Aus meinem Tagebuch 1955
Dass Oma so von uns gehen würde, hatte wohl keiner erwartet.
Mein Vater kam nach Hause, es war Sommer, ich hatte Ferien. Er war längere Zeit abwesend gewesen, wegen seiner Arbeit, wie er sagte.
Dass er nach Hause kam, überraschte uns wenig, dass er aber mit einem Auto erschien, konnten wir kaum fassen.
Der Wagen war zwar ein älteres Baujahr, ein DKW, fuhr aber immerhin. Meine Oma lachte, meinte, Kurt, so hieß mein Vater, hätte ihn wahrscheinlich irgendwem gestohlen. Einige Zeit vorher war mein Vater mit einem Motorrad erschienen, das dann aber ein Gerichtsvollzieher bald wieder abholte!
Mein Vater winkte müde ab, hatte er sich doch an die Bemerkungen meiner Oma schon lange gewöhnt. Er erzählte, er sei bei seiner Arbeit in letzter Zeit ziemlich erfolgreich gewesen und hätte viele Uhren verkauft.
In dieser Branche arbeitete er gerade, drehte Leuten Eieruhren, Taschenuhren, Armbanduhren und Uhren fürs Wohnzimmer mit Westminster Geläute und Küchenuhren an.
Bei seiner vorherigen Tätigkeit als Zeitschriftenwerber war er nicht sehr erfolgreich gewesen. Er hatte Zeitschriften an Leute verkauft, die nicht einmal lesen oder schreiben konnten Für sie hatte er auch die Unterschrift auf das Bestellformular gesetzt.
Meine Mutter zeigte auch keine Anzeichen von Begeisterung über den Erwerb des Fahrzreugs.
Außer meinem Vater und mir schien sich niemand besonders an ihm zu erfreuen.
Hatte ich mich schon über das Auto gefreut, konnte ich kaum glauben, was mein Vater für uns geplant hatte:
Von einem guten Freund hatte er eine Campingausrüstung geliehen. Wir alle würden morgen nach Spanien fahren, auf einen Campingplatz. Nach Spanien hätte er schon immer reisen wollen, das sei schon immer das Land seiner Träume gewesen, sagte er.
Ein Hotel sei natürlich zu teuer, campen sei auch viel schöner, naturverbundener und abenteuerlicher, meinte mein Vater.
Das Auto müsste natürlich heute Nacht in die Garage gestellt werden. Eine Garage hatten wir nicht, aber am Haus war ein Schuppen angebaut. Hier könnten wir den Wagen parken, sagte mein Vater. Allerdings müsse man die Betonschwelle am Eingang zum Schuppen abbauen, das sei aber ziemlich einfach.
Mein Vater holte dann bei einem Nachbarn einen Hammer und fing an, die Schwelle zu bearbeiten, mit wenig Erfolg. Der Hammer war zu klein und die Schwelle zu hart.
Nach längerem Überlegen sagte mein Vater, er müsse Hilfe holen. Er ging dann ins Gasthaus Zum Salmen, das er häufig besuchte. Es lag gegenüber unserer Wohnung.
Nach mehreren Stunden, es wurde schon langsam dunkel, erschien mein Vater wieder. Er wurde von zwei Männern begleitet, von Herrn Wiebold, dem Dorfschmied, einem riesigen Kerl, der einen großen Schmiedehammer in der Hand hatte, und Herrn Molnar, einem älteren Nachbarn, der wie immer kreidebleich war, als habe er sein bisheriges Leben im Keller verbracht.
Herr Molnar hatte mich schon immer stark mit seinen spitzen Wolfszähnen und mit seinen eingefallenen, gelben Wangen beeindruckt. Auf seiner großen Nase trug er eine dicke Hornbrille.
Er war bei allen Nachbarn äußerst beliebt, besaß er doch den einzigen Fernseher in unserer Straße. Auf Grund einer Kriegsverletzung, einer Hirnverletzung, erhielt er eine hohe Rente und konnte sich damit einen Fernseher kaufen.
Täglich fanden sich viele bei ihm zum Fernsehen ein, seine Wohnung war abends immer überfüllt. Im Wohnzimmer saß man vor dem Gerät auf dem Fußboden in mehreren Reihen, fast wie im Kino; andere drängten sich im Flur, konnten das Fernsehprogramm nicht direkt verfolgen und ließen sich berichten. Einige standen auf Leitern vor den Fenstern, konnten das Programm sehen und den Ton im Sommer auch hören, wenn die Fenster auf waren.
An alle verkaufte Herr Franz Molnar Bier, erhöhte fortlaufend den Preis, was einigen Unmut hervorrief.
Herr Wiebold fing sofort an, die Betonschwelle zu bearbeiten, das ganze Haus erzitterte. Riesige Steinbrocken flogen in der Gegend umher.
Herr Molnar und mein Vater schauten zu, beide schwankten ein wenig.
Die Nachbarn hingen aus ihren Fenstern.
Im zweiten Stock schaute Fräulein Vögele, die Hausbesitzerin, raus. Über achtzig Jahre war sie schon alt. Sie verbrachte die meiste Zeit in der Kirche, betete auch oft zu Hause und rauchte Zigarren. Sie war wohl von dem Lärm bei ihrem Abendgebet gestört worden.
Entsetzt schaute sie dem Treiben zu, fragte, ob man jetzt das Haus abreißen würde. Mein Vater konnte sie beruhigen; hier würden nur kleine bauliche Veränderungen durchgeführt, dem Haus würde es nicht schaden, ja, es würde durch diese Arbeiten sogar an Wert gewinnen.Ihr würden keine Unkosten entstehen.
Dann konnte das Auto auch in den Schuppen gefahren werden.
Am nächsten Morgen sagte mein Vater, es könne jetzt alles eingepackt werden, er hatte das Auto aus dem Schuppen geholt.
Meine Oma schüttelte nur den Kopf, lachte immer wieder fürchterlich, schaute dann finster drein. Meine Mutter sagte, sie würde auf keinen Fall mitfahren.
All dies beeindruckte meinen Vater wenig; er holte Kleider aus dem Schrank und packte dann sorgfältig seinen Koffer, auch seinen feinen Anzug nahm er mit.
Um sein Aussehen war er immer sehr besorgt. Er benutzte kein Feuerzeug sondern Streichhölzer, damit könne man nämlich seine Fingernägel reinigen. Seine Hose musste tadellose Bügelfalten haben. Früher, in besseren Zeiten, war er von einem Stuhl aus in die Hose gestiegen, die ihm ein Dienstmädchen halten musste, um die Bügelfalten zu schonen.
Er würde dann alleine mit mir fahren, sagte er.
Dass käme überhaupt nicht in Frage, rief meine Mutter; sie würde dann doch lieber mitkommen. Sie fing an zu packen.
Meine Oma kam aus ihrem Zimmer gerannt. Trotz ihrer achtzig Jahre und ihrer nicht gerade dünnen Statur war sie noch gut zu Fuß, stieß fast meinen Vater um, lief an ihm vorbei die Treppe zum Dachboden hoch, rief, sie würde sich aufhängen und verschwand.
Alle anderen packten ruhig weiter, meine Mutter suchte dann auch Sachen für Oma zusammen.
Alles wurde im Kofferraum des Autos verstaut, der sich dann nicht mehr schließen ließ Er quoll über. Omas Koffer wurde wieder rausgeholt und aufs Dach gebunden, was nicht ganz einfach war, da wir keinen Dachgepäckträger hatten.
Vor dem Haus hatte sich inzwischen eine Menschenmenge angesammelt, die gute Ratschläge gab. Mein Vater erzählte ihnen, er habe im Fußballtoto gewonnen, alle beglückwünschten ihn. Keiner wunderte sich sehr über den Totogewinn, hatte mein Vater doch immer große Sachkenntnis in Diskussionen über Fußball gezeigt. Er war ja auch aktiver Spieler gewesen, wie er sagte.
Meine Oma hatte mir erzählt, mein Vater sei zwar Fußballspieler gewesen, ausnahmsweise habe er da nicht gelogen, habe aber in der untersten Liga gespielt; sie habe auch nie gehört, dass sein Verein jemals ein Spiel gewonnen habe.
Herr Molnar war auch wieder erschienen, zeigte sein Wolfsgebiss, schwankte immer noch oder schon wieder, sagte, auf den Gewinn müsse man zunächst einen trinken, dafür müsse immer Zeit sein. Es sei ja auch schon fast alles eingepackt.
Mein Vater ging dann auch sofort mit ihm in den Gasthof Salmen. Meine Mutter packte weiter, versuchte nun mit meiner Oma auf dem Dachboden Kontakt aufzunehmen, was aber nicht gelang: Oma antwortete nicht auf das Rufen meiner Mutter, die Tür zum Boden war verschlossen.
Dann erschien auch mein Vater wieder, man müsse jetzt losfahren.
Er versuchte den Motor anzumachen, was auch nach mehreren Versuchen gelang, ein Gebrause erhob sich, fast wie bei einem Flugzeugstart.
Bevor wir in den Goldenen Westen gekommen waren, hatten wir eine Gärtnerei bei Weimar gehabt, direkt neben einem Militärflugplatz der Russen. Hier konnte man sich öfter nicht unterhalten, wenn Flugzeuge starteten.
Nur nachts war es ruhig, in dieser Zeit hatte mein Vater damals auch von den Russen Holz abgeholt, einige Arbeiter hatten ihm dabei geholfen. Ich durfte auch mitmachen. Meine Oma hatte für einen erfolgreichen Holztransport gebetet, meine Mutter geweint.
Das Dachfenster öffnete sich, meine Großmutter schaute heraus und schrie, dass sie auch mitfahren würde, um hier nicht alleine zu bleiben und zu verhungern.
Wir stiegen ein, hinten im Auto saßen meine Großmutter und ich.
Winkend fuhren wir los, der rechte Kotflügel des Autos blieb vor einer Hauskante liegen.
Ohne große Kontrolle kamen wir dann über die Grenze nach Frankreich. Mein Vater sang fröhlich Lieder, „Mit dem Pfeil und Bogen“, „Im Frühtau zu Berge, fallera“, deklamierte Jagdgedichte von Hermann Löns, Balladen und aus Goethes Faust, den er fast ganz auswendig konnte, und erzählte von Frankreich. Hier war er Kriegsgefangener gewesen. Im Gefangenenlager hatte er mit anderen zusammen den „Faust“ aufgeführt. Er hatte auch Französisch gelernt, wie er sagte.
Mich hatte er in dieser Sprache unterrichtet, bevor ich noch aufs Gymnasium kam. Der Erfolg war aber etwas zweifelhaft, mein Französischlehrer verstand mich nicht. Ich hätte eine merkwürdige Aussprache, ob ich längere Zeit in Russland gelebt hätte, fragte er mich.
Meine Mutter und meine Oma sprachen auf der Fahrt nicht viel, zeigten auch nicht viel Interesse an den Liedern und Gedichten meines Vaters und an der Landschaft.
Irgendwann sagte meine Oma, dass mein Großvater großes Glück gehabt habe, ihm sei das alles erspart geblieben. Er säße jetzt im Himmel bequem herum und nicht wie sie in einem ratternden und stinkenden Gefährt.
Mein Opa war bei Kriegsende von einem Polen zufällig erschossen worden; abends hatte er in einem Sessel gesessen, die Vorhänge waren zugezogen gewesen.
Gegen Abend fuhren wie von der Hauptstraße ab und kamen zu einem Bauernhof. Hier verhandelte mein Vater mit dem Bauern, der ihn zunächst nicht verstand. Dann fing mein Vater an Hände und Füße zu bewegen, wedelte seine Arme durch die Luft, deutete mit den Händen umher. Ich hatte mal jemanden gesehen, der die Taubstummensprache beherrschte, so ähnlich sah das aus.
Wir durften in einem Stall beim Bauern übernachten, bekamen auch etwas zu essen.
Mein Vater sagte, der Bauer habe kein Französisch gesprochen.
Am Nachmittag kamen wir in Spanien an, mein Vater sang jetzt „Auf, in den Kampf Torrero“ und andere Lieder aus Operetten, die in Spanien spielten. Er unterbrach seinen Gesang nur, als plötzlich eine riesige Dampfwolke aus dem Motor aufstieg.
Meine Oma fragte, ob wir jetzt in London angekommen wären. Verblüfft wollte mein Vater wissen, warum sie von London redete.
Wegen des Nebels, meinte meine Oma und lachte wieder einmal fürchterlich.
Mein Vater belehrte sie aber, die Dampfabstrahlung sei ein natürlicher Vorgang bei der Hitze, die hier herrsche. An einer Tankstelle füllte er aber Wasser nach.
Der Campingplatz lag direkt hinter der französischen Grenze, am Meer. Wir kamen am frühen Nachmittag an, allerdings ohne den Koffer meiner Großmutter.
Der müsse irgendwann vom Dach geflogen sein, sagte mein Vater, er würde sie aber so neu ausstatten, dass man sie nicht von einer Spanierin unterscheiden könne.
Wir würden jetzt schnell das Zelt aufbauen und uns dann einen gemütlichen Abend machen, meinte mein Vater noch voller Zuversicht.
Zuerst müsse man es aber meiner Großmutter bequem machen.
Er stellte für sie einen Klappstuhl auf, auf den sich Oma ziemlich misstrauisch setzte. Mein Vater setzte ihr dann noch einen Hut auf, wegen der Sonne, auch eine Flasche süßen Sprudel bekam sie in die Hand gedrückt.
Nun solle sie einmal aufpassen, wie man fachgerecht ein Zelt aufstelle.
Er holte aus dem Kofferraum einen Sack, packte dann viele Blechrohre aus, Zeltplanen, Schnüre und lange Nägel aus. Häringe hießen die, sagte er.
Es war schon fast dunkel als das Zelt endlich stand. Mehrere Male war es umgefallen, Zeltstangen schienen zunächst zu fehlen, tauchten dann aber auf, Schnüre wurden entwirrt, fast wäre Oma mit ihrem Klappsitz umgerissen worden.
Zeltnachbarn hatten dann geholfen.
Meine Oma hatte zunächst interessiert dem Zeltaufbau zugeschaut, ironische Bemerkungen gemacht, war dann eingeschlafen.
Mein Vater stellte noch einen Klapptisch und die übrigen Stühle auf. Wir setzten uns alle zusammen um den Tisch, meine Oma war wieder aufgewacht. Wir aßen Brathähnchen, die mein Vater irgendwo gekauft hatte. Für sich hatte er noch drei Flaschen spanischen Rotwein mitgebracht.
Nun solle es gemütlich werden, sagte mein Vater, holte Spielkarten aus seinem Koffer, 17 + 4 wurde gespielt, natürlich um Geld, ohne einen Einsatz mache das Spiel keinen Spaß, meinte er.
Sogar meine Oma spielte mit, obwohl sie sonst Kartenspiele als Teufelszeug verdammte, irgendein Familienmitglied hatte mal in einer Nacht seine ganze Ziegelei verspielt.
Und meine Großmutter gewann, sie gewann eigentlich immer bei allen Spielen. Als ich noch kleiner war, hatte sie mit mir immer „Mensch ärgere dich nicht“ gespielt, immer gewonnen, fürchterlich gelacht hatte sie dabei, während ich heulte.
Ich nehme an, sie hat immer betrogen!
Je länger das Spiel dauerte, desto mehr Geld gewann sie, lachte immer lauter Meines Vaters Gesicht verfinsterte sich immer mehr, er hatte bereits zwei Flaschen Rotwein zu sich genommen.
Dann sagte meine Oma, sie sei müde, habe jetzt auch genug gewonnen, stellte ihren Stuhl etwas zurück.
Mein Vater ließ mich jetzt mitspielen, das Spiel müsste ich jetzt kapiert haben, mein Taschengeld könne ich einsetzen.
Und ich gewann und gewann, hatte Glück, mein Vater schaute immer nachdenklicher und verdrossener drein, meine Mutter staunte. Jetzt lachte ich.
Nach einiger Zeit sagte mein Vater, wir sollten langsam aufhören, es sei schon spät. Ich steckte das gewonnene Geld in meine Hosentaschen, fast passte es nicht rein.
Mein Vater trank noch den Rest Rotwein, dann legten wir uns auf Luftmatratzen, meine Oma hatte ein Klappbett. Wir schliefen bald ein.
Fröhlich pfeifend kam mein Vater vom Klo, wollte uns wecken, wir waren aber schon wach.
Nur meine Großmutter schien noch zu schlafen.
„Lass sie schlafen, Kurt“, sagte meine Mutter, „sie ist eine alte Frau und die Reise war anstrengend.“
Wir frühstückten also alleine.Mein Vater und ich gingen dann an den Strand, beobachteten Leute, die im Meer herum schwammen. Mein Vater klärte mich über die verschiedenen Schwimmarten auf, wedelte dabei mit den Armen in der Luft herum und legte sich auf den Bauch in den Sand, um mir die jeweiligen Bewegungen der Füße zu zeigen. Badegäste sahen uns zu, einige glaubten sicher, dass mein Vater einen epileptischen Anfall hätte.
Ins Wasser gingen wir beide nicht, wir konnten nämlich beide nicht schwimmen.
Als wir zum Zelt zurückkamen, schlief meine Oma noch immer, meine Mutter bereitete das Mittagessen vor.
Eine Bullenhitze herrschte im Zelt, mein Vater sagte, wir müssten jetzt Oma aufwecken, sie könnte sonst einen Hitzschlag erleiden.
Wir fingen an zu rufen, erst leise, dann immer lauter, aber trotz unseres Gebrülls öffnete sich nicht der Reißverschluss der Schlafkabine.
Oma gab keine Antwort, rührte sich auch nicht, als meine Mutter sie rüttelte, sie war in der Nacht gestorben. Auch Versuche meines Vaters, sie wiederzubeleben waren erfolglos.
Meine Mutter sagte nichts, sie hatte wohl einen Schock bekommen.
Mein Vater blieb gelassen wie immer, behielt die Übersicht. Eine Tote offiziell transportieren zu lassen, sei ziemlich teuer. Ein Spezialfahrzeug müsste bezahlt werden. Außerdem gäbe es mit der spanischen Polizei sicher größere Schwierigkeiten, vielleicht würde man sogar alle festnehmen. Man könnte glauben, wir hätten Oma ermordet.
Wir packten schnell alles zusammen, Oma wurde auf einen Campingstuhl gesetzt, ein Hut wurde ihr weit ins Gesicht geschoben. Sie saß nun da, allerdings in etwas ungewöhnlicher Haltung, gestreckt, sie war etwas steif.
Kommentare gab sie auch keine mehr ab, zeigte auch wenig Interesse an unseren Tätigkeiten, wie das bei Toten allgemein üblich ist.
Alles passte nun in den Kofferraum, Omas Koffer hatten wir ja nicht mehr.
Probleme gab es, als mein Vater Oma auf den Rücksitz des Autos setzen wollte, sie war zu steif, ließ sich nicht in eine normale Sitzposition bringen.
Mein Vater schlug vor, sie in das Zelt einzuwickeln und auf dem Dach fest zu binden. Meine Mutter aber ließ sich darauf nicht ein, sie könnte vom Dach fliegen wie schon ihr Koffer.
Irgendwie gelang es dann doch noch, meine Oma auf den Rücksitz zu quetschen, der Hut bedeckte ihr ganzes Gesicht Man konnte annehmen, dass sie schlief.
Wir fuhren ab, meine Mutter neben meinem Vater vorn, ich hinten neben meiner toten Großmutter.
Mein Vater hatte Zeltnachbarn erzählt, dass er wegen dringender geschäftlichen Angelegenheiten leider sofort die Rückreise antreten müsse.
Bald kamen wir an die Grenze, mein Vater meinte, er müsse hier unbedingt einen starken Kaffee trinken, weil er direkt nach Hause fahren würde, ohne irgendwo zu übernachten.
Noch auf der spanischen Seite war ein Restaurant, wir hielten an und stiegen aus. Oma blieb im Auto. Sie lag auf dem Rücksitz, zugedeckt mit einer Wolldecke.
Ich bekam ein Eis, meine Mutter und mein Vater tranken Kaffee. Nach dem dritten Cognac, den mein Vater immer zum Kaffee zu trinken pflegte, erklärte mein Vater, wie es mit Oma weiter gehen sollte. Daheim würde man sie ins Bett legen, den Doktor rufen, ihm erklären, dass sie gerade verschieden sei. Er würde dann einen Totenschein ausstellen und alles ginge wieder seinen normalen Gang.
Mein Vater bezahlte, wir gingen wieder hinaus, fanden unser Auto nicht mehr, es war gestohlen worden.
>Die Kritiker nehmen eine Kartoffel, schneiden sie zurecht, bis sie die Form einer Birne haben, dann beißen sie hinein und sagen: „Schmeckt gar nicht wie Birne.“< (Max Frisch)
Von Diogenes
Am 19.07.2015 um 18:05 Uhr
Gab es nicht einen ähnlichen französischen Film?