Thomas Friedrich Sänze
Die Dienerin
Höre, O Fremdling, dass in den Jahren der Herrschaft des Tyrannen Lorca Gaerision aus dem Hause Caelaetis Zwietracht herrschte unter den Edlen des Reiches. Der unaufhaltsame und blutige Aufstieg des Emporkömmlings weckte Zorn, Neid und Habgier.
Die alte Ordnung wankte. Zweifler und Habgierige zogen durch das Land und flüsterten Geheimnisvolles...
Die Frau war von betörender Schönheit. Groß und schlank gewachsen, aber dennoch sehr üppig gerundet an den richtigen Stellen. Kluge, wachsame, tiefblaue Augen, volle Lippen, ein perfektes engelsgleiches Gesicht, umrahmt von rückenlangen dichten goldenen Haar. Den bodenlangen Mantel hatte sie geöffnet und bot einen sehr aufreizenden Anblick in dem hauteng anliegenden und geschickt geschneiderten grünen Kleid das sie trug.
Lord Tullaran hatte Zweifel ob sie der Aufgabe gewachsen sein würde. Eine Frau wie diese erwartete man an der Seite eines Senators zu finden oder als Lustsklavin in einem luxuriösen Bordell. Dennoch war sie ihm aus den zwielichtigen Kreisen der Unterwelt Rarias wärmstens empfohlen worden. Ihr Ruf als Attentäterin war makellos. Sie galt als die derzeit Beste ihrer Zunft, diskret, völlig zuverlässig und absolut tödlich.
Tullaran zwirbelte seinen Schnurrbart und betrachtete den aufregenden Körper, der sich unter dem dünnen Stoff abzeichnete. In den Armen einer solchen Frau, würde ein jeder Mann glücklich sterben. Am liebsten hätte er ihre Dienste auf der Stelle in lüsterner Weise in Anspruch genommen, anstatt in der benötigten. Jedoch ließen die Umstände dies im Moment leider nicht zu.
Falls die Frau seine begehrlichen Blicke bemerkte, tat sie zumindest so als würden diese ihr nicht auffallen. Zweifellos war es eine solche Frau gewohnt von vielen Männern begafft zu werden.
„Meldet euch bei Syrinx, sie schuldet mir noch einen Gefallen und wird euch eine Aufgabe im Palast zuweisen!“
Syrinx war im Herbst ihrer Jugend. Noch nicht alt, aber schon lange nicht mehr jung. Dennoch hatte sie sich ihre Schönheit bewahrt und Maß die junge Frau die vor ihr Stand mit erfahrenem Blick. Erfreut stellte sie fest, dass das neue Mädchen alle körperlichen Merkmale im Übermaß besaß, welche von den Bediensteten des Herrscherpalast erwartet wurden. Dazu schien sie von angenehmen und unaufdringlichen Wesen zu sein.
„Eure Schicht beginnt mit Sonnenuntergang und dauert bis zum Morgengrauen!“ Neue Mädchen setzte Syrinx immer erst in der Nachtschicht ein, da war es ruhiger und sie konnten nicht so viel Schaden anrichten. Hatten sie erst einmal Erfahrung gesammelt und konnte sie ihre Fähigkeiten besser beurteilen, setzte sie das Personal dann je nach Bedarf ein.
„Auch wenn ihr auf Empfehlung von Lord Tullaran hier seid, müsst ihr euch erst bewähren. Ich mache keine Ausnahmen. Ist das klar?“
Die Frau nickte stumm.
„Habt ihr noch Fragen?“
Sie schüttelte ihren Kopf. Ihr Gesicht behielt dabei jeweils einen völlig neutralen Ausdruck bei. Syrinx war zufrieden und zog an der Kordel zu ihrer linken. Daraufhin kam eine weitere Frau in das kleine Dienstzimmer. Sie war ausgesprochen Hübsch, sehr gut gebaut und trug eine der knappen Gewänder der Palastdienerinnen.
„Dies ist Mira! Mira, dies ist Lura eine Neue, du wirst ihre Einweisung übernehmen!“ Mira nickte mit demütig niedergeschlagen Augen.
Syrinx wandte sich noch einmal an das neue Mädchen. „Tue was sie dir sagt und es wird keine Probleme geben!“
Die Neue verbeugte sich leicht mit einem dünnen lächeln und sagte: „Ich verstehe!“
Syrinx war zufrieden und entließ die beiden mit einer Handbewegung.
Mira kicherte. „Das Gewand steht dir ausgesprochen gut! Da werden dir einige in den Hintern kneifen!“
Lura lächelte belustigt, rückte ihren üppigen Busen zurecht und sah kritisch in den Spiegel. „Ein solches knappes Kleidchen ist für jeden Mann wie eine Einladung“, bemerkte sie spitz.
Mira half ihr dabei die Schnüre des Oberteils zu schließen. „Nur zu viele nehmen diese auch sehr gerne an, meine Hübsche!“ Mira drehte Lura zum Spiegel um und betrachtete zufrieden ihr Werk. „Perfekt!“
Lura strich sich das Haar zu Recht. „Heißt das wir müssen den Männer im Palast auch auf diese Weise zu Diensten sein?“
Mira schüttete sich aus vor Lachen. „Nein! Mitras sei Dank nicht! Wäre auch noch schöner, wenn wir einem dieser fetten hässlichen alten Senatoren die Rute polieren müssten!“
„Aber du sagtest doch selbst, dass sie uns an die Wäsche gehen!“
„Sicher! Hier ist das Leben als Dienerin auch nicht leichter als anderswo. Du musst dich damit abfinden, dass sie dir an den Hinter fassen und dich befummeln. Aber mehr brauchst du dir nicht gefallen zu lassen. Syrinx achtet streng darauf, dass ihren Mädchen nichts angetan wird. Dass würde der Herrscher auch gar nicht dulden!“
„Der Kaiser? Darauf achtet er?“
„Oh ja, Gewiss! Er hat das Wohl selbst des Geringsten unter seinen Untergebenen im Auge!“
„Und legt er dieselben hohen Ansprüchen auch bei sich selber an?“, fragte Lura mit anzüglichem Grinsen.
„Ja!“, Mira schmachtete. „Leider!“
„Wie Schade!“, seufzte Lura. Mira fiel in ihren Seufzer mit ein und verstand nur all zu gut, dass Lura enttäuscht darüber war. „Wie Recht du hast! Du wirst wohl keine unter den Frauen des Palastes finden, die sich nicht wünschte, es wäre anders. Welche Frau würde nicht voller Freude einmal das Lager mit einem solchen reichen, gut aussehenden und mächtigen Mann teilen! Leider bekommen wir ihn kaum zu Gesicht, wenn er im Palast weilt, er hat einen persönlichen Koch, der ihm auch das Essen serviert und die Leibwache lässt keinen zu ihm vor.“
Lura nickte nur und überprüfe noch einmal ihre Erscheinung im Spiegel.
Sie war sehr zufrieden mit ihrer Wirkung.
Die Männer der Wache waren deutlich mehr über ihre Erscheinung erfreut, als über die Erfrischung, die sie brachte.
Obwohl alle weiblichen Bediensteten des Palastes von überdurchschnittlicher Attraktivität waren hob sich Luras Schönheit überdeutlich von allen anderen Mädchen ab.
Für die Wachen war es etwas besonderes von einer solchen umwerfenden Schönheit bedient zu werden. Jedoch beließen es die Männer nur bei bewundernden Blicken und versuchten keinerlei körperliche Annäherungsversuche. Obwohl es den Wächtern deutlich anzumerken war, wie sehr ihnen die Finger deswegen vor bedauern juckten.
Darüber mild lächelnd reichte die Dienerin ihnen den Krug mit dem Wein und die dazugehörenden Trinkkelche, klemmte sich anschließend das Tablett unter dem Arm und schwebte mit gekonntem Hüftschwung den Korridor entlang davon.
Dabei badete sie ihren Körper geradezu in den umschmeichelnden Blicken der Männer. Diese verfolgten jede ihrer Bewegungen, bis sie endgültig hinter der nächsten Korridorbiegung verschwunden war.
Kaum war sie unbeobachtet, beschleunigte die Dienerin ihre Schritte und verschwand geschmeidig hinter einem der bodenlangen Vorhänge, mit denen die großen Korridorfenster üblicherweise nachts verhüllt wurden. Leise legte sie dort das Tablett ab, zog danach ihre Schuhe aus und warf achtlos die Kleidung ab.
Völlig nackt, lauschte die Dienerin einen langen Augenblick um sicher zu gehen, dass niemand auf dem Korridoren etwas bemerkt hatte. Daraufhin öffnete sie lautlos dass Fenster und kletterte geschickt hinaus auf den Sims. Nur ein kleines goldenes Medaillon zierte noch ihren schlanken Hals und reichte an einer langen dünnen Kette bis zu ihrem Bauchnabel herab. Die frische Nachtluft bereitete ihr Gänsehaut und das kühle Metall schmiegte sich dicht an ihren nackten Körper. Kurz bevor sie sich vorsichtig den Sims entlanghangelte, lehnte sie das Fenster von außen wieder an. Um zu vermeiden, dass ein Luftzug von draußen jemanden von drinnen auf ihre versteckten Kleider aufmerksam machte.
Nach fünf Metern endete der Fenstersims abrupt, sie erreichte die Fassade und kletterte wagemutig an ihr herab bis zu einem weiteren Vorsprung.
Lautlos wie eine Katze sprang die Dienerin auf den unter ihr liegenden Balkon und lauschte nach der Landung angestrengt in die kühlen Nachtluft. Das Geräusch des Windes und ihres Atems zeigten, dass sie unbemerkt geblieben war. Darüber erleichtert löste sie einen kleinen versteckten, messerscharfen Dolch aus dem Medaillon heraus und drückte mit dessen Griff eine der Kacheln des Balkonfensters ein. Mit einem leisen Klirren gab das Glas nach. Durch die Öffnung greifend öffnete sie die Balkontür und schlüpfte in den Raum dahinter hinein. Es war dunkel darin, nur der Mond spendete durch eine gläsernen Dachluken spärliches Licht.
Rasch sah sie sich ausgiebig in dem dunklen Raum um. Die Einrichtung war überraschend einfach. Lediglich der massive Tisch in der Mitte des Raumes, sowie zwei bequem aussehenden Sessel mit gewschwungenen Lehnen und ein kleiner Tisch mit Pokalen und Weinkaraffen in der Nähe des riesigen Kamines boten eine Art von Luxus. Kurz überprüfte sie die Versiegelungen der Karaffen, welche dazu dienten, das Beimischen von Gift zu verhindern.
Zufrieden kehrte die Dienerin danach zum Fenster zurück und beseitigte äußerst sorgfältig alle Scherben des zerbrochenen Fensterglases vom Fußboden. Danach zog sie sich die Kette des Medaillon über den Kopf, versteckte sich hinter den bodenlangen Fenstervorhängen und dekorierte diese so, dass die zerbrochene Fensterkachel nicht zu sehen war.
Vier Stunden harrte die Dienerin dort aus, bis sich etwas tat.
Die schwere Tür wurde geöffnet und Wachen kamen herein. Rasch entzündeten sie das Feuer im Kamin und die Öllampen im ganzen Raum um für Licht zu sorgen. Danach verließen sie die Räumlichkeiten auch gleich wieder.
Der Mann der kurze Zeit darauf das Zimmer betrat war noch sehr jung. Jedoch spottete die erbarmungslose Härte in seinen Gesichtszügen dieser Jugend. Der Gang, das Auftreten des Mannes und seine Art sich zu bewegen erzeugten eine Aura absoluten Machtbewusstseins, welches das Zimmer fast greifbar bis in die letzte Ecke erfüllte.
Tiefgrüne, grimmige Augen in denen ein eisiges Feuer brannte verstärkten diesen Eindruck und erfüllten diese Aura mit einem unheimlichen Leben. Der Mann war groß, drahtig und bewegte sich sehr kraftvoll.
Er öffnete eine der versiegelten Weinkaraffen, überlegte es sich dann allerdings anders und ging zu dem mit Büchern überladenen schweren Tisch in der Mitten des Raumes. Dort ließ er sich auf dem bereitstehenden Stuhl nieder und begann hochkonzentriert zu arbeiten. Nur hin und wieder unterbrach er die Arbeit um sich Notizen zu machen.
Die Dienerin hatte ihn keinen Augenblick aus den Augen gelassen seit er den Raum betreten hatte. Selbst als er sich an den Tisch gesetzt und ihr den Rücken zugewandt hatte, verharrte sie regungslos hinter dem Vorhang.
Sie wartete. Gab dem Mann Gelegenheit sich in seine Arbeit zu vertiefen. Sich sicher zu fühlen und in seiner Wachsamkeit nachzulassen. Dann schien ihr der geeignete Zeitpunkt gekommen zu sein.
Geräuschlos verließ sie ihr Versteck und näherte sich dem ahnungslosen Mann von hinten. Den Dolch hatte sie zwischen die Zähne genommen und die Halskette mit dem Medaillon bildete eine todbringende Garotte in ihren zarten Händen. Dies war eine beliebte Waffe bei Mördern und Attentätern, denn sie brachte die Opfer nicht nur um, sondern verhinderte auch gleichzeitig jede Art von Hilfeschrei.
Als sie so nahe an dem Mann heran war, dass sie ihn mit dem Arm hätte berühren können, warf sie ihm mit einer geübten Handbewegung die Schlinge über den Kopf. Die Garotte fiel perfekt und sie war sehr zufrieden. So bald die Schlinge sich um den Hals ihres Opfers gelegt hatte, würde sie den Mann damit erdrosseln. Schnell. Lautlos. Tödlich.
Ihre Überraschung war groß, als es misslang, denn ihr Opfer zuckte mit dem Kopf zur Seite. So legte sich die Schlinge nicht um dessen Hals, sondern fiel harmlos auf das Haar und die rechte Schulter des Mannes.
Dies war Unerwartet. Aber als Attentäterin lebte sie von der Improvisation. Blitzschnell schlug sie mit ihrem Dolch zu.
Ihr Ziel war die Kehle des Mannes, stattdessen durchbohrte sie jedoch nur das Sesselpolster. Ihr Opfer war in einer einzigen fließenden Bewegung aufgesprungen und hatte sich gleichzeitig zur Seite weggedreht.
Jetzt war sie wütend. Zwei Mal ihr Ziel zu verfehlen war sie nicht gewohnt. So etwas passierte ihr nicht. Jedoch, da sie sehr geübt war in dem was sie tat, blendete sie ihre Wut aus.
Der Überraschungsmoment war immer noch auf ihrer Seite. Mit einem verführerischen Lächeln blendete sie ihren gegenüber mit ihren nackten Reizen. Ihr Opfer war ein Mann, der freie Blick auf ihre nackten Brüste und ihre Scham würde ihn den entscheidenden Augenblick ablenken, den sie brauchte um mit ihrer Halskette wie mit einer Peitsche nach seinen Augen zu schlagen. Seine Blindheit gedachte sie dann auszunutzen um ihn endgültig mit dem Dolch zu erledigen.
Ihr Opfer gab ihr aber nicht diesen entscheidenden Augenblick, den sie mit ihren Reizen zu gewinnen gedachte. Der Mann fing ihre Kette einfach mit der Hand als sie damit nach seinem Gesicht schlug. Sie wusste ihr Gegner war größer, schwerer und viel stärker als sie, deshalb unternahm sie auch gar nicht erst den Versuch sich gegen den Ruck zu stellen mit dem ihr die Kette aus der Hand gerissen wurde.
Schnell und tödlich wie eine Schlange schlug sie zu. Ihr Dolchstoß zielte auf das Herz ihres Gegenübers. Dieser wich ihrem Stoß jedoch fast mühelos aus. Schlimmer noch ihr Angriff hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht.
Sie spürte die Faust zwar kommen, konnte ihr aber nicht ausweichen. Der Schlag traf sie direkt in den Magen. Mit fürchterlicher Kraft und absoluter Präzision. Keuchend schnappte sie nach Luft. Der Dolch entglitt ihren Fingern und sie konnte nicht vermeiden, vor Schmerzen zusammenzuklappen und zu Boden zu gehen. Dort lag sie auf den Knien, mit den Armen um den Bauch geschlungen und dem Kopf auf dem Boden.
Sie hatte versagt und erwartete schon innerlich den nächsten Hieb ihres Gegners. Dieser blieb jedoch aus. Verwundert sah sie aus den Augenwinkeln hinter sich. Ihr Gegner hatte sich achtlos von ihr abgewandt und hob eines der Bücher auf, dass vom Tisch gefallen war. Offenbar hielt er sie nicht mehr für eine Bedrohung, denn seelenruhig brachte er die durch ihren Angriff entstande Unruhe auf seinem Tisch wieder in Ordnung.
Dies war ein Fehler. Ein tödlicher Fehler und sie gedachte ihn auszunutzen.
Trotz fürchterlicher Agonie raffte sie sich auf und ergriff ihren Dolch erneut. Entschlossen diese eine letzte unerwartete Chance für sich zu nutzen. Noch unsicher auf den Beinen griff sie taumelnd den Mann erneut von hinten an.
Sie zielte auf seinen breiten Rücken. Es war kein Angriff aus Stärke heraus, sondern einer der aus Verzweiflung geboren wurde. Ihre Verzweiflung steigerte sich allerdings noch, als ihr Dolchstoß mühelos abgefangen wurde.
Mit eisernem Griff zog ihr Gegner sie fast schon gelassen zu sich heran und nahm ihr ohne dass sie es auch nur im geringsten verhindern konnte einfach die Waffe aus den Fingern.
Sie wusste sie war am Ende. Wollte sich aber immer noch nicht geschlagen geben, also versuchte sie ihren Gegner in seine Genitalien zu treten. Aber auch das sah der Mann voraus. Er drehte einfach seinen Unterkörper und ihr Tritt prallte wirklungslos an einem seiner Beine ab. Dafür fing sie sich im Gegenzug eine wirksame Ohrfeige ein. Ihre Lippe platzte auf und sie schmeckte ihr eigenes Blut.
Grob wurde sie gepackt und zu den beiden großen Sessel vor dem Kamin geschleift. Unsanft landete sie in einem davon.
Ihr Gegner nahm im zweiten Sessel direkt ihr gegenüber Platz. Sie rieb sich das Handgelenk an dem er sie so grob gepackt hatte und sah sich verstohlen nach etwas um was ihr als Waffe dienen könnte. Ihr Blick viel die Weinkaraffen auf dem kleinen Tisch, neben dem Sessel. Doch noch ehe sie ihren Körper anspannen und danach greifen konnte, hob ihr gegenüber drohend ihren Dolch.
„Daran würde ich nicht einmal denken!“ Sie beschloss trotzdem, nicht nur daran zu denken, sondern es auch zu tun. Am Ende ließ sie es dann doch sein, als sich blitzschnell Finger wie ein Schraubstock um ihre Kehle legten und sie ihren eigenen Dolch an der Kehle spürte.
Weit nahm sie ihren Kopf zurück und drückte sich tief in den Sesselsaum um den unangenehmen Druck der Messerspitze etwas zu lindern. Eisige grüne Augen bohrten sich bis in die tiefsten Abgründe ihre Seele. Trotz der Hitze des Kaminfeuers begann sie zu frieren.
„Wer schickt dich?“
„Niemand!“ Diese Lüge verstärkte nur den eisernen Griff und den Druck des Stahls an ihrer Kehle. „Bitte nicht!“ keuchte sie. Ohnmacht übermannte sie. Sie kämpfte um bei Bewusstsein zu bleiben.
„Wer schickt dich!“ In ihrer Verzweiflung griff sie nach der Hand, welche ihr die Spitze der eigene Waffe an den Hals drückte. Natürlich änderte dies nichts. Sie wagte nicht Gegendruck aufzubauen.
„Bitte!“, bettelte sie. Danach verdrängte sie ihre Panik, erinnerte sich an ihre Qualitäten und schmeichelte: „Ich kann euch noch von Nutzen sein!“ Mit einem verführerischen herbeigequälten Lächeln öffnete sie einladend ihre Schenkel. Dazu machte sie leicht den Mund auf und benetzte die Lippen aufreizend mit ihrer Zunge.
Süß lächelnd, hob sie ihren Schoß an und bot ihn dar.
„Nur zu, Herr! Benutzt mich, wie ihr es wünscht! Ich werde mich auch nicht wehren!“, versprach sie sanft voller süßer Verlockung, alles was jeder Mann begehrte.
Ihr Gegenüber gab ihre Kehle frei und griff ihr in den Schoß. Jedoch weder sanft noch lüstern, sondern äußerst unangenehm.
„Ich bin weder daran interessiert dich zu benutzen, noch deine Früchte zu kosten, Weib! Ich will wissen, - WER DICH SCHICKT!“ Sie schwieg eisern und biss die Zähne felsenfest zusammen. Der Mann verstärkte daraufhin seinen Griff zwischen ihren Schenkeln und griff mit seinen Fingern noch erbarmungsloser in ihre Scham. Das war äußerst schmerzhaft und sie keuchte vor Qual auf.
„Wer war es? Langsam verliere ich die Geduld, Weib! REDE!“ Sie schwieg auch weiterhin. „Graf Jaran oder der alte Narr Herzog Lurd?“ Die Dienerin atmete schwer. Das Messer an der Kehle machte das Luft holen nicht leichter und ihre Scham brannte wie Feuer. „Vielleicht aber auch Lord Tullaran?“ Sie zuckte innerlich zusammen und das Messer verschwand auf der Stelle von ihrer Kehle, ebenso wie die Hand aus ihrer Scham. Der Mann nahm wieder gelassen seinen Platz ihr gegenüber in Sessel ein.
Dabei betrachtete er nachdenklich ihr Messer. „Also war es Tullaran!“ Er legte die Waffe auf den Tisch verschränkte die Arme und lehnte sich sehr entspannt zurück. „Ich kann nicht behaupten, dass mich dass überrascht!“ Dafür war die Dienerin so sehr überrascht, dass ihr der Mund offenstand.
„Wie konntet Ihr das herausfinden!“
„Das sehe ich!“
„Unmöglich!“ Der Mann ging darauf nicht ein, stattdessen nahm er einen Weinpokal vom Tisch, füllte ihn und nippte daran. Er sah sie fast belustigt über den Rand desselben hinweg an. „Du weißt, dass dein Leben verwirkt ist!“
„Ich weiß! Allein durch mein Versagen ist mein Schicksal bereits besiegelt! Wie werdet ihr mich hinrichten?“ Sie hatte versagt und nahm ihr Schicksal an.
„Hinrichten?“ Es klang nachdenklich. Ihr Gegenüber stellte den Pokal zurück auf den Tisch. „Immerhin ist es dir gelungen bis zu mir vorzudringen! Das ist sehr beeindruckend! Ich schätze Menschen mit der Fähigkeit zu beeindrucken.“
„Danke“, sagte sie vorsichtig. Sie wusste nicht so recht was sie von diesem Kompliment zu halten hatte.
„Wie heißt du, Weib!“
„Cara!“
„Du lügst!“ Das klang eisig wie der Nordwind.
„Lura!“ Ihre Stimme zitterte vor Angst. Sie schalt sich dafür, konnte es aber nicht verhindern.
„Dein richtiger Name, Weib! Ich werde dich nicht noch einmal Fragen!“
„Guidrun! Guidrun Sunefra, Herr!“ Sie sprach hastig. Es klang fremd in ihren Ohren. Sie hatte ihren wirklichen Namen schon so lange nicht mehr benutzt, dass es ihr nun seltsam erschien ihn laut auszusprechen.
„Nun, Guidrun Sunefra! Dich hinzurichten, wäre Verschwendung!“ Für einen Augenblick ruhte sein wohlgefälliger Blick auf ihrer nackten Pracht. „Und ich hasse Verschwendung!“
Sie hatte kein Problem damit nackt zu sein, aber dies war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie sich auch so fühlte. Das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins wurde schier übermächtig.
Dann.
„Was werdet ihr also mit mir tun!“ Das Gesicht des Mannes verschwand in dem Schatten den die übergroßen Sessellehnen warfen.
„Das ist deine Entscheidung! Entweder stellst du deine Talente ab sofort in meine Dienste und nur in die meinen oder ich übergebe deinen hübschen Hals dem Henker!“ Die Dienerin entspannte sich und ein dünnes, humorloses Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.
„Habe ich da eine Wahl?“
„Es ist deine Entscheidung!“ Guidrun holte tief Luft und ließ sie langsam entweichen. Sie brauchte nicht lange um sich zu Entscheiden.
„Na schön!“
„Du nimmst an?“
„Natürlich! Es ist viel zu verlockend um es auszuschlagen. Welche Attentäterin möchte nicht gerne für den großen Herrscher Gaerision Caeleatis arbeiten, den edlen Kaiser des tresarmanischen Reiches“, schmeichelte sie.
Er sah sie an. Nicht grausam, nur kühl. „Gut!“ Er legte den Kopf schief. „Ich muss wohl nicht noch besonders betonen, dass ich absolute Diskretion und bedingungslose Loyalität verlange?“
„Nein!“, sie machte sich eine geistige Notiz in Zukunft auf Schmeicheleien aller Art zu verzichten.
„Hatte ich auch nicht angenommen. Diene mir gut und es wird zu deinem Vorteil sein. Verrate mich und es wird keinen Ort auf dieser Welt mehr geben an dem du sicher bist!“ Sie zweifelte nicht einen Moment an der Wahrheit dieser Worte.
„Verstehen wir uns also?“
„Ja, Herr! Wir verstehen uns vollkommen!“
„Gut! Dann wollen wir das besiegeln!“ Ihr Gegenüber schenkte ihr einen Wein ein und reichte ihr den Pokal. Guidrun nahm ihn und trank gierig. Die Anstrengung und Anspannung hatte ihre Kehle völlig ausgedörrt.
Ihr Gegenüber wartete geduldig bis sie den Pokal geleert hatte, dann schenkte er ihr nach.
„Was Deinen ersten Auftrag anbelangt…!“
Die nackte kopflose Leiche von Lord Tullaran wurde am nächsten Tag in seinem Bett gefunden. Sein abgetrenntes Haupt war verschwunden und wurde nie wieder gefunden.
Guidrun Sunefra hatte ihren ersten Auftrag erfüllt.
ENDE
Hinweis auf mein Werk: Fulcher von Fabeln - TOD IN ELBING ISBN: 9783737514521
Von ThomasF
Am 11.04.2018 um 20:27 Uhr