Worte
An einem warmen Sommertag begibt sich ein junges Mädchen auf Wanderschaft.
Da kommt es bald an ein Haus, aus dem ein steter Hammerschlag dröhnt. Neugierig späht es durch ein offenes Fenster.
Dem Mädchen schlägt die Hitze der offenen Feuerstelle entgegen.
Vor einem Amboss steht ein Mann; mit einem Hammer bearbeitet er orangerot glühendes Metall.
"Bist du ein Schmied?", ruft das Mädchen über das Dröhnen der Hammerschläge hinweg.
Der Mann taucht das Metall in einen Bottich mit Wasser. Es dampft und zischt.
"Aye, Mädchen, das bin ich!", antwortet er mit stolzgeschwellter Brust. "Ich bin meines Zeichens Meisterschmied."
Das Mädchen staunt nicht schlecht als es das hört.
"Und was schmiedest du, dass du ein Meisterschmied bist?", fragt es dann.
"Worte. Ich schmiede Worte.", antwortet der Meisterschmied.
"Worte?", fragt das Mädchen und ist verwirrt.
Der Meister greift nach etwas, das neben dem Fenster an der Wand hängt.
"Aye, Worte. So spitz und scharf, das sie wie Messer geführt werden.", sagt er und reicht dem Mädchen eines.
Staunend betrachtet es die Klinge und den kunstvollen Griff.
"Bist du allein Mädchen?", fragt der Meisterschmied.
Das Mädchen nickt. "Ja, bin ich. Ich bin auf Wanderschaft.", antwortet es.
Der Meisterschmied nickt nachdenklich, dreht sich um und verlässt den Raum. Kurz darauf kommt er zurück und gibt dem Mädchen ein passendes Halfter für das scharfe Wort.
"Für mich?", fragt es überrascht.
"Aye! Ich wünsch dir zwar nicht, dass du es jemals benutzen musst, aber ich möchte das du dich notfalls verteidigen kannst.", antwortet er.
"Vielen lieben Dank Herr Meisterschmied!", bedankt sich das Mädchen strahlend, legt sich das Halfter um und verstaut das Wort darin.
"Nun denn, auf das deine Wanderschaft noch gut verlaufen möge.", wünscht dieser dem Mädchen, ehe er sich einem neuen Stück Metall zuwendet.
Summend und hopsend zieht das Mädchen weiter und durchquert dabei einen dichten, alten Wald.
Zwischen ein paar knorrigen, uralt wirkenden Ulmen, entdeckt es eine kleine Hütte, vor der ein Kessel vor sich hin brodelt.
Eine runzlige alte Frau kommt aus der der Hütte, wirft etwas schleimiges in den Kessel und rührt kräftig darin herum.
Neugierig tritt das Mädchen näher heran.
"Sei gegrüßt meine Kleine. Sag, was macht so ein zarte Ding wie du so tief im dunklen Wald?", fragt die Alte.
"Ich bin auf Wanderschaft.", antwortet das Mädchen schüchtern.
"Auf Wanderschaft, so so. Und ganz allein wie mir scheint.", sagt die Alte.
"Das bin ich.", bestätigt das Mädchen.
"Meine Kleine, siehst du das blaue Kraut da zwischen den alten Bäumen dort?", fragt die Alte und zeigt auf ein Büschel mit blauen Blättern.
Das Mädchen nickt.
"Sei so gut und hol mir was davon.Mein alter Rücken lässt, das nicht mehr zu.", bittet die alte Frau.
Sofort läuft das Mädchen los und holt ihr welches.
Die alte rupft ein paar der blauen Blätter ab und wirft sie in den Kessel.
"Was braust du da zusammen?", fragt das Mädchen neugierig.
"Worte. Ich braue Worte, so giftig, dass sie einen Menschen töten können.", antwortet die Alte.
Erschrocken weicht das Mädchen zurück.
Die runzlige Alte lacht knarzend.
"Hab keine Angst meine Kleine, ich werde dir keines dieser Worte geben.", beruhigt sie das Mädchen und greift in ihre Schürze.
Dann hält sie ihm eine kleine Glasphiole hin.
Zögernd tritt das Mädchen wieder näher.
"Nimm es nu`.Diese Worte töten nicht, sie versetzen einen nur in tiefen Schlaf, Als Dank für deine Hilfe.", fordert sie es auf.
Vorsichtig nimmt das Mädchen die Phiole an sich und verstaut sie in seinem Beutel.
"Vielen Dank.", sagt es.
Die Alte lacht wieder knarzend.
"Nichts zu danken. Nun geh schon, meine Kleine.", erwidert sie und kümmert sich wieder um ihren Kessel.
So nimmt das Mädchen seine wieder auf und verlässt den Wald.
Fröhlich hopst es über einen kleinen Bach, steigt saftige grüne Hügel erst hinauf, dann wieder hinab.
Irgendwann kommt es auf eine Wiese, die in voller Blüte steht un Bienen emsig von einer Blume zur nächsten schwirrten.
Dort trifft es auf einen Imker, der gerade einige Bienenstöcke aberntet.
Auch der Imker entdeckt das Mädchen.
"Warte kurz dort, sonst stechen sie dich!", warnt er es.
Als er fertig ist, geht er auf das Mädchen zu und nimmt seinen Imkerhut ab.
"Du imkerst also?", möchte das Mädchen wissen.
"Ich imkere, ja. Klebrig süße Worte.", antwortet der Imker.
Er füllt ein kleines Töpfchen mit den süßen Worten und reicht es dem Mädchen.
"Hier für dich. Ganz frisch geerntet. Ich hab noch mehr als genug davon.", sagt er mit einem warmen Lächeln.
"Wow! Vielen Dank!", bedankt sich das Mädchen aufrichtig.
"Bist du allein unterwegs?", fragt der Imker besorgt und sieht sich um.
Das Mädchen nickt.
"Dann solltest du in die Stadt. Es wird bald dunkel und dann ist es zu gefährlich draußen.", sagt der Imker.
Das Mädchen nickt. "In welcher Richtung liegt denn die Stadt?", fragt es dann verlegen.
Der Imker lacht.
"Warte, wir gehen zusammen, ich muss ebenfalls in die Stadt.", sagt und verstaut seine Sachen auf einen Handkarren.
"Na los, spring auf , Mädel. Für dich ist noch genug Platz.", fordert der Imker das Mädchen auf.
"Du bist sehr nett, Herr Imker.", meint es und klettert rauf.
Der Imker lacht:"Meine Verlobte ist sogar noch netter. Ich stell sie dir vor, sobald wir in der Stadt sind."
So ziehen beide über die holprige Straße in die Stadt, hinter der die Sonne gerade untergeht.
"So, da wären wir. Meine Verlobte freut sich sicher über deinen Besuch, Mädel.", sagt der Imker und läd das Mädchen in sein Haus ein.
Drinnen trifft es auf eine hübsche junge Frau, die summend an einem Webstuhl arbeitet.
"Da hast du aber ein niedliches Mädchen aufgegabelt.", flötet sie, ehe sie ihre Arbeit unterbricht und den Tisch für drei deckt,
Nach dem Abendessen bringt sie das Mädchen zu Bett.
"Webst du eigentlich gerne?", fragt es auf den Webstuhl deutend.
Die Weberin nickt stolz. "Die Worte die ich webe, machen die Leute glücklich.", antwortet sie. Nach einer geruhsamen Nacht und ausgiebigem Frühstück, verabschiedet sich das Mädchen. Eines der gewebten Worte um den Schultern, zieht es weiter, verlässt die Stadt, läuft über Wiesen und Felder. Überquert auch eine Schlucht.
Läuft immer weiter gerade aus bis es auf eine dunkle Höhle stößt.
Vorsichtig geht das Mädchen hinein.
Drinnen erleuchten bunte Kristalle die Höhlendecke.
Mit flauem Gefühl geht das Mädchen tiefer hinein und stößt auf einen riesigen Bären, fünfmal größer als das Mädchen selbst, der eine massive Tür bewacht.
"Ich hab so einen Hunger! Gib mir was zu Essen und ich öffne dir die Tür. Gibst du mir nichts fresse ich stattdessen dich!", brummte der Bär als er das Mädchen entdeckt.
Dieses reicht ihm den Topf mit den klebrigen Worten.Der Bär kippt ihm auf seine Pranke und leckt diese genüsslich ab.
Ohne das Mädchen eines weiteren Blickes zu würdigen, öffnet er die Tür.
Das Mädchen schlüpft flink hindurch und landet in einem Raum der vollgestopft mit Büchern ist. Auf einem großen Himmelbett liegt ein alter Greis, der das Mädchen finster anschaut.
"Geh weg! Ich versuche schon eine Ewigkeit einzuschlafen!"; bellt er das Mädchen förmlich an.
Dieses erinnert sich an das schlafbringende Wort, das die Alte ihr gegeben hat und reicht es an den Greis weiter,
Dieser leert die Phiole in einem Zug und deutet auf eine kleine Tür, durch die das Mädchen leise geht.
Auf der anderen Seite fröstelt es, da es plötzlich in einer Höhle aus reinem Eis steht.
Staunend sieht es sich um und bemerkt einen kleinen Jungen der viel zu dünn angezogen ist.
Als er es sieht, steht er auf und führt es zu einer weiteren Tür.
"Du musst schnell weiter, sonst erfrierst du.", sagt er.
"Und was ist mit dir", fragt das Mädchen besorgt.
"Ich kann nicht.", antwortet der Junge und öffnet die Tür.
Das Mädchen gibt ihm das gewebte Wort.
"So warm und weich!", staunt der Junge und hält das Mädchen zurück.
"Du darfst ihm nicht vertrauen, sonst kommst du nie wieder zurück.", warnt er es eindringlich, ehe er es gehen lässt.
Vorsichtig betritt das Mädchen den nächsten Raum, viel mehr eine finstere Höhle deren einzige Lichtquelle von etwas wirklich riesigem verdeckt wird. Einem schwarzen Wolf, viel größer als der Bär zuvor.
Gierig starrt er das Mädchen an.
"Lass mich frei! Ich verspreche, ich lass dich dafür durch! Diese Worte halten mich gefangen! Fesseln mich!", knurrt er.
Misstrauisch nimmt das Mädchen das scharf geschmiedete Wort zur Hand.
"Und du frisst mich auch ganz sicher nicht?", will es wissen.
"Versprochen!", drängt der Wolf.
Also zerschneidet das Mädchen die fesselnden Worte.
Der Wolf schüttelt sich, räumt den Weg, stürzt sich auf das Mädchen und mitten in das scharfe Wort.
"Betrügerin!"; jault er.
"Nein, du wolltest mich betrügen!", erwiderte das Mädchen und rennt an dem sterbenden Wolf vorbei, ins Licht.
Das Mädchen wacht im Komatrack eines Krankenhauses auf.
Es sieht seine Eltern und flüstert: "Ich bin zurück."
*Keep the words alive
And this mad world loving*
Von Andrea
Am 07.01.2019 um 18:07 Uhr