Da ist etwas im Busch
Hoch oben auf dem Kamm der Berge entlang des Fjords hing immer noch Schnee, heller, weiß glitzernder Schnee, der schon den ganzen Sommer nicht Schmelzen mochte und es schien beinah so, als ob der Schnee die Sonne ärgern wollte; Denn je stärker die Sonne schien, auch wenn sie noch so stark schien, so antwortete der Schnee nur mit noch mehr Glitzern.
Dieses Glitzern erfreute den jungen Fenrir, der in weißen Wolfspelz gehüllt war - hätte er geglitzert, könnte man meinen er wäre aus Schnee. Als er hinauf zum Fjordenkamm schaute sagte er zu seinen Freunden: "Ich glaube, es wird wieder mal eine gute Jagd, denn die Sonne steht tief und bringt uns so den Vorteil der Verstohlenheit. Wir machen es wie folgt: Loki, klettere auf einen Baum, den du für einen guten Aussichtspunkt hältst und halte ausschau nach Wild." Der lange braun-dunkelgrüne Mantel bot ihm hervorragende Tarnung im Geäst. "Heimdall, versteck dich in Lokis Nähe und warte auf das Zeichen bevor du das Wild wieder mit deinem Hammer zerdonnerst, ok?" Diese Taktik war dringend nötig, da Heimdalls rostbraune Rüstung ziemlich schwer und laut war, ebenso wie sein Hammer, was schon oft dazu führte, dass die Beute einfach weg gerannt ist.
"Mjöll und Foenn", fuhr er fort "ihr zwei müsst blitzschnell reagieren, wenn das Tier versucht wegzurennen." Als er die beiden ansah, loderte etwas in seinen jugendlichen Augen. Sie waren so grell, dass sie orange, wie das Feuer, zu lodern schienen. Mjöll war das genaue Gegenteil ihrer Schwester Foenn: Mjöll war ruhig und gelassen, hatte Haare, so lang wie die Fjorde und so schön weiß wie der Schnee, der hoch oben auf den Bergen ruht. Ihre Silberweiße Rüstung schimmerte in der prallen Morgensonne und betonte dadurch auch ihr prachtvolles Haar, das durch einen Luftstoß fast bis an Foenns einen meter entferntes Gesicht geweht wurde.
Ihre Schwester wischte sich das von karminroten Strähnen durchzogene, matte, schulterlange Haar aus dem Gesicht und warf Mjöll einen verachtenden Blick zu. Auch ihre eher knapp gehaltene Rüstung, die eher weniger für die Jagd oder den Kampf geeignet war, absorbierte, wie ihre Haare, das Sonnenlicht, wodurch ihr Blick noch düsterer wirkte. Obwohl sie dieselben Eltern hatten, hätten sie doch unterschiedlicher nicht sein können. Auch Fenrir wusste das, aber es war schon langsam Gewohnheit geworden, dass sie sich gegenseitig anzickten, wobei aber meistens Mjöll nachgab.
Fenrir brachte nur ein: "Konzentriert euch, Mädels!" raus. Loki gab das Zeichen, dass er etwas entdeckt hatte und plötzlich verstummte die Gruppe. Heimdall schlich - sofern man es so nennen konnte, weil sein Brustpanzer bei jedem Schritt, so leise er auch war, an seinem massiven Schulterpanzer striff - zu dem ebenso massiven Elbenbaum, auf dem Loki es sich gemütlich gemacht hatte. Die zwei Mädchen schlichen ebenfalls auf zwei Bäume in deren Mitte das raschelnde Dickicht war. Mjölls Rüstung bestand aus demselben Material wie Fenrirs Bogen und überzog fast ihren ganzen Körper bis zum Hals - ohne dabei jedoch die, für ihr Alter sehr ausgeprägten Rundungen, zu verstecken. Hingegen war Foenns knappe Rüstung weniger zum Schutz als zum Tragen an sich gedacht. Sie reichte vom oberen Teil ihrer muskolösen Schenkel bis knapp unters Schlüsselbein. Auch der Rest ihres Körpers war fast so muskolös wie der von Heimdall, was natürlich im Kampf ein Vorteil war, aber diese Art gefiel nicht jedem Einwohner des kleinen Dorfes Asvathora. Auch Fenrir war sich nicht schlüssig, was er davon halten sollte. Einerseits bewunderte er ihre Stärke und den Kampfgeist, aber andererseits hatte er einfach Angst, dass sie zu temparamentvoll sein könnte und zu unüberlegt handelt. Schon von Kindesbeinen an hatten die schneeweiß funkelnden Augen ihrer Schwester eine magisch anziehende Wirkung auf ihn. Und ihre Weisheit war schon damals unübertroffen. So warnte sie Fenrir davor tiefer in die Höhle, in der angeblich Riesenwölfe wohnten, zu gehen, während Foenn ihn dazu ermutigte. Fenrir kehrte dann mit Mjöll ins Dorf zurück, wo sich der Vater der Zwillinge natürlich große Sorgen machte und zur Höhle eilte. Eine viertel Fjordensonne später kam er mit 3 Wolfsköpfen und einer, mit mehreren Kratzern übersäten, Foenn zurück, die seitdem eine tiefe Narbe an der linken Seite ihres Oberkörpers trägt. Fenrir war Mjöll einerseits zwar dankbar, dass sie ihn gerettet hat, machte sich andererseits aber auch Vorwürfe, weil er Foenn nicht helfen konnte.
Der beste Schütze Asvathoras, wie manche Fenrir nannten, ging in Position und spannte seinen weißen Bogen bis zum Anschlag.
Er erinnerte sich noch genau wie sein Vater ihn noch bevor die Sonne über dem Fjord hing aufweckte und ihn mit sich nahm. Er sagte ihm nicht wohin sie gingen, doch er ahnte es würde eine lange Reise werden. Sein Vater brachte ihm alles über die Jagd und den Kampf mit dem Bogen bei während sie langsam näher an ihr Ziel kamen. Sie wanderten 13 Fjordensonnen lang, bis sie endlich an eine Brücke kamen, von der aus man das ganze Dorf schon sehen konnte: Es war wunderschön und die Natur war in harmonischem Einklang mit den Bauten aus Holz und denen aus einem dunkel schimmernden Metall. Die Wachen waren etwa so groß wie Fenrir zu diesem Zeitpunkt, sahen aber erwachsen aus in ihren silberweißen Gewändern und Rüstungen. Sie führten Fenrir und seinen Vater Ulfdir zu dem kleinen, stämmigen Dorfschmied, der mit vielen verschiedenen Metallen und Stoffen zu arbeiten schien. So nahm er beispielsweise gerade ein Stück des bronze-gold glänzenden Metalls, aus dem manche Häuser dort gebaut waren aus der Feuergrube und legte es zum Abschrecken ins Becken.
"Hast du so etwas schon mal gesehen, Kleiner?", fragte er mit einer sanften, tiefen Stimme. "Nein, aber es sieht wunderschön aus!" sagte Fenrir mit Bewunderung. "Was ist das? Wozu wird es benutzt?" Die Fragen im kleinen Fenrir überhäuften sich voller Erstaunen. Der Schmied antwortete gelassen: "Wir nennen es Dwemermetall, es wird für alles mögliche verwendet und ist sehr robust. Nur Götter können es zerstören." Der Junge kam nicht mehr aus dem Staunen raus. "Aber das ist sicher nicht der Grund warum dein Vater dich hergebracht hat. Komm mit mir, ich zeige dir etwas, das ganz persönlich für dich gefertigt wurde." Er nahm ihn mit in seine Hütte und fing bei etwas Met und Wild an ihn über die Sache zu unterrichten. Als er schließlich fertig war, holte er einen strahlend weißen Bogen mit wunderschönen Runenverzierungen aus dem Schrank hinter sich hervor. "Dieser Bogen soll dich von nun an begleiten und dir immer Schutz und Weisheit schenken." Er gab dem sprachlosen Kind den Bogen und wandte sich nochmals um, um in den Schrank zu greifen. "Das ist eine Albenrüstung. Sie bietet dem Träger großen Schutz ohne ihn in seiner Kampffähigkeit einzuschränken. Sie wächst mit ihrem Träger mit und kann nur von dem getragen werden, der sie als erstes am Körper trug. Gib diese Rüstung der Person, der du am meisten Schutz wünschst, doch vorher noch ein Wort der Warnung; Eine Albensage besagt: Die Liebe zweier schützt die dritte Liebende Person nur bis die Zwei, die sich wahrlich lieben, sich die Liebe gegenseitig gestehen. Behalte das im Gedächtnis, wenn du sie der Person gibst, die du beschützen willst." Ein schwaches "Danke" voll von Sprachlosigkeit war das einzige, was Fenrir sagen konnte nach all dem. Sein Vater war genauso erstaunt wie er auch und als sie nach dem gemeinschaftlichen Essen wieder aufbrachen, strahlte der Junge immer noch wie zuvor. Die komplette Reise über dachte er über die Albensage nach, doch entschlüsselte ihre Bedeutung nicht.
Als er dann schließlich wieder nach Asvathora kam, empfingen ihn Mjöll und Foenn mit offenen Armen, da sie ja niemanden zum Spaß haben hatten, während er weg war. Er erzählte ihnen alles, bis auf die Sage und warum er die Rüstung Mjöll und nicht Foenn gab. Die beiden wollten ihn beeindrucken mit ihren neu gelernten Kräften. Mjöll zauberte eine wunderbar glitzernde Eisfontäne, die in alle Himmelsrichtungen strömte. Foenn hingegen hatte nicht so viel in den Büchern der Ältesten geblättert wie ihre Schwester, was sich auch bemerkbar machte. Ein paar einzelne Flammen, die auf ihrer Hand züngelten waren das ernüchternde Resultat, weswegen sie dies auch schnell aufgab und versuchte die stärkste Kriegerin des Dorfes zu werden und es so zu beschützen.
Sobald er den Bogen voll gespannt hatte, sprangen 3 Wölfe mit blutverschmierten Mäulern aus dem Gebüsch und direkt auf Fenrir zu. Heimdall stürmte nach vorn auf die Tiere zu und schaffte es einen mit seinem gewaltigen Hammer einen Satz nach hinten zu schlagen, wo er sofort von Mjölls mittlerweile perfektionierten Eiszaubern eingefroren wurde. Loki schnappte sich seine zwei Dolche aus Elbenholz, die trotz ihres Namens ziemlich scharfkantig waren, und sprang von oben in Fenrirs Nähe, um ihm beizustehen. Foenn zog ihr Schwert und stürtzte sich auf einen der 2 verbliebenen Wölfe. Doch schon während sie flog wurde sie von dem zweiten Wolf abgefangen und kam mit dem Kopf auf dem harten Boden auf. Der Wolf war über der hilflosen Foenn mit sabberndem Maul und Fresslust in den Augen. Der Wolf tat jedoch nichts um sein Verlangen zu stillen, er stand einfach nur über ihr und sah ihr in die geschlossenen Augen. Langsam kam Foenn wieder zu Bewusstsein und sobald der Wolf ihre feurigen Augen sah, setzte er zum Biss an. In der Zwischenzeit hatten sich Lokis Dolche in die Augen des verbliebenen Wolfs gebohrt, welcher vor Schmerzen aufschrie und nach wenigen Sekunden verstummte. Schon kam Heimdalls Hammer geradewegs auf den Wolf, der Foenn Angriff, zugeflogen und brach ihm die Hüfte und ein Hinterbein, was ihn aufjaulen ließ. Diese Möglichkeit benutzte Fenrir, um ihm einen Pfeil durchs Maul direkt ins Gehirn fliegen zu lassen. Sofort sprang auch Mjöll zu ihrer Zwillingsschwester hinunter, um nach dem Rechten zu sehen. Inzwischen war Foenn schon in einer für ihre Verletzungen angenehmen Position. Ihre Gliedmaßen waren dadurch, dass der Wolf auf ihnen mit ausgefahrenen Krallen stand ziemlich tief verkratzt. Mjöll versuchte die Schmerzen mit einem provisorischen Heilwurzelverband zu unterbinden. Plötzlich hörten sie ein Stöhnen aus dem Gebüsch, aus dem die Wölfe kamen.
Loki wagte es als erster nachzuschauen und sah einen halb zerfleischten aber offenbar noch am Leben seienden Mann von schmächtiger Statur. Mjöll versuchte ihm mit Heilzaubern zu helfen, doch die Blutungen waren zu fortgeschritten, um ihm auf dem Feld helfen zu können. Mit letzter Kraft murmelte er: As..tho...Feu..er...Tod...Zwer..ge..helf..en...
G.