Ich wachte an jenem Tag früher als gewöhnlich auf und bereitete mir zur Feier des Tages kein ungewöhnliches Frühstück, sondern das gewöhnliche, das, seit ich von meinen Eltern weggezogen bin, aus Instantkaffee mit Vollmilch und selbstgedrehten Zigaretten bestand. Für die Tageszeitung war es noch zu früh, da ich kein eigenes Abonnement hatte und nur durch die freundliche Geste eines Nachbarn in den regelmäßigen Genuss einer Tageszeitung kam, da er mir auf dem Weg in die Arbeit jeden Morgen seine eigene überließ.
Ich schaltete den Fernseher an, drehte mir eine neue Zigarette, riss den überflüssigen Tabak weg, legte ihn in die Packung zurück und zündete die Zigarette an. Als ich mich so durch die Sender zappte, von denen ich leider immer noch viel zu viel erwartete, um nicht enttäuscht werden zu können, stolperte ich über PRO7 oder besser gesagt über die Botoxverhunzte Nachrichtensprecherin, deren letzter Eingriff ihr neben den Missbildungen im Gesicht auch noch einen Sprachfehler beschert hat. Sie lispelte über einen neuen Übergriff rechtsradikaler Schläger. Ein Mann, Italiener, wurde in Berlin von drei Skinheads nach seiner nationalen Identität befragt und wegen der „falschen“ Antwort mit Baseballknüppeln krankenhausreif geschlagen.
Arschlöcher, fuhr es durch mich hindurch, als ich mir erneut eine Zigarette zu drehen begann. In Berlin am Prenzlauer Berg. Da war ich erst im letzten Sommer gewesen und hatte nichts von diesem braunen Geschmeiß gesehen. Vielleicht trauen sie sich aber auch nur Nachts raus, die Ratten, dachte ich, trank meinen Kaffee zu ende, drückte die Kippe im übervollen Aschenbecher aus, brannte mich leicht, verzog mein Gesicht stark und nahm mir vor bei der nächsten Gelegenheit, die sich mir bietet, den Aschenbecher auszuleeren. Einige Minuten später ging ich in die Dusche und mir viel dabei nicht auf, dass ich eine gute Gelegenheit verpasst hatte, den Aschenbecher endlich mal auszuleeren.
Frisch geduscht, frisiert und leicht aggressiv wegen des Vorfalls auf dem Prenzlauer Berg verließ ich die Wohnung, traf meinen Nachbarn, nahm dankend die Zeitung entgegen und ging in einem Caffee in der Nähe meiner Wohnung richtig frühstücken. Dort traf ich ein paar gute Bekannte, tauschte mit den selbigen einige Kraftausdrücke über die rechtsradikale Szene aus, machte wie immer dem italienischen Wirt Komplimente, wegen seinem unvergleichlichen Esspresso und ging nicht wirklich weniger missgelaunt und aggressiv in die Arbeit.
Ein paar Tage später wachte ich erneut verfrüht auf, fing an, alles wie an jenem Tag zu gestalten und entschied mich im letzten Moment jedoch dazu, den Fernseher auszulassen und meinen Computer anzuschalten, um dieses mal im Internet meinen Durst nach Information zu stillen. Ich rief die Tagesschauseite mit den Inlandnachrichten auf, las mich durch die dicken Schlagzeilen mit Bildchen, um schließlich ganz unten erneut etwas von dem Fall zu entdecken, der sich an jenem Tag zugetragen hatte. Ich klickte auf den Link und kochte beinahe über vor Wut. Wie es sich im Nachhinein herausgestellt hatte, war der Trottel von einem Italiener gar nicht von rechtsradikalen Arschlöchern krankenhausreif geprügelt worden, sondern, wie die Auswertung der Bilder der Überwachungskameras ergeben hatte, im Suff über Schienen gestolpert war, der damische Depp der.
Dass er sich dadurch eine Strafanzeige wegen Vortäuschens einer Straftat eingehandelt hatte, änderte nichts an der Tatsache, dass wieder ein Morgen, an dem ich früher als gewöhnlich wach war, versaut wurde. Von wegen Morgenstund hat Gold im Mund, dachte ich, stand auf und leerte endlich den verdammten Aschenbecher aus.