Kapitel 4-Die Bewohnerin
Die ganze Nacht wurde Destiny von Albträumen geplagt. Immer wieder sah sie sich in dieser Villa, wie sie panisch vor etwas oder jemandem davonlief und schließlich Zuflucht in einem Schrank fand. Da drin war es zwar eng und dunkel, doch glaubte sie hier in Sicherheit zu sein. Leider hatte sie sich da getäuscht, denn dann öffnete sich die Schranktür und drei Männer kamen zum Vorschein, deren Gesichter sie nie sehen konnte. Dann sagte der eine von ihnen etwas, dass Destiny nur gedämpft verstehen konnte und im nächsten Moment starrte sie auch schon in den Lauf einer Pistole und hörte wie ein Knall ertönte. Dann herrschte Dunkelheit und sie richtete sich schweißgebadet in ihrem Schlafsack auf.
Panisch blickte sie sich um. Ihr erster Gedanke stellte die Frage, wo sie sich eigentlich befand und der zweite beantwortete dies bereits.
Fast schon erleichtert Veronicas Hintern an ihrem Arm zu spüren (sie macht sich mit Vorliebe überall breit!) richtete sich Destiny auf und sah nach dem schnarchenden Travis.
»Travis?«
Er lag nicht in seinem Schlafsack und auch sonst war er nirgends zu entdecken. Ob ihm was passiert war? Destiny verwarf den Gedanken so schnell, wie er aufgekommen war. Sie kannte Travis seit ihrer Kindheit. Er war schon immer der neugierige Beobachter gewesen. Wahrscheinlich trieb er sich hier irgendwo in der Villa herum, um ihr Innenleben besser analysieren zu können. Trotzdem hatte er vorher erst den Teamleader Bescheid zu geben, ehe er so etwas macht, denn immerhin machte sich Destiny nun doch Sorgen.
Dieser Albtraum ließ sie einfach nicht los!
Langsam stieg sie aus ihrem Schlafsack und versuchte dabei jegliche unnötigen Geräusche zu vermeiden. Veronica und Chad schliefen so friedlich, das wollte sie auf gar keinen Fall stören!
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Veronica lag schon eine ganze Weile wach. Sie hatte in der ganzen Zeit nachgedacht. Über sich, über Chad, über dieses Anwesen. Aber ganz besonders über das Anwesen.
Veronica wuchs im reichen Hause auf, daher hatte sie auch diesen ganz bestimmten Sinn für Wertvolles entwickelt. Sie roch förmlich Geld und hier in dieser ramponierten Bude war der Geruch ganz besonders stark! Natürlich war sie unsagbar reich, aber der Gedanke noch mehr besitzen zu können, machte sie schon irgendwie an.
»Hey, Chad!« Sie schüttelte ihren Freund an der Schulter. »Wach auf! Ich muss was mit dir besprechen!«
»Hat das nicht Zeit?«, fragte dieser und grub sich noch tiefer in den Schlafsack ein.
»Nein hat es nicht und jetzt steh auf!«, zischte Veronica barsch. »Die anderen beiden sind weg. Wir haben also genügend Ruhe zum reden«, meinte sie und grinste verschlagen. »Denn weißt du, seit ich hier bin plagt mich nur ein Gedanke!«
»Eine funktionierende Toilette zu finden?«, fragte Chad, wofür er von seiner Freundin einen Klaps auf den Hinterkopf einstecken musste.
»Nein, du Idiot! Ich spreche von der zurückgelassenen Beute!«
»Welcher Beute?« Chad blinzelte verschlafen in die das Licht der Taschenlampe, die Veronica soeben hervorgeholt hatte.
»Die Beute, die hier noch versteckt sein muss!«
»Was?«
Seufzend stieg sie aus ihrem Schlafsack und zupfte sich ihr Seidennachthemd zurecht. »Dieser Matrixspinner hat nur die halbe Wahrheit erzählt! Ich kenne jedoch die ganze!«
»Vicky, es ist spät und ich bin müde! Können wir nicht morgen darüber reden!«, bat Chad und hoffte sehnlichst auf die Einsicht Victorias. Leider vergebens!
»Chad, diese Typen sind nicht hier eingebrochen, weil sie die Villa ausrauben wollten! Sie waren hier, weil ihre Beute bereits in diesem Haus war, bevor diese Familie dort eingezogen war!«, erklärte sie und schwang demonstrativ den Lichtschein der Taschenlampe über Chads Gesicht. »Oder besser gesagt bevor es fertig gebaut wurde!«
Chad wurde die ganze Sache allmählich glaubhafter. »Schön und gut, aber woher weißt du das alles?«
»Das spielt jetzt keine Rolle! Fakt ist: Die Beute ist noch hier versteckt und wir werden sie finden!«
»Und warum haben sie diese Einbrecher nicht einfach geholt!«
Genervt verdrehte Victoria ihre braunen Rehaugen. »Weshalb wohl? Weil sie sie nicht gefunden haben, deswegen!«
»Wussten die Bewohner denn nichts von dem Vermögen in ihrem Haus?«
Victoria ließ den Lichtkegel einmal über die gesamte Frontseite gleiten, ehe sie fortfuhr. »Anscheinend nicht! Sonst hätten sie es wahrscheinlich für sich genommen.«
»Aber woher willst du wissen, dass die Beute tatsächlich noch hier ist?«
»Damals wusste man wo die Beute versteckt war, doch immer, wenn sie sich dem Versteck näherten, passierten wieder diese Dinge. Einstürzende Dachbalken, brüchige Holzböden, zerspringende Glasscheiben. Und seien wir doch mal ähnlich, niemand riskiert sein Leben, nur für etwas Reichtum!«
Misstrauisch beäugte Chad sie von der Seite. »Wirklich niemand?«
»Na ja«, sagte Victoria schulterzuckend, »fast niemand!«
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Allmählich machte sich ein Unwohles Gefühl in Destinys Magengegend breit. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie lange sie hier schon umherstreifte, noch wo Travis sich befand. Sie hatte Angst! Innerlich betete sie zu Gott, das er ihn verschont habe und nicht schlimmes passiert ist.
»Travis?« Sie versuchte so leise wie möglich zu sein, bei dem Versuch ihren Freund zu finden. »Travis?«
Nichts. Es herrschte die gewohnte Stille. Die gewohnte enttäuschende Stille. Die Stille, die Destiny fast in den Wahnsinn trieb.
Mit vorsichtigen Schritten begab sie sich die morsche Holzbodentreppe nach oben. War nur zu hoffen, dass keiner der Stufen plötzlich einkrachte und sie einen netten kleinen Abstecher in Richtung Keller machte.
Endlich oben angekommen atmete sie erst einmal tief aus. Und blickte sich dann wieder um. Vor ihr lag ein Flur mit vielen Türen und dahinter verbargen sich viele Räume. Ob Travis sich wohl dort befand? Destiny probierte es mit der Tür, die ihr am nahesten lag und drehte langsam den Türknauf herum. Die Tür gab ein schauriges Knarren von sich und im nächsten Moment stand Destiny auch schon in einem hübsch eingerichteten Zimmer, das schwer an das, eines Mädchens erinnerte. Ein riesengroßes Himmelbett mit Spitzenüberzug thronte in der Mitte des Zimmers. Daneben standen Puppenhäuser, Puppenwagen, Puppen an sich, Teddybären und andere viele Dinge, mit denen sich kleine Mädchen am liebsten beschäftigten. Und wieder kam Destiny der Traum in den Sinn und wie Travis von den beiden kleinen Kindern erzählte, obwohl die Leiche des Mädchens nie gefunden wurde! Ob sie wohl noch am Leben war? Und wenn, dieses Haus stand sicher schon seit gut hundert Jahren!
Komisch, in diesem Raum verflog ein wenig Destinys Angst. Ob das an der liebevollen Einrichtung lag? Vielleicht!
Sie legte die angestellte Taschenlampe aufs Bett und kniete sich vor das schnuckelige selbstgebaute Puppenhäuschen. Sie wusste noch genau, wie sie selbst immer zusammen mit Veronica im Garten gesessen hatte und spielte. Dauernd gab es Streit darum, wer den dämlichen Ken mit der Plastiktolle auf dem Kopf abbekäme. Ja, Kinder hatten schon seltsame Probleme!
Noch lange betrachtete sich Destinys das Haus, so bemerkte sie auch nicht die Person, die unmittelbar hinter ihr stand.
»Hallo!?«
Erschrocken drehte sich Destiny um und starrte in ein Paar dunkelblauer Augen, die schon fast in schwarz übergingen. Nein, das war nicht Travis! Vor ihr stand ein kleines Mädchen, höchstens zehn Jahre alt, mit langen dunklen Haaren, die ihr glatt über die Schulter fielen. Sie trug ein Blumengemustertes Sommerkleidchen und im Arm hielt sie eine ziemlich mitgenommene Stoffpuppe, der bereits ein Knopfauge fehlte.
»Hallo!« Destiny wandte sich langsam zu der Kleinen um und sah ihr freundlich in die großen Augen. »Wer bist du denn?«
»Meredith«, antwortete das Mädchen sichtlich schüchtern und reichte Destiny die Hand.
»Darfst du denn überhaupt hier sein?«
Die Kleine schüttelte den Kopf. »Mama und Papa erlauben es mir zwar nicht, aber ich komme trotzdem immer hierher zum spielen!«
»Wirklich? Du solltest aber lieber auf deine Eltern hören, immerhin ist es hier sehr gefährlich!«, redete sie auf das Kind ein und strich ihr dabei langsam über die Schulter.
»Und deine Eltern?«, fragte Meredith. »Erlauben die dir hier zu spielen?«
Destiny machte eine verneinende Geste. »Ich habe es ihnen gar nicht erzählt, weißt du?« Sie überlegte kurz. »Hast du hier eigentlich einen jungen Mann gesehen mit schwarzen Klamotten?« Vielleicht hatte die Kleine ja Travis bemerkt!
Sie nickte.
»Wirklich?« Ihr fiel sichtlich ein Stein vom Herzen. »Und wann war das genau?«
»Gerade eben. Warum? Kennst du ihn etwa?«
»Ja, er ist mein bester Freund, weiß du?«
Schlagartig wurde Meredith noch blasser als zuvor und sie trat langsam einen Schritt zurück. »Dein Freund, sagst du?«
Destiny nickte. »Ja, warum?«
Ihr kam das Verhalten des Mädchens äußerst seltsam vor. Hatte Travis ihr etwa was getan? So ein Unsinn! So was würde er nie tun! Blieb nur die Frage, weshalb das Mädchen plötzlich so reagierte.
»Er ist böse!«, antwortete Meredith und blickte unter sich, wobei sie ihrer Puppe die Wollhaare zurecht zupfte.
»Böse? Travis?« Das ergab für sie keinen Sinn. Oder war Travis vielleicht gar nicht gemeint? »Hatte dieser böse Mann vielleicht längere schwarze Haare und eine Sonnenbrille auf?«, vergewisserte sich Destiny und hoffte das dem nicht so war.
Zu ihrer Erleichterung schüttelte Meredith den Kopf. »Nein, er hatte helles Haar und lang war es auch nicht!«
’Gott sei Dank!’
Doch die Freude hielt nur für kurze Dauer. Meredith erzählte von einem Mann, der unmöglich einer aus ihrer Gruppe sein konnte, oder?
»Trug der Mann vielleicht eine rote Trainingsjacke?«, fragte Destiny, die dabei an Chad dachte.
Wieder ein Kopfschütteln. »Er war vollkommen in schwarz gekleidet. Er marschierte hier durch das Haus und schien auf der Suche.«
»Und warum war der Mann böse?«, fragte Destiny, die es allmählich mit der Angst zu tun bekam.
Meredith sah sie mit ihren unschuldigen Augen an, die plötzlich eine seltsame Kälte aufwiesen. »Er hatte eine Pistole bei sich«, hauchte sie leise, »und damit hat er jemanden erschossen!«
Fortsetzung folgt!
Von Aabatyron
Am 17.07.2007 um 23:22 Uhr
echt gut geschrieben und spannend deine Geschichte !!!
Von scrittore
Am 17.07.2007 um 09:38 Uhr
ciao scrittore