1Es war kein ungewöhnliches Gebäude, in dem sich die Stube der Hexe befand – ein schlichtes, graues, mehrstöckiges Haus, in der für eine Großstadt üblichen Blockform erbaut, mit vielen Fenstern und mehreren Eingängen.
In die Wohnung der Hexe gelangte man durch keinen dieser Eingänge. Um dort hineinzukommen, musste man durch die dunkle Einfahrt gehen, die auf den Hinterhof führte, diesen überqueren, möglichst lautlos, um die neugierigen Nachbarn nicht aus ihrer alltäglichen, frustrierenden Langeweile zu wecken, und dann ein paar Stufen hinabsteigen, um schließlich durch die meist offen stehende Tür zu schreiten.
Natürlich benötigte man dafür eine Menge Mut, die Fähigkeit sich schnell fortzubewegen, wenn es brenzlig wurde, und eine gehörige Portion Verstand, um sich herauszureden, falls die Hexe einen schließlich doch erwischte.
Benjamin besaß all diese Eigenschaften, jedoch war er sich nicht so sicher, ob auch nur einer der anderen Jungen, die neben ihm im Gebüsch kauerten, über
eine dieser Fähigkeiten verfügte. Der kleine Justin, der schräg hinter ihm kniete, keuchte vor Aufregung so laut, dass sie eigentlich auch mit einer Dampflokomotive hätten vorfahren können. Sein älterer Bruder Kevin, der dicht an Benjamin gerutscht war, um auch etwas sehen zu können, schob sich jetzt schon den dritten Kaugummi in den Mund und schmatze ihm so hektisch ins Ohr, dass Benjamin immer wieder kleine Speicheltropfen an die Wange klatschten. Und Michael, mit seinen zwölf Jahren der Älteste, sah angespannt hinüber zur Treppe, während er gleichzeitig angestrengt versuchte, so entspannt und cool wie möglich auszusehen, um seiner Rolle als Anführer der Bande trotz der Aufregung noch gerecht zu werden.
„Okay, wenn du bis zur Tür kommst, bist du schon ziemlich gut“, sagte er schließlich lässig, nachdem er sich noch einmal vergewissert hatte, dass auch wirklich niemand anderes im Hof zu sehen war. „Aber das reicht nicht, um in unsere Bande zu kommen. Dafür musst du da reingehen und darfst erst nach fünf Minuten wieder rauskommen!“
Benjamin dachte einen Moment nach und nickte dann. Obwohl er der Einzige war, der diese Mutprobe heute zu bestehen hatte, war er dennoch der Ruhigste von allen dreien. Wenn er ehrlich war, bewegte ihn die ganze Geschichte nicht ein bisschen. Dies hatte zwei Gründe. Der Erste und Wichtigste war wohl, dass er nicht wirklich an Hexen glaubte. Die wenigsten Menschen taten das wohl, aber hier in diesem Wohnblock war es etwas anderes. Hier waren im Laufe der Jahre schon viele wundersame Dinge geschehen, die sich die Menschen einfach nicht erklären konnten. Personen verschwanden und tauchten völlig verwandelt wieder auf, merkwürdige Zeichen erschienen über Nacht auf den Hauswänden, das Wetter spielte verrückt und vieles andere mehr. So hatten einige der Anwohner angefangen, sich über Übersinnliches zu informieren und Gedanken zu machen. Es war sogar eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen worden, die sich von Zeit zu Zeit traf, um eigenartige Vorfälle zu dokumentieren und festzustellen, was diese wohl verursacht haben konnte – oder besser
wer.
Schnell war man sich einig gewesen: Es konnte nur die merkwürdige Frau sein, die vor ein paar Jahren in den Häuserblock gezogen war und dort als Hausmeisterin arbeitete. Nicht dass man tatsächlich öffentlich behauptete, sie sei eine Hexe –
Nein! – aber sie hatte etwas Verschlagenes an sich, etwas Geheimnisvolles, Okkultes. Und sie sammelte Antiquitäten, interessierte sich für mystische Dinge. Einige waren sich sogar sicher, dass sie manchmal schwarze Messen abhielt und dann Besuch von finsteren, vermummten Gestalten bekam.
Ganz gleich, ob das nun der Wahrheit entsprach oder nicht, die meisten Menschen im Wohnblock waren sich darüber einig, dass die Frau, die dort unten in der Kellerwohnung lebte, nicht ganz normal war. Daher mieden die Bewohner sie meist, grüßten sie aber dennoch höflich, wenn sie einmal mit ihr zusammentrafen, aus Angst, sie könne sie vielleicht verfluchen. Nicht dass irgendjemand tatsächlich an solche Dinge glaubte, aber einen gewissen Respekt brachte man ihr doch entgegen.
Genau das war auch der Grund, warum Benjamin nun mit den anderen drei Jungen in einem der wenigen Büsche des Hofes saß und hinüber zur Wohnungstür der Hexe starrte. Und es war der zweite Grund, warum er keine wirkliche Angst hatte. Er selbst hatte diese Art von Mutprobe ausgesucht, um endlich zu den ‚Jägern‘ zu gehören. Was genau die ‚Jäger‘ jagten, hatten die anderen Jungen ihm noch nicht so wirklich erklären können, aber da die drei die einzigen Kinder im Wohnblock waren, die ungefähr sein Alter hatten, hatte sich Benjamin entschlossen, dass es besser für ihn war, dazu zu gehören, als irgendwann vielleicht selbst zum Gejagten zu werden. Und er brauchte wirklich nichts Schlimmes bei dieser Mutprobe zu befürchten, denn…
„Was ist nun?“ zischte Michael ihm ungeduldig zu. „Hast du plötzlich Schiss bekommen?“
„Nee, bestimmt nicht“, erwiderte Benjamin empört und schüttelte den Kopf. „Mich würd nur mal interessieren, wie weit
ihr bisher gekommen seid. War einer von euch schon mal drinnen?“
Michael wich seinem fragenden Blick aus und auch die anderen beiden fanden es urplötzlich sehr interessant an ihren ausgelatschten Schuhen zu herum zu nesteln oder ein paar Blätter von den Zweigen des Busches, in dem sie sich versteckten, zu zupfen.
„
Ich hab das ja nicht vorgeschlagen“, meinte Michael schließlich mit gesenkter Stimme. „Das war deine eigene geniale Idee.“
„Ich hab gesagt, ich geh bis zur Haustür und klingle.“
„Das reicht aber nicht für ’ne Mutprobe!“ rief Michael aufgebracht und erschrak über seine eigene Lautstärke so sehr, dass er sich kurz duckte und einen ängstlichen Blick über die Schulter hin zur Tür der Hexe warf. „Wer zu uns gehören will, muss nun mal ’ne richtige Mutprobe machen. Das muss schon richtig gefährlich sein“, setzte er sehr viel leiser hinzu.
Benjamin sah ihn eine Weile nachdenklich an, erwiderte jedoch nichts mehr. Er wusste genau, dass weitere Diskussionen keinen Sinn machten. Michael konnte ein ziemlich sturer Hund sein, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, das wusste Benjamin aus der Schule, denn die beiden waren in derselben Klasse und Michaels Dickkopf konnte oft selbst von den Lehrern nicht bezwungen werden.
„Also, gehst du nun rein oder nicht?“ fragte er ungeduldig. Es schien fast so, als hätte er Angst, Benjamin könne einen Rückzieher machen.
Dieser atmete tief durch. Es war wohl an der Zeit, endlich zur Tat zur schreiten, wenn sie noch vor Einbruch der Dunkelheit in ihren jeweiligen Wohnungen sein wollten. Also nickte er knapp, richtete sich in ihrem Versteck vorsichtig auf, sah sich noch einmal kurz um und eilte dann, als er keine weitere Person im Hof ausmachen konnte, hinüber zu der niedrigen Mauer, die die Treppe und die Wohnungstür der Hexe ein wenig vor neugierigen Blicken schützte. Vorsichtig spähte er hinunter.
Die Tür stand wie so oft im Sommer offen und ließ frische Luft in die düsteren Kellerräume. Irgendwo im Inneren konnte er ein rötliches Licht flackern sehen. Die beiden Fenster an dieser Hauswand waren leider durch Vorhänge verdeckt und so war es ihm unmöglich, festzustellen, woher das Licht kam, wo sich die Hexe befand und in welchen Raum er kommen würde, wenn er durch die Haustür schlich. Er fühlte, wie ihn langsam die Aufregung packte. In seinem Körper kribbelte es überall und sein Herzschlag beschleunigte sich. Es war zwar nicht so, dass die Menschen, die er bisher hatte in diese Wohnung gehen sehen, niemals wieder herausgekommen waren, aber die waren ja auch nicht unbefugt in das Reich der Hexe eingedrungen. Und wenn Hexen wütend wurden, hieß es, wusste man nie ganz genau, was passierte.
Benjamin schluckte die nun doch in ihm aufwallende Angst tapfer hinunter und setzte sich wieder in Bewegung. Er hatte sich für diese Aktion extra seine weichsten Turnschuhe angezogen und war dadurch in der Lage, die wenigen Treppenstufen fast lautlos hinter sich zu bringen. Vor der Tür hielt er wieder inne, presste sich der Länge nach an die kalte Steinmauer und hielt den Atem an, um jedes noch so verdächtige Geräusch im Inneren der Wohnung wahrzunehmen. Doch da war nichts bis auf das laute Ticken einer Uhr.
Vorsichtig schob er sich näher an die Tür heran und spähte ins Innere. Hinter der Tür lag ein düsterer Flur, der von einigen Kerzen rötlich erleuchtet wurde. Benjamin konnte die Umrisse mehrerer Gemälde und anderem Schmuck an den Wänden ausmachen, ebenso wie die einer langen, antiken Kommode auf der allerlei Gegenstände sowie die Kerzen standen. Aber nirgendwo schien sich etwas zu regen – weder etwas tierisches noch etwas menschliches. Benjamin wusste, dass die Hexe zwei Katzen besaß. Ihm waren die Tiere schon des Öfteren im Hof begegnet, aber nur eine davon war zahm und anhänglich. Die andere hatte ein äußerst unfreundliches Wesen und war ihm schon einmal aus den Büschen in die Hacken gesprungen, blutige Kratzer an seiner Wade hinterlassend. Sie hielt wohl den Hof für ihr Revier und duldete andere Menschen dort nur, wenn sie gut gelaunt war. Benjamin hatte auch schon einmal beobachtete, wie sie die Nachbarin quer durch den Hof gejagt hatte, als diese das Tier bei ihrem Nachmittagsschläfchen auf den Mülltonnen gestört hatte.
Nein, diesem Tier wollte Benjamin heute auf gar keinen Fall begegnen. Immerhin drang er nun sogar in dessen Wohnung ein – wer wusste schon, was das verrückte Vieh da mit ihm anstellte. Er atmete tief durch. ‚Nur fünf Minuten’, sagte er in Gedanken zu sich selbst, während er leise durch die Tür schlich. ‚Fünf Minuten und du brauchst ja nicht weit rein gehen.’
Der Flur war glücklicherweise mit einem dicken altertümlichen Teppich ausgelegt, so dass Benjamin die Wohnung betreten konnte, ohne auch nur ein verdächtiges Geräusch zu machen. Er konnte sein eigenes Herz und die schnellen Atemzüge, die er nun machte, unnatürlich laut in seinem Kopf nachhallen hören.
Er warf einen flüchtigen Blick auf seine Armbanduhr. In dem gedämpften Licht der Kerzen waren die Ziffern kaum zu erkennen, also musste er sich wohl doch mehr auf sein inneres Zeitgefühl verlassen. Fünf Minuten konnten verdammt lang sein, wenn man einfach nur warten musste. Benjamins Blick fiel auf ein Gemälde direkt gegenüber von ihm an der Wand. Es stellte eine Waldlandschaft dar, die er selbst in dieser Form noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Die Bäume und Pflanzen wuchsen so dicht, dass ein Durchdringen nur unter größter Mühe möglich war und machten auch vor dem hohen Berg, der sich in den grauen Himmel reckte, keinen Halt. Helles Sonnenlicht drang nur an einer Stelle des Gewitterhimmels durch die dichte Wolkendecke und erhellte einen kleinen Bereich am Fuße des Berges. Benjamin kniff die Augen zusammen und trat dann ein Stück näher heran, um erkennen zu können, was dort vom Sonnenlicht angestrahlt wurde und meinte schließlich zwei Personen zu entdecken, die niedergekniet waren und ihre Köpfe und Hände zum Berg erhoben hatten. Irgendwo zwischen den Bäumen des Berges hoch oben über ihren Köpfen meinte Benjamin weitere kleine Lichter auszumachen – ein kleines Dorf vielleicht, das Signale aussandte, um die Verirrten zurückzuführen?
Ganz gleich, was es war, Benjamin war beeindruckt von der seltsamen mystischen Ausstrahlung dieses Kunstwerkes. Sein Kunstlehrer hatte einmal verlauten lassen, dass Gemälde Geschichten erzählten – jedoch war dieses hier das erste, dass es Benjamins Meinung nach tatsächlich tat und zwar auf eine sehr ansprechende wunderschöne Art und Weise. Sein Blick wanderte hinüber zu dem nächsten Gemälde, das für ihn noch gänzlich im Schatten lag und er bewegte sich vorsichtig darauf zu, von dem starken Bedürfnis befallen, zu erfahren, welche Geschichte wohl dort erzählt wurde. Ihm war wohl bewusst, dass er sich damit auch näher auf den Wohnbereich der Hexe zu bewegte, aber er konnte einfach nicht anders – auch nicht als er nun doch gedämpfte Stimmen aus einem der angrenzenden Räume vernahm. Er konnte deutlich zwei Frauenstimmen heraus hören, wovon er glaubte, eine schon einmal vernommen zu haben. Was die zwei Frauen genau beredeten, konnte er nicht verstehen – aber das wollte er ja auch nicht.
Benjamin war tatsächlich ein wenig enttäuscht, als er vor dem zweiten Gemälde stand, denn dieses war deutlich weniger mystisch. Es stellte lediglich eine mittelalterliche Gesellschaft dar, die sich um ein junges Paar versammelt hatte und… War das eine Krönung? Nein, aber ein älterer Mann in kostbarem Gewand hielt etwas über die demütig gesenkten Häupter des Paares – einen Zepter oder so etwas Ähnliches, der in einem dunklen Rubinrot leuchtete. Vielleicht war es ja auch eine Hochzeit und der Alte gab so etwas wie seinen Segen. Benjamin war so in seine Gedanken vertieft, dass er heftig zusammen fuhr, als das laute Bimmeln von Glocken ganz in seiner Nähe ertönte. Im Bruchteil einer Sekunde wurde ihm klar, dass dies die Türklingel sein musste und jeden Moment entweder die Hexe selbst oder ihre Freundin in den Flur kommen musste, um nachzusehen, wer an der Tür war.
Benjamins Kopf flog herum, panisch nach einem geeigneten Versteck Ausschau haltend, denn zur Tür konnte er nicht, würde er doch dort gewiss in irgendjemanden hinein rennen. Als er schon Schritte aus dem Wohnbereich näher kommen hörte, entdeckte er eine schmale Nische zwischen einem hohen Schrank, den er zuvor gar nicht bemerkt hatte, und der gegenüberliegenden Ecke. Benjamin schoss darauf zu, als ginge es um sein Leben, stieß schmerzhaft gegen eine hervorstehende Kante und presste sich schließlich schwer atmend mit dem Rücken gegen die Wand, hoffend und betend, dass es in der Nische tatsächlich so dunkel war, dass ihn niemand entdecken würde.
Irgendetwas in seiner Nähe rasselte leise und schließlich hob sich die Gestalt einer jungen Frau gegen das Licht des Tages ab, das durch die immer noch offen stehende Haustür fiel. Sie war groß für eine Frau, hatte langes blondes Haar und eine sehr weibliche Figur und… er kannte sie. Das war Jenna – so ein Mist! Sie durfte ihn nun wirklich nicht hier entdecken!
Tat sie auch nicht, denn sie lief nun raschen Schrittes auf die Tür zu, trat einen Schritt hinaus und schien dann zusammenzuzucken.
„Kann ich Ihnen helfen?“ hörte Benjamin sie fragen und er reckte seinen Kopf ein wenig vor, in der Hoffnung vielleicht auch einen Teil der anderen Person zu erkennen. Wenn das Michael war, um die Mutprobe noch ein wenig schwerer zu machen, würde er ihn umbringen, sobald er diese Wohnung verlassen konnte.
Benjamin meinte eine tiefe Stimme antworten zu hören, doch was genau sie sagte, konnte er nicht verstehen. Nur wenige Augenblicke später wandte sich Jenna um und rief laut in den Flur hinein: „Tante Mel?“
Benjamin zog schnell den Kopf ein und rückte noch näher an die kalte Wand heran. Er wusste genau, wer ‚Tante Mel’ war und wenn dieses ‚Tantchen’ auch noch den Flur betrat, war es durchaus möglich, dass er nicht länger unentdeckt blieb – schließlich hatte diese Frau gewisse ‚Begabungen’. Doch im Inneren der Wohnung rührte sich nichts.
„Tante Mel!“ rief die junge Frau nun schon etwas lauter und ungeduldiger, doch es blieb still.
„Sie hat gewiss nichts dagegen, wenn ich gleich mit hineinkomme“, konnte Benjamin nun auch die Stimme des Fremden sehr deutlich verstehen und im Türrahmen erschien ein hoch gewachsener, etwas düster wirkender Mann.
Jenna schien dies so gar nicht Recht zu sein, denn sie blieb einen Moment unschlüssig im Weg stehen, wandte sich dann aber mit leicht verärgerten Gesichtsausdruck um und ging ihm voran den Flur entlang.
Benjamin hielt den Atem an, als die beiden ganz dicht an ihm vorbei durch den Perlenvorhang schritten, der den Flur von den übrigen Räumen abschirmte. Seine Augen blieben dabei an dem Gesicht des Mannes haften.
So aus der Nähe betrachtet, sah er gleich viel ungefährlicher, sogar fast vornehm aus. Sein dunkles Haar war ordentlich zurück gekämmt, und ebenso exakt saß sein dunkler Anzug, der allem Anschein nach aus reiner Seide war. Er hatte ein schmales Gesicht, dessen markanter Schnitt noch von einem Spitzbart betont wurde. Und dennoch war irgendetwas an ihm anders als bei den meisten Menschen. Vielleicht war es der scharfe Blick, mit dem seine dunklen Augen den Flur betrachteten, das nachdenkliche Zusammenziehen seiner Augenbrauen, als sein Blick die Gemälde streifte, vielleicht das zynische Lächeln auf seinen Lippen, oder die fließenden Bewegungen, mit denen er sich bewegte.
Ganz gleich was es war, er hatte etwas an sich, was ihn geheimnisvoll erscheinen ließ, geheimnisvoll wie die Umgebung, in der er sich befand. Und so war Benjamin erst wieder in der Lage auszuatmen, als der Mann hinter dem Vorhang verschwunden war. Er war sich sicher, dass dieser Fremde selbst einen leisen Atemzug wahrgenommen hätte.
„Tja“, konnte er Jenna nun aus einiger Entfernung sagen hören, was dafür sprach, dass sie wohl in eines der angrenzenden Zimmer gegangen war, „gerade eben war sie noch da.“
„Vielleicht ist sie ja nur schnell etwas einkaufen gegangen“, sagte der Mann mit seiner tiefen, schmeichelnden Stimme.
Benjamins Blick wanderte zur Haustür. Jetzt oder nie! Die fünf Minuten waren längst um – was hielt ihn noch hier?
„Sie verstehen nicht“, sagte Jenna und klang jetzt wieder viel näher. „Sie war wirklich gerade noch da. Bevor sie an der Tür geklingelt haben, saßen wir hier und haben geredet. Und jetzt ist sie weg!“
Sie sprach eindeutig von der Hexe. Wer sonst konnte so plötzlich verschwinden? Aber wo war sie hin? Durch den Flur gekommen war sie auf gar keinen Fall – dann hätte Benjamin sie sehen müssen. Es sei denn… sie konnte sich unsichtbar machen. Ein wirklich schauerlicher Gedanke…
„Vielleicht wusste sie, dass ich es bin, der vor der Tür steht“, meinte der Mann.
„Na ja, angeblich hat sie ja hellseherische Fähigkeiten. Äh... womit ich natürlich nicht sagen will, dass meine Tante Sie nicht mag, und Sie mit Ihrer Vermutung Recht haben. Ich kann mir das hier bloß nicht erklären.“
Hellsehen? Nein, das konnte nicht sein, denn dann hätte die Hexe auch gewusst, dass Benjamin da war und ihn längst gepackt und… er schüttelte sich. Was machte er überhaupt noch hier? Er hätte schon längst wieder draußen im Freien sein und mit seinen Freunden die mit Bravour bestandene Mutprobe feiern können. Aber wie viel cooler war es wohl, wenn er geheime Gespräche belauschen und sich darüber mit seinen Freunden austauschen konnte?
Benjamin machte einen Schritt nach vorne und hielt inne. Er sah nach rechts zum Ausgang und dann wieder nach vorn zum Perlenvorhang. Noch hatte er die Chance sich zu entscheiden – noch war er unentdeckt und der Weg in die Freiheit offen…
Ganz leise schlich er näher an den Vorhang heran, bis er durch die Perlenschnüre die beiden Personen erkennen konnte, die sich dort unterhielten. Jenna stand unschlüssig im Raum, sich immer noch irritiert umsehend, und der Fremde ließ sich gerade auf der Couch nieder.
„Oh, es gibt viele Dinge, die wir mit unserem bloßen Verstand nicht begreifen können“, sagte er schmunzelnd. „Ich werde ganz einfach hier auf sie warten.“
Die junge Frau runzelte die Stirn. Ihr war anzumerken, dass ihr das nicht so recht gefiel und sie sich von dem Fremden gestört fühlte.
„Was wollen Sie denn von ihr? Vielleicht kann ich ihr etwas ausrichten. Das macht Ihnen nicht so viele Umstände.“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Wissen Sie, ich und Melina, wir kennen uns schon sehr lange. Das wird Ihnen vielleicht merkwürdig erscheinen, weil Ihre Tante Ihnen gewiss kein Wort davon erzählt hat, aber es ist so. Wir sind sozusagen alte Freunde.“ Er lächelte, wohl um ihr Vertrauen zu gewinnen. „Ab und zu treffen wir uns, um einen Tee zu trinken, in Erinnerungen zu schwelgen und eventuell ein Spiel zu spielen.“
„Dann waren Sie heute mit ihr verabredet?“
„Nein, nicht direkt. Wir machen nie einen Termin aus, keinen festen Zeitpunkt. Wir fühlen einfach, wann es mal wieder soweit ist. Und das letzte Mal ist schon so lange her.“ Er lachte kurz. Es war ein merkwürdiges Lachen, fast boshaft.
„Wie heißen Sie?“ fragte Jenna, die nun anscheinend neugierig geworden war.
„Spielt das eine Rolle?“ wich der Mann ihrer Frage aus. „Was sagen schon Namen über die Menschen aus, zu denen sie gehören?“
Jenna schien nun vollends verwirrt, denn sie wusste im ersten Moment nichts darauf zu erwidern.
„Geben Sie mir doch einen neuen“, lächelte er. „Das würde zumindest eine ganze Menge über
Sie aussagen, Jenna.“
Die Verwirrung in dem Gesicht der jungen Frau wich nun einem leichten Entsetzen. „Wo… woher wissen Sie, wie ich heiße? Hat… hat meine Tante in Ihrer Gegenwart von mir gesprochen?“
Ein leichtes Kopfschütteln war die Antwort. „Es erstaunt mich wirklich, dass Sie so leicht zu erschrecken sind, wo Sie so regelmäßig mit einer Hexe verkehren. Gerade Sie müssten doch wissen, dass manche Menschen mit speziellen Begabungen gesegnet sind, mit denen sie sehr viele Dinge erfassen können, für die andere unglaublich viel Zeit und noch mehr Worte brauchen.“
„Meine Tante ist keine Hexe“, gab Jenna verärgert zurück. „Und ich bin zu alt, um mir von Ihnen mit Märchen Angst einjagen zu lassen.“
„Sie glauben also nicht, dass es so etwas wie Magie in dieser Welt gibt?“ hakte der Mann interessiert nach. „Sie glauben nicht an Übersinnliches, obwohl Sie in diesem Haus ein- und ausgehen?“
Jenna ließ sich nachdenklich auf dem Sessel ihm gegenüber nieder. „Sagen wir es so: Ich glaube nur sehr bedingt an übersinnliche Phänomene. Die meisten mysteriösen Dinge, die in dieser Welt geschehen, lassen sich immer irgendwie erklären…“
„… wie zum Beispiel, dass ich Ihren Namen kenne“, gab der Mann lächelnd zurück.
„Ganz genau. Den Namen einer Person herauszufinden, ist nicht unbedingt die schwierigste Sache der Welt.“
„Deswegen haben Sie sich ja auch so erschrocken…“
„… weil ich es etwas eigenartig finde, wenn sich ein völlig Fremder über mich kundig gemacht hat“, erklärte Jenna. „Ich frage mich, was wohl der Grund dafür ist und was Sie wohl noch alles über mich wissen.“
„Durchaus verständlich“, gab der Mann zurück. „Aber ich versichere Ihnen, dass ich Ihnen nicht hinterher spioniert habe. Alles, was ich über Sie weiß, habe ich gerade erst von Ihnen selbst erfahren. Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen.“
„Sie können also hellsehen, ja?“ hakte die junge Frau nach und sah ihn dabei äußerst skeptisch an.
„
Hellsehen ist nicht so wirklich der richtige Begriff“, erwiderte der Mann ruhig und lehnte sich entspannt zurück. „Es ist mehr ein ‚in die Seele blicken‘.“
„Sie lesen also Gedanken“, versuchte Jenna es noch einmal auf den Punkt zu bringen.
Der Mann musste lachen. „Nein, bestimmt nicht. Wissen Sie diese Begriffe sind viel zu einfach und zudem furchtbar altmodisch. Und niemand kann wirklich Gedanken lesen – jedenfalls niemand, den ich kenne. Man kann vielleicht Gedanken erahnen, mehr aber auch nicht. Es geht hier vielmehr um einen… Energieaustausch.“
„Von Austausch ist hier ja wohl kaum die Rede“, gab Jenna zurück. „Ich kenne ja noch nicht einmal Ihren Namen.“
„Weil Sie sich nicht wirklich anstrengen“, meinte der Mann.
„Wobei? Ihren Namen zu erfahren?“ Jenna schien sich nun langsam wirklich zu ärgern, denn ihre Stimme hatte einen ungewöhnlich harten Ton angenommen. „Was soll ich denn tun? Mich bettelnd vor Ihnen auf die Knie werfen?“
„Nein, natürlich nicht“, erwiderte der Mann gelassen. „Alles, was Sie benötigen, sind Ihre Sinne und zwar alle sieben.“
„Sieben…“, wiederholte Jenna ungläubig. „Sie besitzen also sieben Sinne?“
„Sie auch.“
Die junge Frau stieß ein kleines Lachen aus, aber es klang eher verunsichert als höhnisch.
„Sie müssen nur daran glauben“, fuhr der eigenartige Mann lächelnd fort, „erst dann werden Sie Ihre verborgenen Fähigkeiten finden und nutzen können.“
Benjamin war irritiert – nicht von den Worten des Mannes, so beeindruckend sie auch waren – nein, er hatte in einer der dunklen Ecken des Zimmers eine Bewegung ausgemacht, konnte aber jetzt, wo er noch genauer hinsah, dort nichts Ungewöhnliches entdecken. Umso überraschter war er, als plötzlich genau aus dieser Ecke eine andere Frauenstimme ertönte: „Mach dich nicht so interessant, Demeon!“
Benjamin riss überrascht die Augen auf, als sich aus der leer geglaubten Ecke eine Gestalt löste, so als sei sie gerade aus dem Nichts entsprungen. Entweder gab es dort irgendwo eine versteckte Tür zu einem geheimen Raum oder die Frau, die nun langsam auf die beiden anderen Personen im Zimmer zuging, war tatsächlich eine Hexe und konnte sich aus dem Nichts materialisieren.
Jenna schien genauso verwirrt wie Benjamin, denn sie starrte ihre Tante nur mit offenem Mund an, während in den dunklen undurchdringlichen Augen Demeons für einen kurzen Augenblick ein freudiges Blitzen erschien.
Die ‚Hexe’ sah zu Benjamins Erleichterung jedoch ganz und gar nicht wie eine Hexe aus. Eine Frau Ende dreißig, gekleidet in ein schlichtes, seidiges Gewand. Sie hatte fast weißblondes, langes Haar, das ihr in weichen Wellen auf den Rücken fiel, und sanfte dunkelblaue Augen, mit denen sie Demeon einen fast liebevollen Blick zuwarf. Sie besaß ein gütiges Gesicht, und irgendwie konnte sich Benjamin auf einmal kaum vorstellen, dass diese Frau auch nur in irgendeiner Weise Böses im Schilde führen könnte. Aus der Entfernung war es so viel einfacher, Menschen schlimme Dinge anzuhängen.
„Du solltest das, was er sagt, nicht so ganz ernst nehmen, Liebes“, wandte sie sich mit einem Lächeln an Jenna „Er wirkt gern geheimnisvoll auf Menschen, die ihn nicht kennen. Sie werden unsicher und er kann das Gefühl von Überlegenheit genießen. Aber in Wirklichkeit ist er wie jeder andere – mit ein paar Schwächen, versteht sich.“
Das Lächeln, das nun auf Demeons Gesicht erschien, war auf irgendeine Weise unheimlich.
„Es ist nett, Melina, dass du mich vor deiner Nichte in ein so positives Licht stellst. Aber vergiss dabei bitte nicht, dass auch ich eine Seele habe, die man verletzen kann.“
„Natürlich nicht“, sagte Melina und ließ sich neben dem Mann auf dem Sofa nieder. Sie lächelte immer noch vor sich hin, ein wenig gedankenverloren. Dann wandte sie sich ihrer Nichte zu.
„Jenna, Liebes, ich glaube, dass du ein wenig überrascht bist, weil ich dir nie etwas von Demeon erzählt habe, nicht wahr?“
Die junge Frau nickte nur.
„Besonders, weil wir uns, wie Demeon ja schon erklärte, so lange Zeit kennen.“
Die Hexe schien also all das gehört zu haben, was die beiden zuvor besprochen hatten, aber keinen von beiden schien das zu wundern.
„Aber das ist nicht das einzige, was du nicht von mir weißt“, fuhr sie fort. „Und es ist auch besser so. Ich werde dir eines Tages alles erklären, glaube mir, aber jetzt muss ich dich leider darum bitten, uns allein zu lassen.“
Sie sah Jenna ein wenig traurig an. Die junge Frau schien immer noch sehr verwirrt und ihr war anzusehen, dass sie sich mit dem Gedanken, ihre Tante mit diesem merkwürdigen Mann allein zu lassen, nicht so recht anfreunden konnte.
„Es ist alles in Ordnung, Liebes“, sagte Melina sanft. „Demeon ist wirklich ein sehr guter Freund von mir. Du weißt doch, ich würde dich nie anlügen und… auch deine Tante braucht manchmal ein wenig Privatsphäre.“
Jennas Wangen röteten sich etwas und sie lächelte verlegen. „Natürlich hast du Recht, Mel“, sagte sie schnell und wandte sich zu Benjamins Entsetzen zum Gehen um. „Ich… ich komme dann morgen wieder“, konnte er sie noch sagen hören, während er sich vorsichtig und so leise wie möglich in die dunkle Ecke neben dem Schrank zurückzog. Ihm war bewusst, dass es wesentlich klüger sein würde, aus der Wohnung zu stürmen, um nicht entdeckt zu werden, doch seine Neugierde war zu groß. Er musste unbedingt erfahren, was dieser seltsame Mann mit der Hexe zu besprechen hatte. Und die dunkle Ecke hatte ihm zuvor schon als Versteck gute Dienste geleistet – warum sollte es diesmal schiefgehen?
Wieder rasselte der Perlenvorhang, als Jenna in den Flur trat und an Benjamin vorbei Richtung Ausgang lief, ohne Notiz von ihm zu nehmen. Doch sein freudiges Grinsen erstarb, als er die laute Stimme der Hexe vernahm.
„Ach ja, Liebes“, rief sie ihrer Nichte nach, die sofort innehielt und sich umwandte, „tu mir doch den Gefallen und nimm auch deinen Bruder mit, der sich hinten in der Ecke versteckt hat. Sag ihm, dass ich mich zwar freue, dass auch er es endlich wagt, Kontakt zu mir aufzunehmen – aber das nächste Mal wäre es höflicher, wenn er an der Tür klingelt und sich mir persönlich vorstellt, anstatt heimlich unsere Gespräche zu belauschen.“
Benjamin wurde heiß und kalt zugleich, während sein Herz zu rasen begann. Wie war das möglich? Wie konnte Melina wissen, dass er da war?
Er sah Jenna langsam auf sich zukommen, nahm all seinen noch vorhandenen Mut zusammen und trat schließlich beherzt aus seinem Versteck hervor.
„Ben?“ fragte Jenna ungläubig und sah ihren Bruder an, als hätte sie einen völlig Fremden vor sich.
Benjamin antwortete nicht, sondern schob sich nur rasch an ihr vorbei. Er musste raus hier, bloß weg von der Hexe, die sich seine Tante nannte, raus aus dieser seltsamen Wohnung mit ihren seltsamen Gästen.
„Ben!“ Das klang schon deutlich energischer und als er die Tür erreichte, hatte seine Schwester ihn schon eingeholt und am Arm gepackt. „Sag mal, was ist denn in dich gefahren?!“ fuhr sie ihn an. „Was sollte denn das?“
„Lass mich los!“ fauchte Benjamin und befreite sich mit einem Ruck aus ihrem festen Griff. „Ich kann machen, was ich will!“
„Das kannst du nicht!“ gab Jenna energisch zurück. „Du … du hast unsere Tante bespitzelt!“
Benjamin sah sich für einen Moment um. Hoffentlich waren sie noch nicht in Hörweite der anderen. Sonst war alle Mühe und Aufregung umsonst gewesen und wahrscheinlich würden die Jungs ihn meiden, weil er nicht nur mit der Hexe verwandt war, sondern sie auch noch betrogen hatte. Was war das schon für eine Mutprobe, sich in das Haus einer Verwandten zu schleichen…? Sie konnten ja nicht wissen, dass Benjamin und der Rest der Familie den Kontakt mit dieser Frau mieden. Und irgendwie hatten sie ja auch Recht… Benjamin hatte sich diese Mutprobe auch ausgesucht, weil er im Grunde genommen genau gewusst hatte, dass ihm nichts passieren würde, wenn etwas schief ging.
„Und?“ wandte er sich wieder trotzig an seine Schwester. „Die Tür war offen. Da wird man ja wohl reingehen dürfen…“
„Hat dich Papa geschickt?“ erkundigte sich Jenna wütend. „Sollst du auch mich bespitzeln?“
„Papa hat damit nichts zu tun!“ fuhr Benjamin auf und spürte, wie es in ihm zu brodeln begann. „Und um dich geht es ganz bestimmt nicht! Du bist mir doch egal!“
„Na, das ist ja mal interessant“, gab Jenna spöttisch zurück und schob ihn vorwärts Richtung Treppe. „Dann muss das wohl ein Gespenst sein, das jeden Nachmittag nach der Schule zu mir zum Essen kommt, wenn Papa arbeitet.“
„Dann komm ich halt nicht mehr“, brummte Benjamin und ließ sich widerwillig weiter schieben.
„Oh, Mann, Benny“, seufzte Jenna, „so war das doch nicht gemeint und das weißt du genau. Ich finde bloß, dass das die falsche Methode ist, um Kontakt mit Tante Mel aufzubauen.“
Benjamin warf sich wütend zu seiner Schwester herum. „Ich will aber doch keinen Kontakt zu ihr aufbauen!“ brüllte er sie an. „Sie ist schuld, dass Mama tot ist!“
„Das ist sie nicht!“ gab Jenna nun auch wieder etwas lauter zurück und neben ihrer Wut war nun auch Entsetzen in ihren blauen Augen zu erkennen. Ben konnte sie verstehen. Er war ja selbst schockiert darüber, was er da gerade gesagt hatte. Im Grunde waren das auch gar nicht seine Worte gewesen, sondern die ihres Vaters.
„So etwas behauptet man nicht einfach so, Benny“, setzte seine Schwester leiser hinzu. „Schon gar nicht, wenn man sich weigert, mit dem Menschen zu reden, den man solch schlimmer Dinge beschuldigt…“
„Ich rede aber nicht mit Hexen!“ zischte Ben, obwohl er genau wusste, dass Jenna Recht hatte.
Jenna verdrehte sofort die Augen. „Oh, Gott, Benny – so etwas wie Hexen und Zauberei gibt es doch überhaupt nicht! Das ist doch alles Aberglaube und totaler Blödsinn!“
„Und warum gehst du dann zu ihr?!“
Jenna schwieg einen Moment und holte dann tief Luft. „Weil… weil… ich verstehen wollte, was sie und Mama so verbunden hat“, gestand sie leise. „Ich wollte begreifen, was damals geschehen ist. Warum Mama diese Entscheidung getroffen hat.“
„Und das kann man nicht innerhalb von ein paar Stunden herausfinden?“ fragte Ben grimmig nach. „Muss man dazu monatelang mit dieser… Frau rumhängen?“
„Sie ist wirklich nett Benny“, musste Jenna die Hexe nun schon wieder verteidigen. „Und ich… ich hab sie einfach gern.“
Benjamin fühlte einen schrecklich schmerzhaften Stich in seinem Herzen und wie sich seine Augen mit Tränen füllten. Er wollte etwas sagen, doch seine Stimmbänder gehorchten ihm nicht. Er war so enttäuscht… so schrecklich enttäuscht.
„Ben… es war nicht ihre Schuld, auch wenn Papa das immer wieder behauptet“, sagte Jenna und ihre Stimme war nun ganz sanft. „Sie ist eine so gütige, weise Frau. Du würdest sie mögen. Und sie ist ihr so ähnlich…“
„Hör auf damit!“ schrie Benjamin sie an. „Ich hasse sie! Ich hasse sie!“ Und damit warf er sich herum und stürmte davon, stürmte aus dem Hof, ohne seiner Schwester und seinen Freunden, die mit großen Augen und offenen Mündern immer noch in dem Busch neben der Treppe saßen, auch nur einen letzten Blick zu schenken. Sie waren ihm egal – alle.
Weiter geht es mit Kapitel 2. Und bitte, wer es noch nicht getan hat – hier für dieses Buch Abstimmen
Ich danke euch von Herzen!!!