Hier geht's zur offiziellen Homepage / BuchdownloadEXSOLUTIO - PART 3 / Ende 20Die Schüsse hallten durch die Straße. Riley Manston überlegte keinen Augenblick. Die restlichen Kollegen mussten es gehört haben. Er prägte sich die Richtung der Geräuschquelle ein und sprintete durch die an ein Schachbrett erinnernden Seitengassen.
Die Splitter der Holzkiste verfehlten nur knapp Ciaras Augen. Sie war im letzten Moment in eine kleine Nische gehechtet.
Sie war dunkler als die restliche Halle und warf einen Schatten, der ihr zumindest für kurze Zeit das Gefühl von Sicherheit gab. Schmunzelnd warf Crop das leere Magazin auf den Boden. Der Aufschlag schallte durch den kalten Lagerraum.
„Diese Dinger werden eh überschätzt“, resümierte er seufzend.
21Die Dunkelheit verschlang nicht nur das grausam erscheinende Szenario, sie verschlang auch Gestik und Mimik des Psychopathen, was Ciara auf seltsame Weise zumindest einen Anflug von neuem Mut bescherte.
Dieser Typ hatte die Waffe sorglos weggeschleudert, ganz als wollte er es genüsslich selbst zu Ende bringen.
Ciaras Brustkorb hob und senkte sich zwar immer noch hektisch, doch war er, verglichen mit dem Sprint in die Lagerhalle, tatsächlich ruhiger geworden. Zu dem Gefühl des aufkeimenden Mutes mischte sich ihr Trotz, den dieser Mann durch sein todbringendes Versteck und Fangenspiel buchstäblich provoziert hatte. Es blieben ihr nur noch wenige Sekunden, sie hörte wie sich die Schritte vorsichtig und trotzdem sicher näherten. Ciara versuchte ihre Chancen abzuwägen. Sie war immer Realistin gewesen obgleich von vielen sogar als Pessimistin abgestempelt. Unbewaffnet könnte sie ihren Verfolger kaum zu Boden strecken, sie musste ihn ablenken und dann erneut die Flucht ergreifen.
Ein großer Berg von Schutt und Trinkdosen krachte laut zusammen, ganz unmittelbar in ihrer Nähe. Begleitet wurde der Fehltritt des Mannes durch einen wütenden Fluch. Ein Plan wäre sinnlos gewesen. Impulsartig warf sie einen Blick aus ihrer Deckung in die Dunkelheit, fixierte die Gestalt und warf sich dann mit aller Kraft gegen einen hochgetürmten Stapel aus Holzkisten. Für einen Moment dachte sie lediglich erreicht zu haben, dass sie nun endgültig ihre Position verraten hatte.
Doch dann hörte sie das knarren und krachen von Holz. Der Turm kippte und schlug krachend und gewaltig auf die dunkle Silhouette des Angreifers, die völlig überrascht und schutzlos scheinbar völlig unter den Trümmern begraben wurde.
Erst jetzt verspürte Ciara den heißen Stich an ihrer rechten Schulter. Sie musste sich am rauen Holz, einem Splitter, oder einem rostigen, herausragenden Nagel den Oberarm aufgeschnitten haben. Als sie mit dem Finger die Wunde ertastete, sackte sie für eine Sekunde auf dem Boden zusammen. Nach einigen kontrollierten Luftzügen erhob sie sich wieder und erblickte den schwachen Lichteinfall am Ende des Raumes, von wo aus sie in diese grässliche Halle eingestiegen sein musste.
Weil der durchnässte, bestapelte und absolut dunkle Fußboden eh keine Anhaltspunkte gegeben hätte, wie sie den besten Weg zum Fenster gefunden hätte, warf sie ihr Gewicht nach vorne und stolperte auf direktem Wege voran.
Nur noch wenige Schritte, dann hätte das alles hier ein Ende. Es hatte bis jetzt gebraucht, da sie zum ersten Mal ihre Feuchten Wangen und die Tränen bemerkte, die nun erneut über ihr Gesicht schossen.
Die Polizei musste sofort hierher, das wusste sie, außerdem brauchte sie dringend einen Arzt. All die Gedanken, die ihr durch den Kopf schossen hatten sie völlig vereinnahmt, so dass sie lange Zeit brauchte, um zu realisieren, was sie nun an ihrem Fußgelenk spürte. Viel zu lange. Die Hand hatte sie gepackt und festgehalten. Ciara Havering machte keine Anstalten sich erneut zu wehren. Völlig entkräftet gab sie nach, ein Ruck durchfuhr ihren Körper und sie schlug mit dem Gesicht zuerst auf den unebenen Untergrund.
22Das geöffnete Fenster im Hinterhof hatte Riley kaum beachtet. Er lief noch wenige Schritte, bis ihm eine Sackgasse den weiteren Weg versperrte. „Verdammt nochmal!“ keuchte er atemlos. Hatte er sich verlaufen? Es schien ihm kaum möglich, er war sich sicher die Schüsse hier gehört zu haben, aber da war nichts. Nichts außer einem ovalen Hinterhof, der durch die hochragenden, alten Hochhäuser eingeschlossen und abgeschirmt wurde.
Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn herumwirbeln. Das etwa mannshohe Tor eines Drahtzaunes schlug zu. Vermutlich der Wind, dachte sich Riley, der sich dennoch prüfend dem kleinen eingeschlossenen Grundstück näherte. Das Tor war gerade breit genug um Lieferungen eines typischen Kleintransporters entgegennehmen und verstauen zu können, wobei solche Zeiten lange vorbei sein musste, wie Riley an dessen klapprigen und verlassenen Zustand schlussfolgerte.
Der Hof war eng bemessen und zugestellt mit Abfall und durch alte Zeitungen, Flyer und Plastik verschmutzt.
Das rote, auffällig flache Backsteingebäude, welches sich nur noch gerade aus den Abfallbergen hervorhob, schien ebenfalls kurz vor dem Zerfall. Ein Wimmern lies seinen Blick ruckartig zu dem Fenster fahren, das zur Hinterhofseite zeigte und, wie er jetzt erkannte, weit geöffnet war. Riley hatte genügend Zeit verloren: Er trat das Tor auf, das prompt aus den Angeln flog und scheppernd zu Boden krachte. Mit seiner Taschenlampe und Pistole bewaffnet hechtete er zum Fenster und sprang ins finstere Schwarz. Der Lichtpegel der Lampe suchte hektisch den Boden ab, bis der die Herkunft des Keuchens ausgemacht hatte. Teilweise unter Müll und Kartons vergraben und eingeklemmt lag eine Frau mit blutverschmiertem Gesicht. Ihr Arm war unnatürlich verbogen und ihr dicker Wollpullover rotbräunlich verfärbt. „Hier“, keuchte sie, obwohl Riley sie längst gesehen hatte. „Er ist weg…hören sie?“ . Nach wenigen Schritten war er bei ihr. Ihre letzten Worte glichen einem erstickten Flüstern: „Sie müssen ihn finden, sonst…“. Der Strahler Rileys Taschenlampe leuchtete auf ihr von Rissen und Kratzern durchzogenes Gesicht und ließ es noch unnatürlich blasser erscheinen. „Sonst was, Madam?“ fuhr er energisch dazwischen. Doch die eintretende Bewusstlosigkeit war schneller, als ihre letzten Worte.
23Fiebrig glitt der Leuchtkegel über die Trümmerlandschaft von Dosen, Müll und anderen Behältern. Wo konnte er hin sein?
An einer Vertiefung hielt seine Taschenlampe inne. Sie war nicht weit weg von der Frau, die nun bewusstlos da lag.
Etwas musste dort gestanden oder gelegen haben, anders war die Druckstelle im sonst so willkürlich verteilten Krempel kaum zu erklären. Vorsichtig wie auf Scherben tastete sich Riley zu der Stelle, um sie genauer zu untersuchen.
Ein Haus weiter kauerte der Mann in einer dunklen Nische
Er hatte den Verlust bemerkt. Und ihn verflucht.
Geriete dies in die falschen Hände, hätte er einen Fehler gemacht, der er sich selbst nicht verzeihen könnte, was nur eine Konsequenz zur Folge hatte: Er musste noch einmal rein. Ob die Frau noch lebte, wusste er nicht, aber er vermutete es, da das Messer kaum tief eindringen konnte, das hatte er gespürt.
24Der Abdruck ließ keinen Zweifel. Fast wie er früher, in Kindertagen, seinen eigenen Abdruck im Schnee machte und bestaunte, zeichneten sich die menschlichen Extremitäten im Müllsumpf ab. Riley war sofort klar: Hier hatte er gelegen.
Vorsichtig leuchtete er die zerdrückten Behälter ab und wühlte sich durch Erde und Schimmel, dessen beißernder Duft ihm erst jetzt in der Nase stieg.
Ein vibrieren ließ ihn zusammenschrecken. Die Blechdose zu seiner Rechten schimmerte kurz grünlich, verschwand erneut in der Dunkelheit, um dann wieder grün zu leuchten. Riley brauchte kurz, um zu begreifen.
Umso energischer angelte er nach dem Mobiltelefon, als er es begriff.
25Wo blieben die verdammten Kollegen?
Riley bemerkte das leichte Zittern in seiner rechten Hand, als er die Textnachricht öffnete, die das klobig wirkende Gerät soeben empfangen hatte.
„Was in GOTTES Namen tust du?“, war alles was er las, kein Absender, keine Nummer.
Er runzelte die Stirn und zögerte, ehe er den Posteingang öffnete, wo er auf nur eine weitere Nachricht stieß:
„ Offb.8,8. Tu das Nötige. Er ist mit dir.“.
„Was zur ?!“, fuhr es aus Riley.
Die Nachricht war in der vergangenen Nacht abgeschickt worden, das verriet im die letzte Zeile.
Letzte Nacht. Tu das Nötige.
Riley nahm die Ratte, welche sich an seinem linken Fuß festzubeißen schien, nicht wahr.
Er hätte auch barfuß auf Glut oder Scherben stehen können, in diesem Moment hätte es keinen Unterschied gemacht.
Blitzschnell zückte er sein eigenes Telefon, rief im Personenregister die Nummer von „ Essendon, Brad“ auf und drückte auf den Hörer.
„ Ja?“, ein Knacken unterbrach den Wählton.
„ Brad! Riley hier. Ich brauche deine Hilfe.“
Brad Essendon hatte eine geisteswissenschaftliche Ausbildung genossen und unterrichtete an einer Privatuniversität am Stadtrand.
„ Schieß los.“. Riley hatte schon immer seine direkte Art zu schätzen gewusst.
„ Du wirst eine Bibel brauchen. Offenbarung, Kapitel 8, Vers 8.“.
Riley hörte, wie der Hörer zur Seite gelegt wurde. Die Stille schien unendlich. Erst jetzt bemerkte er die Ratte, die sich langsam am Hosenbein hocharbeitete und wimmelte sie angewidert ab.
„ Rile? Ich hab’s. Ich beginn noch einen Vers früher, hör zu:“. Zeile für Zeile las er den Vers ruhig vor:
„
Und der erste Engel posaunte: und es ward ein Hagel und Feuer, mit Blut gemengt, und fiel auf die Erde; und der dritte Teil der Bäume verbrannte, und alles grüne Gras verbrannte. Und der andere Engel posaunte: und es fuhr wie ein großer Berg mit Feuer brennend ins Meer; und der dritte Teil des Meeres ward Blut und der dritte Teil der lebendigen Kreaturen im Meer starben, und der dritte Teil der Schiffe wurden verderbt.
Und der dritte Engel posaunte: und es fiel ein großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine Fackel und fiel auf den dritten Teil der Wasserströme und über die Wasserbrunnen“
Eine Reaktion blieb aus.
„Ich habe noch zwei weitere Verse vorgelesen, ich denke es ergibt nur so Sinn“, erklärte Essendon.
Riley Manstons Gesichtsfarbe nahm mit jedem Wort ab. Ihm schien der eh schon wacklige Boden unter den Füßen zu entgleiten.
„ Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Brad Essendons leicht verzerrte Stimme durch den Hörer.
Riley ignorierte diese Frage. „ Brad. Hast du von dem Mord gestern gehört? Der in der NASA Station.“, seine Worte stockten merklich.
„Na klar.“, entgegnete Brad, offenbar verwundert den plötzlichen Themenwechsel.
„Hier ist irgendwas großes im Gange“, entglitt es dem Berufspolizisten, der ohne auf eine Antwort zu warten unverständliche Dinge murmelte. „ Wie“, Riley atmete aus. „Wie hieß der Mann, der geflüchtet ist? Der aus der NASA-Station, du weißt schon, der 1.Mord“.
Brad Essendon dachte für einen Moment nach.
„ Crop glaube ich. Howard.“, antwortete er zögerlich.
Auf Rileys Reaktion wartete er vergeblich:
Der Schatten, der sich seit geraumer Zeit hinter diesem aufgebaut hatte, hatte ein Messer gezückt, das nun ganz ruhig und sauber in Manstons Rücken gefahren war.
26Tot.
Die Leitung war unterbrochen.
Brad verspürte Unbehagen.
Was war da bloß los gewesen?
Er ließ sich in seinen Sessel fallen und starrte auf die Bibelzeilen.
Es war eine alte Fassung des christlichen Buches, separiert in zwei eigenständige Bücher; das alte und das neue Testament.
„
und es fuhr wie ein großer Berg mit Feuer brennend ins Meer; und der dritte Teil des Meeres ward Blut und der dritte Teil der lebendigen Kreaturen im Meer starben“.
Ein Mord in der National Aeronautics and Space Administration, ausgerechnet dort. Wieso hatte sein sonst so abgeklärter und lockerer Freund so energisch genau danach gefragt?
„
und es fiel ein großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine Fackel und fiel auf den dritten Teil der Wasserströme und über die Wasserbrunnen“ .
Brad spürte, wie sich die Schweißperlen auf seinem Gesicht bildeten.
Was hatte Riley in einem Nebensatz erwähnt? „
Der 1.Mord..“
Dass am Morgen ein Mann auf offener Straße, mitten in Washington, im Stile einer Hinrichtung erschossen wurde, hatte er gehört.
„
Hier ist irgendwas Großes im Gange…“
Was, wenn die Tatsache, dass Riley nicht mehr antwortete einen Grund hatte? Einen Grund in Form eines Howard Crop, eines durchgedrehten Mörders?
Die Morde, die NASA, die Bibelverse. Seine Halsschlagader pochte, einen klaren Gedanken zu fassen schien ihm unmöglich. Seine Schlussfolgerungen überschlugen sich.
Ein nervöses Zucken durchfuhr ihn. Er griff nach dem Telefon, riss dabei unachtsam Unterlagen und ein Bild seiner Tochter Amy zu Boden und drückte die eigens gespeicherte Notruftaste.
27Der heiße Schmerz neben dem rechten Schulterblatt hatte nachgelassen. Riley wusste nicht, ob das Messer nicht mehr in ihm steckte oder ob sein Adrenalin nur das Stechen verdrängte.
Eine unheilvolle Stille lag im Raum, es schien als dachte der Angreifer nicht einmal daran, ein Wort mit dem Opfer zu wechseln. Eng zusammen standen sie dort im dunklen, so eng, dass Riley den heißen Atem spüren konnte, der in sein Ohr drang. Dann wieder nichts. Die Situation erschien absurd.
Wo blieben seine verdammten Kollegen, das war alles, was Riley durch den Kopf schoss.
Dann durchbrach er das Schweigen:
„Mr. Crop, wieso tun sie das?“
Ein heißer Schmerz durchfuhr seine linke Schulter. Es fühlte sich an, als würde sie wie ein Laib Brot abreißen.
Aufschreiend fiel Riley zu Boden, er spürte einen bitteren Blutgeschmack als er Aufschlug.
Das Messer war noch in ihm gewesen.
Der Schatten machte keine Anstalten, sich zu bewegen.
„ Wenn sie es mir nicht sagen wollen…“, japste Riley bemüht. Doch er wurde unterbrochen.
Mit einer Inbrunst, die ihn zusammenfahren ließ, brüllte Howard Crop in die Lagerhalle.
Es war Wut, reiner Hass.
„ Warum ich das tue? Ich sag es dir!“, bellte er unkontrolliert.
„ Weil Gott es so will! Die Erlösung ist nahe!“.
Riley Manston kroch stöhnend zu einer Kiste.
„ Sehen sie diese Menschen an!“, seine Stimme zitterte vor Abscheu. Verachtend spuckte er in die Richtung, in der Riley das weibliche Opfer liegen vermutete, was ihm einen weiteren Stich versetzte.
„ Sündiger. Alle!
Sie , DU, alle, die in diesem Moment an diesem dreckigen Hof vorbei über die Straßen schlendern.“
Wie in Rage gestikulierten seine Arme wild umher, er schien die bizarre Situation, in welcher er sich befand, vergessen zu haben.
„ Der allmächtige hat es uns gesagt. Du sollst nicht lügen, stehlen oder töten. Und was tut dieser Abschaum da draußen? Diese Menschen?“, Crop holte tief Luft. „Sie sündigen. Jeden Tag. Die Offenbarung hat es uns prophezeit; wenn wir Gottes Regeln nicht einhalten, wird er unsere Existenz vernichten. Und genau das wird passieren, in wenigen Wochen, und ich zähle die Tage!“.
Riley hatte ein Stück seiner Fassung zurückgewonnen. Während er sich mit einer Hand abstützte, versuchte er mit einem alten Stück Papier, vermutlich einer Zeitung, seine Blutung zu stillen.
„ Und genau das haben sie gesehen. Gestern beim Forschen im Hochsicherheitstrakt. Ein Meteorit.
Und damit ihr Kollege nichts bemerkt haben sie ihn umgebracht.“, röchelte er erschöpft.
„Er hätte die Bedeutung nicht verstanden. Es musste sein. Endlich ist es wahr geworden.“, Crop hob die Hände verzückt gen Himmel.
„Früher oder später hätten es andere bemerkt. Russen, Europäer.“, warf Riley ein.
„ Aber erst zu spät.“, Howard Crop klang vergnügt. „ Ein Meteor von dieser Größe.. unsere Warnsysteme sind nicht nur mindestens doppelt so teuer, nein, sie sind auch doppelt so effektiv. Nur eine sofortige Reaktion könnte Gottes Werk verpfuschen. Wie es Menschenhand schon so oft getan hat.“, Wut schien erneut in ihm aufzukochen.
„Wir, unsere kleine Gemeinde, hat sich nichts vorzuwerfen.“, fuhr er ungefragt fort. „Wir erwarten Gottes Willen mit Freude, uns winkt die Erlösung, ihr werdet in der Hölle schmoren.“, es folgte ein glucksender Ausdruck von Freude und Zorn, der in einem scheppernden, unkontrollierten Lachen endete.
Eine Pause trat ein. Riley meinte Schritte zu hören, doch vielleicht erhoffte er sie auch nur.
Er musste diesen Typen hier irgendwie halten, das hatte er schon früh gelernt und diese polizeiliche Lehre drang trotz aller Schmerzen noch immer durch.
„ Sie haben sich nichts vorzuwerfen? Sie haben heute ein halbes Dutzend Menschen umgebracht. Scheinbar konnten sie die Sache nicht im Keim ersticken…“, Riley spuckte ächzend Blut.
Der Mann über ihm schnaubte. Mit einem Schritt war er bei ihm und trat ihm mehrfach in die Rippen.
„Sie wagen es“, er machte die Stelle des Einstiches ausfindig und bugsierte seine Tritte möglichst dorthin, „an meiner Gottestreue zu zweifeln?“.
Riley erblindete vor Schmerz. Er wollte, dass es nur noch vorbeigeht. Jeder Tritt erschütterte ihn ihm Mark.
Doch Crop dachte nicht an aufhören. Riley dachte ein lautes knirschen zu hören und schrie auf.
„ Alle diese Morde waren
für ihn. Um seine Mission zu unterstützen. Dieser alte in Forestville hat uns bei einer Sitzung belauscht. Er wollte es verraten, doch das durfte er nicht. Leider hatte er die Nachricht früh genug weitergegeben, genau so wie die Anderen. So musste ich ihnen folgen und es beenden. Bis hier hin.“
Erst jetzt ließ er von Riley Manston ab, der zusammengezogen und regungslos auf dem Boden kauerte.
„Es hat fast ein bisschen Spaß gemacht.“, lächelte Howard Crop und starrte träumerisch in das Nichts.
Da war sie wieder. Eine Stille, die alles aufzusaugen schien. Jegliche Regung.
Als die Tür aufflog und gleißend helles Licht den Raum durchströmte, blickte er auf.
„Metropolitan Police Department, ein SWAT Team steht am Südausgang bereit. Machen sie keine Anstalten zu fliehen, sonst werden wir schießen.“, kommandierte eine kräftige, verrauchte Stimme.
Riley erbrachte alle Anstrengung um seinen Kopf nach oben zu richten.
Er sah, wie Crop, dessen Gesicht er durch das nun einfallende Licht sofort wiedererkannte, zurückwich.
„ Nein. So wird es nicht enden.“, flüsterte er.
Erneut verstummten alle Geräusche. Ein Rascheln im hinteren Wartungsbereich der Halle war alles, was die Lautlosigkeit durchschnitt. Die Polizei musste gerade die Situation abschätzen.
„Ich werde die Erlösung finden, ganz egal auf welchem Weg.“, wisperte Crop.
Er schien ins Wanken zu geraten und stolperte ein paar Schritte Rückwärts.
Mit Taschenlampen stürmten vier gepanzerte Männer die Lagerhalle.
Der ehemalige NASA-Forscher erhob er sein Messer und rammte es sich in den Brustkorb.
„Ich gehe nur schon einmal vor.“, keuchte er, bevor er zusammenbrach.
28„Holt die Sanitäter. Wir haben hier mindestens drei Verletzte!“, rief ein maskierter Polizist mit gezückter MP5 harsch zum Ausgang.
Riley nahm seine Umwelt nur noch schwer wahr.
Als sich ein Streifenpolizist mit einem Mediziner neben ihm zu Boden ließ, klang dessen „Sir, verstehen sie mich?“ seltsam dumpf, fast als befänden sie sich unter Wasser.
Ob es Erleichterung oder Schmerz war, der ihn nun übermannte, wusste er nicht.
Alles, was er kurze Zeit später wusste, war wie ein Krankenwagen von innen aussah, denn dort erwachte er nach wenigen Augenblicken.
Ein hochgeschossener, blasser Mann mit Sanitätskreuz spritzte ihm gerade irgendein Mittel.
Sein Blick schien noch verschwommen und verzögert, dennoch fand er, wonach er Ausschau hielt.
Auf einer kleinen Bank längst neben dem Krankenbett, mit dem Rücken zur Wagenwand, saß ein Officer, der ihn mit wachen Augen musterte.
Das gespritzte Beruhigungsmittel tat sein bestes. Riley brauchte eine Weile, bis er dem Gesicht des Mannes einen Namen zuordnen konnte. Neben ihm saß der Chief Executive Aaron Webber, ein Mann Mitte Fünfzig mit grauem aber vollem Haar, das militärisch streng auf wenige Millimeter gekürzt war. Webber war im Polizistenjargon nur als der große Boss der Stadtzentrale von Washington bekannt. Riley erinnerte sich.
Dann durchfuhr ihn die Erkenntnis, dass wohlmöglich niemand etwas wusste.
Er durfte nicht erneut dem gespritzten Mittel verfallen, vorher musste er Howard Crops Geheimnis lüften.
„Sir?“, keuchte Riley mit Darbietung all seiner Willenskraft.
Webber, der den Patienten aufmerksam beobachtet hatte, blickte zwar leicht verwundert auf, aber beugte sich umgehend nach vorne, um Riley Manstons Worte trotz des Motorenlärms verstehen zu können.
„ Sir… Sie müssen von Howard Crops Motivation wissen. Sie müssen es der NASA melden.“, ein Schub überkam Riley und er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
Zu seiner Überraschung musste er sich nicht weiter bemühen.
Mit fester Stimme sprach Webber. „Wir wissen es bereits. Ihr Freund und Kollege Essendon hat uns bereits informiert.
Zwar musste er zweimal durchrufen, da die erste Mitarbeiterin seine Aussagen für einen geschmacklosen Witz gehalten hatte und das Telefonat sofort beendete, aber der Zweite hat den Notruf komplett aufgenommen und weitergeleitet.“
Riley stöhnte auf.
Wie zur Beruhigung fuhr Webber beschwichtigend fort: „ Die Stadt Washington prüft bereits alles. Im Notfall wird sie alles an die Regierung weitergeben.“
Der Krankenwagen schoss über eine Kreuzung. Für einen Moment lauschte Riley der heulenden Sirene.
„ Er wollte es durch die Morde vertuschen“, hustete er schwach.
„ Aber da hatte er seine Rechnung ohne sie gemacht“, strahlte Webber nun, dessen Brust vor Stolz anschwoll. „Glauben sie mir, wenn sie hier raus sind, werden sie sich bei mir vorstellen. Downtown. Ein hübsches Büro erwartet sie bereits.“
Riley Manstons Mundwinkel deuteten ein Lächeln an.
Dann kehrten die Kopfschmerzen zurück. Intervallartig, wie eine hämmernde Keule, schlugen sie auf seinen Kopf.
Schmerzverzerrt musste er an die Tritte denken, die Howard Crop in seinem Wahn gegen sein Rippen gerichtet hatte. Erst jetzt sah er, dass der Bereich seines Oberkörpers bandagiert war.
Er wollte sich der süßen Narkose hingeben, die den Schmerz irgendwie vergessen machen würde.
Doch eines brannte ihm noch auf der Zunge: „ Wie geht es der Frau?“, flüsterte Riley beinahe.
Webber nickte nur zufrieden.
„Sie kommt in dasselbe Krankenhaus wie sie. Keine Sorge, sie werden sich noch kennen lernen.“.
Dann gewann die Taubheit, die unendliche Leere und Finsternis erneut die Kontrolle über seinen entkräfteten Körper.
29Die knappen Daten begleitet von zahlreichen Informationen bekam Riley eines Morgens per Post.
Ein großer „Vertraulich“ Stempel zierte den Umschlag. Statt des üblichen Absenders schmückte das Symbol der Stadt Washington das rechteckige Weiß.
Nur ein distinguierter Kreis an Fachleuten und Regierungsmitgliedern durfte es erfahren.
Riley Manston wurde durch ein vom Gouverneur mitinitiiertes Verfahren der Zugang zu den Daten gestattet worden.
Offiziell war der unbemannte Shuttle zu Testzwecken in den Weltraum gestartet. Sie sei die erste Rakete, die allein durch Computerprogrammierung die eigentliche Basisstation in 400 km Höhe versorgen sollte.
Später, so sagte es der Brief, würde sie wegen Komplikationen von der bestimmten Route abweichen und im All verschwinden. Zur Folge habe dies eine Kollision mit einem Meteoriten von bisher unbekannter Größe.
Die Fußzeile enthielt Berechnungen der hochgeschätzten Washington State University, die beim richtigen Einschlagswinkel ein fast sauberes Ausweichen der einzelnen Gesteinsbrocken prognostizierte.
Lediglich ein Teil von der Größe eines mitteklasse Wagens sei auf Kollisionskurs.
Hielte es die Geschwindigkeit würde es aber ohne Komplikationen im Pazifik einschlagen.
Riley Manston faltete den Brief, und blickte aus seiner neu bezogenen Stadtwohnung hinab auf die belebten Straßen Washingtons.
Die Sonne glänzte und reflektierte sich auf den noch nassen Straßen. Ein Windzug brachte die majestätisch aufragenden Bäume des Stadtparks zum rascheln und eine Schaar von Vögeln flog soeben wild schnatternd an seinem Fenster vorbei durch die langsam aufreißenden Wolken in den hellen Samstagmorgen Himmel.
Sein Oberkörper schmerzte noch immer bei jeglicher Bewegung.
Dennoch verspürte er nicht mehr den Schmerz des Leids oder der Hoffnungslosigkeit.
Er sah es als vielmehr als Zeichen der Regeneration
Unter Stichen und wilden Protesten seiner zusammenwachsenden Knochen begann Riley Manston zu lachen.
30Allein die Tatsache, dass es den kleinen Buchladen um die Ecke noch gibt, zu welchem sie regelmäßig gehen, um ihren Lesedurst stillen zu können, ist das Geschenk dieser Personen. Wir alle stehen in ihrer Schuld: ...
Er hatte zurück zum Vorwort geblättert. Eigentlich gefiel es ihm immer noch nicht.
Fast ein wenig trotzig ignorierte er es. Seine Edelstahlfüller prüfte die letzte Zeile „wir alle stehen in ihrer Schuld:“, murmelte er. Dann setze er das Schreibgerät an und vollendete : „ Jonathan Morten, Cooper Goodrick, Peter Salford, Joe Bright, Ciara Havering & Riley Manston.“
Sich selbst wollte er nicht nennen, das schien im abwegig.
Er erhob sich von seinem schweren Sessel, klappte das Buch zu und legte es auf den Schreibtisch.
Amy lachte ihn aus dem silbernen Bilderrahmen an als er nach dem Telefon griff.
Die Nummer von Rile hatte er mittlerweile als Favoriten abgelegt, nachdem dieser ihn eines Abends zwinkernd beauftragt hatte, für ihn ein Buch zu schreiben. „Ich bin
Geisteswissenschaftler, kein Autor“, versuchte er sich zu wehren. Ohne Erfolg.
Das Rufzeichen wurde unterbrochen.
„Bei Manston.“, meldete sich eine Frauenstimme.
„ Hi Ciara.“, begrüßte Brad Rileys Freundin.
„ Ich wollte Rile nur kurz ausrichten, dass ich sein Meisterwerk vollendet habe.“.
Eine gewisse Ironie in seiner Stimme entging auch Ciara nicht, die lachend erklärte, Riley sei gegen Abend zurück.
„ Komm doch auf ein Glas Wein vorbei, der gestresste Neu -Deputy Chief würde sich bestimmt freuen.“.
„ Gerne.“, entgegnete Brad Essendon vergnügt.
Während er sprach drehte Brad abwesend einen beinahe runden Stein in seiner Hand.
Er glänzte fast unnatürlich und war auffällig rau und scharfkantig. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
„ Dann sehen wir uns um Sieben.“
Er beendete das Gespräch und verließ das Zimmer. Zurück blieb nur der alte, klobige Holzschreibtisch, der hoffnungslos überquoll.
Neben Stiften, Magazinen, einem Berg Abfall diversester Lebensmittel, unzähligen Papierknäueln und einem Lateinwörterbuch, lag am Rand des Schreibtisches ein erster Deckblattentwurf.
Auf schwarzem Hintergrund stand es in großen Buchstaben:
Exsolutio.------------
Das war er.
Mein erster, größerer Versuch, meine Gedanken schriftlich festzuhalten – und das möglichst ohne hohen Einschlaffaktor.
Letztlich hat mich genau dieser kurzzeitig selbst getroffen, weswegen ich rückblickend (vielleicht auch nicht ganz ohne Stolz) doch tatsächlich von einer beinahe halbjährigen Produktionszeit und mehr als 10.000 getippten Worten sprechen darf.
Ich persönlich hoffe, dass der ein oder andere seinen Spaß an der Geschichte entwickeln konnte und bin gespannt, was die weitere Zukunft bringt. Solang die Kritik, die ihr mir gerne via E-Mail, oder dem Gästebuch Online zukommen lassen könnt (und das auch sollt) nicht allzu vernichtend ist, wird das hier nicht der erste und letzte Beitrag eines kleinen, unbezahlten, Freizeitsautoren bleiben.
Im besten Falle hat euch das Projekt ähnlich vergnügt wie mich, was ich mir doch wünsche, denn dann wären die vielen Stunden Zeit, die unzähligen Nerven und Kaffetassen, die diesem Buch zum Opfer gefallen sind, nicht ganz umsonst gewesen.
Auf bald.
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