Kapitel 7
Rot.
Viel zu spät waren seine Instinkte erwacht. Getäuscht, von der morgendlichen Idylle, reagierte er erst, als das Reptil bereits aus dem Laub hervor schoss. Panik hatte alle Energie seines Körpers blitzartig in seine Hinterläufe geleitet und ihm unglaubliche Kraft bereit gestellt.
Weit und hoch waren seine Sprünge und die Bäume schienen an ihm vorbei zu fliegen, während ihn die Angst kraftvoll durch das Unterholz peitschte. Doch das Gift der Skir-Klinge die bereits zwischen seinen Rippen steckte, breitete sich schnell und unaufhaltsam aus.
Und als er wenige Augenblicke später, völlig geschwächt auf dem moosigen Boden aufschlug, wusste er, dass dies seine letzten Atemzüge sein würden.
Purpurn strömte das Leben aus der einst so kraftvollen Kreatur und verteilte sich wie eine wärmende Decke, dampfend, auf dem noch kalten Waldboden.
Stolz erreichte der Jäger seine erlegte Beute. Sich in die, mit Blut durchtränkte, weiche Erde kniend, ergriff er seinen Dolch, welcher bis zum Heft in dem reglosen Riesen steckte und zog ihn kraftvoll durch das Fleisch. Der Schnitt schien nun groß genug, um an die eigentliche Beute zu gelangen.
Behutsam fast zärtlich suchten seine kleinen Krallen in dem noch warmen Körper nach dem begehrten Lebenskern.
Er konzentrierte sich dabei so sehr, dass er seine gelben, von Schuppen umgebenen Augen fest geschlossen hielt, so fest, als könnte er stattdessen durch seine Klauen sehen. Auch wenn das so nicht ganz stimmte, so hatte er doch, wie jeder Skir die Gabe, einen seiner Sinne für mehrere Herzschläge so weit zu schwächen, dass es ihm möglich war die so gewonnene Kraft auf die übrigen zu verteilen.
Und so sah er tatsächlich, wenn auch nur vor seinem geistigen Auge, wie sich seine kleinen dünnen Finger spinnengleich an der dicken Aorta, zwischen den beiden großvolumigen, aber fast gänzlich erschlafften Lungen, entlang Richtung Herz voran gruben. Als seine knochigen Glieder während der Suche jedoch anfingen, immer öfter an einander zu kleben, wusste er, dass es an der Zeit war sich zu beeilen. Allerdings ohne den großen Lebensmuskel zu verletzen, während er ihn zwischen seinen Fingern herbeisehnte, um ihn letztendlich fest zu packen und zu entfernen.
Hier musste es sein, dachte Wimp schließlich, als er den herzförmigen noch unmerklich pulsierenden, riesigen, einst so kräftigen Muskel zwischen seinen Krallen erfühlte.
Seine Augen nun wieder öffnend, starrte sein scharlachfarbenes Spiegelbild nervös aus der roten Lache zurück auf ihn.
Vogelartig neigte sich sein Kopf zuckend von links nach rechts und seine gespaltene Zunge schnellte aufgeregt aus seinem geschlossenen Maul.
Sein Herr würde wieder sehr zufrieden mit ihm sein, dachte Wimp, während er sich betrachtete und vielleicht würde er ihm sein Versagen, seine letzte Aufgabe betreffend verzeihen. Die Gedanken, in der Gunst seines Herren wieder zu steigen, beflügelte Wimp.
Seinen linken Fuß mit letzter Kraft gegen den Brustkorb des Hirsches gestemmt, zog er nun vorsichtig, aber mit stetig steigender Kraft an dem ersehnten Organ.
Wie beim Reißen der Taue eines Seglers bei Sturm, peitschte es, als die dicken Adern rissen, die das Herz des Tieres noch vor kurzem mit Lebenssaft versorgt hatten und es warf Wimp rücklings in den Dreck.
Das Objekt der Begierde immer noch fest in seinen Krallen haltend atmete er auf. Es dürfte auf keinen Fall verunreinigt werden, sein Herr würde ihm diesmal mehr als nur den langen, spitzen Schwanz ausreißen. Dieser wuchs zwar, wie bei jedem Skir wieder nach, aber die Schmerzen waren unerträglich.
Doch daran wollte Wimp jetzt nicht mehr denken, sein Herr würde stolz auf ihn sein, denn auch er wusste, Silberkronen waren selten geworden in Rivar. Und selbst wenn man nach tagelanger Suche verbunden mit viel Glück eine erspäht hatte, war es sehr schwer diese edelste und mit Abstand größte Hirschart zu erlegen. Das leiseste Geräusch aus weiter Ferne, oder allein ein ungünstig stehender Wind reichten, um diese stolzen Geschöpfe in die Flucht zu schlagen. Doch auch für solch eine schwierige Aufgabe hatte Wimp eine seiner Skir gegebenen Fähigkeiten zu nutzen gewusst.
Lange hatte er unter dem Laub gelegen, reglos, wartend, sich von Spinnen und Regenwürmern ernährt und Tau von den Blättern die auf ihm lagen geleckt. Nur wenige Male am Tag hatte er seinem Herz das Schlagen erlaubt und sogar sein Atmen war so energielos gewesen, dass er selbst hätte nicht sagen können, ob er lebte, oder bereits tot und gefangen in seinem eigenen Körper dar lag. Waren es Tage, oder gar Wochen gewesen? Er konnte es nicht sagen, nur eins wusste er. Er war ein Meister des Hinterhalts und er konnte ausdauernd sein, sehr ausdauernd.
Vorsichtig ließ er den leblosen, aus dichten Fasern gesponnenen Muskel in seinen, mit Kräutern gefüllten, ledernen Umhänger gleiten, denn jetzt war nur eins wichtig, seinem Herrn das Herz der Silberkrone zu bringen, unversehrt und frisch, wie er es liebte.
Allein der Gedanke an die neu errungene Anerkennung, ließ seinem, vom tagelangen Lauern, kraftlosen Körper ungeahnte Energien schöpfen und so stand er bereits wenige Stunden später auf einer kargen Ebene, vor dem schwarzen, zerklüfteten Fels.
Nervös blickte sich Wimp noch einmal um. War ihm jemand gefolgt? Der Wald lag bereits weit hinter ihm und dennoch spürte er tiefes Unbehagen, je näher er seinem Ziel kam. Auch wenn er wusste, dass das vertrocknete, von der Sonne bis auf wenige Halme runter gebrannte und erbarmungslos gegerbte Gras in Trystis keinerlei Versteckmöglichkeiten für Verfolger bot, so legte sich seine Anspannung erst jetzt und erleichtert wandte er sich wieder der Felswand zu. Aufmerksam suchten seine safranfarbigen Augen nach der kleinen Rune auf dem kohlefarbenen, kalten Stein. Sie zu finden war nicht einfach gewesen und das sollte es auch nicht, war dieser Schlüssel des Geheimgangs doch nur für die Nutzung Weniger bestimmt.
Erneut schloss er seine Augen, um mit der rechten Hand über den leblosen Stein zu fahren.
Er musste sich dieses Mal sehr auf seinen Tastsinn konzentrieren, anscheinend war er von den Strapazen der Jagd weit mehr geschwächt als er sich eingestehen wollte. Doch die Anspannung in seinem blättrigen Antlitz löste sich wieder als er die lauwarme Stelle auf dem ansonsten kalten Schwarz erfühlte.
Ein kurzes unangenehmes Ziehen in seiner rechten Hand offenbarte ihm, dass der Fels ihn akzeptierte und als sich die grünen, gepanzerten Lieder wieder öffneten, erblickten seine Augen die schmale Öffnung im Fels. Es war ein leichtes für ihn, die wohl bekannten Fallen, in dem dunklen Gang zu umgehen, konnte er doch auch in der Finsternis sehen. Sicherlich reichte diese Fähigkeit nicht an die Nachtsicht eines Vultur heran, doch um zu erkennen, wo die empfindlichen Auslöser all der ausgelegten Todbringer versteckt waren, allemal. Gewandt sprang er hier über eine leicht erhöhte Bodenplatte und stahl sich dort, eng an die feuchtkalte Steinwand gepresst, an weiteren mechanischen Hinterhalten vorbei.
Wieder vor tiefschwarzem Granit stehend war es nun ein Leichtes sich der letzten Instanz zu stellen, die ihn jetzt noch am Zutritt zu den dunklen Hallen von Ano‘Baith hinderte.
Ohne zu zögern zog er seinen Dolch aus dem Halfter und führte ihn kraftvoll über seinen linken Arm.
Das grüne Blut schwoll pulsierend aus dem langen tiefen Schnitt und Wimp legte sogleich seinen Dolch an die Wunde um es aufzufangen. Reglos beobachtete er, wie zähes Grün an seinem eisernen Begleiter hinab lief.
Er hatte sich mittlerweile an diesen letzten Schlüssel des Geheimganges gewöhnt und so fühlte er schon lange keinen Schmerz mehr, wenn er seine mittlerweile stark vernarbten Hände, oder Arme öffnete um Zutritt zu den Hallen der Festung zu bekommen.
Nie hatte er die Schlüssel und Methoden seines Herrn in Frage gestellt und er würde es auch zukünftig nicht wagen.
Ungerührt von diesem, seinen Opfer, streckte er nun die Hand aus, welche den Dolch umschloss und als die blutverschmierte Klinge den Stein berührte, wurde alles Grün gierig vom Eisen gesogen. Angewidert vom Durst der Festung, ließ Wimp den Dolch wieder in sein Halfter rutschen und passierte den sich nun öffnenden Spalt. So sehr er sich auch dagegen sträubte, es gelang nie sich der Ehrfurcht zu erwehren, welche ihn mit jedem Eintritt in die Hallen von Ano’Baith aufs Neue durchzog.
Oft hatte er unter aller Anstrengung versucht die Hallendecken dieses kalten unheimlichen Ortes zu ersehen, doch nie war es ihm gelungen. Schwarze und dunkelgraue Gesteinsschichten verwoben sich in den glatten Wänden zu düsterem Geflecht und schluckten fast alles Licht, der scheinbar unsterblichen Fackeln. Nicht einmal seine Skir Fähigkeiten halfen ihm das Ende der Dunkelheit zu erblicken.
Sie schien grenzenlos und allumfassend. Es war ein Leichtes, sich in diesen, mit Türen nur so bespickten Räumlichkeiten zu verlaufen, wusste man nicht woran man sich zu halten hatte. Wimp wusste sich zu orientieren und kannte viele Geheimnisse dieses Ortes, so auch welche Türen zu seinem Herrn führten und welche nicht. Niemand würde sich in diesen Hallen zu recht finden. Selbst
die Todfeinde seines Meisters hatten vor langer Zeit aufgegeben Attentäter in diese Hallen zu schicken. Selbst die Wenigen, die durch die vielen Schikanen der Geheimgänge bis in die anthrazitenen Hallen vorgedrungen waren, starben eher an Hunger als an Kämpfen mit den vielen, unterschiedlichsten Ungeheuern, die diese Hallen bewohnten und schützten.
Wimp hatte sich oft gefragt, wie sich jemand in diese Hallen wagen konnte, viele unheimliche Geschichten und Legenden waren hier geboren worden und nicht wenige, wahren Ursprungs.
Die Scheusale hier hatte er selbst kaum zu Gesicht bekommen, aber er wusste, dass sie in der Dunkelheit lauerten.
Allein in diesem Moment war zu spüren, wie unzählige, wache, hungrige Augen, jeden seiner Schritte verfolgten. Lediglich der Schutzzauber seines Meisters hielt ihm ihre langen, spitzen Zähne vom Hals.
Allzeit, sandte er in Gedanken, bevor er in die Hallen der Verzweiflung trat, ein Stoßgebet an Skir’Goll, dem Gott, in dessen Obhut, er sich nach seiner „Ankunft“, wie die Skir die Geburt in Rivar nannten, gegeben hatte. Mochte er seine schützende Klaue immer über seinem Haupt halten und das Karma des Schutzzaubers seines Herrn nie versiegen lassen.
Beharrlich versuchte er, so leise wie nur irgend möglich durch die Hallen zu schleichen, doch die Wände sogen jedes noch so kleine Geräusch auf und spien es in hundertfacher Verstärkung zurück auf ihn.
Auch die Scharniere der dreimanngroßen Kirschholztür krächzten mit Schadenfreude lautstark, als er zaghaft an der schwarzen Klinke zog. Aber wenn die Nau‘tae ihn beim durchschreiten der Vorhalle noch nicht angegriffen und zerrissen hatten, würden sie sich auch jetzt nicht aus der Dunkelheit herabfallen lassen, um über ihn herzufallen.
Nicht mehr weit, dachte Wimp, als er abermals eine der unzähligen, immer gleich aussehenden Hallen betrat.
Er kannte alle Schutzzauber und wusste dass sich dieses Gefühl einstellen würde, doch als das unsichtbare Seil begann, seinen Magen zusammen zu schnüren, brach er kraftlos zusammen.
Kniend drückte er seinen ausgezerrten Körper vom Boden empor und würgte so stark, dass es ihm vor Schmerz fast den Leib zerriss. Doch lediglich Speichel tropfte ihm in langen Fäden, bitter aus dem Maul.
Sich seinen Wanzt haltend und weiter schleppend, bog er in der Mitte der Halle in östliche Richtung ab und lehnte sich kraftlos gegen eine der vielen Fackelhalter. Es klackte mechanisch, als der Halter nachgab und für einen kurzen Augenblick Richtung Wand knickte.
Wie von unsichtbarer Hand geführt, öffnete sich die hohe Eichentür zu seiner linken, doch Wimp war noch nicht bereit. Was ihm nun bevorstand, war in seinem jetzigen Zustand eigentlich nicht zu überleben. Mit seinen kraftlosen Beinen war er keinesfalls in der Lage einem Bull’drogg zu entkommen und der Schutzzauber seines Gebieters hatte nur wenig Einfluss auf Kreaturen, die lediglich von schier unstillbarem Hunger getrieben wurden. Den letzten Mut in sich sammelnd wandte sich Wimp der offenen Tür zu und zog seine Füße schwer über den staubigen Boden. Das Fehlen von Fackeln in dieser nun folgenden Halle ließ selbst Uneingeweihte erahnen, dass dies kein Zufall war. Wimp wusste, warum es hier kein Licht gab. Bull’droggs brauchen kein Licht, keine Wärme, nur Nahrung.
Fleisch, Blut, Verzweiflung.
Unentschlossen stand Wimp vor dem weit geöffneten Eichenportal und stützte sich fast unmerklich auf seinen Schwanz. Er versuchte durch den schweren Schleier der Dunkelheit hindurch irgendetwas zu erkennen, doch selbst seine Fähigkeiten konnten ihm bei völliger Abwesenheit von Licht nicht helfen.
Und so war es lediglich ein kurzes, fast unhörbares, hoch klingendes Geräusch, welches ihm Leben in der Dunkelheit offenbarte. Instinktiv machte Wimp sogleich einen Schritt zurück.
Seinen Atem anhaltend, versuchte er ein weiteres Lebenszeichen aus der lichtleeren Halle zu empfangen.
Nichts. Spielte ihm sein erschöpfter Körper nur einen Streich? Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend näherte er sich der offenen Eichentür. Er wusste, es war Vorsicht geboten, doch etwas in ihm, zwang ihn dazu immer weiter voran zu schreiten. Mit seinem nächsten Schritt würde er einen Fuß in den Schatten tauchen. Getäuscht von Stille und Finsternis hatte er keine Chance, auf den nun folgenden Angriff zu reagieren. Nur Umrisse des Bull’drogg‘s blitzten in der Sekunde der Attacke vor ihm auf. Wimp hörte und spürte wie seine Rippen brachen, als der breite Schädel des Ungetüms seinen Körper rammte. Der Schock betäubte seine Sinne, ließ ihn keinen Schmerz spüren und noch bevor er auf dem Boden aufschlug, hoffte Wimp, dass dieser Zustand wenigstens anhalten mochte, bis ihn der Bull’drogg zerrissen hatte.
Der stumpfe Widerhall von Schmerz, ließ sein Haupt immer noch vibrieren und als Wimp seine schuppigen Augenlider öffnete, war es ihm nicht möglich klar zu sehen. Die Umgebung setzte sich mit unzähligen, halb, ineinandergeschobenen Bildern, auf seinen Blick. Wimp musste seine Augen mehrere Mal öffnen und schließen, bevor er endlich wieder scharf sehen konnte. Er war nicht tot, im Gegenteil er lag auf dem warmen Steinboden eines weiten Saals. Hinter ihm knisterte es und sein Schatten tanzte in rötlichem Schimmer. Der Versuch sich aufzurichten scheiterte an heftigen Schmerzen unterhalb seiner Brust und so ließ er seinen Kopf wieder zu Boden sinken.
„Ist es nicht der Schmerz, der uns wissen lässt, dass wir am Leben sind?“
Wimp riss seine Augen auf. „Meissster? Ich…“ „Schweig!“ unterbrach ihn die Stimme in barschem Ton.
„Ich kann nur hoffen dass du es bei dir trägst?“ „Ja Meissster, esss war nicht leicht aber…“ wieder unterbrach man ihn. „Ich entsinne mich nicht dich gefragt zu haben, an welchen Nichtigkeiten du fast gescheitert wärst, Wimp!“ „Ich bin untrössstlich Herr, verzzzeiht.“ Zitternd vor Schmerz zog Wimp das immer noch warme Herz aus seinem ledernen Umhänger und hielt es hoch, so dass jeder in diesem Raum es sehen hätte können. „Verlangst du von mir, DASS ICH MICH ERHEBE UND ES DEINEN HALBTOTEN, STINKENDEN KLAUEN ENTNEHME? IST DIES DEIN DANK DAFÜR, DASS ICH DEIN WERTLOSES LEBEN GERETTET HABE?“ Mit vor Pein zugekniffenen Augen und knirschenden Zähnen quälte sich Wimp vom Boden hoch und hinkte gebeugt auf seinen Meister zu, jedoch ohne ihn direkt anzuschauen. Die Hitze des Kamins war in unmittelbarer Nähe des Thrones kaum zu ertragen und raubte ihm fast gänzlich den lebensnotwendigen Sauerstoff. „Stehe gefälligst aufrecht und hebe dein Haupt wenn du mir deine Dankbarkeit erweist!“ knurrte die Stimme von oben herab. Eine Träne entkam seinen geschlossenen Augen, als er sich aufrichtete und die gebrochenen Rippen sich in seine Innereien bohrten. Er streckte das Herz mit beiden Händen seinem Herrn entgegen und sah demütig zu ihm auf.
Rote Augen entgegneten ihm unbarmherzig von oben herab. Langes, pechschwarzes Haar umrahmte ein kantiges, scharfgezeichnetes Gesicht, welches weiß aus dem dämmrigen Licht stach. Unter seinen Schmerzen leidend schien eine Ewigkeit vergangen, als die bleiche Hand seines Gebieters endlich nach dem erschlafften Lebensmuskel griff. Wie einen reifen Apfel drehte und inspizierte er ihn im Schimmer des Kaminfeuers. Seine Oberlippe bebte vor Erregung, als seine Nase den eisernen Geruch einsog und so presste er es begehrlich an seine farblosen Lippen.
Die feurige Iris seiner Augen rollte hinter die Augenlider, als sich sein Mund öffnete und spitze Zähne in dem Muskel versanken. So abgelenkt, bemerkte sein Meister nicht, wie Wimp die Haltung wieder lockerte und so seine Qual minderte. „Aaahhh, köstlich!“ Die spitzen Finger ableckend, bohrte sich sein stechender Blick wieder in Wimps safranfarbene Augen. „Anscheinend bist du doch noch zu gebrauchen, Wimp!“
Sich von seinem Thron erhebend, griff er nach einem schwarzen Gegenstand, welcher in einem goldenen Träger an seinem Thron steckte. Ehrfürchtig schloss er seine Augen, lehnte ihn an seine Stirn, küsste ihn und senkte ihn lotrecht auf seine Brust herab. Völlig unerwartet jedoch, schwang er ihn einen Moment später kraftvoll durch die Luft und aus dem vorderen Ende des Gegenstands schoss eine lange schwarze Klinge hervor. Wimp regte sich nicht, als der, in ein schwarzes Kettenhemd Gehüllte begann, langsam um ihn herum zu stolzieren. „Wimp!“ sprach sein Meister, als er hinter ihm stand, dass es in der Halle nur so schallte. „Ich überlege, dir eine Aufgabe zukommen zu lassen, die weit mehr von dir fordert, als das bloße Rumgestreune in den Wäldern Rivars.“
Etwas legte sich warm auf Wimps Schulter. Angst durchfuhr ihn, als er die flache Seite der schwarzen Schwertspitze erblickte. „Allesss wasss ihr verlangt mein Gebieter, allesss!“ Wimp konnte nicht sehen wie sich die schmalen Lippen seines Meister zu einem bösartigen Grinsen formten. „Es könnte dein Leben kosten, Wimp!“
„Mein Leben für eure Dienssste Herr, ihr wissst, ich würde allesss…“ „Ja, alles und nicht weniger verlange ich von dir!“unterbrach sein Meister Wimps Anbiederungen erneut.
„Wie du weißt, bin ich der mächtigste Linjoll der je über Rivar geherrscht hat!“ Die Schwertspitze tippte mit der flachen Seite unruhig auf Wimps Schulter auf und ab. „Ich schenkte den Bauern Land, den Kjell Teile der Wälder und den Bergvölkern sämtliche Minen.“ Immer heftiger tanzte die Schwertspitze auf Wimps Schulter und sie wurde zunehmend heißer. „Und alles, alles was ich als Gegenleistung verlangte, war ihre Treue.“ Das Schwert fing an zu glühen. „Und was habe ich bekommen?“ Wimp unterdrückte einen Schmerzensschrei, als das jetzt gleißende Schwert, ein letztes Mal, kraftvoll auf seine Schulter federte. „MIT VERRAT UND VERACHTUNG STRAFTEN SIE MICH! MICH, SZKAA, DEN HERRSCHER ÜBER RIVAR UND IHRE ARMSEELIGEN LEBEN!“ Wimp sagte nichts, keinen Ton. Ihm war sehr wohl bewusst, in welcher Gefahr er sich befand. Ja, er war ein ergebener Diener des Linjoll’s, aber wenn sich sein Herr in solcher Raserei verlor, konnte jedes Wort ein falsches sein. Ihn das Leben kosten. „Sie hätten mir dienen können, mir! Ein arbeitsreiches, ehrenwertes Leben unter meiner Hand führen können, sich ihr Brot verdienen. Stattdessen verkriechen sie sich in diesen Brutstätten der Auflehnung und treten meinen Stolz mit ihren Füßen. Folgen dahergelaufenen, selbsternannten Führern. Nichts anderes sind sie, als stinkende Bauern, welche sich verstecken, um sich den Tag mit fressen und saufen zu vertreiben!“ Seinen Kreis um Wimp beendend, setzte sich Szkaa nun wieder auf seinen Thron. Die Ellbogen auf seine Knie stützend und die Augen geschlossen, lehnte er die Klinge des Schwertes gegen seine Lippen. Der Schneide einen Kuß gebend fuhr er fort. „Sie werden alle sterben Wimp. Ich werde sie in dem Blut ihrer Familien ertränken, ihre Herzen aus ihren schwachen Körpern reißen und ihre Knochen aus ihren Leibern schälen. Niemand wird entkommen Wimp. Bei meinem Schwert. Niemand!“ Wimp hauchte “Nichtsss anderesss haben sssie verdient eur...“ „Nein, nichts anderes. Nur finden muss ich sie dafür.“ Wimp horchte auf, dies konnte die Möglichkeit werden, seine Ehre und sein Ansehen, bei seinem Herren in Gänze wieder herzustellen. „Und dies Wimp, ist der Punkt, an dem du, in meiner grenzenlosen Güte, die Möglichkeit bekommst, endlich einen festen Platz in meinem Gefolge einzunehmen.“ Wimp erfüllte allein die Beauftragung einer solchen Aufgabe mit großem Stolz.
„Erhebe dich!“ Hochmut betäubte Wimps schmerzende Rippen, während er beobachtete, wie Szkaa ein schwarzes Amulett unter seinem Kettenhemd hervor holte. „Dieses Amulett wird dich auf deiner langen Reise begleiten und dir helfen mich über deine Schritte zu unterrichten. Was auch immer du tust, verliere es unter keinen Umständen!“ „Nein Meissster, ich werde esss in Ehren halten und darauf achten.“ Kurz nachdem die schmale, schwarz gegliederte Kette Wimp angelegt war, empfing ihn ein wohliges Gefühl. Der Schmerz in seinen Rippen ließ augenblicklich nach und die Kraft die er auf der beschwerlichen Jagd verbraucht hatte, kehrte explosionsartig in seinen Körper zurück. Wimp bestaunte seine Hände, welche er wieder kraftvoll schließen und öffnen konnte. Der Schnitt in seinem linken Arm, welcher nötig war, um den Fels zu nähren und Zutritt zu den Hallen zu bekommen, war komplett verheilt. Ohne dass eine Narbe zurückgeblieben war. „Wie neu geboren, nicht wahr?!“ schallte es vom Thron. Wimp sah zu seinem Herrn auf. Seine noch erstaunten Augen erblickten jedoch nicht das was er sich erhofft hatte. Er hatte doch gerade ein unglaubliches Geschenk erhalten, welches sogar seine Wunden heilte. Warum sandten die Augen seines Gebieters dann keine Erleichterung. Er war in einer Sekunde genesen, doch die Augäpfel seines Meisters stachen ihn mit einer unberuhigenden Gewissheit. Fast so, als hätte er einen Vertrag unterschrieben, welcher nicht zu seinen Gunsten ausfallen würde. Sein Herr schien dieses Unbehagen sofort zu spüren und ließ sein bösartiges Grinsen sogleich wieder zu entseelter Ausdruckslosigkeit zusammenfallen. „Sagt dir mein Geschenk nicht zu?“ Seine blassen Lippen sprachen freundlich, doch ließen keine Klage zu. „Nein Herr, eure Grossszügigkeit erfüllt mich zutiefssst!“ sprach Wimp und verbeugte sich so übertrieben, dass sein lippenloses Maul fast den Boden berührte. „Wie kann ich euch je dafür danken?“ fragte Wimp, doch Szkaa winkte fast spöttisch ab. „Keine Zeit für Dankesreden Wimp, ich sagte ja bereits, dass eine Aufgabe für dich bereit steht.“ „Ja Meissster, verzeiht.“ Als hätte Szkaa nichts gehört, fuhr er fort. „Du wirst nach Plagat reisen, die Gerüchte verhärten sich, dass in den Wäldern um Plagat herum der Eingang nach Kryptis liegt. Versuche dich unter das Volk zu mischen und Auskünfte zu erlangen. Einige Freie sollen zeitweise Ausflüge nach Plagat unternehmen um notwendige Erledigungen zu tätigen.
Finde raus wer zur Stadt gehört und wer nicht, halte nachts Ausschau nach Menschen, welche die Stadt verlassen, oder betreten und spendiere Wein, das lockert die Zungen.“ Wimp hatte eine schwierige Aufgabe erwartet, doch nichts Unmögliches. Wenn den unzähligen Spähern seines Herrn bisher jeder Erfolg verwehrt war, wie sollte dann er diese Aufgabe bewältigen. Wimps Gesicht schien wie ein offenes Buch. „Du fragst dich, warum ich meine Informationen nicht auf dem üblichen Wege einhole?“ Wimp wusste was das bedeutete. „Nun, ich habe bereits alles versucht, leider ohne nennenswerte Erfolge. Meine Folterungen…“ in Szkaas Augen brannte das Feuer der Genugtuung „…bringen mir nichts, außer persönliche Befriedigung und meine üblichen Späher sind mittlerweile allerorts bekannt. Und hier kommst du ins Spiel. Enttäusche mich nicht!“ Wimps Stolz über die erhaltene Aufgabe war längst von ihm abgeblättert und lag nun schal zu seinen Füßen. Szkaa beugte sich soweit nach vorn, dass Wimp seinen heißen Atem spüren konnte. „Enttäusche mich nicht und sorge dafür, dass ich auf dem Laufenden gehalten werde.“ Unsanft tippte er auf Wimps neues Amulett.
„Nein Herr!“ Wieder tief verbeugt, entfernte sich Wimp nun rücklings von Szkaa‘s Thron und drehte sich erst beim Verlassen des Saales, an der gewaltigen Kirschholzzarge, von seinem Meister weg.
Wimp war erst wenige Augenblicke aus dem Saal verschwunden, als sich jemand hinter dem Thron
aus dem Schatten löste und sich vor Szkaa kniete. „Du kennst deine Aufgabe bereits!“ Die Gestalt nickte.
„Die Bedeutung des Wortes UNVERSEHRT brauche ich dir nicht weiter zu erläutern?“ Die Gestalt schüttelte den Kopf. „Ich kann dir in dieser Angelegenheit leider kein Versagen erlauben!“ Szkaa grinste.
„Aber ich denke auch du möchtest mich nicht enttäuschen!“ Szkaa spielte eine gedankenverlorene Pause. „Wie sie dich ansehen würden, mit meiner Klinge an ihren dünnen Hälsen…“ Die Gestalt ballte die Fäuste blieb aber auf den Knien. „Könntest du mit dieser Schuld leben?“ Zögernd schüttelte die Gestalt den Kopf abermals. „Ich weiß dass du mich hasst und du danach sinnst mir den Kopf abzuschlagen!“ Szkaa lehnte sich ein Stück nach vorn und verzog sein Gesicht zu einer hasserfüllten, bleichen Fratze, aus der seine roten Augen wie bitter Blut hervorstachen. „Aber du solltest lieber vor Augen haben wie salzige Tränen sich mit ihrem süßen Blut mengen bevor ich es koste, WENN DU VERSAGST! UND JETZT GEHT!“ Wortlos erhob sich die Gestalt und noch bevor der Nachhall Szkaas Wut sich in dem riesigen Saal verlor, war sie verschwunden.
Von KeltenPrinz
Am 09.02.2012 um 20:01 Uhr
ich denke mal, ich habe Post von Dir bekommen?! ... logo .. Antwort ist in Arbeit!
Peter
zuletzt geändert am 10.02.2012 um 18:17 Uhr.
Von KeltenPrinz
Am 06.02.2012 um 21:27 Uhr
Du solltest darüber nachdenken, für wen Du Dein "Buch" schreibst ... für Dich oder den Leser ...
Der Leser "will" Handlung "sehen" und keinen Firlefanz drumrum ... Nimm diese Szene mit dem erlegten Hirsch:
Die vergiftete Klinge bringt den Hirsch zu Fall und um. Das ist der Fakt! Warum diese Erwähnung, dass es eine "Skir"Klinge ist? Kannst Du das nicht davor schon erledigen? Warum diese Rückblende des Wartens? Warum die Erklärung, was ein Skir so alles kann? Wenn Geschehnisse im Nachgang erklärt werden müssen, behindert das den Fluss der Geschichte.. Rückblenden sind riskant! Man verzettelt sich damit "gern"
Versuche doch mal, dieses Kapitel "umzustricken", nur mal so für Dich... bring Struktur hinein ...
zuerst die Mission von Wimp und sein Warten im Unterholz auf den Hirsch, die Angst zu versagen und gleichzeitig dieses Gefühl, wenn er es schaffen würde .. packe hier die Emotionen rein, sodass der Leser mit Wimp fiebert und hofft ..falls Wimp überhaupt so "besetzt" ist, dass man ihn mag und so
DANACH ... möglichst abruppt das Auftauchen des Hirsches und die Jagd; lass es kühl und technisch wirken ohne Emotionen und blumige Ausschmückung, es hat nichts Heroisches an sich, nur den Tod in der Konsequenz ... und der wiederum braucht keine abendliche Idylle und auch keinen moosigen Boden oder eine wärmende Decke. Wimp muss es tun, um selber zu überleben, nicht aus Spaß an der Jagd oder am Töten!!!
Wenn er das erlahmende Herz in den Händen hält, lass ihn innerlich jubeln, aber lass ihn auch bedauern, dass er es tun musste, wenn Wimp eine positive Gestalt ist ... und lass die Erklärung weg, was ein Skir kann mit seinen Sinnen ..lass es ihn einfach tun und den Leser lass seine Verwunderung über die nicht geahnten Fähigkeiten!
Versuche Dir einen Spannungsbogen aufzubauen!! Nimm dieses Herz des Hirsches als Aufhänger! Soviel Mühe und Entbehrungen, nur damit der "Meister" ihn wieder "aufnimmt"? Das ist zu wenig!! Wo ist der Clou? Wo die Überraschung? Wo ist das AHA-Erlebnis? Der Meister nimmt es und "frisst" es ... so jedenfalls meine Erinnerung ... und dann gibt er Wimp einen neuen Auftrag ... lass diesen Meister doch durch den Genuss des Herzens "erblühen", jünger werden oder weiß der Fuchs .. aber mach was aus diesem Herzen!!
Noch was..
diese anschließende Szene mit dem Spalt im Stein/Fels ... ist nicht eindeutig, zu verworren beschrieben ... warum ist Wimp eigentlich ein Reptil? Muss man das sagen? Kann Wimp nicht einfach Wimp sein?
Und jetzt vergiss, was ich meinte, aus Deiner Geschichte zu formen, denn es ist Deine Geschichte!!! ABER MACH SIE UNANGREIFBAR EINMALIG!!!!!
...der Peter
Von Crisperton
Am 06.02.2012 um 18:50 Uhr
Ich weiß bereits, ich schreibe zu fett, aber es macht soviel Spaß alles auszuschmücken ;)
Muß mich da noch arg bremsen und ich denke, in der Überarbeitung, nach Vollendung, wird viel an Adjektiven "draufgehen".
Was die technischen Fehler angeht "Das-durch-den-Wald-gehetze" (Länge der Fluchtszene) muß ich natürlich auch noch überarbeiten...
Wenn ich mich nur nicht so schwer von der Detailtreue trennen könnte :(
Das fehlen der Sprache ist in diesem Kapitel sehr deutlich, da hast du recht.
Sehr erfrischende Kritik, Danke!
Von KeltenPrinz
Am 04.02.2012 um 19:22 Uhr
ich habe es gelesen ... ich war weder gelangweilt noch genervt ...
... und ich musste lachen ... gewisse Formulierungen habe ich auch verwendet ...
Aber Du solltest es einfacher gestalten!! Fast jeder Satz beinhaltet einen erklärenden Nebensatz, der die Handlung verlangsamt ... Du baust sehr viele Erklärungen ein, die sich der Leser vielleicht in seiner Phantasie selber "erträumen" sollte ...
Du baust theatralische Sätze ein, die zu fett sind. Schlichte Sätze kommen manchmal besser. "Purpurn strömte das Leben aus der einst so kraftvollen Kreatur.." Es ist ein Tier und kein höheres Wesen ... "begehrter Lebenskern" Das ist zu geschwollen! Ein "pochendes Herz" tut es auch!! und weiter vorn: "die Angst kraftvoll durch das Unterholz peitschte" das Wort "kraftvoll" passt nicht zur Szene, da zu positiv besetzt ..besser: "die Todesangst trieb ihn durch das Unterholz" ..gleich danach: "Das Gift der Skir-Klinge, die bereits zwischen seinen Rippen steckte.." zuviele Worte! "Das Gift der Skirklinge breitete sich rasend schnell aus und nach wenigen Augenblicken schlug der Hirsch auf dem Waldboden auf." Das ist nur noch ein Satz, aber wenn Du ihn Dir durchliest, bemerkst Du, dass der Text davor unstimmig ist. Diese Flucht erscheint anfangs länger, dieses Rennen durch den Wald ...und nun sollen es nur ein paar Augenblicke gewesen sein? Das ist belanglos, aber fällt mir grad so auf.
Du arbeitest sehr detailliert! Wunderbar!! Aber spare mit Beschreibungen, Adjektiven ... und baue Sprache ein!!! Das macht lebendig!!!!
Gruß Peter