Homepage | Kalender | Mein Profil | Meine Post | Autorenliste | Buchshop
Poesie
Prosa
Verschiedenes
Werkstatt
Forum
Sonstiges

Prosa => Phantasy & SciFi


Das Schwert von Agor, Prolog - von KeltenPrinz, 09.04.2012
Die Sonne stand noch tief über dem Horizont und Nebelschwaden umspülten die Knie der wartenden Krieger. Der Herbst war kühl in diesem Jahr. Die Männer lauerten auf das Signal, endlich loszuschlagen. Doch ihr Anführer starrte auf die Ebene unter ihnen und schwieg. Die Frau neben ihm hatte die Kapuze ihres Umhangs hochgeschlagen und den Kopf gesenkt. Sie murmelte fortwährend vor sich hin.
„Herr!“ Einer der jüngeren Kämpfer war aus der Reihe getreten.
„Schweig!“, beschied der Anführer, ohne den Blick zu wenden.
„Wie lange sollen wir noch warten? Meine Gelenke rosten ein!“, knurrte ein anderer Krieger.
„Noch nicht!“, zischte die Frau unwillig und breitete beschwörend die Arme aus.
„Warum hörst du auf das Geschwätz eines Weibes?“, begann der erste von neuem.
Unterdrücktes Getuschel ging durch die Reihen. Niemand hatte bisher gewagt, etwas gegen die Seherin zu sagen. Seit sie bei ihnen war, hatten sie jede Schlacht gewonnen. Aber es war eine Frau, auf die ihr Anführer hörte. Nur ihr Wort galt.
Das Getuschel wechselte in zustimmendes Raunen über. Klirrend senkten die Krieger ihre Waffen.
„Schickt die Hexe fort!“, forderte ein weiterer Mann.
„Du wagst es?“ Die Seherin drehte sich zu dem Mann um.
„Kriegführen ist Männersache!“, setzte er ihr entgegen. „Weib, du bringst Unheil über uns!“ Die anderen Krieger schlugen mit ihren Schwertern gegen die Schilde. Dumpf hallte es über die Ebene. Lange hatten die Männer es ertragen, aber nun kurz vor der Schlacht brach der Groll hervor.
„Noch gebe ich hier die Befehle!“, donnerte der Anführer und drehte sich ebenfalls um. Er blickte in die entschlossenen Gesichter seiner Mannen.
„Wir folgen keinem Weib in den Kampf!“, erwiderte der Mann und die anderen nickten. „Entweder sie oder wir!“ Er hob sein Schwert und zeigte auf die verhüllte Frau. Abfällig spie er vor ihr aus.
Der Anführer zog sein Schwert aus der Scheide und kratzte nachdenklich Linien in den Sand. „Du hast mir Treue geschworen!“, meinte er leise.
„Ja Herr!“ Der Krieger sackte auf die Knie und senkte demütig sein Haupt. „Für Euch würde ich mein Leben lassen!“
„Dann stirb als Opfer für unseren heutigen Sieg!“, brüllte der Anführer und das Schwert sauste auf den Nacken des Mannes nieder. Blut spritzte und der abgeschlagene Kopf rollte den Abhang hinunter.
Drohend glitt der Blick des Anführers über die Gesichter der Krieger. „Jeder wird sterben, der sich mir widersetzt!“, knurrte er. Die Frau kicherte leise unter ihrem Umhang und die hasserfüllten Blicke der Männer streiften kurz die verhüllte Gestalt.
„Es ist soweit!“, flüsterte die Seherin.
Der Anführer schwang das blutige Schwert und reckte es in die Höhe.
„Brennt die Stadt nieder und tötet jeden, der sich in den Weg stellt! Frauen und Kinder treibt zusammen!“
„Nein! Das reicht nicht! Alle müssen sterben!“, unterbrach die Seherin.
„Warum? Meine Männer brauchen williges Fleisch!“
„Ich spüre Unheil, wenn auch nur eine Seele überlebt!“, erwiderte die Frau hastig.
„Tötet Alle!“, knurrte der Anführer widerwillig und ein Murren ging durch die Reihen. Aber keiner wagte ein Widerwort und die Schlacht begann.

Die Stadt war eingekesselt. Wie eine Lawine stürzte das Unheil von allen Seiten über sie herein. Schnell waren die niedrigen Mauern überwunden und die ersten Wachen erschlagen. Mordend und brandschatzend wälzte sich die Vernichtung durch die Straßen.

Kehendra war am Feuer eingenickt. Die Hände in den Schoß gelegt, saß sie da und genoss die Wärme. Jäh wurde sie von dem Krach aus ihrem Schlummer gerissen.
‚Gefahr!’, schoss es ihr durch den Kopf. Hastig hob sie den kleinen Jungen aus seinem Bettchen und presste ihn an sich. Leise wimmernd krallte sich das Kind in ihre Sachen. Die Frau eilte die Treppe hinauf. Vom Dach aus hatte man freie Sicht über die ganze Stadt.
Entsetzt hielt sie sich die Hand vor dem Mund, um nicht laut zu schreien. Die Stadt unter ihr brannte. Schreiend liefen die Menschen aus ihren Häusern, verfolgt von Landsknechten. Erbarmungslos töteten sie jeden, dessen sie habhaft werden konnten. Selbst Kinder erdolchten sie an der Brust ihrer Mütter. Kehendra sah wie ein Säugling aus dem Fenster an die gegenüberliegende Hauswand geschleudert wurde. Das kleine Köpfchen zerschellte an der Mauer und die wilde Horde trampelte achtlos über den Leichnam hinweg.
Die Schergen des Todes waren in der Stadt. Die Frau hatte von anderen darüber gehört. Eine Schneise der Verwüstung zogen diese Banditen durch das Land und hinterließen nur Tote und verbrannte Erde.
Bald würden sie auch ihr Haus erreichen. Wo war ihre Tochter? Sie war nur kurz zur Stadtmauer hinübergelaufen, um ihren Mann das Essen zu bringen. Kehendras Blick streifte den brennenden Wachturm am Südtor. Dort war der Kampf bereits verloren. Sie erkannte ihre Tochter an dem hellblauen Kleid, das sie ihr genäht hatte. Leblos hing die junge Frau aus einem der Fenster, tot. Kehendras Herz zog sich zusammen und sie sackte zu Boden.
Ohnmächtig lag sie auf dem Dach, unter sich den wild strampelnden Jungen. Der beißende Brandgeruch ließ sie jedoch schnell wieder zu Bewusstsein kommen.
‚Ich muss das Kind retten!’, hämmerte es in ihrem Kopf. Es schien alles verloren, aber der Junge lebte noch. Während unter ihr die Stadt brannte und die Menschen vergeblich um ihr Leben rannten, zerrte Kehendra aus ihrer Rocktasche ein kleines Bündel mit Knochen hervor. Sie warf es in die Luft und wild durcheinander purzelten die bleichen Gebeine auf den Boden. Die Frau musterte kurz das Bild und ihre Augen flackerten hell auf. Sie legte ihre Hand auf die Knochen und schloss die Augen. Während sie ein paar Worte murmelte, stieg zwischen ihren Fingern eine feine Rauchsäule auf, aus der ein pelziges Wesen sprang. Es war rund wie ein großer Ball und die kurzen Beinchen schienen große Mühe zu haben, den Körper zu tragen.

Die Flammen hatten das Haus erreicht. Knisternd nagten sie sich durch das Holz. Unten im Haus zerbarst die Tür. Brüllend stürmten die Fremden herein. „Sucht auf dem Dach!“, schrie einer.
„Rette meinen Enkel!“, flehte Kehendra das pelzige Wesen an. „Ich habe mein Leben hinter mir, aber der Junge noch vor sich. Hilf mir!“ Die kugelige Gestalt rollte unentschlossen mit seinen Augen und die Frau drückte ihm den Jungen in die Arme.
Polternd stolperten die Krieger die Treppe hinauf.
„Nein!“, wisperte die Pelzkugel. „Du auch!“ Mit diesen Worten berührte er ihre Hand. In diesem Moment hatten die Männer das Dach erreicht.
„Keiner hier! Das Haus ist sauber!“, brüllte einer von ihnen hinunter. Niemand hatte den bläulichen Dunst bemerkt, der langsam in den Morgenhimmel aufstieg. Auch das Häuflein mit den Knochen war verschwunden.

Über den Trümmern der Stadt stand eine dunkle Aschewolke. Kein Sonnenstrahl vermochte es, durch sie hindurch zu dringen. Totenstille herrschte in den Straßen und Häusern. Wo tags zuvor sich die Menschen drängten, herrschte gähnende Leere.
Reich und blühend war die Stadt zu Bett gegangen, um am Morgen darauf zu sterben.

Auf der Anhöhe stand Zoran, der Anführer, und er betrachtete missmutig die zerstörte Stadt.
„Zufrieden?“, brummte er und blickte zu der verhüllten Frau neben sich.
„Du hast gewonnen! Ist das nichts?“, kam die höhnische Antwort zurück.
„Herr, wir bringen Euch den letzten Überlebenden der Stadt!“, ertönte hinter ihnen die raue Stimme eines von Zorans Kriegern.
Es war ein junger Mann, gefesselt und die Augen verbunden.
„Töte ihn!“, zischte die Seherin. „Davor will ich aber seine Augen haben!“ Sie schlug den Umhang zurück und eine feuerrote Mähne kam zum Vorschein. Die Frau hob den Kopf und ihre blinden Augen tasteten scheinbar die Umgebung ab. Keine einzige Regung war in dem bleichen Gesicht zu entdecken. Nur die blutleeren Lippen zuckten ein wenig.
Wie immer schreckten die Männer bei diesem Anblick zurück. Sie waren Grausamkeiten gewöhnt und der Tod ihr täglicher Begleiter. Aber diese Frau schien direkt aus der Hölle zu kommen.
Zoran nickte kurz und einer der Krieger riss dem Gefangenen die Binde von den Augen. Entsetzt starrte er die Seherin an.
„Lass mich mit deinen Augen sehen, ob das Werk vollbracht ist!“, flüsterte sie und grub ihre Finger in seine Augenhöhlen. Ein letzter Schrei und Zoran erlöste den Gefangenen mit einem Schwerthieb von seinen Qualen.
Die rothaarige Frau hielt die blutigen Augen vor sich und wendete sich zur brennenden Stadt unter ihnen.
„Du hast versagt!“, schrie sie zornig auf.
„Zügle dich Frau!“, dröhnte Zoran und runzelte verärgert die Augenbrauen. „Die Stadt brennt und alle seine Bewohner sind tot, vom Greis bis zum Säugling, ohne Ausnahme!“
„Alle?“ Spöttisch verzog die Seherin ihr Gesicht. „Heute Nacht spürte ich zwei Seelen mehr! Du hast sie entkommen lassen! Eine alte Frau und ein Kind sind dir entwischt! Dem großen Zoran!“, fügte sie höhnisch lachend hinzu.
„Es reicht du Hexe!“, brüllte Zoran und schwang wieder sein Schwert. Mühelos glitt die Schneide durch den Hals der Frau. Dumpf fiel das Haupt zu Boden. Zornig drehte er sich zu seinen Männern um und schrie sie an: „Mich beleidigt niemand, schon gar nicht ein Weib!“
Doch die Krieger stimmten ihm nicht zu, wie er es erwartet hatte, sondern blickten starr vor Entsetzen an ihm vorbei.
„Doch nicht mit mir du Versager!“, kicherte es hinter ihm. Überrascht wendete er sich zurück. Der Kopf der Seherin saß wieder zwischen ihren Schultern und die Schnittwunde verschloss sich gerade.
„Ich habe mich in dir getäuscht! Du bist nicht der Held, der du sein schienst! Heute hast du deinen eigenen Untergang heraufbeschworen!“ Verächtlich warf sie ihre Haare in den Nacken und ihre Gestalt löste sich auf.






©2012 by KeltenPrinz. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

Kommentare


Von KeltenPrinz
Am 20.04.2012 um 19:37 Uhr

Manu, es ist Dein Genre!!! ..deswegen kann ich es nicht so gut wie Du!!!


Von Crisperton
Am 17.04.2012 um 19:22 Uhr

Das gefällt mir sehr, vor allem die Spannung am Ende. Da setzt bei mir auf jedenfall der "und weiter? - Effekt" ein. Auch die Formulierungen gefallen :)
Und obendrein mein Genre ;D

Grüße

Bewertungen

Bewertung: 1.9/6
(21 Stimmen)

Es gibt 2 Kommentare


Aktionen


QR-Code als Direktlink


Werbung


Suchwolke