Erinnere
Dich !
Lissi
Hauk
"Ich muss die Abzweigung verpasst haben", schimpfte Christina Dean, die in ihrem Wagen unterwegs war. Sie war bei ihrer früheren Schulfreundin Molly zu einem Klassentreffen eingeladen. Sie hatte sich schon sehr darauf gefreut, aber musste Molly denn wirklich so abgelegen wohnen? Seufzend stoppte sie den Wagen und studierte die Landkarte, die Molly zu der Einladung gelegt hatte. Etwas ungeduldig wendete sie den Wagen und fuhr langsam zurück. Das Wetter war bedenklich schlecht, und sie musste vorsichtig fahren. "Wenn ich die Abzweigung nach Cornwall jetzt nicht finde, dann gebe ich auf", sagte sie leise zu sich selbst. Angestrengt achtete sie auf die linke Straßenseite, damit sie die Abzweigung ja nicht verpasste. Molly würde es ihr nie im Leben verzeihen wenn sie nicht kam. Aber Christina konnte die Abzweigung dennoch nicht finden. Jetzt hatte sie keine Lust mehr zu suchen und machte sich auf den Rückweg nach Bodmin. Dort wollte sie sich in einem Hotel einchecken. Sie würde dann eben morgen zu Molly fahren. Zwar würden die meisten ihrer ehemaligen Schulfreunde dann schon wieder abgereist sein, aber sie war sowieso nur Molly zu Liebe gekommen. Molly war ihre beste Freundin gewesen, bis diese vor sieben Jahren nach Cornwall gezogen war. Seitdem hatten die beiden sich nicht mehr gesehen. Molly hatte Christina sehr gefehlt, aber ihr Beruf hatte einen Besuch zeitlich nicht zugelassen. Aber sie war extra aus Amerika eingeflogen. Und nun hatte sie endlich die Gelegenheit ihre Freundin zu besuchen, jetzt konnte sie diese nicht finden. Ziemlich deprimiert fuhr Christina also wieder zurück und war schon froh dass sie zumindest Bodmin fand. Sofort suchte sie sich ein Hotel. Dort wollte sie dann gleich mit Molly telefonieren, damit diese sich keine Sorgen machte. Christina wartete auf ein Freizeichen und wählte Mollys Nummer. Diese ging nach langem Klingeln auch an den Apparat. "McSheer?" "Hallo Molly, ich bin's Chris." "Hallo Chris. Wo bleibst du nur? Es sind schon fast alle da und die Stimmung ist super." "Tut mir Leid Molly. Ich habe stundenlang nach der Abzweigung nach Cornwall gesucht, konnte sie aber nicht finden. Das Wetter ist so schlecht. Ich glaube es wäre vernünftiger es morgen noch einmal zu versuchen. Wenn es hell ist werde ich mich wohl hoffentlich nicht so dämlich anstellen." "Was? Du willst nicht zur Fete kommen? Das kannst du mir doch nicht antun." "Es tut mir ja wirklich Leid Molly. Aber ich konnte es einfach nicht finden. Ich komme sofort morgen früh, und dann haben wir zwei Wochen für uns. Ist das nicht toll? Ich konnte es tatsächlich einrichten länger zu bleiben." "Das freut mich sehr", murmelte Molly ein wenig deprimiert. Christina hatte sofort ein schlechtes Gewissen, aber sie konnte nun mal auch nichts machen. Eine kurze Zeit schwiegen die beiden sich an, dann machte Molly noch einen Versuch. "Willst du wirklich nicht mehr kommen?" "Ich würde wirklich sehr gerne kommen, aber was bringt es mir wenn ich mich dauernd in der Botanik verfahre?" "Schade", meinte Molly nur etwas traurig. "Dann sehen wir uns morgen. Du weißt ja gar nicht was du hier verpasst?" "Ich wünsche euch allen noch ganz viel Spaß. Bis morgen." Die beiden Freundinnen legten auf, und Christina ließ sich seufzend auf das Bett fallen. Irgendwie tat es ihr nun doch Leid dass sie nicht auf die Party gehen konnte. Molly hatte sehr bedrückt geklungen. Plötzlich setzte Christina sich auf und fasste einen Entschluss. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie ja noch nicht wie sehr sie dies bereuen würde.
Kurze Zeit später eilte Christina durch die Tiefgarage des Hotels. Schnell schloss sie ihren Wagen auf und sprang hinein. Dann hörte man ihren Motor aufheulen und sie war weg. Ein paar Minuten später befand sie sich schon wieder auf der Strasse nach Cornwall. Wieder musste sie nach der verflixten Abzweigung suchen, aber auch diesmal hatte sie einfach kein Glück. Sie hatte den Wagen schon ein paar Mal gewendet als ihr Zweifel kamen. War es wirklich eine gute Idee mitten in der Nacht mutterseelenallein durch die Gegend zu fahren? Sie kannte sich ja gar nicht aus. Der Nebel war inzwischen so dicht dass sie nichts mehr sehen konnte. Seufzend stoppte sie ihren Wagen und sah aus dem Fenster. Sie würde jetzt doch wieder nach Bodmin fahren. Auf dem Rückweg wollte sie ein letztes Mal für diese Nacht schauen ob sie die Abzweigung nicht doch fand. Während sie ganz langsam fuhr, und angestrengt auf die Bäume starrte, geschah es dann. Sie hatte nicht aufgepasst und war immer weiter nach links abgedriftet. Als Christina dann noch reagieren wollte war es schon zu spät. Sie rutschte über das leicht abfallende nasse Gras eine kleine Böschung hinunter und in einen Graben. Da sie nicht angeschnallt war wurde sie gegen die Windschutzscheibe geschleudert. Entsetzt schrie sie auf bevor sie das Bewusstsein verlor.
Christina öffnete die Augen und wusste im ersten Moment nicht wo sie sich befand. Langsam fiel ihr alles wieder ein, und sie hielt sich stöhnend den Kopf. Er schmerzte stark und sie griff sich an die Schläfe. Sie blutete. Alles um sie herum drehte sich, und sie musste erst wieder klare Gedanken fassen. Dann kletterte sie vorsichtig aus ihrem Wagen. Sie besah sich den Schaden und fluchte laut. "Wäre ich bloß im Hotel geblieben, so wie ich es geplant hatte. Dann hätte ich diesen Ärger jetzt nicht." Seufzend sah sie ein, dass sie sich wohl oder übel zu Fuß auf den Weg machen musste. Sie hatte wirklich keine Lust alleine hier zu bleiben. Immerhin würde sie zu Fuß eher die Abzweigung nach Cornwall finden, und zu Molly gelangen. Bis nach Bodmin war es Christina zu weit. Da würde sie stundenlang unterwegs sein. Seufzend machte sie sich auf den Weg.
Schon nach ein paar Minuten merkte Christina, dass sie sehr schlecht vorankam. Der Nebel war jetzt so dicht, dass sie nicht einmal mehr einen Meter weit sah. Zu allem Übel fing es auch noch an zu regnen. Christina war schon nach kurzer Zeit bis auf die Haut durchnässt. Schimpfend und fluchend kämpfte sie sich weiter. Inzwischen bereute sie es zutiefst, dass sie noch einmal losgefahren war. Sie musste immer daran denken, dass sie eigentlich in einem schönen und warmen Hotelzimmer sitzen könnte. Aber das half ihr auch nicht weiter. Sie marschierte tapfer durch den Regen und fror erbärmlich. Am liebsten hätte sie sich an den Straßenrand gesetzt und wäre keinen Meter weiter gegangen. Aber da würde sie sich wahrscheinlich den Tod holen. Also ging sie weiter. Sie würde schon irgendwo Hilfe finden.
Kurze Zeit später fand sie dann wirklich einen Weg der von dieser Strasse weg führte. Christina fragte sich, ob sie hier wohl nach Cornwall kam. Sie konnte sich die Frage allerdings nicht beantworten, und so ging sie weiter. Der Wald um sie wurde immer dichter und Christina begann langsam zu zweifeln. Sie überlegte schon ob sie nicht lieber umdrehen sollte, als die Bäume sich lichteten. Der Nebel wurde auch immer durchsichtiger und der Regen hatte nachgelassen. Dafür fielen jetzt vereinzelt Schneeflocken vom Himmel, und ein kalter Wind kam auf. Alles was Christina wollte war endlich in ein warmes Haus kommen. Sie fror entsetzlich. Endlich trat sie aus dem Wald auf einen Kiesweg, der ringsherum von einer großen Wiese eingesäumt wurde. Was sie dort sah ließ sie erschrecken. Nicht die kleine Stadt Cornwall lag vor ihr, sondern ein Furcht einflößendes Schloss. Wo war sie nur wieder hingekommen? Seufzend ging sie näher und betrachtete das Schloss. Vereinzelt brannten ein paar Lichter und Christina stellte erleichtert fest, dass es bewohnt war. Dennoch hatte sie eine unbestimmte Angst davor dort hinzugehen. Sie hatte einfach kein gutes Gefühl dabei. Als sie dann allerdings daran dachte wie weit sie wieder zurückgehen musste, viel ihr die Entscheidung leichter. Das Schneetreiben wurde immer dichter und Christina musste sich wieder durch das Wetter kämpfen. Sie war schon sehr geschwächt und bald verließen sie ihre Kräfte. Sie hatte das Gefühl, dass der Wind sie für jeden Schritt den sie vorwärts machte wieder zwei Schritte zurück wehte. Endlich war sie am Schloss angekommen, und sank erst einmal erschöpft auf die Treppe zum Portal. Dort ruhte sie sich aus. Als sie dann merkte dass sie entsetzlich fror rappelte sie sich wieder auf. Langsam stieg sie die Treppe hinauf und sah sich neugierig um. Sie traute sich nicht zu klopfen und so stand sie unschlüssig vor der Türe. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und griff nach dem großen schmiedeeisernen Türklopfer. Sie schlug damit zweimal gegen die Türe. Laut konnte sie das Klopfen im Schloss hallen hören und sie zuckte unwillkürlich zusammen. Die Angst stieg wieder in ihr hoch und sie wich instinktiv einen Schritt zurück. Fast wäre sie dabei auch noch die Treppe hinunter gefallen. Sie wartete, aber nichts rührte sich. Noch einmal brachte sie allerdings nicht den Mut auf zu klopfen, und sie wollte sich gerade umdrehen und wieder gehen, als die schwere Türe mit lautem Quietschen geöffnet wurde. Christina, die nicht mehr damit gerechnet hatte, erschrak und taumelte noch einen Schritt zurück. Da sich unmittelbar hinter ihr die Treppe befand stürzte Christina mit lautem Aufschrei hinunter. Sie merkte noch dass sie dumpf mit dem Kopf aufschlug, dann wurde es dunkel um sie.
"Wo bleibt Christina denn nur?" Molly machte sich große Sorgen um ihre Freundin, weil diese schon am Morgen hier sein wollte. Jetzt war es Mittag und sie war immer noch nicht erschienen. Nichts Gutes ahnend griff sie zum Telefon und wählte die Nummer von Christinas Hotel. Als der Portier auch noch sagte, dass Christina schon am Vortag gefahren war, bekam sie einen Schrecken. Wo mochte ihre Freundin nur sein? In diesem Augenblick klingelte es bei ihr an der Türe. Molly legte auf und öffnete. Einer ihrer ehemaligen Klassenkameraden stand draußen. "Hallo Molly. Tut mir Leid dass ich dich noch mal störe. Auf der Straße nach Bodmin liegt ein Jeep im Graben, und ich wollte nur schnell die Polizei anrufen und den Unfall melden." Molly wurde blass. "Ist es vielleicht ein blauer Jeep mit schwarzem Verdeck?" Er nickte und Molly bat ihn herein. "Weißt du zufällig das Kennzeichen?", fragte sie ganz aufgeregt. "Ja, RD 0901 A, warum?" Molly sank erschrocken auf die Couch. "Das ist Christinas Jeep", sagte sie nur, und griff nach dem Telefonhörer. Sie wählte die Nummer vom nächsten Krankenhaus und fragte ob ihre Freundin eingeliefert worden war. Aber dort war sie nicht. Dann rief Molly bei der Polizei an, und meldete den Unfall. Molly wollte Christina gleich vermisst melden, aber der Polizist wies sie darauf hin, dass eine Person 24 Stunden verschwunden sein musste, bis sie als vermisst galt. Molly war ganz verzweifelt und knallte den Hörer in die Gabel. Ihr ehemaliger Klassenkamerad macht sich wieder auf den Weg um sein Flugzeug nicht zu verpassen. Jetzt war Molly ganz alleine und sie wusste nicht was sie machen sollte. Vielleicht war Christina verletzt und irrte im Wald umher. Schnell zog sich Molly eine Jacke und Schuhe an, und machte sich auf den Weg.
Christina öffnete die Augen und fühlte einen starken Schmerz in ihrem Kopf. Sie sah sich um und wusste nicht wo sie war. Sie lag in einem großen Himmelbett. Stöhnend fasste sie sich an den Kopf und stellte fest dass sie einen Verband trug. Seufzend setzte sie sich auf und versuchte sich daran zu erinnern was geschehen war. Aber es wollte ihr einfach nicht einfallen. Als ihre Kopfschmerzen wieder schlimmer wurden sank sie zurück in ihr Kissen. Leise klopfte es an die Türe, aber sie registrierte es nicht. Ein junges Mädchen kam herein. "Guten Abend", sagte sie fröhlich und trat an ihr Bett. "Wer sind sie? Wo bin ich?", fragte Christina leise. Das Mädchen sah sie erstaunt an. "Ja, erkennen sie mich denn nicht mehr Miss Amanda? Ich bin es, ihr Zimmermädchen Betty." Christina sah sie überrascht an. "Miss Amanda?" "Ja, Miss Amanda McIntyre, sie sind gestern gestürzt und haben sich den Kopf angeschlagen." Christina wusste nicht was sie von dieser Sache halten sollte. Da kam eine ältere Frau herein. "Guten Abend Amanda, wie fühlst du dich heute?" Christina sah sie argwöhnisch an. "Amanda? Bin ich das?" "Oh mein Gott, es ist schlimmer als ich dachte." Christina sah sie immer noch zweifelnd an, dann setzte sie sich auf. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern wer sie war, und die ganze Situation war ihr unheimlich. Sie kannte all diese Leute nicht, und das machte ihr Angst. Die Frau wollte sie wieder in ihr Kissen zurück drücken, aber Christina ließ das trotz ihrer Kopfschmerzen nicht zu. "Wer sind sie?", fragte sie nur, und die Frau sah sie erschrocken an. "Aber Kind, kennst du mich denn nicht mehr? Ich bin es, deine Mutter." "Sie sind meine Mutter?", fragte Christina verblüfft, "Aber warum kenne ich sie dann nicht?" "Du musst dir den Kopf schlimmer gestoßen haben als ich dachte. Betty, rufen sie sofort noch einmal bei Doktor Stanton an. Er muss gleich noch einmal kommen und Amanda untersuchen." "Ja Lady Miranda." Betty verließ eilig das Zimmer und rannte hinunter in die Halle.
Lady Miranda setzte sich an Christinas Bett und sah sie an. Christina sah stur an ihr vorbei. Lady Miranda nahm ihre Hand und drückte sie. "Amanda, schau mich doch bitte an." Christina sah auf. Diese Frau sah sie so traurig an, dass sie sofort ein schlechtes Gewissen bekam. Was, wenn diese Frau wirklich Recht hatte und ihre Mutter war. Dann musste sie doch zutiefst verletzt sein wenn sie diese so ignorierte. "Kind, kannst du dich denn wirklich an nichts mehr erinnern?" Christina schüttelte den Kopf und Lady Miranda seufzte. "Dein Gedächtnis wird wieder zurückkommen, ganz bestimmt." Dann nahm sie Christina in die Arme. Christinas Widerstand schmolz dahin, und auch sie umarmte Lady Miranda jetzt. "So ist es brav mein Kind. Ich trage Betty auf, dass sie dir etwas zum Essen bringen soll." Christina nickte und Lady Miranda verließ das Zimmer. Ein paar Minuten später kam dann Betty herauf. Sie trug ein Tablett auf den Händen, das sie dann auf dem Nachttisch abstellte. Sie half Christina sich aufzusetzen und stellte ihr das Tablett auf die Knie. Obwohl Christina keinen Hunger hatte aß sie brav alles auf. Betty leistete ihr Gesellschaft. "Erzähle mir etwas über mich", forderte Christina sie auf. "Also", stotterte Betty, "sie wohnen eigentlich schon seit einem Jahr nicht mehr hier. Vorher waren sie auf einem Internat und sind nur in den Ferien Heim gekommen." "Ist das alles?", fragte Christina als Betty nichts mehr sagte. Sie wusste ja nicht, dass Betty und Amanda sich nie gut verstanden hatten. "Ich muss jetzt gehen und Nanny in der Küche helfen. Wenn sie mich brauchen Miss Amanda, dann klingeln sie einfach." Bevor Christina etwas erwidern konnte war Betty auch schon aus dem Zimmer verschwunden. Christina wollte nichts mehr essen. Als sie das Tablett auf den Nachttisch zurück stellte, sah sie eine Packung Kopfschmerztabletten. Sogleich nahm sie zwei Stück und wartete auf die Wirkung. Schon kurze Zeit später ließen die Schmerzen nach und Christina kletterte linkisch aus dem Bett. Langsam ging sie zum Kleiderschrank und holte das erstbeste Kleid heraus. Sie zog es an und machte sich auf den Weg nach unten.
In der Halle traf sie auf zwei junge Frauen. "Hallo", sagte Christina nur und wollte an ihnen vorbei gehen. "Amanda, warum bist du nicht in deinem Bett?", fragte eine der beiden und Christina blieb stehen. "Ich wollte nicht mehr liegen bleiben. Wer seid ihr?" Die beiden sahen sich wissend an und die eine sagte: "Mama hat Recht. Es ist schlimmer als wir dachten. Wir sind deine Schwestern. Ich bin Melissa und das ist Vanessa. Wie fühlst du dich?" "Ich habe noch leichte Kopfschmerzen, aber ansonsten geht es schon." Vanessa trat auf sie zu. "Du solltest dich wieder in dein Bett legen. Der Doktor kommt gleich." Christina schüttelte langsam den Kopf. "Ich will mich aber nicht mehr hinlegen. Mir ist so langweilig alleine in meinem Zimmer." "Es wäre aber wirklich besser für dich", mischte sich nun auch Melissa ein. Widerwillig ließ Christina sich von den beiden nach oben führen. Sie legte sich wieder ins Bett und die beiden Schwestern ließen sie alleine. Als die Türe hinter den beiden ins Schloss fiel setzte sich Christina wieder auf. Sie dachte gar nicht daran liegen zu bleiben. Irgendetwas stimmte hier nicht und sie wollte herausfinden was es war. Also zog sie sich wieder an und schlich aus dem Zimmer.
Als sie auf der Treppe stand die in die Halle führte, hörte sie Stimmen. "Nein, hier ist in der letzten Nacht niemand angekommen." "Oh, aber sie ist verschwunden. Ihr Auto liegt an der Strasse im Graben. Sollte sie doch hier auftauchen, dann rufen sie mich bitte umgehend an. Hier ist ein Foto von Christina Dean und auf der Rückseite steht meine Telefonnummer." Diese Stimme kam Christina irgendwie bekannt vor, aber sie konnte sie nicht zuordnen. Dann fiel die große Schlosstüre zu und Christina konnte einen Mann im Anzug durch die Halle eilen sehen. Er verschwand hinter einer Treppe und Christina wagte sich wieder aus ihrem Versteck heraus. Nachdenklich ging sie die Treppe hinunter und blieb unschlüssig in der Halle stehen. Niemand war zu sehen, da klopfte es schon wieder an die große Türe. Christina eilte sofort hin, in der Hoffnung, dass es wieder die gleiche Person war wie vorhin. Vielleicht würde die ja mehr Licht in ihr Leben bringen. Aber zu Christinas Enttäuschung stand nur ein älterer Herr draußen. "Guten Abend Miss Amanda. Zu ihnen wollte ich gerade kommen. Ich bin Doktor Stanton." Christina trat einen Schritt zurück und ließ ihn ein. Dann kam auch schon Lady Miranda angelaufen. "Guten Abend Doktor Stanton. Schön dass sie noch einmal kommen konnten. Aber Amanda, warum bist du denn nicht in deinem Bett?" Christina machte eine schuldbewusste Miene und ging ohne Widerworte mit den beiden nach oben in ihr Zimmer. Dort untersuchte Doktor Stanton sie noch einmal. Dann gab er ihr eine Spritze und eine Schlaftablette und kurze Zeit später schlummerte Christina selig. Doktor Stanton verließ das Zimmer leise. Lady Miranda warte draußen schon mit besorgter Miene auf den Arzt. "Und, was sagen sie dazu? Wird sie ihr Gedächtnis wieder finden?" "Sie müssen schon noch ein wenig Geduld haben. Sollten sich dennoch keine Fortschritte einstellen, dann wäre es besser, wenn sie Miss Amanda in eine Klinik einweisen." "Sie meinen eine geschlossene Anstalt?" "Ja, das meine ich." Lady Miranda seufzte. "Muss das denn sein?" "Natürlich nicht sofort. Warten sie noch ein paar Wochen. Vielleicht renkt sich ja alles wieder von alleine ein." Doktor Stanton verabschiedete sich und Lady Miranda ging zu ihren beiden Töchtern in den Salon.
Christina wachte am nächsten Morgen auf und stellte fest, dass die Kopfschmerzen verschwunden waren. Gut gelaunt sprang sie aus dem Bett und zog sich an. Dann ging sie nach unten. In der Halle traf sie auf Betty. "Guten Morgen Miss Amanda. Haben sie gut geschlafen?" "Ja, wie ein Murmeltier Betty. Jetzt habe ich aber einen riesengroßen Hunger." Sie lächelte Betty an, und diese schien ziemlich überrascht darüber. "Ich bringe sie ins Speisezimmer", murmelte Betty verwirrt und ging voran. Christina folgte ihr, während sie sich in der Halle umsah. Sie konnte aber nichts entdecken, was ihren Erinnerungen auf die Sprünge half. Im Speisezimmer saßen schon Lady Miranda, Melissa und Vanessa. "Guten Morgen", wurde Christina begrüßt, und diese setzte sich sofort. "Guten Morgen", murmelte sie zurück und sah sich gedankenverloren um. Viele Portraits hingen hier. Eines erregte ihre Aufmerksamkeit besonders. Lady Miranda bemerkte das natürlich sofort und sagte: "Kennst du das Bild? Es wurde letzten Sommer von dir angefertigt. Es ist sehr schön." Christina stand auf und sah sich das Portrait näher an. Es erweckte keine Erinnerungen in ihr. Aber das junge Mädchen auf dem Bild sah aus wie sie selbst. Das konnte sie nicht leugnen. Warum nur zweifelte sie dann immer noch daran dass sie Amanda war? Was hatten die Menschen hier für einen Grund sie anzulügen? Langsam kehrte sie wieder zurück an den Tisch und merkte nicht einmal, dass sie von den drei Frauen am Tisch beobachtet wurde. "Kannst du dich denn zumindest ein bisschen erinnern?", wurde sie von Vanessa aus ihren Gedanken gerissen. Seufzend schüttelte die Gefragte den Kopf und setzte sich wieder. Dann wurde das Frühstück aufgetragen. Niemand sagte etwas, bis Lady Miranda das Schweigen brach. "Du bekommst später noch Besuch Amanda." "Wer kommt denn?", fragte diese neugierig zurück. "Lass dich überraschen. Wenn das dein Gedächtnis nicht wieder etwas auffrischt, dann weiß ich auch nicht weiter." Jetzt war Christina schon sehr gespannt, und sie konnte es kaum noch erwarten.
Als es an der Türe klopfte sprang Christina sofort auf, aber Lady Miranda hielt sie zurück. "Aber Kind, was sind denn das für Manieren? Du bleibst schön brav sitzen und wartest." Das passte Christina zwar gar nicht, aber sie setzte sich dennoch wieder auf ihren Stuhl. Melissa und Vanessa verließen das Zimmer. Kurze Zeit später kam ein sehr gut aussehender Mann herein. "Hallo Amanda", rief er sofort und stürmte auf sie zu. Leidenschaftlich nahm er sie in die Arme und wollte sie küssen. Christina ließ das natürlich nicht zu. Entsetzt stieß sie ihn von sich fort und herrschte ihn an: "Was fällt ihnen denn ein? Wer sind sie überhaupt?" Jetzt starrte er sie verblüfft an. "Aber Amanda, kennst du mich denn nicht?" Christina schüttelte verunsichert den Kopf. "Ich bin's, Glenn. Wir sind verlobt." Christina starrte ihn überrascht an und kein Ton kam mehr über ihre Lippen. Jetzt hatte sie auch noch einen Verlobten den sie nicht kannte. Glenn ließ traurig die Schultern hängen, und jetzt tat er Christina auf einmal Leid. Aber irgendwie sagte ihr Instinkt ihr, dass sie ihn nicht leiden konnte. Er hatte etwas an sich, was ihr ganz und gar nicht gefiel. Christina stand auf und ging sicherheitshalber gleich mal ein paar Schritte zurück. "Kannst du dich denn wirklich nicht mehr an mich erinnern?" Christina musste wieder verneinen und Glenn ließ sich seufzend in einen Stuhl fallen. Beide schwiegen sich eine Weile an. Irgendwann steckte Melissa den Kopf zur Türe herein. An der Haltung der beiden konnte sie sofort erkennen dass Christina sich scheinbar nicht an Glenn erinnern konnte. Seufzend kam sie herein. "Aber Amanda, wir dachten wirklich dass du dich an Glenn erinnerst. Du liebst ihn doch so sehr." Christina sah sie nur zweifelnd an, und schüttelte den Kopf. "Es tut mir wirklich sehr Leid." Dann verließ sie fluchtartig den Raum. Glenn und Melissa starrten ihr nachdenklich hinterher.
Christina verließ nach dem Mittagessen das Schloss, denn sie wollte alleine sein. Draußen schneite es noch immer, und sie kam nicht besonders weit. Irgendwann setzte sie sich in den Schnee und weinte.
Christina wusste nicht wie lange sie da schon saß, als ein Schatten über sie fiel. "Hier bist du ja. Ich habe dich schon überall gesucht." Hinter Christina stand Glenn und sah sie besorgt an. "Hallo Glenn", sagte Christina nur und stand auf. Sie wollte auf gar keinem Fall mit diesem Mann alleine sein. "Wohin gehst du?", fragte Glenn als sie langsam wegging. "Ich will wieder ins Schloss. Mein Kopf schmerzt sehr und ich werde mich wieder schlafen legen." Das war zwar gelogen, aber es erfüllte seinen Zweck. Glenn machte keine Anstalten ihr zu folgen. Als Christina endlich drinnen war kam ihr Betty entgegen. "Lord Richard und Mister Matt kommen übermorgen zurück. Freuen sie sich Miss Amanda?" "Wer sind denn diese Herren schon wieder?", fragte Christina missmutig. Sie hatte es satt ständig mit Leuten konfrontiert zu werden die sie nicht kannte. Wieso also sollte sie sich freuen? "Lord Patrick ist ihr Vater, und Mister Matt ist ihr Bruder, Miss Amanda." "Aha", war alles was Christina dazu zu sagen hatte, und so ließ sie Betty einfach in der Halle stehen und ging nach oben in ihr Zimmer. Sie wollte niemanden mehr sehen. Am liebsten wäre sie weggelaufen. Es konnte doch nicht sein dass sie sich an nichts mehr erinnern konnte. Christina legte sich in ihr Bett und war kurze Zeit später schon eingeschlafen.
Lady Miranda befand sich in der Bibliothek, als Richard der Butler herein kam. "Wenn ich kurz stören dürfte Lady Miranda?" "Was gibt es?" "Heute Morgen war eine junge Dame namens Molly McSheer da. Sie gab mir dieses Foto und ihre Telefonnummer. Sie sucht ihre Freundin Christina Dean. Sie sieht unserer Miss Amanda zum verwechseln ähnlich, finden sie nicht?" Lady Miranda nahm ihm das Bild aus der Hand und besah es sich kurz. "Stimmt, war das Mädchen hier?" "Nein, wenn ich aber vielleicht etwas feststellen dürfte. Sie sehen sich doch sehr ähnlich. Vielleicht ist es ja Christina Dean, die wir fälschlicherweise als Miss Amanda sehen. Das würde auch erklären warum sie sich an nichts erinnern kann." "Ich werde der Sache auf den Grund gehen. Vielen Dank Richard." Sie legte das Bild auf den Schreibtisch und widmete sich wieder ihren Unterlagen. Richard zog sich diskret zurück und ging in die Küche. Dort war Nanny mit dem Abendessen beschäftigt. "Und, was hat Lady Miranda gesagt?", fragte diese sogleich neugierig. "Sie sagte, dass sie der Sache nachgehen wird. Ich hoffe fast, dass die junge Dame dort oben Christina Dean ist. Miss Amanda hat hier so viele Schwierigkeiten, dass es nicht ratsam gewesen wäre zurück zu kehren." "Das stimmt Richard, aber es steht uns nicht zu über sie zu richten. Behalten sie den anderen gegenüber ihre Meinung lieber für sich. Sie wollen doch keinen Ärger riskieren Richard?" "Nein natürlich nicht Nanny. Aber ich bin doch einmal gespannt, wie Lord Patrick auf Miss Amandas plötzliches Auftauchen reagiert. Er wird nicht sonderlich begeistert sein." Nanny sagte darauf nichts und Richard verließ die Küche.
Spät am Abend erwachte Christina und stand auf. Sie zog sich um und ging nach unten. Dort konnte sie Lady Miranda mit einem Mann reden hören. "Meine Tochter ist einfach noch nicht in der Lage mit ihnen zu reden. Sie ist schwer gestürzt und hat Amnesie." "Ich würde mich trotzdem gerne einmal mit ihr unterhalten." "Ich halte das für keine gute Idee", bestimmte Lady Miranda entschieden. Der Kommissar wechselte das Thema. "Wissen sie dass in dieser Gegend ein junges Mädchen vermisst wird? Dieses Mädchen sieht Miss Amanda zum Verwechseln ähnlich." "Ja, eine junge Frau war heute hier und hat ein Foto zurück gelassen. Sie sieht ihr wirklich zum Verwechseln ähnlich, aber wir haben sie hier nicht gesehen." "Naja, mich wundert nur, dass Miss Amanda wieder aufgetaucht ist, als die junge Frau verschwunden ist. Und ausgerechnet Amnesie hat sie auch noch." Christina konnte hören dass Lady Miranda hörbar die Luft einsog. "Was soll das denn heißen? Wollen sie uns vielleicht unterstellen, dass wir hier diese Christina als Amanda ausgeben?" "Nein, natürlich nicht. Ich habe auch nur laut gedacht." Der Tonfall des Kommissars ließ offen was er wirklich dachte. Lady Miranda stand auf. "Ich muss sie nun bitten das Schloss zu verlassen." Auch der Kommissar stand auf und ging in Richtung Halle. In der Türe drehte er sich allerdings noch einmal um. "Ich komme auf alle Fälle wieder. Schönen Abend." Dann konnte Christina ihn durch die Halle schreiten sehen. Sie dachte darüber nach was der Kommissar gesagt hatte. War sie vielleicht doch dieses verschwundene Mädchen? Das würde auch erklären warum sie sich an nichts erinnern konnte. Sie wollte gerade aus ihrem Versteck kommen und mit dem Kommissar reden, da fiel auch schon die Türe hinter ihm ins Schloss. Christina wollte ihm nacheilen, aber da kam Lady Miranda schon wieder auf sie zu. "Amanda, da bist du ja. Ich muss einmal kurz mit dir reden." Christina sah zwischen Türe und Lady Miranda hin und her, und folgte schließlich ihrer Mutter in die Bibliothek. "Hat es mit dem Besuch des Kommissars zu tun?", fragte Christina gleich neugierig. "Ja", antwortete Lady Miranda. "Stecke ich in Schwierigkeiten?", fragte Christina weiter, aber sie war sich gar nicht sicher ob sie die Antwort überhaupt hören wollte. Lady Miranda dachte eine Weile nach, dann sagte sie entschlossen: "Hier gab es vor ein paar Jahren einmal einen Vorfall, und die Leute wollen dir die Schuld daran geben. Aber wir wissen ja alle dass das nicht stimmt." "Was ist passiert?", fragte Christina immer noch weiter, und Lady Miranda seufzte. "Ich bin nicht die erste Frau deines Vaters. Er war schon einmal verheiratet und hatte aus der ersten Ehe seine Tochter mitgebracht. Ihr Name war Jaqueline. Sie ist vor einem Jahr vom großen Türm im Westflügel gestürzt. Irgendjemand hatte behauptet, dass er dich damals auch auf dem Turm gesehen hatte. Die Leute meinen dass du Jaqueline gestoßen hast. Aber wir wissen das besser. Nur der dämliche Kommissar will das nicht glauben und gibt einfach nicht auf." "Wer war es denn, wenn nicht ich?" "Niemand, es war ein Unfall, oder meinetwegen Selbstmord. Aber du weißt doch wie es ist wenn die Leute reden. Es stimmt schon, ihr beide habt euch nicht besonders gut verstanden. Aber du hast sie nicht umgebracht." Christina saß wortlos in ihrem Stuhl und musste erst einmal verdauen was sie soeben gehört hatte. Dann fasste sie sich endlich wieder. "Und, ich war es wirklich nicht?", fragte sie weiter. "Nein mein Kind, du warst es wirklich nicht." "Und, was ist das für eine Geschichte mit dem verschwundenen Mädchen?" Das war ja die eigentliche Frage die Christina beschäftigte. "Hier ist vor kurzem ein Mädchen verschwunden, und der Kommissar wollte wissen ob wir sie hier gesehen haben." "Er sagte, dass sie mir ähnlich sieht. Stimmt das?" Lady Miranda zuckte mit den Schultern. "Vielleicht ein bisschen, aber nicht sehr." Christina stand auf. "Ich ziehe mich wieder in mein Zimmer zurück. Ich werde auch nicht zum Abendessen erscheinen. Ich habe nämlich keinen Appetit mehr." Dann ging Christina nach draußen. Sie hätte schon Hunger gehabt, aber sie wollte Glenn nicht schon wieder über den Weg laufen.
Am nächsten Morgen stand Christina schon sehr früh auf, und zog sich an. Unten in der Halle konnte sie niemanden sehen, und da rannte sie schnell zum Portal. Kurze Zeit später ging sie auch schon die Einfahrt entlang. Sie wollte in die nächste Stadt gehen.
Sie war gerade eine halbe Stunde unterwegs, da konnte sie Cornwall auch schon sehen. Sie beschleunigte ihre Schritte und kam auf die Hauptstrasse die durch die Stadt führte. Sie ging in das erste Geschäft und sah sich um. Sie nahm gerade einen Lippenstift in die Hand um ihn sich anzusehen, als ein älterer Herr hinter sie trat. "Miss Amanda, ich muss sie bitten mein Geschäft sofort zu verlassen." Christina sah ihn verblüfft an. "Aber warum denn?" "Weil wir hier keine Mörder dulden." Jetzt war Christina sprachlos, und der Mann schob sie durch die Türe hinaus. Dann flog die Türe ins Schloss und der Schlüssel wurde herum gedreht. Christina sah erschrocken auf die Türe, begann sich dann aber zu ärgern. Lady Miranda hatte Recht gehabt. Alle Menschen hier in dieser Stadt schienen zu glauben dass sie ihre Stiefschwester getötet hatte. Das stimmte sie traurig und mit hängendem Kopf ging sie weiter. Ihr fiel auf dass die Leute die Straßenseite wechselten wenn sie kam. Nur ein kleines Mädchen blieb und spielte weiter mit dem Ball. Christina ging auf sie zu. "Hallo Kleines." "Hallo", antwortete das Mädchen freundlich und lächelte sie an. "Wie heißt du denn?", fragte Christina weiter. Sie war froh endlich mit jemandem reden zu können der normal war. "Ich heiße Lindsay, und du?" Christina wollte gerade antworten, als eine Frau hektisch angelaufen kam. "Lindsay, du sollst doch nicht mit fremden Leuten reden." Sie warf Christina einen feindseligen Blick zu, der sie zusammenzucken ließ. "Aber Mami, sie ist doch nett." "Nein, das ist sie nicht", rief die Frau laut, dann verschwanden die beiden im nächsten Haus. Christina sah ihnen traurig hinterher, dann machte sie kehrt. Sie wollte sofort ins Schloss zurück. Vor einer Stunde hatte sie dieses zwar noch als bedrückend empfunden, doch nun schien es ihr wie ein Rettungsring. Dort hielt man sie zumindest nicht für eine Mörderin.
Christina ging gerade über den Rasen vor dem Schloss, als ihr Betty entgegen kam. "Hier sind sie ja Miss Amanda. Wir haben sie schon überall gesucht. Lady Miranda hat sich große Sorgen um sie gemacht." "Ich war in der Stadt, aber da werde ich nie wieder hingehen. Es war so schrecklich. Alle haben mich gemieden oder feindselig angestarrt. Ich wurde sogar aus einem Geschäft geworfen. Sie halten mich alle für eine Mörderin." Christina war total verzweifelt und den Tränen nahe. Betty senkte betroffen den Kopf. "Betty?", fragte Christina leise. "Ja Miss Amanda?" "Halten sie mich auch für eine Mörderin?" Betty fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut, und Christina konnte das sehen. "Es steht mir nicht zu über sie zu richten Miss Amanda." "Aha, verstehe", war alles was Christina dazu sagte, und so steuerte sie das Schloss an. Sie hatte heute wirklich genug erlebt.
In der Halle traf Christina auf Lady Miranda. "Da bist du ja Amanda. Ich habe dich schon überall gesucht. Wo warst du denn nur?" "In der Stadt", antwortete Christina niedergeschlagen. "Das hättest du lieber nicht tun sollen." "Ich weiß", antwortete Christina und ihre Stimme klang weinerlich. Lady Miranda nahm sie in die Arme um sie zu trösten. "War es sehr schlimm?" "Ja, ich wurde aus einem Geschäft geworfen. Alle haben mich gemieden." "Ja, ich weiß. Diese Leute sind so schrecklich verbohrt. Solltest du etwas brauchen dann sag es einfach. Richard besorgt dir alles in der Stadt." "Also, wenn ich ehrlich bin dann will ich einfach nur weg von hier." "Das kann ich verstehen, aber ich bin ja so froh dass du endlich wieder da bist. Gehe bitte nicht wieder so lange weg." "War ich denn weg?" "Ja, nachdem das passiert ist und die Leute dich so schlimm behandelt haben, bist du einfach gegangen." "Kann ich verstehen", murmelte Christina und setzte sich auf einen Diwan. Die beiden schwiegen sich eine Weile an. "Lady Miranda?", begann Christina, wurde aber sogleich von dieser unterbrochen. "Warum sagst du nicht wie früher Mama zu mir?" "Okay, Mama. Wenn mich alle für schuldig halten, warum wurde ich dann nicht eingesperrt?" "Weil keine Beweise dafür vorlagen. Da war nur ein Mann der behauptete dich gesehen zu haben. So stand es Aussage gegen Aussage, und sie konnten dir nichts anhängen." "Verstehe", meinte Christina und sah aus dem Fenster. Sie dachte nach. Wie immer versuchte sie sich zu erinnern, aber auch diesmal gelang es ihr nicht.
Richard kam herein. "Der Lunch ist aufgetragen. Würden die Damen mir bitte folgen?" Lady Miranda erhob sich und auch Christina stand auf. "Ich habe keinen Hunger. Geht nur ohne mich essen." "Aber Kind. Du hast gestern Abend nichts gegessen, und heute Morgen auch nicht. Willst du nun wirklich auch noch das Mittagessen ausfallen lassen?" "Ich habe einfach keinen Hunger", war alles was Christina sagte, und dann verließ sie den Raum. Sie zog sich leise in ihr Zimmer zurück.
Erst am Spätnachmittag ließ sich Christina wieder bei den anderen sehen. Als sie in den Salon kam verstummten sofort alle Gespräche, und die anderen sahen sie an. Melissa sah sogar ein wenig mitleidig, und Christina fragte sich, ob alle sie schon für verrückt erklärt hatten. Wortlos setzte sie sich und schaute aus dem Fenster. "Wie fühlst du dich?", fragte Vanessa. "Gut, warum?" "Mama hat uns erzählt was dir heute passiert ist. Wir hätten dir gleich sagen sollen dass es nicht ratsam ist in die Stadt zu gehen." "Ja, das wäre wohl nicht schlecht gewesen", antwortete Christina, starrte aber weiterhin aus dem Fenster. Jetzt drehte Melissa sich zu Christina um. "Du darfst das was die Leute sagen nicht so ernst nehmen. Sie sind so stur und verbohrt. Dabei wissen sie doch gar nicht was passiert ist. Am besten vergisst du das schnell wieder." "Vergessen?", brauste Christina nun auf. "Wurdest du schon einmal als Mörderin beschimpft? Du weißt doch gar nicht wie das ist, also sag mir nicht was ich tun soll." Melissa sah sie erschrocken an und Christina senkte den Kopf. Das war doch nicht ihre Art gleich so aufzubrausen, oder? "Es tut mir Leid Melissa. Ich wollte dich nicht so anfahren. Aber das war wirklich so schrecklich für mich." "Ich weiß", sagte Melissa nur, und nun mischte sich auch Vanessa ein. "Also, nachdem du so aufgebraust bist dachte ich wirklich schon, dass die alte Amanda wieder zurück ist. Aber die hätte sich nie im Leben entschuldigt." "Bin ich wirklich so scheußlich gewesen?", fragte Christina niedergeschlagen. "Früher warst du das schon, aber du hast dich sehr verändert. Du bist richtig nett geworden", sagte Melissa jetzt, und Vanessa stimmte ihr zu. "Also, wenn ich gewusst hätte was ein Schlag auf den Kopf bei dir bezweckt, dann hätte ich dich schon viel eher mit einem Holzscheit verprügelt." Vanessa kicherte und auch Christina musste lachen. Das war ein erstes Lachen seit sie hier war und es fühlte sich richtig gut an. Vielleicht war ihr Leben doch nicht so schrecklich, wie sie es sich in den letzten Tagen vorgestellt hatte.
Plötzlich ging die Türe auf und Lady Miranda kam wieder herein. "Darf ich mitlachen?" "Ja", antwortete Christina. "Melissa und Vanessa haben mir eben erzählt wie schrecklich ich früher gewesen sein muss." "Ja, da kann ich dir auch einiges erzählen, aber das ist jetzt nicht so wichtig. Du hast Besuch bekommen. Glenn ist wieder da." Sofort verdüsterte sich Christinas Miene wieder. Dann stand sie seufzend auf. Jetzt, da sie ihr Leben nicht mehr so schrecklich sah, konnte sie vielleicht auch mit Glenn auskommen. Vielleicht war er ja doch ganz nett. Warum sonst sollte sie sich mit ihm verlobt haben? Sie ging nach draußen in die Halle. Glenn wartete schon. Die beiden zogen sich in den Wintergarten zurück. "Wie geht es dir heute?", fragte Glenn fürsorglich. "Es geht schon. Ich war in der Stadt." Glenns Miene veränderte sich. "Du brauchst gar nicht so düster zu schauen. Ich mach das schon nicht wieder. Es war wirklich schrecklich." "Das glaube ich dir", sagte Glenn mitfühlend und legte einen Arm um ihre Schultern. Diesmal zog sich Christina nicht zurück, sondern schmiegte sich an ihn. Das erhoffte Gefühl von Geborgenheit stellte sich allerdings nicht ein. Ganz im Gegenteil. Sie fühlte sich sofort wieder unbehaglich und machte sich frei. Glenn ließ die Schultern sinken und Christina bekam sofort wieder ein schlechtes Gewissen. Glenn tat ihr Leid. "Entschuldige bitte Glenn. Ich brauche einfach noch ein wenig Zeit." "Natürlich. Du bekommst von mir alle Zeit der Welt. Schließlich habe ich ein ganzes Jahr auf dich gewartet und wusste nicht wo du bist." "Was?", rief Christina entsetzt auf. "Nicht einmal du wusstest wo ich war?" "Du hast sehr oft angerufen und mir gesagt, dass du mich liebst und vermisst. Doch du hast mir nie gesagt wo du bist. Wahrscheinlich hattest du Angst dass die Polizei dich findet." Jetzt war Christina sprachlos. Wenn sie ihm nicht gesagt hatte wo sie sich aufhielt, dann konnte sie ihn auch nicht so geliebt haben. Aber das behielt sie für sich, denn Glenn war ohnehin schon traurig genug. Die beiden schwiegen sich noch eine Weile an, dann begann Glenn zu erzählen. "Waren das schöne Zeiten, als noch alles in Ordnung war. Weißt du noch wie wir zusammen nach Australien geflogen sind? Wir haben den falschen Flieger erwischt und sind in Alaska gelandet. Aber wir hatten auch dort sehr viel Spaß." Glenn sah sie mit leuchtenden Augen an, senkte aber gleich wieder den Blick. "Entschuldige bitte, natürlich kannst du dich nicht mehr erinnern." Christina schluckte, und nahm seine Hand. "Erzähl mir mehr. Vielleicht kann ich mich ja doch noch erinnern." So saßen sie über zwei Stunden im Wintergarten und Glenn redete und redete. Doch Christina konnte sich an nichts erinnern. Wie auch? Sie war ja nicht Amanda. Endlich hörte Glenn auf zu erzählen und sah sie hoffnungsvoll an. Christina aber schüttelte den Kopf und Glenn senkte deprimiert den Blick. Christina versuchte ihn zu trösten. "Was du erzählt hast, war aber sehr schön. Wir hatten wohl sehr viel Spaß miteinander." "Ja, das hatten wir. Aber so wie das aussieht werden wir das wohl nie wieder haben." "Ach was", meinte Christina aufmunternd, "das wird schon wieder." Sie verschwieg ihm allerdings, dass sie das nicht wirklich hoffte. Nach wie vor hatte Glenn etwas an sich, das sie abschreckte. Er stand jetzt auf. "Ich mache mich jetzt wieder auf den Weg nach Hause." Christina stand auch auf und brachte ihn bis zur Haustüre. Dort verabschiedete sie sich von ihm. Sie sahen sich eine Weile schweigend an, dann gab Christina ihm spontan einen Abschiedskuss. Aber auch diesmal verspürte sie nichts außer Widerwillen. Schnell schob sie Glenn hinaus und schloss die Türe.
Christina wusste genau, dass sie Glenn nie geliebt hatte, und auch nie lieben würde. Wieder kamen ihr Zweifel ob sie überhaupt Amanda war. Seufzend zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Sie wollte sich gerade in ihr Bett legen als es an der Türe klopfte. "Wer ist da?", fragte Christina missmutig, und Betty steckte ihren Kopf herein. "Entschuldigen sie Miss Amanda. Ich wollte sie gewiss nicht stören." "Nein Betty, sie stören nicht. Was ist denn los?" "Das Dinner wurde serviert. Kommen sie, oder möchten sie lieber hier oben in ihrem Zimmer essen?" "Ich komme hinunter, sonst macht Mama sich wieder Sorgen." Betty nickte und ging zum Schrank. Dort suchte sie etwas zum Anziehen für Christina heraus. Kurze Zeit später gingen die beiden dann hinunter, und Christina setzte sich zu den anderen an den Tisch. "Schön, dass du uns wieder Gesellschaft leistest", sagte Vanessa und lächelte Christina freundlich an. Diese lächelte zurück und machte sich hungrig über ihren Teller her. Als sich Christina dann eine zweite Portion Gemüse genehmigte stutzte Melissa. "Seit wann isst du Gemüse? Ich dachte du magst es nicht." Christina hielt beim Essen inne. "Ich mag kein Gemüse? Aber es schmeckt doch total lecker, oder?" Alle schüttelten den Kopf, und Vanessa sah sie eine Weile lang nachdenklich an. Sie sagte aber nichts.
Nach dem Essen versammelten sich alle im Salon. Melissa und Vanessa spielten Karten und Lady Miranda las in einem Buch. Unschlüssig setzte Christina sich zu den Schwestern. "Was spielt ihr da?" "Canasta. Willst du mitspielen?" "Klar, warum nicht? Ihr müsst mir nur die Regeln erklären." Vanessa und Melissa wechselten einen Blick. "Karten haben dich früher doch auch nicht interessiert." "Hat es das nicht?" Christina war ein wenig verwirrt. Beide schüttelten den Kopf und Christina zuckte mit den Schultern. "Dann interessiert es mich aber jetzt. Wie spielt man das Spiel?" Melissa erklärte Christina die Regeln und dann spielten sie zu Dritt weiter.
Irgendwann einmal sagte Vanessa: "Morgen kommen Papa und Matt zurück. Freust du dich schon?" "Ich weiß nicht", sagte Christina zögernd. "Können die mich denn leiden?" Christina bekam keine Antwort und so seufzte sie: "Nein, eigentlich freue ich mich nicht." Lady Miranda, die zugehört hatte, stand auf. "Ach was. Ihr seid zwar im Streit auseinander gegangen, aber das renkt sich wieder ein. Du musst mit ihnen reden Amanda, das ist alles." "Warum haben wir denn gestritten?", fragte Christina. "Mit Matt hast du dich ständig gestritten. Ihr habt euch noch nie verstanden. Das war nichts Neues. Ich habe noch nie Zwillingsgeschwister gesehen die sich so wenig leiden konnten. Worüber du mit deinem Vater gestritten hast, das habe ich nie erfahren." Christina nickte. "Wir werden ja sehen was Morgen passiert." Kurze Zeit später zogen sich alle in ihre Zimmer zurück. Christina lag noch lange wach im Bett und dachte über den morgigen Tag nach.
Am nächsten Morgen wachte Christina erst spät auf. Sofort sprang sie aus dem Bett und zog sich an. Dann rannte sie nach unten zum Frühstücken. Sie war schon sehr nervös wegen ihrem Vater und ihrem Bruder. Vielleicht weckte ja diese Begegnung Erinnerungen in ihr. Sie war so aufgeregt, dass sie keinen Bissen hinunter brachte. Lady Miranda sah sie missbilligend an. "Jetzt iss doch anständig." "Aber ich kann nicht. Ich bin doch schon so aufgeregt." "Du solltest aber trotzdem essen. Du hast in den letzten Tagen ohnehin zu wenig gegessen. Dein Körper braucht etwas Nahrhaftes." "Na schön, ich versuche es." Christina würgte ein Brötchen hinunter und trank eine Tasse Tee.
"Wann kommen sie denn?", fragte sie erwartungsvoll. "Du kannst es wirklich nicht erwarten, was? Aber du musst dich schon noch ein wenig gedulden. Sie kommen erst am Nachmittag oder am Abend." "Erst so spät?" "Ja", meinte Lady Miranda dann lachen, machte aber sofort ein besorgtes Gesicht. Christina war allerdings zu aufgeregt um das zu bemerken. Sie stand vorzeitig auf und verließ das Speisezimmer. Das Wetter draußen war sehr schlecht, aber Christina wollte dennoch nicht drinnen bleiben. Also zog sie sich eine Jacke an und ging nach draußen. Dort war niemand zu sehen, und das war ihr ganz recht. Sie ging stundenlang spazieren und vergaß die Zeit vollkommen. Sie bemerkte erst wie spät es war als es schon zu dämmern begann. Jetzt musste sie sich beeilen, und sie rannte so schnell sie konnte zum Schloss zurück. Ein großes Auto stand in der Einfahrt und sie blieb keuchend stehen. Plötzlich hatte sie wieder Angst vor der Begegnung und so blieb sie weiterhin unschlüssig vor dem Schloss stehen. Den ganzen Tag war sie so aufgeregt gewesen, und nun konnte sie nichts auf der Welt mehr dazu bewegen hinein zu gehen.
"Sieh an, sieh an, mein Schwesterherz ist nach Hause gekommen", ertönte jetzt eine spöttische Stimme hinter Christina. Diese erschrak und fuhr herum. "Dann bist du also Matt", mutmaßte Christina ironisch, weil sie sich über seinen Tonfall ärgerte. "Richtig. Was willst du hier? Hast du nicht schon genug Schande über die Familie gebracht?" "Du hältst mich also auch für schuldig an diesem Unfall?", fragte Christina erschrocken. "Ja, und das weißt du auch. Mir kannst du nichts vormachen. So wie ich doch kenne ist die Sache mit der Amnesie auch wieder so ein Trick von dir." Christina war sprachlos über so viel Feindseligkeit. "Warum bist du wieder zurückgekommen Papa hat sich deswegen total aufgeregt. Für dich wäre es wirklich besser wenn du wieder dort hingehst wo du hergekommen bist." Wütend starrte Christina ihn an, und machte dann auf dem Absatz kehrt. So schnell sie konnte rannte sie ins Schloss zurück. Matts Lachen verfolgte sie bis in ihr Zimmer. Zitternd vor Wut warf sie sich auf ihr Bett und begann zu weinen. Die Worte ihres Bruders hatten sie zutiefst verletzt. Laut schluchzte sie auf und überhörte das Klopfen an der Türe. Sie erschrak erst, als jemand sie an der Schulter berührte. "Aber Miss Amanda, warum weinen sie denn so?" Betty sah sie besorgt an. "Ach, nur so", antwortete Christina verlegen und wischte sich mit einer fahrigen Bewegung die Tränen aus dem Gesicht. "Lord Patrick möchte sie sehen Miss Amanda. Würden sie mir bitte folgen?" "Warum soll ich denn noch mit ihm reden? Er und Matt halten mich doch ohnehin für schuldig. Es wäre wirklich besser wenn ich gehe." "Aber Miss Amanda. Nehmen sie sich doch nicht so sehr zu Herzen was Mister Matt zu ihnen gesagt hat. Sie haben sich doch gegenseitig schon immer die schlimmsten Dinge an den Kopf geworfen." "Das kann schon sein, aber was er vorhin zu mir gesagt hat, das hat mir gereicht. Jetzt will ich mir das Gleiche nicht auch noch von meinem Vater anhören müssen. Das wäre mehr als ich ertragen kann." "Aber Miss Amanda. Früher hat es sie doch auch nie gestört was die anderen zu ihnen gesagt haben. Oh, entschuldigen sie bitte. Es steht mir nicht zu so etwas zu sagen." Jetzt sah Betty verlegen auf den Boden. "Ist schon gut Betty. Vielleicht sollte ich wirklich zu Papa gehen und mit ihm reden. Wer weiß, vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm wie ich denke." Seufzend stand Christina auf und folgte Betty nach unten.
In der Bibliothek konnte Christina ihre Mutter laut mit jemandem streiten hören. Sofort sank ihr Mut wieder auf den Nullpunkt, und sie wollte schon die Flucht ergreifen. Da kam Matt aus dem Speisezimmer. "Na so was, unsere Amanda wird doch wohl nicht etwa Angst vor einer Auseinandersetzung haben. Das wäre jetzt aber mal was ganz was neues." Christina sah Matt an, dass er darüber tatsächlich überrascht war. Aber die Überraschung dauerte leider nur kurz an, und schon wurde er wieder spöttisch. "Du musst ja ein sehr schlechtes Gewissen haben wenn du nicht einmal mehr Worte findest um uns alle anzulügen. Wie gesagt, am besten packst du deine Sachen und verschwindest wieder." Mit diesen Worten verschwand Matt im nächsten Stockwerk und ließ eine völlig verstörte Christina in der Halle zurück. Sie fühlte sich so hilflos. Da ging auch noch die Türe der Bibliothek auf. Christina zuckte unwillkürlich zusammen und wollte sich schon verstecken. Aber es war zu spät. Ein älterer Herr kam auf sie zu. "Da bist du ja. Ich muss mit dir reden." Ziemlich unsanft griff er sie am Arm und zerrte sie in die Bibliothek. Erschrocken setzte Christina sich in einen Stuhl und sah hilfesuchend zu ihrer Mutter. Sie konnte sehen dass diese geweint hatte, und das stimmte sie wütend. Lord Patrick setzte sich ihr gegenüber hinter den großen Schreibtisch, und sah sie verärgert an. Er redete auch gar nicht lange um den heißen Brei herum. "Warum bist du wieder zurückgekommen Hättest du nicht da bleiben können wo du dich das ganze letzte Jahr aufgehalten hast?" Christina öffnete den Mund um etwas zu erwidern, aber da sprach er schon weiter. "Ich habe noch nie eines meiner Kinder aus dem Schloss geworfen. Ich werde das auch nicht tun. Aber ich lege dir nahe das Schloss dennoch zu verlassen. Ich überweise dir Geld damit du gut leben kannst. Dafür kommst du aber nie wieder zurück." Christina war so überrascht, dass sie keinen Ton herausbrachte. Wieder sah sie hilfesuchend zu ihrer Mutter. Diese schüttelte unmerklich den Kopf. Christina schluckte und versuchte ihren Vater herausfordernd anzusehen. Aber das misslang ihr. "Nein, ich bleibe. Mama denkt dass ich unschuldig bin, und sie muss es doch wohl wissen oder? Ich weiß zwar nicht was sich damals abgespielt hat, aber ich lasse mich nicht so schnell vertreiben. Ich werde meine Unschuld beweisen." Dann sagte ihr Vater etwas was sie wieder total aus der Bahn warf. "Wie willst du deine Unschuld beweisen wenn du nicht unschuldig bist? Lass dir mein Angebot noch einmal durch den Kopf gehen. Es wäre wirklich besser für dich wenn du gehst. Du wirst hier kein leichtes Leben haben." Mit diesen Worten verließ er die Bibliothek und zum zweiten Mal an diesem Tag wurde Christina vollkommen verstört zurückgelassen. Lady Miranda trat sofort an ihren Stuhl und legte eine Hand auf ihre Schulter. "Rege dich jetzt bitte nicht auf mein Kind. Dein Vater wird sich schon wieder besinnen." Jetzt brauste Christina auf. "Er braucht sich nicht besinnen und Matt auch nicht. Es ist wirklich besser wenn ich gehe. Warum sollte ich hier bleiben? Hier halten mich alle für eine Mörderin." Mit diesen Worten sprang sie auf und rannte aus dem Zimmer. In der Halle stieß sie unsanft mit Matt zusammen. "Kannst du nicht aufpassen du Idiot", herrschte sie ihn an, und rannte die Treppe hinauf. Matt sah ihr kopfschüttelnd hinterher und ging dann in die Bibliothek.
Währenddessen riss Christina oben in ihrem Zimmer einen Koffer unter dem Bett hervor. Wahllos stopfte sie ein paar Sachen aus dem Schrank hinein und klappte ihn wieder zu. Dann zog sie sich eine Hose und einen Pullover an. Es klopfte an die Türe. "Einen Moment", rief Christina laut und schob den Koffer schnell unters Bett. Dann warf sie sich noch einen Bademantel über. Sie wollte nicht dass jemand bemerkte dass sie gehen wollte. Kurze Zeit später öffnete sie die Türe. Betty stand draußen und sah sie besorgt an. "Entschuldigen sie bitte die Störung Miss Amanda. Ich wollte sie zum Essen holen." "Danke Betty. Es ist sehr nett von dir dass du an mich denkst, aber ich habe keinen Hunger. Ich werde jetzt zu Bett gehen und schlafen. Ich möchte heute nicht mehr gestört werden." "Natürlich Miss Amanda. Gute Nacht." Betty zog sich zurück, und Christina zog sich schnell wieder den Bademantel aus. Dann schnappte sie sich ihren Koffer und eilte zur Türe. Leise öffnete sie diese und schaute hinaus in den Flur. Dort konnte sie niemanden sehen und so machte sie sich leise auf den Weg. Sie schlich zur Treppe und schaute vorsichtig in die Halle. Auch dort war niemand zu sehen und Christina schlich erleichtert weiter. Sie kam auch ungesehen zum Portal, und öffnete dieses. Die Türe quietschte laut und Christina erschrak. Doch niemand kam, und so schlüpfte sie ungesehen hinaus. Als sie in der Einfahrt stand bemerkte sie, dass sie sich kein schlechteres Wetter für die Flucht aussuchen hätte können. Es stürmte und schneite. Aber nichts auf der Welt hätte sie zu einer Umkehr bewegen können. Also kämpfte sie sich weiter durch das nasskalte Wetter.
Christina kam nicht sonderlich gut voran und schon nach kurzer Zeit fror sie entsetzlich. Dennoch kämpfte sie sich tapfer weiter.
Christina kam es vor als wäre sie nun schon stundenlang unterwegs. Sie war erschöpft und wusste nicht einmal wohin sie gehen sollte. Nach Cornwall? Nein, die Leute waren ihr gegenüber so feindlich eingestellt, dass das keine gute Idee gewesen wäre. Sie würde jetzt einfach weiter gehen, bis sie nicht mehr konnte, oder bis sie an einen Ort kam an dem die Leute nett zu ihr waren. Aber bald schon verließen sie ihre Kräfte. Sie ließ den Koffer einfach los. Sie würde ihn sowieso nicht brauchen. Aber auch ohne Last kam sie nicht mehr sehr weit. Ihre Kräfte waren verbraucht und sie sank erschöpft in den Schnee. Ihre letzten Gedanken bevor sie einschlief galten ihrem Vater und ihrem Bruder. Sie hasste die beiden so sehr und wollte sie nie wieder sehen.
"Jetzt hast du es geschafft Patrick", sagte Lady Miranda vorwurfsvoll beim Frühstück zu ihrem Mann. "Was denn?", brummte er nur missmutig, sah sie allerdings nicht an. Er wusste genau was sie meinte. "Amanda kommt nicht einmal mehr zum Essen herunter." "Na und? Soll mir nur recht sein." "Aber Patrick, wie kannst du so was nur von deiner eigene Tochter sagen?" Die Antwort blieb ihm jedoch erspart, denn genau in diesem Augenblick kam Betty ganz verstört herein. "Lord Patrick, Lady Miranda, Miss Amanda ist verschwunden." "Wie, verschwunden?", fragte Lady Miranda sofort alarmiert. "Ich wollte sie soeben zum Frühstück holen, aber sie war nicht in ihrem Zimmer. Es fehlt auch ein Koffer. Ich glaube sie ist weggelaufen." "Oh nein", rief Lady Miranda bestürzt. "Nicht schon wieder. Da hast du es!" "Ja genau, sie hat genau das getan worum ich sie gebeten habe. Sie ist ja doch nicht so dumm wie ich dachte." "Aber Patrick, weißt du denn nicht wie schlecht das Wetter seit gestern Abend ist?" Jetzt mischte Betty sich wieder ein. "Wenn ich noch etwas sage darf. Alle Autos sind noch da. Sie muss sich zu Fuß auf den Weg gemacht haben." Jetzt sahen alle erschrocken auf und Lord Patrick schimpfte los. "Oh nein, das darf doch nicht wahr sein. Sie ist ja sogar nicht dümmer als ich dachte." Er sprang auf, und auch die anderen erhoben sich von ihren Stühlen. "Ihr müsst sie suchen gehen", rief Lady Miranda panisch. "Ja ja, ist ja schon gut. Matt, du hilfst mir. Und sag auch Richard Bescheid. Er soll mitkommen." Matt nickte und ging. "Wir helfen auch", sagte Vanessa, und zog Melissa mit sich zu ihrem Vater. "Nein", herrschte dieser bestimmend. "Ihr bleibt hier bei eurer Mutter." Dann verließ er das Speisezimmer. Zusammen mit Matt und Richard machte er sich kurze Zeit später auf die Suche. Draußen besprachen sie sich noch. "Also, ich schlage vor dass wir zusammen zur Straße gehen. Dort trennen wir uns. Matt, du gehst mit Richard in Richtung Bodmin. Ich gehe nach Cornwall." Alle nickten und sie machten sich auf den Weg. Als sie die Straße erreichten schrie Richard plötzlich: "Dort vorne liegt etwas!" Kurze Zeit später hatten sie Christinas Koffer erreicht. "Das ist Amandas Koffer. Sie scheint nicht besonders weit gekommen zu sein", rief Lord Patrick. "Es sieht ihr gar nicht ähnlich dass sie ihren wertvollen Koffer einfach so zurück lässt", sagte Matt, und die Drei trennten sich.
Matt und Richard waren noch gar nicht lange unterwegs, da wurden sie auch schon fündig. "Dort vorne liegt sie!", schrie Matt und rannte los. Christina war schon halb erfroren und bewegte sich nicht mehr. Kurzer Hand hob Matt sie hoch und brachte sie zurück bis zur Auffahrt. "Gehen sie zu Papa Richard, und sagen sie ihm dass wir sie gefunden haben", rief Matt, und dann gingen sie in verschiedene Richtungen weiter. Matt brachte Christina so schnell er konnte zum Schloss zurück. Dort warteten schon alle besorgt. Lady Miranda war erleichtert, als sie ihren Sohn mit Christina sah. Christina wurde sofort in ihr Zimmer gebracht. Betty ließ warmes Wasser in die Wanne laufen. Vanessa und Melissa halfen ihr Christina in die Wanne zu heben. Es dauerte nicht lange bis Christina die Augen aufschlug. "Was ist passiert?", fragte sie überrascht und versuchte sich aufzusetzen. Betty drückte sie wieder zurück in die Wanne und Melissa begann zu erzählen. "Du bist weggelaufen. Bei diesem Wetter ohne Auto unterwegs zu sein war mehr als idiotisch von dir. Matt, Richard und Papa haben dich gesucht, und zum Glück noch rechtzeitig gefunden." Christina begann zu husten und Betty half ihr aus der Wanne heraus. "Sie haben sich sicherlich eine schlimme Erkältung zugezogen. Am besten legen sie sich erst einmal in ihr Bett und ruhen sich aus Miss Amanda." Während Vanessa und Betty Christina beim Ankleiden halfen, ging Melissa in die Küche und trug Nanny auf Tee und Suppe für Amanda zu machen.
Lady Miranda unterhielt sich derweilen mit ihrem Mann in der Bibliothek. Sie sah ihn vorwurfsvoll an. "Jetzt siehst du was du angerichtet hast." "Was beschuldigst du mich
Von Hillerkus
Am 11.03.2009 um 14:29 Uhr
Der Anfang ist so langweilig, dass ich nicht weitergelesen habe. Sie sucht den Weg, findet ihn nicht, sucht weiter, findet ihn immer noch nicht, sucht noch weiter, findet und findet ihn aber einfach nicht...
Gähn.
Lass den Anfang doch einfach weg!
Oder lass was schlimmes passieren, Unfall oder dubioser Anhalter oder so, irgendwas spannendes.
Grüße
Andreas
Von Gaehn
Am 23.02.2009 um 10:32 Uhr
"Mist, ich muss eine Abzweigung verpasst haben!", schimpfte Christina. Sie trat auf die Bremse und der Wagen hielt so ruckartig am Straßenrand an, dass sie in den Gurt gepresst wurde.
Sie nestelte die Landkarte aus dem Handschuhfach und studierte sie eine Minute lang. Verdammt! Es wollte ihr einfach nicht gelingen, sich in dem Wirrwarr gezeichneter roter und grüner und gelber Straßen, die die dicht bewachsene Waldgegend durchkreuzten, zurechtzufinden.
Der Wind rüttelte an ihrem Wagen, und erste Regentropfen fielen auf die Windschutzscheibe. Sie hatte nicht mehr lange Zeit. Bald würde das Unwetter, das im Radio angekündigt worden war, mit voller Wucht über sie hereinbrechen, und wenn sie bis dahin Mollys Landsitz nicht gefunden hatte ...
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usw. Die Leerzeilen habe ich nur eingefügt, damit man besser sieht, wo ein Absatz gemacht wurde.
Von Gaehn
Am 23.02.2009 um 10:17 Uhr
Von Lollipopp
Am 29.07.2007 um 22:22 Uhr
Von Aabatyron
Am 28.07.2007 um 22:20 Uhr
Gibt es später eine Fortsetzung?