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Prosa => Phantasy & SciFi


Doris laran - von sunshishi, 20.12.2008
Doris laran

Es war eine düstere Nacht auf Darkover und ich war die einzige Novizin im Turm von Neskaya. Darkover war ein rauer Planet, auf dem die rote Sonne schnell unterging und eine kühle Nacht folgte. Der Sturm hatte schon ein paar Mal gegen die Fensterläden geschlagen, als er gegen Mitternacht endlich Ruhe gab. Ich wälzte mich noch eine Weile hin und her, hörte das alte Haus ächzen und knarren und war gerade eingeschlafen, als ich bemerkte, dass es ganz hell im Zimmer geworden war.
Ich öffnete die Augen und sah eine fremde Person.
Sie war hoch gewachsen mit großen, blass-grauen Augen, beinahe silbern. Ihre zierliche Figur zeigte keine weiblichen Rundungen, aber sie hatte milchige Haut und lange schmale Finger, die sie feminin wirken ließen. Sie stand mit bloßen Füßen in der bitteren Kälte und trug ein Gewand aus fließendem, hauchdünnem Stoff. Die langen, fast farblosen Haaren schwammen wie schwerelose Seide um die Schultern.
Ein chieri!
„Sei gegrüßt, Dori“, verbeugte sich der chieri.
Oder war es eine Frau?
Lange, samtene Wimpern umschlossen die großen Augen, die wohlwollen auf mich herab blickten.
„Seid gegrüßt, Kind des Lichts“ hauchte ich.
Man erzählte sich, dass Darkovers erste Bewohner ausgestorben seien, aber da schwebte es, in meinem Zimmer schaute sich neugierig um, doch in dem kargen Novizinnenraum des Turms von Neskaya gab es nicht viel zu sehen. Ich hatte ein Bett, einen Schreibtisch und einen Stuhl, mehr nicht. Früher war es nicht so gewesen, aber das war, bevor ich nach Neskaya kam.
„Es ist hübsch“ erklang die süße Stimme des chieri.
Mit gerunzelter Stirn verfolgte ich seine Schritte und vergaß meine Ungeduld angesichts der glänzenden Gestalt mit den geschmeidigen Bewegungen.
„Dein laran ist nicht vollkommen erwacht?“
Ich zuckte zusammen und meine Stirn kräuselte sich wieder. Das laran war die Gabe unserer Ahnen. Damals erwachte sie durch den Geisterwind. Der goldene Blütenstaub der blauen Dorilys-Blume, der ich meinen Namen verdanke, wurde mit dem warmen Wind über das Land getragen. Bei den Menschen löste er damals unterschiedliche Reaktionen aus.
Er öffnete ihren Geist.
Manche konnten Gedanke lesen, andere entwickelten ungeahnte Kräfte.
Und wieder andere wurden verrückt.
Jahre vergingen und die Menschen lernten, mit ihrem laran umzugehen.
Sie züchteten es sogar heran.
Die rothaarige Adelskaste, Comyn genannt, trug das meiste laran in sich. Nach und nach vererbte es sich auf ihre Kinder. Um es kontrollieren zu können, wurden wir in die Türme geschickt, wo ausgebildete Frauen, die leroni, uns unterrichten sollten.
Seit drei Monaten war ich jetzt im Turm von Neskaya. Das erste, was man uns beibrachte, war Demut. Fast alle Novizinnen entstammten den Comyn und waren damit aufgewachsen, dass ihre Wünsche erfüllt wurden. Doch aus uns sollten einmal leroni werden. Also zügelte ich auch jetzt meinen Zorn auf die harten Worte des chieri.
„Du musst vorsichtig mit deinem laran umgehen, Dori.“
Irritiert sah ich in die tiefen, silbrigen Augen des chieri, der mich sanft anlächelte.
„Die Zeiten ändern sich schnell“, flüsterte er und schaute zum Fenster hinaus. „Einst lebten wir allein auf dieser Welt mit dem Kleinen Volk. Dann kamen die fremden Erdenkinder...“
„Meinst du die Terranan? Ich habe gehört, wie die Lords sich über die Besetzung Darkovers durch die Terranan beschweren. Sie fürchten, dass sie uns das Land wegnehmen und es ausbeuten, sowie die Bewohner Darkovers.“
Der chieri lächelte mich an und schüttelte den Kopf.
„Nein, ich meinte nicht diese Erdenkinder. Ich meinte die, die davor kamen.“
Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich den chieri an und wartete gespannt auf die Erklärung.
„Ihr seid ein Volk, von gleicher Herkunft, nur liegen mehrere Jahrhunderte und etliche Galaxien zwischen euch. Damals strandeten sie hier und konnten nicht zurück. Sie passten sich an und gründeten eine neue Heimat, vergaßen die alte. Jetzt will diese ihre verlorenen Kinder wieder aufnehmen.“
Der chieri nickte und kam zu mir. Seine langen, schlanken Finger legten sich auf meinen Kopf und streichelten meine rot-goldenen Haare.
„Ihr habt von uns bekommen, was ihr zum Überleben braucht, habt von uns gelernt, mit dem..., ah Geisterwind nennt ihr es, fertig zu werden. Jetzt ist es an der Zeit, etwas für uns zu tun, Dori.“
Mein Herz schlug schneller und ich hatte Angst davor, welch großes Opfer er von mir verlangen würde.
„Kümmere dich um die Frau, die bald hier eintreffen wird, Dori. Sie wurde heimtückisch von Räubern überfallen. Sorge dafür, dass sie eine Mutter für ihr Kind sein kann. Willst du das für mich tun?“
Ich war überrascht, aber dann überlegte ich.
Wieso war er hier bei mir? Gab es nicht eine leronis, die besser für diese Aufgabe geeignet war?
Gleißendes Licht blendete mich und ich spürte, wie es sich in meinem Körper ausbreitete. Es wanderte von meinem Kopf durch meinen Rumpf bis in meine Fingerspitzen und verursachte ein angenehmes Kribbeln auf meiner Haut. Überrascht öffnete ich die Augen und stellte fest, das der chieri fort war. Ich lief zum Fenster, aber ich konnte ihn nirgends entdecken. Dafür sah ich am Tor einige leroni, die einer Frau mit Begleitern Einlass gewährten. Sie war in einen dunklen Mantel gehüllt und ihr rotes Haar hing zerzaust über ihre Schultern. Einer ihrer Leibwächter, ein kräftig gebauter Mann mit zerkratztem, bärtigem Gesicht stützte ihren Arm, während die Frau sich den runden Bauch hielt.
Mir stockte der Atem.
War das die Frau, die ich beschützen sollte?
Ich stürmte aus meinem Zimmer in die Halle hinunter, wo man den Gästen ein Lager aus Decken und Kissen vor dem Kamin bereitet hatte.
„Dori, was machst du hier?“ kam mir meine leronis entgegen.
Ihr verstörtes Gesicht zeigte mehr Sorgenfalten als sonst und auf ihrer weißen Robe erkannte ich verschmiertes Blut.
„Ich möchte helfen, vai leronis.“
Schon war ich an ihr vorbeigehuscht und kniete neben der am Boden liegenden, schwangeren Frau. Ihr bleiches Gesicht war verschwitzt und schmutzig. Einige rote Locken klebten auf ihrer Stirn. Sie musste eine Comyn sein, denn ihr Kleid war aus einem edlen Stoff mit glänzender Borte und besetzt mit Edelsteinen am Kragen. Einige Einfassungen waren leer und einer der Smaragde war zersprungen. Auch an ihrem Ohr hing ein kostbarer Stein, das andere Ohrläppchen war blutig zerrissen. Ich hielt ihre Hand und blickte besorgt auf die blutdurchtränkte Stelle ihres Kleides an ihrer Hüfte. Das Kleid war weit aufgerissen und entblößte ihren verletzten Oberschenkel, aus dem Blut sickerte. Ich zitterte und musste tief Luft holen, denn sie drohte, dem Leben zu entschwinden.
„Bringt das Kind hier weg“, befohlen ihr Leibwächter und meine leronis beinahe gleichzeitig.
Hände griffen sanft, aber bestimmt nach mir und wollten mich vom Ort des Grauens fortbringen, doch ich fühlte, das ich hier sein sollte. Wie ich mich aus dem Griff der Frauen befreien konnte, weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich, dass ich mich mit wachen Augen über die Schwangere beugte. Die ungläubigen Blicke des Leibwächters und meiner leronis entgingen mir ebenfalls.
Meine Hände wanderten über den Körper der verletzten Frau, einen Millimeter von ihrer Haut entfernt. Ich spürte die schwache Wärme, die sie ausstrahlte. Als ich über ihren runden Bauch glitt, fühlte ich ein Strahlen, was mich an das Leuchten in meinem Zimmer erinnerte. Erschrocken wich ich einige Zentimeter zurück.
Was ging hier vor?
Schon wollten die leroni wieder nach mir greifen, als meine Hände anfingen zu leuchten. In dem gleichen Weiß hüllten ich die sterbende Frau und ihr ungeborenes Kind ein. Es erstrahlte so hell, dass ich meine Augen schließen musste. Langsam ließ das Licht nach und ich konnte wieder etwas erkennen.
Aber, was ich sah, ließ mir den Atem stocken – und mit mir allen anderen.
Die Frau lag mit leuchtenden Augen vor mir. Ihr Oberschenkel war verheilt und in ihren Armen hielt sie ihr Kind. Ein Kind, das so blass und so schön war, wie der chieri, der mich heute Nacht besucht hatte.



I laugh in the face of danger - then I hide till it goes away.



©2008 by sunshishi. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

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