1.
Schnee knirschte unter seinen Sohlen, als er den verschneiten Waldweg entlang ging. Die Äste der Bäume beugten sich tief hinab und ab und an rieselte ein wenig von der weißen Pracht auf ihn hinab.
Es war still um ihn herum.
Sein Atem hing in der Luft wie ein Wattebausch und ein leises Keuchen drang aus seinem Mund.
Er war schon lange unterwegs. Fast zulange. Und er sehnte sich nach einem vernünftigen Bett einem warmen Kamin und einer ebenso warmen wie üppigen Mahlzeit.
Es konnte nicht mehr weit sein. Schnaufend ob der Last des schweren Mantels blieb er stehen. Er schob die Kapuze zurück und schaute erst nach oben, dann in die Runde. Der helle Vollmond spendete genug Licht um den Weg erkennen zu können und er erkannte, daß die Bäume langsam zurück wichen. Das hieß, daß er es bald geschafft hatte.
Langsam setzte er sich wieder in Bewegung.
Nach etwa zehn Minuten, so schätzte er, sah er das Licht. Ein warmer, gelber Schein der vom Schnee getragen wurde. Er murmelte etwas vor sich hin und stapfte schließlich weiter.
Nochmal ein paar Minuten weiter stand er schließlich vor der Tür der einsamen Hütte und klopfte.
Er hörte wie drinnen ein Stuhl gerückt wurde und wie sich langsame, schlurfende Schritte näherten.
"Wer in drei Teufels Namen ist da?", fragte eine rauhe, durch die Tür gedämpfte Stimme.
"Bitte machen sie auf! Ich hatte einen Unfall und würde gerne telefonieren." Die Lüge kam glatt über seine Lippen.
Drinnen wurde ein Riegel beiseite geschoben und die dicke Tür aus Holzbohlen einen Spalt geöffnet. Müde Augen schauten durch den Spalt und im Hintergrund konnte man einen Fernseher hören.
"Die Strasse ist doch meilenweit entfernt", kam es mißtrauisch hinter der Tür hervor. "Bitte! Ich bin halb erfroren! Kann ich nicht 'reinkommen?" Und dann fügte er hinzu: "Ich erkläre ihnen alles."
Eine Sekunde später öffnete sich die Tür ganz und die Wärme der Hütte und das Licht ergoß sich sich über ihn. Dankbar trat er ein.
2.
Die Hütte war komfortabeler als es von außen den Eindruck machte. In einem kleinen Anbau summte kaum hörbar ein Generator vor sich hin und versorgte alles mit dem nötigen Strom. Von der Außentüt trat man direkt in den Wohnbereich. Rechts davon war eine kleine Küche abgetrennt und den Schlafraum konnte man nur über eine Leiter erreichen. Ein riesiger Fernseher stand an der linken Außenwand und zeigte gerade die x-te Wiederholung einer alten I LOVE LUCY-Folge.
Der Mann, der ihm gegenüber stand, machte einen müden, abgespannten Eindruck. Sein Gesicht wirkte eingefallen und Bartstoppeln erzeugten einen grauen Schimmer darauf. Seine Kleidung bestand aus einer alten, abgetragenen Hose die durch Hosenträger an ihrem Platz gehalten wurde und einem ehemals weißen, zerschlissenen Unterhemd.
Wortlos sah er zu wie sein Besucher seinen Mantel ablegte und näher trat. Der Mann war hochgewachsen, hatte blonde Haare die unfrisiert wirkten und ein kantiges, energisches Gesicht. Stahlgraue Augen blickten sich fasziniert um. Seinem Blick entging scheinbar nichts. Bekleidet war er mit einer teuren Jeanshose und einem weißen Hemd.
"Bitte setzen sie sich", sagte der Eigentümer der Hütte. "Kan ich ihnen was zu trinken anbieten?" Er ging zu einem Barschrank in einer Ecke des Raumes. "Leider bin ich nicht auf Besucher eingerichtet", sagte er entschuldigend und zeigte dann auf ein kleines Tischchen. "Das Telefon steht übrigens dort drüben."
"Das hat noch ein paar Minuten Zeit", sagte der Besucher und setzte sich in einen bequemen Sessel. "Bringen sie mir was sie auch trinken."
"Ich hab' mir gerade einen Jack Daniels gegönnt..." Fragend blickte er den Fremden an, der daraufhin nickte. "Ist mir recht."
"Sie hatten einen Unfall?" Der Besucher nickte noch einmal. "Ja, oben auf der Landstrasse. Bin auf einer Eisplatte ins Schleudern geraten und in der Böschung gelandet. Gott-sei-dank hatte ich vorher noch das Licht ihrer Hütte gesehen." Mit zwei Gläsern in der Hand, in denen einen goldgelbe Flüssigkeit schimmerte, setzte sich der Hausherr seinem Besucher gegenüber hin. Dann setzte er die Gläser auf einem runden Tisch ab, der zwischen ihnen stand. Ein Glas schob er seinem Besuch hinüber.
"Dann haben sie ja einen schönen Fußmarsch hinter sich", bemerkte er. "Ja. Aber zum Glück hatte ich einen warmen Mantel dabei und dicke Schuhe an." Der Besucher nippte an seinem Glas. Dann fiel sein Blick auf die Uhr. Es wurde Zeit.
3.
Es hatte wieder angefangen zu schneien. Dicke, schwere Flocken segelten zur Erde und erneuerten das Leichentuch das die Welt bedeckte.
Der Blick des Besuchers wandte sich vom Fenster dem Fernseher zu. Eine weitere LUCY-Folge die ihn mit leisem Ton berieselte. Er nahm noch einen Schluck Whiskey und stand auf. "Ich werde dann jetzt mal anrufen!", sagte er und schlenderte zum Telefon hinüber. "Meinen sie das die Staßenwacht noch jemanden heraus schickt?" Der Besucher zuckte mit den Schultern und nahm den Telefohörer ab. "Ich denke, die Staßenwacht wird nicht mehr kommen." Dann tippte er eine kurze Ziffernfolge auf der Tastatur, nachdem er erleichtert ein Freizeichen gehört hat. "Wenn sie sich da sicher sind, wen rufen sie dann an?" Die Stimme des Mannes bekam einen mißtrauischen Unterton. Langsam schien ihm zu dämmern, daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. "Der Besucher murmelte etwas in den Hörer das sich wie eine Kolonne zahlen anhörte. Dann legte er auf.
Der Mann stand auf.
"Wen haben sie angerufen?"
Der Besucher ging zur Tür.
"Freunde von mir"
Er griff in seinen Mantel.
"Was für Freunde?"
Er zog etwas langes, glänzendes aus der Innentasche des Mantels.
"Gute Freunde, die mich gleich hier abholen werden"
"Wer - sind - sie?"
Der Mann starrte in die schwarze Mündung einer Pumpgun und konnte nicht den Blick abwenden.
"Mein Name ist Doug Blake und ich bin hier um sie zu töten."
Der Schuß war laut in der Hütte und übertönte das zerplatzen des Kopfes. Der Torso fiel langsam um und der süßlich-metallische Geruch von Blut breitete sich aus.
Blake haßte seine Arbeit, aber sie mußte getan werden. Langsam ging er um den Leichnam herum und vergewisserte sich, daß das Gehirn auch wirklich zerstört war. Schließlich ging er wieder zur Tür. Er zog seinen Mantel an, verstaute das Gewehr und öffnete die Tür.
Es dauerte nicht lange und Blake hörte die vertrauten Geräusche eines sich nähernden Helikopters. Bald würde er zu Hause sein.
Epilog
"Sir, sie wollten mich sprechen?"
Doug Blake salutierte und ließ den Mann hinter dem ausladenen Schreibtisch nicht aus den Augen. Colonel Winston Harrison seufzte und lehnte sich zurück.
"Tja, Doug. Der Computer hat schon wieder einen ausgespuckt!" "Oh nein, Sir!" "Leider doch!" Der Colonel sah ihn mit müden Augen an. Dann stand er auf. "Rühren sie sich!" Blake stellte sich bequem hin. Harrison drehte sich der Karte der Vereinigten Staaten zu, die hinter seinem Schreibtisch hing. Bunte Fähnchen übersäten fast den ganzen Norden.
"Dem Himmel sei Dank das wir die Daten der Personen haben, die sich in oder in der Nähe der Zone 0 aufgehalten haben" Er drehte sich wieder Doug zu. "Wissen sie, seitdem die Geschichte angefangen hat, haben wir kaum ruhige Minuten. Ständig kommen neue Meldungen von 'lebenden Toten' herein. Ständig neue Hiobsbotschaften von sich entwickelnden Seuchenherden." Harrison setzte sich wieder und wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht.
"Wir habe einen Scheiß Job Doug, aber jemand muß ihn tun. Keiner weiß ob der arme Teufel wirklich das Virus in sich hatte. Doch um der Menschheit eine Chance zu geben, müßen wir bei dem kleinsten Verdacht aktiv werden!"
Der Colonel griff nach einem Blatt Papier auf seinem Schreibtisch und reichte es Doug. "Hier sind die erforderlichen Daten für ihren nächsten Einsatz. Eine Frau die in der Nähe des Einschlagkraters Urlaub gemacht hatte. Bitte gehen sie wieder mit absoluter Vorsicht vor." Er nickte Doug Blake zu.
"Viel Glück!"