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Prosa => Krimi


Mein Arizona Teil 5 - von Andrea, 24.02.2020
Weihnachtsabend

Am Abend des vierundzwanzigsten Dezembers saßen Thomas und Tom zusammen mit Miss Dubble an einem reichlich gedecktem Tisch.
Thomas hatte zwei fette Hennen am frühen Morgen schon geschlachtet. Nun lagen sie knusprig gebraten auf einem Teller.
Weihnachtliche Düfte zogen durchs Haus. Miss Dubble hatte Kekse gebacken und Zimt dabei verwendet. Dieses kostbare Weihnachtliche Gewürz hatte sie bei einem alten reisenden Händler gegen ein paar Flaschen eigen hergestellten Heidelbeerlikör eingetauscht.
Auch das frisch gebackene Weißbrot verteilte seinen Duft durch die Stube.
Sie beendeten gerade das Tischgebet, als es an der Tür klopfte.
Thomas zog die Augenbrauen hoch und stand vom Tisch auf.
„ Nanu. Wer kann das wohl sein? „ Tom schmunzelte. Gespannt sah er zur Tür.
„ Das muss der Weihnachtsmann sein, Pa !“ rief er erwartungsvoll.
Als Thomas öffnete, fiel gerade überhängender Schnee vom Dach auf den unerwarteten Gast.
Miss Dubble musste bei diesem Anblick lachen und meinte.
„ Ist wohl eher ein Schneemann, der uns da besucht.“
Der Fremde machte einen Schritt in die Stube. Als er sich den Schnee abschüttelte, kam eine rote Zipfelmütze zum Vorschein. Ein langer, weißer Bart verdeckte das halbe Gesicht, aus dem zwei Stahlblaue Augen über einer rot gefrorenen Nase blinzelten. Tom beobachtete strahlend, wie der große Mann seinen Umhang zu Recht rückte, hüstelte, und dann mit verstellter tiefer Stimme rief.
„ Ho ho ho. Fröhliche Weihnachten euch allen.“ Er musste sich unterm Bart kratzen, während er seinen Text sprach.
„ Aus Tombstone komme ich her geritten, draußen steht mein großer Schlitten.
Frohe Botschaft bringe ich euch Heut, die euch ganz bestimmt erfreut.“
Thomas stand lachend neben der Tür. Er reichte dem Weihnachtsmann seine Hand und begrüßte ihn.
„ Komm herein und wärme dich auf Santa Klaus, oder darf ich auch Joe Campbell zu dir sagen. Es ist wirklich eine gelungene Überraschung. Ich dachte du wärst noch auf Reisen.“
Der Bruder der verstorbenen Jenny Wolf zog sich als erstes den Bart vom Gesicht. Darunter kam ein dünn ausrasierter, blonder Schnurrbart zum Vorschein. Als er nun auch noch die Mütze abnahm fielen lange blonde Locken bis auf die Schulter herunter.
Er hatte das gleiche lachen wie seine Schwester. Überhaupt sah er ihr zum verwechseln ähnlich, was durch sein langes Haar noch mehr betont wurde. Er war schon vier Jahre nicht mehr auf Besuch gekommen, schrieb aber immer wieder Briefe, wie es ihm so ging. Nach dem frühen Tot seiner reichen Frau, die an Typhus verstarb, hielt ihn nichts mehr in Arizona. Er reiste durch die Staaten und lernte viele Menschen und Städte kennen. Doch als ihm eines Tages die Nachricht vom Tot seiner Schwester erreichte, machte sich Joe auf den Heimweg.
„ Mann, bin ich froh diesen Bart endlich los zu werden. Das Ding juckt fürchterlich. Lieber Tom, darf ich dir auch ohne weiße Haare im Gesicht ein kleines Geschenk überreichen?“
Er kramte mit seiner linken Hand in der Umhängetasche, bis er ein Päckchen daraus hervor zog.
Es war sehr hübsch in einem blauen Stück Stoff eingepackt, und mit einer gelben Schleife verziert.
Tom starrte das Geschenk mit leuchtenden Augen an. Unsicher sah er zu seinem Onkel auf und fragte.
„ Ist das für mich?“
„ Na, siehst du noch einen Jungen hier?“
„ Vielen Dank Onkel Joe. Es ist ja fast zu Schade zum Öffnen, weil es doch so schön verpackt ist.“
Auch Thomas staunte über das Geschenk und meinte.
„ Das hätte ich dir gar nicht zu getraut. Du bist doch sonst eher ungeschickt in Feinarbeit.“
Joe setzte sich mit an den Tisch und streckte die Kalt gewordenen Beine aus.
„ Ich hab es ja auch nicht eingewickelt, das war die Frau des Ladenbesitzers. Aber nun mach es endlich auf.“
Ganz vorsichtig öffnete er das Band und ein Messer kam zum Vorschein. Aus dem Lederetui ragte ein Elfenbeingriff indem der Name, Tom, eingearbeitet war. Tom zog es aus der Hülle und bestaunte die blinkende, polierte Klinge, auf der ebenfalls sein Name stand. Sprachlos hielt er es in seinen Händen und sagte leise.
„ So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen!“
„ Gefällt es dir also. Es ist ein edles Laguiole Messer aus Auvergne. Das liegt so viel ich weiß in Frankreich. Deinen Namen habe ich eingravieren lassen.“
Joe griff noch einmal in seine Tasche und holte eine Metalldose raus.
„ Das ist für sie, Miss Dubble. Es ist eine Rosencreme. Öffnen sie es doch einmal.“
Oda Dubble hob den Deckel der Dose an und schon roch sie den sanften Duft frischer Rosen.
„ Was mache ich damit?“ Fragte Oda, während sie den Wohlgeruch in sich aufnahm.
„ Benetzen sie den Finger mit der Creme und reiben sie sich an den Hals, wie beim Parfüm. Dann werden sie den ganzen Tag nach Rosen duften.“
Verlegen schloss Oda das Döschen und bedankte sich.
„ Gott möge sie beschützen Mister Campbell. Vielen Dank.“
„ So, nun zu dir Schwager. Ich habe in Tombstone von deinem Vorhaben erfahren. Ist es dir wirklich ernst mit der Reise nach Deutschland?“
„ Ja. Mein Endschluss steht fest. Hier gibt es nichts mehr was mich hält. Und für Tom ist es auch das Beste.“
„ Ich war bei Mister Akroyd. Es gibt einen Käufer für deine Ranch.“ Erstaunt blickte Thomas auf. So schnell hatte er nicht damit gerechnet.
„ Weißt du wer es ist. Kenne ich ihn?“
Joe lehnte sich lässig zurück. Er warf Zielsicher den Knochen der abgenagten Hähnchenkeule auf seinen Teller und leckte sich die Finger ab.
Tom fand das ganze amüsant, denn ein solches Benehmen am Tisch würde Vater bei ihm nie dulden.
Nachdem Joe seine Finger anschließend an seiner Weste abgewischt hatte sprach er mit zugekniffenem linken Auge.
„ Die Ranch soll in der Familie bleiben. Ich habe sie gekauft. Hier ist mein Scheck.“
Er schob Thomas ein gefaltetes Papier zu, das er seiner Tasche entnommen hatte. Thomas wusste darauf nichts zu sagen. Er starrte wie gelähmt auf den Scheck. Erst Joes Frage holte ihn aus seiner Starre.
„ Wenn dir der Preis nicht angenehm ist, müssen wir neu verhandeln. Ich will dieses Stückchen Land haben. Meine Schwester liegt hier begraben und ich war hier stets willkommen. Dieses Fleckchen Erde ist mir ans Herz gewachsen. Das wurde mir bei meiner Heimreise mit jeder Meile bewusster.“
Mit zittrigen Händen schlug Thomas den Scheck auseinander. Tom umklammerte sein neues Messer. In seinen Adern schien das Blut zu gefrieren. Er wagte kaum zu atmen. Tom hatte gehofft dass sich niemand ernsthaft für die Ranch interessieren würde. Dann müsste Vater seinen Plan vergessen, denn er brauchte den Erlös um die Reisekosten zu decken.
Seine Wangen liefen rot an, als Thomas aufblickte.
„ Das ist mehr, als ich zu wagen hoffte.“
„ Mein lieber Schwager. Um Geld brauche ich mir keine Gedanken zu machen. Nimm den Scheck. Reise nach Europa und werde glücklich. Das einzige was ich von dir erwarte ist ab und zu mal ein Brief, wie es dir und meinem Neffen geht. Und solltest du irgendwann einmal zurück wollen, dann sei dir gewiss, du bist jederzeit hier willkommen. Das gilt auch für dich Tom.“ Er zwinkerte dem Jungen aufmunternd zu und sah in seinem Gesicht, wie schockiert er plötzlich war.
Tom spürte einen dicken Kloß, der vom Magen hoch in seine Kehle stieg. Er hielt sich die Hand vorm Mund und rannte raus bis hinter die Stallung. Das ganze Abendessen kam ihm wieder hoch. Er stützte sich mit einer Hand an der Stallwand ab. Hinter ihm tauchte Joe auf einmal auf. Er klopfte ihm auf die Schulter und sagte.
„ Hey. Wird schon nicht so schlimm werden. Sieh es als ein Abenteuer. Mach es deinem Vater nicht so schwer.“
Tom wischte seine Tränen mit dem Hemdsärmel weg. Ohne aufzuschauen schluchzte er.
„ Und was ist mit mir? Ich will hier nicht fort. Ich liebe das Land, ich liebe Amerika. Aber das will Vater ja nicht verstehen. Obwohl es ihm selber einmal so ergangen ist. Ich hasse ihn.“
„ Das musst du nicht. Er braucht dich doch. Sieh mal, ich bin Jahre lang umhergezogen. Ich wollte weg von hier. Wollte alles vergessen, sogar meine Frau. Ich war wütend auf sie, weil sie so früh von mir gegangen war.--- Aber jetzt weiß ich, dass man nicht vor sich selbst davon laufen kann. Man muss sich seinem Leben stellen. Du bist noch jung. Erlebe die Welt und wenn du genug davon hast kommst du wieder. Ich bin immer für dich da.“ Er strich durch Toms Haar wobei er ihm aufmunternd zu lächelte.
„ Na komm schon. Mir ist kalt. Lass uns wieder rein gehen und das Fest noch etwas genießen.“

In dieser Nacht konnte Tom kaum schlafen. Hunderte Gedanken gingen ihm durch den Kopf und es wurde ihm immer mehr bewusst, dass Joe eigentlich Recht hatte. Vielleicht wird es ja wirklich ein Abenteuer. Er stellte sich vor, was er wohl alles erleben würde. Joe war nur durch Amerika gereist, und hatte schon so viel zu erzählen. Was würde er selber alles berichten können, wenn er erst wieder hier war. Schließlich geht meine Reise ja bis ins ferne Deutschland. Der dicke Willy aus der vierten Klasse wird dann vor Neid zerplatzen.
Aber lange bleibe ich nicht dort. Und wenn ich allein zurück reisen muss. Spätestens nach einem Jahr fahre ich wieder nach Hause. In meine Heimat Arizona.“
Mit diesen Gedanken holte ihn die Müdigkeit endlich ein und er fiel in einen tiefen Schlaf.




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