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Kitty, Kitty, Kitty - von frasdorf, 09.02.2005
Kitty war das, was man durchaus als eine Ausgeburt der Hölle bezeichnen konnte. Es gab, zumindest für ihre Begriffe oder die ihrer Opfer, keinen annähernd zutreffenderen Vergleich. Sie lebte in einem kleinen Dorf mit dreizehn Bauernhöfen und war unangefochten die Nummer Eins. Es war ein harter Kampf, dahin zu kommen, wo sie jetzt war, aber es hat sich gelohnt. Es gab nun mal kein geileres Gefühl als absolute Macht.
Kitty streunte Nacht für Nacht von Hof zu Hof und liebte es, ihre Terrorherrschaft immer wieder aufs Neue unter Beweis zu stellen. Sie suchte die Herausforderung und fand sie, zugegeben immer seltener, aber dafür um so dramatischer. Angefangen hat es mit ein paar Raufereien, die mitunter sogar noch freundlich und im Liebestaumel ihrer wilden Jugend ausgingen. Aber mit der Zeit entwickelte sich in ihrem Inneren ein Dämon, der Besessenheit von Macht suggerierte. Sie wurde zunehmend aggressiver und in ihrem Blick spiegelte sich der erste Anflug von Mordlust. Aber noch besser war: Je brutaler sie wurde und immer wieder als Sieger hervor ging, desto immuner wurde sie für Mitgefühl.
Sie vergaß nie ihren ersten Mord. Es war eine regnerische und stürmische Nacht und das war gut so. Denn nur in solchen Nächten trieben sich die wirklich harten Artgenossen durch die Gegend. Es war ein kurzer, aber gnadenloser Kampf. Ein Bursche, sie erfuhr seinen Namen Theodor erst Wochen später, hatte ihren Weg gekreuzt und das war absolut verboten. Keine Katze durfte das und alle wussten es. Diese und noch ein paar andere merkwürdige Regeln spiegelten ihren Wahnsinn wieder. Aber nun: Er hat die Regel missachtet und nun durfte er ihren Zorn spüren. Eine Vorliebe hatte sie lieben gelernt: Sie war immer darauf aus, zuerst die Augen ihrer Opfer auszukratzen. Das gab dem Machtgefühl noch das Sahnehäubchen der absoluten Überlegenheit. Aber genau so schnell, wie sie ihnen die Sicht nahm, raubte sie ihnen auch ihr Leben. Sie hatten jedes Recht darauf verwirkt.
Das war also Kittys Leben: Töten, um des Tötens Willen. Neben den Augen gab es noch weitere Knüller: Das Fell ausreißen, den Hals durchkratzen, damit ihre „Feinde“ langsam verbluteten, den Schwanz abbeißen oder auch die Füße abfressen. Nicht nur vor dem Blut und Fleisch machte sie keinen Halt, sie fing auch damit an, sich an kleinere Hunde heran zu wagen.
Thomas Burrow war in diesem Ort ein eher schüchterner kleiner Junge, der niemanden und nichts etwas zuleide tun konnte. Er liebte es, Blumen für seine Mutter zu pflücken und sie mit Gedichten zu überraschen. Seine Mitschüler in der dritten Klasse waren der Meinung, er sei nun wirklich das wahre Abbild eines Weicheis. Nun denn, es ergab sich an einem besonders schönen Spätsommerabend, das Thomas mit einem nur wirklich glücklichen Kindern vorbehaltenen unschuldigen Lächeln im Garten herumlief und von Kitty interessiert beobachtet wurde. Sie überlegte gerade, wie sie es wohl schaffen könnte, so ein Menschenkind zu erlegen, als sich ihr Blick traf. Thomas hielt inne und sein Lächeln schwand. Langsam ging er zurück ins Haus und bemerkte, das ihm die schwarze Katze folgte.
Kitty fiel auf, das ungewöhnlich viele andere Katzen ebenfalls vor Ort waren und dachte sich: „Na, die sind wohl darauf gespannt, ob ich den Schwanz vor so einem Kind einziehe. Ich werde sie eines Besseren belehren müssen.“
Sie trottete dem Jungen hinterher, durch die offene Terrassentür, nichtsahnend in Thomas` Falle: Ein Strick, den er an einem langen Stock um ihren Hals legte. Sie drehte schier durch und wehrte sich mit allen Mitteln, aber nach etwa einer Stunde lag sie erschöpft in der Kinderzimmerecke und beobachtete mit ungläubigem Blick ihr „Opfer“. Thomas war sich nun sicher, das die Katze keinen Ärger mehr machen würde und lächelte sie an.
„Ich glaube, ich werde später mal Tierarzt“ sagte er zu Kitty, während er vor ihr ein Täschchen öffnete mit nichts weiter darin als einem etwas größeren Küchenmesser und einer verrosteten Schere. Er nahm die Schere zur Hand, schnippte ein paar Mal und ein irrer Blick legte sich auf sein Gesicht, den sie nur all zu gut kannte: Macht.
Er beugte sich zu ihr hinüber, legte mit der Schere an ihrem Schwanz an und flüsterte leise: „Kitty, Kitty, Kitty.“
Das letzte, was Kitty sah, bevor Thomas ihre Augen bei lebendigem Leib herausoperierte, war eine ganze Ansammlung von Nachbarskatzen auf dem Fensterbrett vor Thomas Zimmer. Und ALLE hatten den gleichen Blick wie Thomas.



Christian Ertl
christianertl@gmx.de



©2005 by frasdorf. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

Kommentare


Von sunshishi
Am 03.01.2009 um 17:56 Uhr

Brrrrrrrr *grusel*

Das ist echt makaber - aber gut geschrieben. Gelegentlich hast du zwar ein paar Füllwörter zuviel, aber ansonsten wieder eine tolle Geschichte.

Gruß
SuShi





I laugh in the face of danger - then I hide till it goes away.

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Es gibt 1 Kommentar


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