit von ihr aus. Wen er wohl sehen würde, wenn er die Augen öffnete?
Grass waberte schwerelos in grünem Dunst und streckte seine Halme wie sattgrüne Flammen, im Mondschein dem Himmel entgegen. Doch so einen Himmel hatte er noch nie gesehen. Zig Millionen kleine Sterne flackerten in grüntrübem Zwielicht und schienen gemächlich, wie im Zeitraffer auf ihn nieder zu sinken. „Oh Albert, Gott sei Dank, du lebst!“ Innig umarmte ihn die vertraute Stimme und Albert versuchte endlich zu erkennen wer sich da so an ihn presste.
„Una?!“ Albert hatte erst nur ihre blonden Haare gesehen, die der Schwerkraft trotzend, in dem grünlichen Licht in alle Richtungen flammten. Doch er hatte sie sofort erkannt und mit ihr, die Situation in der er sich befand. Das grüntrübe Licht, Unas Haare die der Schwerkraft zu trotzen schienen, Sterne, welche auf ihn herab sanken. Er war auf dem Grund eines Sees.
Sich dessen bewusst versuchte Albert sofort wieder kontrolliert zu atmen, aus Angst er könnte durch zu tiefes Luftholen Wasser schlucken, doch das Chokassee schien zu halten, was Una versprochen hatte.
„Ich konnte dich nicht wirklich darauf vorbereiten Albert, es tut mir leid.“ Versuchte Una erste Anläufe einer Entschuldigung. „Schon ok Una, alles in Ordnung, ich lebe ja noch.“ Dass Albert ihre Entschuldigung ohne große Diskussion annahm hellte ihr Gesicht augenblicklich wieder auf. „Ich würde dir gerne Ruhe gönnen, aber wir haben nur wenig Zeit den Eingang zu passieren. Das Chokassee hält nicht ewig.“ Albert nickte und stellte sich auf. „Folge mir!“ sagte Una, ging leicht in die Knie, drückte sich gleich danach kraftvoll vom weichen, grauen Seeboden empor und gewann durch schwungvolle Schwimmstöße rasch an Weg. Albert tat es ihr gleich, hatte jedoch arge Probleme an Una dran zu bleiben. Grazil wand sie ihren schlanken Körper, nutzte kaum ihre Arme und erinnerte Albert eher an einen Delfin, als an einen Menschen. Die trübe Sicht machte es zudem nicht gerade einfacher, zwischen den meterhohen Wasserpflanzen hindurch Una zu folgen. Doch hinter einem besonders dichten Wassergrasfeld schien bereits der Eingang zu liegen. Jedenfalls wartete Una dort, knapp über dem Grund des Sees schwebend vor einer dicht bewachsenen Felswand und entfernte sich nicht weiter als Albert sich näherte. Stattdessen nahm sie seine Hand, wischte ein paar besonders breite Seegrasblätter zur Seite und zog ihn in eine dahinter liegende Höhle. Und obwohl er nichts sah hatte er das Gefühl die ganze Zeit bergab zu schwimmen, bis das Ziehen an seiner Hand endlich aufhörte und er leicht gegen eine Wand vor sich trieb. „Eine Sackgasse?“ fragte Albert gleich aufgeregt. „Nein wir sind da, aber eins musst du noch wissen. Wenn wir gleich aus dem Wasser kommen musst du sofort das Chokassee loswerden! Unter Wasser hilft es dir zwar zu atmen, aber über Wasser, erstickst du daran!“ Albert riss die Augen auf, obgleich ihn Una nicht sehen konnte. Jedwede Mimik war in völliger Abwesenheit von Licht bedeutungslos. „Und wie soll ich das machen? Ich hab es mir fast bis in die Lungenflügel geschoben!“ Albert konnte zwar nichts sehen, aber an ihrer Stimme hören, dass sie seine Panik ein wenig zu amüsieren schien. „Halt die Luft an bevor du aus dem Wasser kommst und dann steckst du dir den Finger in den Hals und erbrichst einfach.“ Albert konnte sich nur allzu bildlich vorstellen, wie sie ihre Augenbrauen hochzog, während sie ihm erklärte wie einfach es doch war die Handvoll Schleim wieder loszuwerden, die er sich vorher erst unter größter Anstrengung in den Mund gestopft hatte. „Zwei Meter über uns ist der Eingang. Warte bis ich drei Mal aufs Wasser schlage, dann bin ich mein Chokassee los und kann dir helfen, falls du in Panik gerätst.“
Albert nickte, bevor er merkte dass Una es gar nicht sehen konnte, doch da hatte sie ihn auch schon losgelassen. Er spürte noch wie sie an ihm vorbei nach oben schwamm, hörte dumpf wie Wasser spritzte und dann, Stille. Schwerelos trieb Albert in kalter Nacht und wartete ungeduldig auf das Zeichen Unas, doch nichts passierte. Zudem schien ihn die Dunkelheit von allen Seiten immer fester zu umklammern. Albert schloss seine Augen, das war sicherlich kaum anders als in die Dunkelheit zu starren, aber zumindest wurde er das unbehagliche Gefühl los, von ihr erdrückt zu werden. „Komm schon Una, schlage aufs Wasser.“ betete Albert unruhig und kleine Bläschen rollten an Nase und Stirn empor.
Nichts passierte, so sehr er es auch ersehnte. Nur eines konnte er vernehmen, das leise Flüstern seiner Furcht.
Was wenn sie dort oben in Schwierigkeiten war, wenn sie am Chokassee erstickte, oder irgendein Monstrum nur darauf gewartet hatte dass endlich jemand an die Wasseroberfläche kam. Nein, er konnte nicht mehr warten. Kurz entschlossen holte er noch einmal tief Luft, stieß vom felsigen Grund hinauf und schoss kurz darauf so stark durch die Wasseroberfläche, dass er fast bis zur Hüfte aus dem Wasser glitt. Er konnte noch nicht einmal das Wasser aus seinen Augen wischen, da packte man ihn bereits am Arm und zog ihn mit einem Ruck ans steinige Ufer. Von der Angst getrieben an dem fischigen Brei in seinem Rachen zu ersticken, steckte er sich ohne groß zu überlegen zwei Finger bis zum Anschlag in den Mund und würgte. Ein riesiger Batzen grüngrauen Schleims klatschte geräuschvoll auf den mit Wasser benetzten Steinboden. „Nicht gerade angenehm oder?“ fragte Una und strich Albert mitfühlend über die Schulter. Albert schnäuzte sich die letzten Chokasseereste aus der Nase bevor er antwortete. „Lebertran ist nicht gerade angenehm, das dagegen ist das widerlichste, schlimmste, ekelerregendste was ich je, wirklich je im Mund hatte.“ Albert drehte sich, setzte sich auf einen felsigen Vorsprung und erkannte einen langen schmalen Gang, an dessen Ende eine riesige Fackel hing. „Das schaff ich nicht nochmal Una, nicht nochmal. Eher halte ich zehn Minuten die Luft an, als dass ich den ekelhaften Pudding nochmal in den Mund nehme.“ „Also ich fand das sehr mutig von dir Albert. Viele trauen sich nicht den Eingang im See zu nehmen. Die meisten wandern bis zum nördlichen Eingang und nehmen dafür Umwege von bis zu drei Tagen in Kauf.“ „Es gibt einen zweiten Eingang?“ schrie Albert entrüstet, dass sein Echo in dem engen Gang nur so hin und hergeworfen wurde. Ohne dass er es wirklich gewollt hatte stand er jetzt. „Ja, sogar zwei weitere.“ Fügte Una kleinlaut hinzu und wich einen Schritt zurück. „Die sind aber noch weiter entfernt, einer in Kuras, drakkverseuchte Gegend und der andere im Quapa-Seengebiet, sehr weit westlich. Warum fragst du?“ „Wir hätten uns den ganzen Fischbrei sparen können und wären trocken und ohne fast zu ertrinken ebenfalls in Kryptis angekommen?“ Albert war ausser sich. „Nein!“ jetzt kippte auch Unas Laune. Sie durchbohrte Albert förmlich mit ihrem Zeigefinger und nun war es Albert der einen Schritt zurück wich. „Dann hätten sich unsere Wege bereits in Plagat getrennt und du hättest mit deinem Skirfreund weiterreisen können! Ich habe auch ein Ziel Albert und von dem lasse ich mich nicht abbringen, schon gar nicht für irgendwelche bequemen Umwege die nur von meiner kostbaren Zeit zehren!“ Wutschnaubend machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte, ohne sich weiter um Albert zu kümmern, in Richtung des Kerzenscheins, am Ende des Ganges.
„Una!“ rief Albert ihr hinterher, doch Una hörte nicht. Hätte er doch nur seinen Mund gehalten.
Als sie gesagt hatte wie mutig sie ihn fand, hätte er es dabei belassen sollen, dann wäre er jetzt ihr Held. Sauer auf sich selbst trottete er völlig durchnässt hinter ihr her. Das schmatzende Echo seiner durchtränkten Schuhe klatsche wie verhaltener Beifall für seine kurz zuvor begangene Dummheit.
„Una, warte doch. Ich habe es nicht so gemeint! Ich wär fast ertrunken und…“ Albert suchte angestrengt nach einer möglichst plausibel klingenden Ausrede. „…und ich war lange ohne Sauerstoff, verstehst du?“ Er hatte sie jetzt fast eingeholt. „Da kann man einfach nicht mehr klar denken und außerdem…“ Una drehte sich so ruckartig um, dass Albert erschrocken stoppte, um nicht mit ihr zusammen zu stoßen.
Sie blickte ihm direkt in die Augen und sagte kurze Zeit nichts. Wie Albert feststellte, konnte Una obgleich sie so liebliche Züge hatte, ihr Gesicht geradezu versteinern und unangenehm ernst wirken.
„Weißt du noch was ich dir über die Freien gesagt habe?“ „Ja, eigentlich schon.“ Zögerte Albert. „Dann kannst du dir bestimmt denken, dass wenn du mit mir durch das Eingangstor gehst, es kein Zurück mehr gibt.“ Unas Augen blickten traurig, doch ihre Gesichtszüge waren immer noch erstarrt. “Du bekommst das Mal und bist von da an ein Freier!“ Una schien mittlerweile durch Albert hindurch zu blicken und sprach als schickte sie ihn ins Verderben. „Ein Geächteter, ein Gejagter, der allein des Todes sein kann, wenn jemand nur sein Mal erblickt!“ Albert schluckte, daran hätte sie ihn noch einmal erinnern können bevor sie ihn in die Tiefe gezogen hatte. „Solange du zögerst, kann ich dich nicht hinein lassen.“ Fokussierte Una Albert schließlich wieder fest entschlossen. Albert war kein Freund so schwerwiegender Entscheidungen. Was sollte er tun? Er war doch hierher gekommen um zu erfahren, wie oder ob er wieder nach Hause kam. Und wenn es tatsächlich einen Weg gab? Würde er es mit so einem Mal überhaupt lebend bis zum Übergang in seine Welt schaffen? Und wenn es keinen Weg zurück gab? Dann wäre er den Rest seines Lebens in Rivar gebrandmarkt. „Ich weiß was du denkst Albert.“ Unas Stimme klang jetzt wieder weicher, wärmer. „Aber es gibt keine Garantien im Leben, nur Entscheidungen. Die einen werfen dich einen Schritt zurück und andere wiederum helfen dir zwei Schritte nach vorn. Egal wie du dich entscheidest, hör auf dein Herz, nicht auf deine Ängste.“ Albert wehrte sich nicht als sie seine Hand nahm. Entgegen seiner Erwartungen zog sie ihn jedoch nicht weiter, sondern wartete ab. Albert wusste nicht ob es das richtige war, als er sich in Bewegung setzte, aber er wusste dass es für ihn kein Zurück sondern nur ein „nach vorn“ geben konnte. Und etwas Gutes besaß diese Entscheidung bereits während er sie traf. Er hatte seine Angst ein weiteres Mal in die Schranken gewiesen.

Una ließ Albert, während sie ihn in die Nähe der Fackeln führte, keinen Augenblick aus den Augen, als wollte sie sicher gehen, dass wirklich kein Anzeichen von Unmut sein Gesicht trübte.
Erst als sie vor der schroffen Felswand standen wendete sie ihren Blick von ihm ab.
Albert sah sich mit Una zusammen in einer Sackgasse. „Was müssen wir jetzt machen?“ hauchte Albert, als hätte man ihn zu flüstern getadelt. „Du nichts.“ Wisperte Una ebenfalls, als hätte sie ihn tatsächlich angewiesen. Vorsichtig streckte Una ihre rechte Hand nach dem Fels aus. Albert vergas fast zu atmen, so aufgeregt war er auf das nun Kommende. Ein Ruck ging durch Una, als ihre Hand den kargen Stein berührte und Albert duckte sich instinktiv, als sich der Fels vor ihnen langsam entzwei teilte und feiner Sand auf beide herab rieselte. „Keine Angst!“ versuchte Una zu beruhigen und zog ihn zielstrebig in den langen Gang an dessen Ende Sonnenlicht einzufallen schien.. Das Licht der Fackel hinter ihnen jedoch wurde schwächer als sich das steinerne Tor wieder schloss und erstarb mit dem dunklen Grollen der vollends zugefallenen Pforte. Albert fixierte lange den scheinbar mit Tageslicht, lockenden Ausgang des Tunnels, bevor er etwas anderes bemerkte. Die Wände des Ganges. Hatte das schlechte Licht ihm einen Streich gespielt, oder bewegten sie sich. Das erste was Albert erkannte, als er sich die Wände genauer betrachtete war, dass die Wände eigentlich keine Wände waren. Jedenfalls nicht was seine Vorstellung anging. Tausende Wurzeln hatten sich in einander verwoben und bildeten ein dichtes undurchdringliches Netz. Und einige von ihnen bewegten sich tatsächlich. Wie hölzerne Schlangen zogen sie ihre Bahnen durch das Wurzelwerk und fesselten Alberts Blick. „Nicht!“ schlug Una Alberts Hand herunter, welche gerade bewundernd eine dieser wandernden Wurzeln berühren wollte. „Nicht anfassen!
Wir sind so kurz davor, du willst doch noch in Kryptis ankommen, oder?“ Einem Nussknacker gleich presste Albert seine Arme so fest an seinen Körper wie es nur ging, um ja nicht die Wände zu berühren.
Wenn Una so reagierte, wollte er besser garnicht wissen was passierte, wenn er gegen die Ranken kommen würde. „Hörst du dass?“ fragte Una leise. Albert musste sich nicht anstrengen, das weit entfernte Gesäusel hatte er zwar anfänglich noch für Wind gehalten der den Gang durchzog, aber je näher man dem grellen Ausgang des Tunnels kam, desto klarer konnte man zwischen dem Gewirr aus verwaschenem Geräusch, den Klang menschlicher Stimmen heraushören, vieler menschlicher Stimmen.
Nur noch wenige Schritte trennten beide jetzt vom grellen Tunnelende und Albert musste seine Augenlieder zusammenziehen, um nicht zu stark geblendet zu werden.
„Halt!“ brach eine fremde Stimme plötzlich schroff aus dem Licht. Albert stoppte instinktiv, doch er konnte niemanden sehen. „Parole!?!“ Wie aus der Pistole geschossen antwortete Una.
„Libentius stans mori quam procumbens vivere!“ Kaum ausgesprochen bekam Una bereits eine Antwort. Diesmal klang die Stimme jedoch nicht schroff, eher erfreut, als träfe man einen alten Freund.
„Felix et faustum sit lumen.“ Doch Una ging nicht weiter. „Ich habe jemanden bei mir, er gehört noch nicht zu uns.“ Es vergingen nur Sekunden, bis die Stimme abermals antwortete, doch für Albert blähten sie sich zu einer halben Ewigkeit auf. „Mensch?“ „Ja!“ antwortete Una „Deinen Freund voran dürft ihr passieren.“ Una schob Albert, dessen Beine noch nicht recht wussten, ob sie wirklich wollten, vor sich her, mitten in den Kegel aus Licht und Stimmen.
Albert schloss seine Augen während er den grellen Kegel durchlief, bis er eine Hand spürte, die irgendjemand gegen seine Brust drückte. Albert öffnete seine Augen und was sich ihm darbot war überwältigend. Eine Höhle, so hoch und weit, dass eine kleine Stadt darin Platz fand. Erdene Wände, hier und dort mit, mal mehr, mal weniger dichtem Wurzelwerk durchzogen. Kinder die auf Äckern Saat auswarfen, Frauen die Wäsche aufhängten, Männer die Leder gerbten, selbst eine kleine Festung auf einem Hügel hatte hier ihren Platz gefunden. Und das wohl unglaublichste, alles geflutet von taghellem Licht. Selbst ein Bach floss munter unter einer kleinen Holzbrücke entlang. „Beine auseinander und heb die Arme.“ Albert war durch den Anblick so überfordert, dass er nicht fähig war, die Befehle zu verstehen, aber er handelte als hätten seine Ohren einfach das Gehörte an seine Gliedmaßen weitergegeben, ohne vorher die Erlaubnis seines Gehirns einzuholen. Er war wie hypnotisiert. „Du darfst passieren.“ Brummte die Wache, nachdem sie Albert durchsucht hatte. „Und, hab ich zu viel versprochen?“ fragte Una mit erwartungsvoller Miene während sie ihn an seinem Ärmel mit sich zog. Ohne zu antworten schüttelte er den Kopf.
„Schon was anderes als Plagat hmm?“ „Es ist…“ Ein passenderes Wort fiel ihm nicht ein, obwohl er der Meinung war er würde maßlos untertreiben. “…unglaublich!“ Er hätte diesen Anblick aus der Ferne gerne noch etwas länger genossen, doch Una ließ ihm dafür keine Zeit. „Staunen kannst du später noch genug, jetzt will ich erst mal Antworten!“



©2013 by Crisperton. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

Kommentare


Von Crisperton
Am 07.06.2013 um 13:47 Uhr

Hallo lieber "1-Sterne-Bewerter", sicherlich hast du dir, während du mein vollständiges Fragment hier durchgelsen hast (und das hast du doch, oder(?) ) schon einmal Gedanken gemacht, was ich ändern müsste um einfach mehr aus meinem Schreibstil oder Aufbau herauszuholen.

Solltest "du" also über den Mausklick hinaus auch noch in der Lage sein Kritik in Wort und Schrift zu liefern, würde mir das noch ein wenig mehr helfen als der eine Stern der nun dank "dir", oben in der Bewertung meines Stückes prangt... Damit das ganze doch noch lesenswert wird... weißt du?!

Grüße

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Bewertung: 3.8/6
(37 Stimmen)

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