„Sag schon, wer hat dich geschickt?“
Der Ork schaute mürrisch auf den grauen Steinboden vor sich.
Níseras Augen verengten sich.
„Nur einen Namen, danach darfst du wieder in die Freiheit.“
In ihrer sanften Stimme schwang Ungeduld mit. Der rothäutige Spion zeigte immer noch keine Reaktion. Die hübsche Nísera erhob sich von ihrem steinernen Thron, ihre schulterlangen kastanienbraunes Haare lagen perfekt auf den Trägern ihres dunkelroten Kleids. Langsam umrundete sie den gefesselten Ork, die Absätze ihrer Stiefel tapsten hallend durch den weiten Raum. Sie hockte sich neben ihren Gefangenen, fuhr mit den Fingern sanft über seinen Irokesenschnitt und flüsterte verführerisch in sein Ohr. „Oder willst du vielleicht hier bleiben? Hier bei mir?“
Der Ork schien für einen kurzen Moment aufzublicken und über das Angebot nachzudenken, dann wandte er sich aber wieder dem Boden zu.
„Wie es aussieht funktionieren hier in Pulton deine Methoden nicht so gut wie bei den Mensche in Pácterus.“ Eine Stimme erklang, die eindeutig einem jungen Mann gehörte. Nísera stand auf und blickte dem Ankömmling bitter entgegen. Aus dem Schatten eines Nebenganges erschien ein großer schlanker Mann, eine dunkelrote Robe umhüllte seinen guten Körperbau und die langen schwarzen Haare rundeten seine schönen aber ebenso maskulinen Gesichtszüge ab, an seinen hervorstechenden spitzen langen Ohren war klar zu erkennen, dass er wohl ein Elf sein musste.
„Die Menschen sind wahrlich leichter zu manipulieren, deren Fleischeslust ist unübertroffen.“
Der Mann nickte zustimmend.
„Aber sag, warum erscheinst du so spät, Eglís?“
„Elfenfrauen benötigen halt viel Aufmerksamkeit und unterwegs erspähte ich ein adliges Versorgungsschiff der Orks, dem konnte ich einfach nicht widerstehen.“
„Solche Aktionen dienen unserer Sache nicht sonderlich!“
„Ach gräme dich nicht schöne Nísera. Was wollen die Rothäute schon tun?“
„Bitte übertreibe nicht, wir haben schon genug Aufmerksamkeit erzeugt, die pultischen Behörden liegen uns schon im Nacken, die anderen Handelsgilden wollen uns verdrängen und erste Diebe habe wir auch bereits erwischt. Sie könnten irgendwas entdecken.“
Eglís zuckte leichtfertig mit den Achseln.
„Und zu wem gehört der Knabe da?“
„Das versuche ich ja gerade herauszufinden.“
„Und ich sehe erfolglos.“ Ein spöttisches Grinsen konnte er sich nicht verkneifen. Nísera würdigte ihn nur eines finsteren Blickes.
„Versuch doch mal statt Verführung Grausamkeit, obwohl deine Dekaden unter den Menschen haben dich sicherlich weich gemacht.“
„Ich zeige dir, wie weich ich bin!“
Nísera hob ihre Hand und schnippte mit den Fingern. Augenblicklich wurde der Ork unruhig, seine Haut am ganzen Körper errötete noch mehr als sie schon war. Es schien Dampf aus seinen Körperöffnungen zu entweichen. Er schrie vor Qualen, die Hitze stieg in seinem Körper schon übers unerträgliche hinaus. Er wand sich panisch auf dem Boden umher. Kochendes Blut schoss dampfend aus seinen Augen, der Nase, Mund und Ohren. Nach endlosen zwei Minuten hörte das Geschrei und die Bewegungen auf, die Leiche lag qualmend da.
Eglís nickte etwas beeindruckt. „Gut, du kannst es immer noch.“
Nísera atmete erleichtert auf, als wenn ein Druck von ihr gefallen wäre.
„Das hat wirklich gut getan, aber jetzt werden wir nicht mehr erfahren, woher der Spion kam.“
„Ach, wer kann uns schon was antun? Wir sind Königin Alýseràs Brut!“
Sie lächelte stumm. „Ja, das stimmt.“
„Und außerdem, gab es jemals eine Bedrohung, die der Triade des Blutes gefährlich wurde?“
„Naja, da gab es mal die Auseinandersetzung mit Necro...“
Der Elf unterbrach sie schroff.
„Ach, komm nicht wieder mit der Geschichte, das zählt nicht! Wer in dieser Welt ist nicht mal mit Necro aneinander geraten? Aber im Gegensatz zu den Meisten, haben wir es überlebt!“
Nísera lächelte erheitert ihren Gegenüber an, er erwiderte.
„Nun denn, meine Schöne. Wie sehen deine zukünftigen Pläne aus?“
„Als erstes müssen wir uns an die Spitze von Pultons Wirtschaft setzten, dadurch wären wir mächtig und einflussreich genug, um in Ruhe nach dem Nest suchen zu können.“
„Und dieses Nest, haste du schon irgendwelche Anhaltspunkte?“
„Du weist doch wie das mit den Nestern der Mystor-Triade ist. Tief unter der Erde verborgen und mit Schutzzaubern versiegelt, also müssen wir wohl Gerüchten lauschen, nachforschen und natürlich intensiv suchen.“
Eglís blickte nun mürrisch und lustlos drein.
„Überlas mir die Wirtschaft, aber auf meine Weise. Ich will nicht Jahre lang über Bücher und Zahlen brüten.“
„Was sind schon Jahre.“
„Da hast du recht, aber man kann die Jahre auch sinnvoller gestalten und auch erfreulicher.“
„Meinet wegen, aber vermassle es nicht! Angeblich will Wyrmlord Nahímana sich beteiligen, aber keine Ahnung wann er gedenkt zu kommen.“
Eglís verzog sichtlich überrascht das Gesicht.
„Ich hab nicht damit gerechnet, dass sich einer der Ältesten dazu stößt.“
„Immerhin ist es eine sehr wichtige Angelegenheit, wenn die Triade der Mystor wirklich das Land übernehmen will, dann müssen wir das unbedingt verhindern!“
Níseras Gesprächspartner verschränkte die Arme und tauschte seine unbekümmerte Mine gegen eine nachdenkliche. Sie war etwas überrascht, diese grübelnde Art hatte er in seinem langen Leben nie so zum Vorschein gebracht. Ein kurzes Kichern konnte sie sich nicht verkneifen.
„Worüber denkst DU denn nach?“
„Wie ich vorgehen sollte, ich glaube die Konkurrenz schlicht und einfach einzuäschern wäre angebracht.“
„Mh, so kalt wie immer, aber denk dran nicht zu viel Aufmerksamkeit auf die Triade zu lenken, das würde dem Wyrmlord nicht gefallen wenn er hier ankommt. Wenn es wie ein brutaler und sinnloser Machtkampf aussieht, wäre es am vorteilhaftesten.“
Eglís nickte zufrieden. „Das gefällt mir, mach dir keine Sorgen. Wo willst du anfangen zu suchen?“
„Erstmal werde ich mich hier in Orconova umhören, meine Leute haben bestimmt irgendwas rausgefunden. Währenddessen schicke ich die Jüngeren in den Süden, sollen sie sich etwas austoben.“
„Sicher, dass sie keine Dummheiten anstellen?“
„Kyra passt auf sie auf, mach dir also darum keine Gedanken.“
„Naja, aber sie ist ja auch noch ein Kind.“
„Aber sie hat den anderen sehr viel voraus, sie macht das schon.“
„Nun gut, das wäre geklärt, ich werde mir dann mal die Konkurrenz anschauen.“
„Mach das, wir sehen uns.“
„Und wie ich das machen werde...“
Eglís verließ den Saal.
Fortsetzung folgt...