Homepage | Kalender | Mein Profil | Meine Post | Autorenliste | Buchshop
Poesie
Prosa
Verschiedenes
Werkstatt
Forum
Sonstiges

Prosa => Phantasy & SciFi


Das Geheimnis von Aabatyron Buch 3 Kapitel 15/01 - von Aabatyron, 17.08.2008
Das Geheimnis von Aabatyron Buch 3

Kapitel 15/01 Unendlichkeit der Zeit

Das Erlebnis auf dem Planeten der Folaner mit den Feehls hätten Veronika und Walter nie zuvor für möglich gehalten, wenn ihnen jemand erzählt hätte, dass es so etwas geben könnte. Ihre körperlichen altersbedingten Beschwerden waren wie weggewischt, und dies hatten sie alles nur dem Kontakt mit den Feehls zu verdanken. Erst jetzt konnten sie so richtig verstehen, was ihre Tochter Christina tatsächlich mit ihrem Weltraumprojekt geleistet hatte. Wenn es für alle Menschen künftig möglich war, zu fernen Planeten zu reisen um vielleicht dort ähnliche Kräfte kennenzulernen wie sie auf dem Planet Folan, dann war es wirklich sinnvoll, diese Entwicklung der Raumflugtechnik weiterzutreiben und verstärkt in die Forschung zu investieren.
Christina indessen hatte durch die zwangsläufige Symbiose mit Millionen anderer Wesen, die ähnlich Kräfte wie sie selbst besaßen, in der Zeit ihrer Gefangenschaft bei dem geistigen Überwesen ein entscheidendes weiteres Geheimnis der Natur enträtseln können. Wenn man immer mehr Einzelwesen zu einem geistigen Verbund vereinigte, wurde deren Macht immer größer und sie waren dadurch in der Lage, selbst die kompliziertesten Vorgänge in der Natur begreifen zu können. Dadurch, dass die Trinos sich zu einem Kollektiv vereinigt hatten, besassen allein schon sie eine unvorstellbare geistige Kraft. Das Wesen in dem Paralelluniversum, mit dessen Hilfe sie letztendlich wieder aus der Gefangenschaft des Überwesens befreit worden waren stellte die nächste Stufe der Entwicklung dar. Dieses gigantische geistige Überwesen, das die Ausmaße eines gesamten Universums besaß, war vermutlich eine direkte Vorstufe zu der alles erschaffenden schöpferischen Kraft, die es nach den erfahrenen Informationen in einem anderen Kontinuum gab.
Allerdings hatte Christina auch noch eine völlig andere Wahrheit bei dem ganzen Erlebnis mit diesem Geistwesen entdeckt. Sie und all die anderen Individuen waren letztendlich nur durch die Fähigkeit von Droormanyca und Alexander, Antimaterie auf parapsychischer Ebene beherrschen zu können, aus der kollektiven Gefangenschaft wieder befreit worden. Die Erkenntnis war zwar mehr als verblüffend, aber trotzdem eine bestehende Tatsache: Nicht die Größe eines Wesens schien letztendlich für dessen Kräfte ausschlaggebend zu sein, sondern dessen besondere Gaben, die ihm von der schöpferischen Kraft geschenkt worden waren. Vermutlich war nur diese allmächtige schöpferische Kraft das einzigste "Wesen", das alle Fähigkeiten, die es gab, in sich vereinigt hatte. In den Überlieferungen der Menschen gab es Bücher, in denen eine Kontaktierung zu dieser schöpferischen Kraft an manchen Stellen beschrieben war. Nur sehr wenige Menschen hatten das Privileg besessen, meist auf geistiger Ebene, mit dieser Kraft kommunizieren zu dürfen. Alle hatten aber auch die Warnung erhalten, sich kein "Bild" von dieser Kraft zu machen. Christina war erst jetzt bewußt, was diese Warnung letztendlich tatsächlich zu bedeuten hatte. Kein Mensch oder ein anderes Wesen, nicht einmal so eine gigantisch große Superintelligenz die die Ausmaße eines ganzen Universums hatte, konnte unbeschadet Kontakt zu dieser allmächtigen schöpferischen Kraft aufnehmen. Der "Geist" jedes Individuums würde sich sofort aufgrund der unvorstellbaren Energien, die in dieser schöpferischen Kraft gespeichert waren, bei einem Kontakt "verbrennen". Im Grunde genommen war der Versuch, sich ein Bild von dieser schöpferischen Kraft zu machen, damit zu vergleichen, dass ein Mensch versuchen würde, in die Korona der heimatlichen Sonne einzutauchen um zu sehen, welche Energien dort herrschten. Sein Körper würde bei so einem Versuch in Sekundenbruchteilen verbrennen. Andererseits war aber gleichzeitig ohne die wärmenden Strahlen der Sonne kein Leben auf der Erde denkbar. Gleichfalls würde ohne diese schöpferische Kraft weder das Coon existieren, noch irgend eine einzige Kreatur.
Christina war sich sicher, dass sie nach diesem Erlebnis den Alltag nie mehr wie zuvor empfinden würde. Das Wissen, dass es solche Kräfte und vermutlich noch unendlich viele andere Universums gab, schlummerte fortan immer in ihrem Gedächtnis. Aber auch die Erkenntnis, dass manchmal kleine Kräfte große Dinge bewegen konnten. Man mußte nicht alles was in der Natur passierte verstehen, aber jeder sollte sich seiner besonderen Verantwortung bewußt sein, wenn er solche speziellen Kräfte geschenkt bekommen hatte. Auf jeden Fall entsprach es nicht dem Sinn der Schöpfung, dass irgendwelche Spezies Kriege gegeneinander führten oder diejenigen, denen die Natur besondere Fähigkeiten geschenkt hatte, diese nur zu ihrem Eigennutz einsetzten und sich dadurch über die anderen Wesen erheben wollten. Sie war sich aber auch sicher, dass sie bis jetzt nur einen kleinen Teil der "Naturwunder" hatte sehen können und es bestimmt noch unendlich viele Dinge in der Zukunft zu erforschen gab.
Hätte Christina in diesem Moment ihres Nachdenkens über Gott und die Welt geahnt, welches Abenteuer bereits auf sie lauerte, vermutlich hätte sie versucht, um den Ort wo sie dieses Abenteuer erleben sollte, einen mehr als großen Bogen zu machen oder ihn sofort zum "verbotenen Gebiet" erklärt.

Der Bau von Raumschiffen der Tyron-Klasse hatte sich inzwischen auf viele Werften weltweit verteilt. Auf der im Weltraum schwebenden Großraumwerft entstand schon das dritte Generationenschiff mit dem man versuchen wollte, das Universum weiter zu erforschen und nach neuen Lebensräumen zu suchen. Vor allen Dingen waren die Verbündeten der Völkerallianz sehr daran interessiert, an solchen Forschungsreisen künftig teilnehmen zu können. Die Allianz hatte sogar beschlossen, mit gemeinsamen Mitteln noch mindestens drei solcher Großraumwerften zu bauen. Christina hatte sämtliche Konstruktionsdaten für die gemeinsam mit den Mitgliedsvölkern genutzte Datenbank freigegeben - viele technische Einrichtungen konnten auf der Erde hergestellt und produziert werden, andere Teile wurden inzwischen auch schon auf Planeten produziert, die dem Verbund angehörten. Nicht nur auf der Erde war ein stetig wachsender Bedarf an Arbeitskräften zu verzeichnen, sondern auch bei den zuvor in Armut lebenden anderen Völkern zeichnete sich ein beginnender Wohlstand ab. Endlich konnten sich die Völker technisch weiterentwickeln und wurden nicht mehr dem Lohn ihrer Arbeit durch die Rauuzecs beraubt. Die wohl erfreulichste Entwicklung fand bei dem Volk der Rauuzecs statt. Viele hatten schnell begriffen, dass es ihnen ohne die eisern waltende Diktatur des Herrscherhauses viel besser ging als zuvor. Der Ruf nach vollständiger Freiheit von allem Klassendenken wurde immer lauter und der Zustrom zu den "Rebellen" wurde von Tag zu Tag größer. Der Antrag eines Unterführers der Rauuzecs, insgesamt mit fünf Planeten auch in die Allianz der Völker einzutreten erforderte lange und schwierige Verhandlungen. Viele der schon der Allianz beigetretenen Völker lehnten das Ansinnen des Unterführes der Rauuzecs zunächst kritisch ab. Erst die Tatsache, dass durch seine Handlungsweise von einigen Getreuen des Herrscherhauses Gegenmaßnahmen getroffen wurden und viele seiner Familienangehörigen leider dabei bei den gewalttätigen Versuchen ihn doch noch umzustimmen entführt und umgebracht wurden, ließ die Verantwortlichen in der Allianz den Antrag noch einmal überdenken. In einer erneuten Abstimmung erging mit knapper Mehrheit der Beschluss, dem Antrag des Unterführes der Rauuzecs unter Vorbehalt zuzustimmen und die Rauuzecs unter strengen Auflagen mit ihren fünf Planeten in die Allianz aufzunehmen.
Christina fand es bedauerlich was mit der Familie des Rauuzecunterführes geschehen war, konnte sich aber trotz allem nicht über die Entscheidung der Bevollmächtigten der Völkerallianz hinwegsetzen. Sie hatte dem Antrag bereits beim ersten Mal zugestimmt, stand aber mit ihrer Entscheidung fast alleine da. Sie konnte im Grunde genommen die ablehnende Haltung der anderen verstehen. Viele Völker hatten noch ein viel schlimmeres Leid durch die Rauuzecs als die Menschen ertragen müssen - und dies über Jahrhunderte hinweg. Wenn sie jetzt, nachdem die Familie des Unterführes auf so tragische Weise quasi dafür bestraft worden war, dass sie dem Völkerbund beitreten wollten, dem Unterführer nicht halfen, würde bestimmt auch dessen Meinung und Einstellung zu der Humanität der Völkerallianz ins Negative gekehrt werden. Es hatte Christina sehr viel Überzeugungsarbeit gekostet, die Mitglieder der Allianz in ihrer ablehnenden Haltung den Rauuzecs gegenüber umzustimmen. Nachdem der Beschluß ergangen war, dass die fünf Rauuzec-Planeten, vertreten durch den Unterführer, in die Allianz der Völker aufgenommen worden waren, wagte es kein Herrscherhausgetreuer mehr, dem Unterführer oder einem seinen überlebenden Familienangehörigen nach dem Leben zu trachten.
Wenn die Menschen von solchen Vorkommnissen in den Nachrichten hörten, wurden zumindest die älteren von ihnen meist schmerzlich an ähnliche Ereignisse erinnert, die früher auf der Erde in fast gleicher Weise passiert waren. Heute gab es zwar diese Kriege auf der Erde nirgends mehr, dafür verstanden die „Alten“ von der neuen Technik meist nicht so viel und dachten manchmal wehmütig an die Zeiten ihres Lebens zurück, wo diese rapide fortschreitende Modernität noch bequem geistig verarbeitbar war. Allerdings hatten die "modernen" Zeiten auch durchaus ihre Vorteile. Es gab praktisch keine Arbeitslosigkeit mehr und jeder war auch im Alter medizinisch gut versorgt und konnte seinen "Ruhestand" genießen. Dies hatte sich erst mit dem steigenden Aufschwung der Wirtschaft in den letzten paar Jahren erfreulicherweise ergeben. Manche hatten zuvor eine schlimme Zeit des Kampfes um Arbeit bei gleichzeitiger Steigerung der Preise und Steuern erleben müssen. Noch im Jahr 2010 wußten viele älteren Menschen nicht, wie sie mit ihrer kargen Rente ihr weiteres Dasein fristen sollten. Von dem Raumfahrtprogramm des Freibergkonzerns hatten zwar viele in dieser Zeit gehört, aber mancher hatte nur negative Worte dafür gefunden, dass man die Unsummen an Gelder, die in dieses Programm investiert wurden, bestimmt viel besser hätte verwenden können. Jetzt waren sie mehr als froh darüber, durch dieses Raumfahrtprogramm zu solch einem unerwarteten Geldsegen im Alter gekommen zu sein.
Den Mangel an Energie hatte man inzwischen vollständig beseitigt und die Verteilungsnetze waren so gut wie überall auf der Welt komplett erneuert worden. Sorge machte der Industrie momentan nur der stetig und immer schneller steigende Bedarf an Rohmaterialien und Rohstoffen. Dass man diesen Bedarf nicht mehr aus Ressourcen von der Erde decken konnte, wurde von Tag zu Tag jedem bewußter. Das Rohmaterial für die Herstellung des Aslanidenstahls zum Beispiel wurde inzwischen fast zu einhundert Prozent auf einem nahegelegenen Planeten abgebaut und die Kette der Transportschiffe riss nie ab. Der Bau von Großraumschiffen war direkt vom Nachschub dieses wertvollen Rohstoffs abhängig. Es war fast eine logistische Meisterleistung, alles so zu koordinieren und zu steuern, dass immer alles termingerecht und in ausreichender Menge zur Verfügung stand. Aber mit den neuen positronengesteuerten Planungscomputern war dies bis jetzt sehr zuverlässig möglich - bis zu dem Tag, wo plötzlich die erste erwartete Fracht ausblieb.

Zuerst dachte sowohl Christina, wie auch ihr Technikerteam, dass das Ausbleiben des Transportschiffes auf einen Fehler des Logistiksteuerungssystems zurückzuführen sei. Es gab zwischen den Transportaufträgen der wertvollen Fracht immer wieder Zeiten, in denen kontinuierlich die notwendigen Wartungsarbeiten an den Frachtschiffen durchgeführt wurden. Die Schiffe selbst waren nur mit einer kleinen Mannschaft besetzt. Gerademal 24 Besatzungsmitglieder gehörten zum Stab der Flugtechnik und meist reisten nur vier bis fünf weitere Personen mit zur Erde – es waren die Bergbauarbeiter, die auf Urlaubsbasis ihre Familien besuchen wollten oder eine Schichtsaison hinter sich gebracht hatten und jetzt ihre gesammelten Freischichten nahmen. Normalerweise gab es so gut wie keine größeren Verspätungen. Die Navigation erfolgte anhand eines Kettensteuerungssystems und die Fluggeschwindigkeit wurde von dem Verkehrsleitsystem überwacht und jeweils bei beginnenden Abweichungen korrigiert. Bis jetzt war es nur dreimal vorgekommen, dass ein Frachtschiff liegengeblieben war und mit einem anderen Transportschiff zum Instandsetzungsdock geschleppt werden mußte. Bei zwei Schiffen war das Antriebssystem ausgefallen und das dritte Schiff war von einem Meteor getroffen worden, der die Schiffspanzerung komplett durchschlagen hatte. Gottseidank war der Crew bei diesem Unfall nichts passiert. Allerdings hatte der Meteor auch einen der großen aussenliegenden Sauerstofftanks getroffen. Der Tank war in einer mächtigen Explosion detoniert und hatte fast die Hälfte des Frachtraumes vom Rest des Schiffes abgesprengt. Die Versicherung hatte zwar den Schaden bezahlt – auch die entgangene Gewinnbeteiligung der Mannschaft – aber man hatte Wochenlang mühselig die vielen Erzbrocken, die sich überall im Weltraum genau in der Flugroute zur Erde verteilt hatten, einsammeln müssen. Wenn so ein halbmetergroßer Brocken mit einem weiteren Schiff kollidiert wäre, der Nächste Totalschaden hätte mit Sicherheit vorausgesagt werden können. Eine nennenswerte Produktionsverzögerung hatte es allerdings wegen dieser Vorfälle nicht gegeben. Jede Reederei hatte genügend Ersatzschiffe, die sofort den weiteren Flugeinsatz übernehmen konnten. Im Unterschied zu den bisher drei liegengebliebenen Schiffen, die sofort über Funk ihr Missgeschick gemeldet hatten, war von dem Frachtschiff, auf das man schon so dringend wartete, bisher keine Nachricht erfolgt, dass es in irgend welche Schwierigkeiten gekommen war. Es reagierte auch nicht, nachdem man weitere Nachfragen per Funk an die Crew stellte. Das Verkehrsleitsystem hatte nur plötzlich festgestellt, dass von den Steuereinheiten der Schiffsservos plötzlich keine Rückmeldedaten mehr gesendet wurden. Eine Fernsteuerung war aber nur möglich, wenn sämtliche Flugbewegungen genau bekannt waren und man dadurch Kollisionen vermeiden konnte. Es war nichts gefährlicher, als ein Frachtschiff mit Millionen Tonnen Erz, das womöglich Führerlos im Raum trieb ohne die Möglichkeit, den Kurs korrigieren zu können.
Als Christina von dem „Verschwinden“ des Frachters aus dem Erfassungsbereich der Ortungsgeräte hörte, glaubte sie zunächst, dass es in den Steuerungen der Ortungspeilgeräte vielleicht zu einer Fehlfunktion gekommen war. Ein Frachter mit der Ladung von einigen Millionen Tonnen Erz, war erstens sehr langsam, und zweitens so groß - der konnte gar nicht von einem Augenblick zum anderen von den Ortungssystemen verschwinden. Ein Check der Ortungssysteme zeigte aber keinen Fehler. Das Frachtschiff war offensichtlich kurz nach dem Start von dem „Erzplaneten“ einfach wie von Zauberhand verschwunden. Dass es in der Vergangenheit schon „Diebe“ gegeben hatte, die einen Teil der Fracht geschickt an ihrem Bestimmungsort vorbeigeschleust hatten, das war Christina bekannt – einen kompletten Frachter einfach so verschwinden lassen – das traute sie bis jetzt keinem noch so cleveren Dieb zu.
Wo aber war der riesige Frachter abgeblieben? Christina erinnerte sich an ein Ereignis zurück, kurz nachdem sie diesen Planet entdeckt und angefangen hatten, auf ihm das wertvolle Erz abzubauen. Die Bergbauingenieure entdeckten auf diesem Planeten eindeutige Spuren, dass schon vor ihnen eine fremde Kultur dort gewesen war und anscheinend auch ihnen gleich die Erze tief aus der Erde gefördert hatte. Das Rätselhafte damals war auch die Feststellung gewesen, dass die gesamte entdeckte Anlage genau den Eindruck hinterließ, als ob jemand von einem Moment zum anderen die Arbeit eingestellt und den Planet verlassen hätte. Nachdem man aber im weiteren Verlauf riesige Funde von reinsten Diamanten machte, störte sich an diesem Mysterium so gut wie niemand mehr. Viele der Bergbauarbeiter, die tief in den Stollen arbeiteten, waren inzwischen durch die sehr wertvollen Funde und ihrem Prämiensystem, das solche Funde besonders entlohnte, sehr wohlhabend geworden. Die Bergbaugesellschaft der Freibergwerke hatte mit allen Arbeitern eine besondere vertragliche Regelung der Gewinnbeteiligung vereinbart. Viele Firmen hatten dieses System inzwischen mit großem Erfolg ebenfalls übernommen. Seit man solche „Gewinnbeteiligungen“ den Arbeitern zugestand, gab es so gut wie keine Fluktuation der Arbeitskräfte oder die früher sehr häufig üblichen Arbeitsplatzwechsel mehr. Auch die Einforderung der Arbeitsleistung war so gut wie kein Thema mehr – je mehr in einem Werk produktiver Umsatz mit den entsprechenden Gewinnen gemacht werden konnte, umso mehr „Beteiligungsprämie“ erhielt jeder Beschäftigte. Jeder, der die Möglichkeit hatte, auf dem Planet STRATO73-A als Untertagebergbauarbeiter sein Geld zu verdienen, wußte, dass er durch die besondere Ergiebigkeit der Erzvorkommen innerhalb kurzer Zeit zu sehr viel Geld kam. Viele hatten inzwischen ihre Familie einfach auf den "Eisenplanet", wie er in der Arbeitersprache genannt wurde, mitgenommen und wohnten in den recht geräumigen Wohncontainern, die inzwischen zu hunderten auf der Planetenoberfläche aufgestellt worden waren. Die gesamte Wohnanlage wurde durch eine riesige Kuppel aus Cermantiumglas überspannt. So war man davor geschützt, dass der Sauerstoffgehalt für ein Atmen ohne Zusatzgerät wie auf der übrigen Planetenoberfläche ausreichte. Gewaltige Sauerstoffregenerationsanlagen entzogen der dünnen planetarischen Atmosphäre den in ihr enthaltenen Restsauerstoff und pumpten ihn in die Panzerglaskuppel. Ausserdem sorgten riesige Klimaanlagen dafür, dass unter der Kuppel die Hitze nicht über ein den Menschen unverträgliches Maß anstieg oder während der Dunkelphase nicht die frostige Kälte ein Leben in den Wohneinheiten unmöglich machte. Dies war auch so eine seltsame Geschichte mit dem Klimawechsel auf diesem Planeten. Als er erstmalig entdeckt worden war, herrschten auf ihm fast erdähnliche Wärmeverhältnisse, nur dass er eine sehr dünne Atmosphäre besaß, die sehr wenig Sauerstoffanteile besaß. Als endlich nach zwei Jahren beschlossen war, ihn als Erzabbauplanet voll zu nutzen, hatten sich die klimatischen Bedingungen drastisch geändert. Die Hitze am Tag war ohne Hilfsmittel nicht zu ertragen – die Kälte der Nächte ließ alles Leben erstarren. Die Bergbaugesellschaft hatte allerdings bereits so viel Geld in den Betrieb des Bergbaus investiert, dass man sich entschloss, trotz dieser klimatischen Veränderungen nicht von dem Plan abzuweichen, auf diesem Planeten Erz abzubauen. Lediglich entstanden geringe Mehrkosten gegenüber der ursprünglichen Investitionsplanung, weil man zum Schutz der Menschen an der Schürfstelle noch zusätzlich eine Kuppel aus Cermantium-Panzerglas auf der Planetenoberfläche verankerte und große Klimaaggregate für die Temperaturregelung integriert wurden.
Wenn jemand den Schutz der Kuppel verließ, mußte er einen Vorrat an Sauerstoff mitnehmen und sich zusätzlich gegen die extreme Hitze am Tag schützen, die von der brennenden Sonne, der der Planet ausgesetzt war, entstand und die Steine an manchen Stellen auf mehrere hundert Grad aufheizte. In den Nächten wurde die am Tag gespeicherte Wärme der Oberfläche durch die extrem dünne Atmosphäre sehr schnell in den Weltraum abgegeben und machte innerhalb weniger Stunden einer frostigen Kälte bis zu Minus 70 Grad Platz. Die Atmosphäre ausserhalb der Glaskuppel war so dünn, dass sie die Wirkung hatte, etwa wie auf der Erde, wenn man einen 3000-Meter-Berg ohne Atemgerät bestieg. Trotz allem gab es besonders "harte" Burschen, die ab und zu den Planet besuchten um dort einen der beliebten Abenteuerausflüge mit entsprechender Spezialausrüstung durchführen zu können. Es gab keinerlei Vegetation und bis jetzt war auch noch kein „Leben“ irgend einer Art entdeckt worden. Ab dem Tag, wo ein Bergbauarbeiter ausserhalb der Kuppel bei Vermessungsarbeiten einen "grünen Kristall“ entdeckt und mitgebracht hatte, besassen solche Abenteuerausflüge ihren ganz besonderen Reiz. Nachdem der Arbeiter, der zuvor mühselig seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie verdienen mußte, den Kristall veräussert hatte und hernach in einem ungewohnten Luxus leben konnte, sprach sich die Geschichte über diesen Fund sehr schnell herum. Dass dem Käufer dieses Kristalls das wertvolle Stück ein paar Tage später durch besonders raffinierte Diebe entwendet worden war, sorgte sogar ein zweitesmal für ein Aufsehen dieses besonderen Fundes in den Nachrichten. Die Diebe hatten nicht nur den Kristall mitgenommen, sondern auch noch die halbe Familie des Edelsteinhändlers entführt, ohne dabei die geringsten Spuren zu hinterlassen. Man hatte damals wochenlang über die besondere Raffinesse dieser Diebe gerätselt.
Christina war bekannt dafür, dass sie ein vortrefflich logisches Denkvermögen besaß. Sie hatte schon einen unbestimmten Verdacht, als sie sich jetzt die umfangreichen Frachtpapiere des Transportschiffes Posten für Posten auflisten lies. Ihre Suche galt einzig und allein der Eintragung, ob dieser Frachter vielleicht ein Fundstück so eines grünen Kristalls bei seinem Flug zur Erde mitgeführt hatte.
Treffer - es war tatsächlich so ein Kristall mit an Bord gewesen. Auch der Name des Entdeckers war in den Unterlagen vermerkt. Er hätte für diesen 32 Kilogramm schweren Brocken so viel Geld bekommen - da wären selbst seine Urenkel noch bis ins hohe Alter finanziell versorgt gewesen. Da er zuvor nicht wohlhabend war, hatte er leider für sein Frachtgut keine Versicherung abgeschlossen.
Die ganze Geschichte war so mysteriös dass sich Christina entschied, selbst mit einem Team vor Ort für Aufklärung zu sorgen. Der Bergarbeiter, der den Kristall entdeckt und geborgen hatte, verweilte noch immer auf dem Planeten STRATO73-A, vermutlich schon in Kenntnis, dass sein wertvoller "Schatz" zusammen mit dem Frachtraumer verschwunden war. Christina wollte von ihm erfahren, wo er den Kristall entdeckt hatte - in der Hoffnung vielleicht noch irgend welche Spuren dieses Materials zu entdecken um es analysieren zu können.
Mit einem Raumschiff der Tyron-Klasse konnte man den Planet in knapp zwei Stunden erreichen. Alexander war natürlich von der gleichen Neugier beseelt wie Christina - er würde das Team ebenfalls begleiten. Anja-Kerstin wollte selbstverständlich auch nicht bei dem kleinen Abenteuer fehlen - aber zum wiederholtenmal mußte sie zu ihrem Leidwesen aufgrund der Schulpflicht auf die Teilnahme an so einer Aktion verzichten. Ihre Oma und Michael würden für sie sorgen, solange sich Christina auf der kleinen Inspektionsreise befand.
Zu dem Planet fliegen, eine Probe dieser grünen Kristalle besorgen, Rückflug zur Erde und die Kristalle dort in den Labors analysieren - so war Christinas Plan. Fast hätte sie sich dazu durchgerungen, ihre Tochter einen Tag von der Schule freistellen zu lassen - aber man konnte letztendlich nie wissen, ob so ein kurzer harmloser Aufklärungsflug nicht vielleicht doch länger dauerte.
Der Kapitän der Tyron 47 war mehr als erfreut, mit seinem Team gleich zwei Personen von der berühmten Familie Freiberg an Bord seines Schiffes begrüßen zu dürfen. Er kannte bereits das Vorhaben, nach dem Verbleib des Frachters zu suchen. Dass Christina Freiberg persönlich an dieser Suche teilnahm, ließ ihn vermuten, dass hinter dem mysteriösen Verschwinden des Frachters viel mehr steckte, als die Behörden bis jetzt allgemein zugaben. Das zu erreichende Ziel, der Planet STRATO73-A, war bereits in der Navigationspositronik des Schiffes eingegeben. Zu dem Planet zu fliegen war quasi ein Routineflug. Bei ihrem Flug zu dem Zielort würden sie genau an der Raumposition vorbeikommen, wo der riesige Frachter spurlos verschwunden war. Als die Navigationszentrale meldete, dass der Raumsektor gleich erreicht sein würde, wurden die Fernortungssysteme aktiviert, um den vielleicht vom Kurs abgekommenen Frachter doch noch zu entdecken. Nichts – keinen einzigen Hinweis darauf, dass sich irgendwo in der näheren Raumzone ein verirrtes Frachtschiff befand. Selbst wenn der Frachter aus unerklärlichen Gründen explodiert wäre, hätte man jetzt zumindest kleine Materiereste oder Trümmerteile orten müssen. Aber auch diese Messung ergab, dass nichts zu finden war. Eine spezielle Energiemessung allerdings zeigte Erstaunliches.
Wenn ein Frachtschiff seine Antriebssysteme aktiviert hatte, wurden die ausgestoßenen Plasmateilchen meist nicht vollständig in reine Antriebsenergie umgewandelt. Es gab durch winzige Rückstände nicht umgewandelter Plasmateilchen sogenannte Energiespuren im Weltraum, die man noch Tagelang nach dem Flug eines der Frachtschiffe mit Hochleistungsenergiedetektoren verfolgen konnte. Das Frachtschiff schien eindeutig anhand dieser Spuren bis hierher zu dem Raumsektor, wo es plötzlich von den Ortungsgeräten verschwunden war, geflogen zu sein. Auf der weiteren Strecke gab es keine solche Energiespuren mehr – auch nicht von einem anderen Schiff, mit dem man den Frachter vielleicht hätte abschleppen können. Das ganze sah wirklich so aus, als ob der Weltraum selbst den Frachter komplett von einem Augenblick zum anderen verschluckt hätte. Allerdings sprach gegen diese These wiederum die Tatsache, dass in diesem Raumsektor weder ein Gravitationsfeld zu messen , noch eine Energieform zu finden war, die in der Lage sein konnte, den Raum mit gigantischen Kräften so zu einer Krümmung zu zwingen, dass es eine Überlappung mit einem Paralellkontinuum gab und das gesamte Schiff dadurch auf diese Energieebene gezogen worden sein konnte.
Das Gefühl, dass dieser grüne Kristall mehr mit dem verschwinden des Raumfrachters zu tun hatte wie ihr lieb war, verstärkte sich bei Christina immer mehr. Ihre Ahnungen bei solchen Ereignissen hatten sie bis jetzt so gut wie nie getrogen. Sie hoffte, dass man an der Fundstelle des grünen Kristalls noch einen Hinweis finden konnte, der es erlaubte das Rätsel zu lösen.
Während des Weiterflugs auf den Planet STRATO73-A sah Christina noch einmal alle Messdaten sehr aufmerksam durch, konnte aber leider nichts entdecken, das in irgend einer Form Aufschluß darüber gab, warum ein so großes Frachtschiff einfach verschwinden konnte. Die Landung auf STRATO73-A erfolgte fast zeitgleich mit der dort eintreffenden Mittagssonne. Ohne Schutzanzüge konnte man die Bereiche ausserhalb der Panzerglasglocke nicht unbeschadet betreten. Einer der Teamleiter formulierte seine Antwort auf die Frage nach den Auswirkungen der sengenden Sonne eines noch jungen und unerfahrenen Wissenschaftlers, der ihn bei der Suche nach den Spuren des grünen Kristalls begleiten durfte, sehr treffend: Ohne die spezielle Funktion der Schutzanzüge mit ihrer Klimaregeneration, würde jeder Mensch innerhalb weniger Minuten wie ein Steak auf dem Grill gebraten werden und sein Leben verlieren. Wenn die Dunkelheit hereinbrach, erstarrte jeder biologische Organismus ohne Schutzanzug durch die beissende Kälte innerhalb einer halben Stunde zu Stein. Es gab nur ein sehr kleines Zeitfenster innerhalb des Wechsels von der Hitze des Tages zu der Kälte der Nacht, in dem ein Mensch ohne Schutzanzug ausserhalb der Glaskuppel existieren konnte. Allerdings mußte er zuvor ein spezielles Training der Atemtechnik in den höchsten Bergregionen der Erde absolviert haben um nicht durch den herrschenden Sauerstoffmangel noch vor dem Hitze- oder Kältetod ohnmächtig zu werden. Wie schon gesagt, war der Aufenthalt ohne Schutzanzug ausserhalb der Glaskuppel nur etwas für besonders hartgesottene Burschen die den Nervenkitzel liebten und dafür auch ihr Leben oder zumindest ihre Gesundheit aufs Spiel setzten. Manchmal waren es aber auch ganz einfache Bergbauarbeiter, die diese Zeitfenster des Übergangs von Tag auf Nacht oder umgekehrt dazu nutzten, ausserhalb der schützenden Kuppel nach den grünen Kristallen zu suchen. Dass es trotz allen Warnungen schon einige ohne einen speziellen Schutzanzug versucht hatten, bewies leider das Vorhandensein von den ausgebleichten Knochen ihrer Gerippe, die als einzigstes Zeugnis ihres wahnwitzigen Ausflugs von der Sonne und der eisigen Kälte übriggelassen wurden. Ein normaler Arbeiter hatte einfach kein Geld um sich einen dieser unbezahlbaren Schutzanzüge kaufen zu können. Nachdem es einmal ein Bergarbeiter bei einem dieser Schatzsuchegänge geschafft hatte, einen großen Kristall zu finden und sogar in die geschützte Kuppel bergen zu können, gab es nach ihm noch sehr viele Nachahmer – allerdings mit weit weniger Erfolg. Er war durch seine wahnsinnige Schatzsuche innerhalb des Zeitfensters von knapp 48 Minuten steinreich geworden – viele andere nach ihm hatten bei ihrer Schatzsuche nicht so viel Glück und bei dieser Suche das Leben verloren. Obwohl man durch die Bergbaugesellschaft dafür sorgte, dass niemand mehr so einfach die geschützte Glaskuppel verlassen konnte, gab es immer wieder besonders clevere Burschen, die es trotzdem schafften, die Sicherheitsschotts zu umgehen und ihre kleinen Ausflüge in den knappen Zeitfenstern, in denen ein Überleben auch ohne teuren Schutzanzug möglich war, durchzuführen. Der letzte, der es versucht hatte, war durch einen der Wartungskanäle der Klimaaggregate gekrochen, um ins Freie zu kommen. Als er nach Ablauf des Zeitfensters wieder durch diesen Wartungskanal in die Kuppel zurückwollte, war dieser durch das inzwischen hydraulisch eingefahrene Staubfilter versperrt. Nur der Umstand, dass er einem Kollegen vom Wartungsteam sein Vorhaben verraten hatte und diesen gegen Herausgabe aller Pläne der Klimaaggregate an einem Fund von grünen Kristallen beteiligen wollte, rettete ihm letztendlich das Leben. Als die Zeit überschritten war, bekam dieser Kollege jetzt doch Gewissensbisse, dass aufgrund seiner Handlungsweise dort draussen ein anderer gerade gegen den Kältetod kämpfte und gab deshalb für das Notfallteam Alarm. Der verrückte Schatzsucher konnte gerade noch in letzter Sekunde gerettet werden. Die schweren Erfrierungen an seinen Zehen und Händen würden ihn trotz teilweiser Regenerierung durch die Mediorobots sein ganzes weiteres Leben an seinen wahnwitzigen Ausflug erinnern.
Der junge Vermessungstechniker, der den 32 Kilogramm schweren Kristall zufällig bei Vermessungsarbeiten ausserhalb der Kuppel gefunden hatte, wußte zuerst gar nicht, wie wertvoll sein Fund in Wirklichkeit war. Er hatte sich auf der Erde nur dem Studium von Geovermessungstechniken gewidmet. Eines seiner Lieblingsfächer war natürlich bei diesem Beruf auch die Mineralogie. Als er den grün schimmernden Kristall entdeckte, bestand sein erstes Interesse nur darin, den für ihn bis jetzt unbekannten Kristall für eine Analyse mitzunehmen. Erst als er den Brocken in die schützende Glaskuppel gebracht hatte, erfuhr er, dass er als bester Prüfling seiner Klasse, aber nichts desto Trotz dadurch leider nicht wohlhabend, sondern nur mit dem Vorteil ausgestattet, einen besonders gut bezahlten Arbeitsplatz erhalten zu haben, aus der Kuppel gegangen, aber als vermutlich Multimillionär wieder von seiner Tätigkeit in die Kuppel zurückgekommen war. Sofort hatte er natürlich seine Familie auf der Erde von seinem unerwarteten wertvollen Fund informiert. Sicherheitshalber ließ er sich umgehend vorschriftsmäßig namentlich als „Finder“ dieses ungewöhnlich großen und wertvollen Kristalls registrieren. Da er den wertvollen Kristall nicht innerhalb einer Erzabbauzone der Bergbaugesellschaft gefunden hatte, bekam er sogar fast den gesamten Wert zum Verkaufsrecht zugeschrieben.
Nach Schichtende gab es für alle seine Mitarbeiter oder Kollegen in der Kantine der Gesellschaft eine mehr als großzügige Feier. Allerdings wollte er zuerst seine vertraglich vereinbarte Zeit bei der Bergbaugesellschaft erfüllen, deshalb war diese Feier keinesfalls eine Abschiedsfeier. Viele waren zwar der Meinung, mit so einem unverhofften Reichtum könne er sich doch jetzt bequem zur Ruhe setzen, aber er war der Überzeugung, dass er sein erlerntes Wissen zuerst in der Praxis umsetzen wollte, und es besser wäre, den „Reichtum“ erst später zu genießen, wenn er damit besser umgehen könne. So voll wie zu diesem Anlass war die Kantine noch selten gewesen. Jeder wollte den Glückspilz sehen, der so unverhofft zu so einem Reichtum gekommen war. Vermutlich wunderten sich die verantwortlichen Ingenieure schon darüber, warum fast ihre gesamte Produktion schlagartig zum Stillstand gekommen war.
Dass dann plötzlich die alarmierende Meldung von der Erde kam, dass ein Erzcontainerschiff nicht zu dem vereinbarten Zeitpunkt angekommen war, versetzte ihn in wachsende Unruhe. Genau auf diesem Frachtschiff hatte er den wertvollen Kristall, sicher in einem Tresor verstaut, mitgeschickt. Hoffentlich hatten keine Diebe ausgerechnet dieses Frachtschiff für eine räuberische Handlung ausgesucht. Dann kam die Meldung, dass der Transporter unter mysteriösen, noch nicht geklärten Umständen verschwunden sei. Diese Nachricht war mehr als niederschmetternd. Wenn das Schiff mit irgend einem Asteroiden kollidiert war, würde der Kristall vermutlich bei der Explosion vollständig vernichtet worden sein. Eine Versicherung hatte er leider nicht abschließen können. Wie sollte er auch bei dem geschätzten Wert seines Frachtgutes so schnell vier Millionen Dollar auftreiben können. Mehr als niedergeschmettert saß er nun am Tisch in der Kantine und wurde zudem noch von dem Verwalter der Kantine gefragt, wie er jetzt nach dem Verlust des Kristalls die Kosten für die Feier bezahlen wollte. Obwohl er die anderen erst relativ kurz kannte, hatten sie anscheinend sehr viel Verständnis für seine mehr als traurige Lage. So schnell, wie sie spontan eine Sonderaktion starteten, konnte er gar nicht überlegen, ob es noch eine andere Möglichkeit gab, seine Schulden bei dem Kantinenverwalter anders zu begleichen, als ihm die ersten drei Monatslöhne zu verpfänden. Innerhalb einer knappen Viertelstunde hatten seine neuen Kammeraden so viel Geld gesammelt, dass die Kantinenrechnung beglichen werden konnte. Dass er sich gerührt bei allen für diese Erlösung von dem „Schuldenproblem“ bedankte, kam von ganzem Herzen. Manche wollten ihn natürlich trösten, indem sie ihm Hoffnung machten, dass man das Frachtschiff vielleicht doch noch wieder finden würde. Im Stillen nahm er sich fest vor, dass wenn sie den Frachter wieder finden würden, und damit auch er seinen wertvollen Kristall wieder zurückbekam, dann würde er den Erlös für das wertvolle Stück mit seinen Kumpels teilen. Schließlich arbeiteten alle auf diesem rauhen Planeten um für ihre Familien sorgen zu können – eigentlich müßten dann ja auch alle von so einem Fund profitieren können und nicht nur ein einzelner.
Die Ankunft der Tyron 47 auf STRATO73-A war an sich nicht unbedingt aufsehenerregend. Es kam schon ab und zu vor, dass von der Erde ein Verwaltungsschiff auf dem Planeten landete um beispielsweise eine technische Inspektion vorzunehmen oder die Einhaltung aller Sicherheitsbestimmungen zu überprüfen. Bei der jetzigen Landung eines Schiffes der Tyron-Klasse entstand beim Führungsteam einige Aufregung dadurch, dass man munkelte, dass die Besitzerin des Freibergkonzerns persönlich der Bergwerkseinrichtung einen Besuch abstatten wollte. Die Ingenieure ordneten nach bekanntwerden dieses "Gerüchts" sofort eine nochmalige Überprüfung aller Einrichtungen an - schließlich wollte man nicht hinter dem hohen Standard aller anderen Zweigstellen des Freibergkonzerns mit irgend einem Mangel zurückstehen. Dass Christina sich gar nicht für die Einhaltung aller Sicherheitsbestimmungen interessierte, nahmen die Verantwortlichen erleichtert als Beweis ihres Vertrauens in ihre Führungsqualitäten auf. Sie wollte ohne große Formalitäten sofort den Entdecker des zuletzt gefundenen grünen Kristalls sprechen.
Der junge Vermessungstechniker war völlig überrascht, als er mitten bei seiner Arbeit plötzlich in das Gebäude der Verwaltung gerufen wurde. Die ganze Geschichte mit diesem unheilvollen Fund eines grünen Kristalls hatte ihn mehr als genervt und fast wünschte er sich, ihn nie entdeckt zu haben. Bestimmt gab es deshalb schon wieder irgend welchen Ärger mit der Verwaltung - weil er zum Beispiel mitten während der Arbeitszeit seine "Kantinenfeier" organisiert hatte. Am liebsten wäre es ihm gewesen, die ganzen Geschehnisse ungeschehen machen zu können. Aber leider war dies nicht mehr möglich. Jetzt musste er die Suppe auslöffeln, die er sich mit seiner ungewollten Schatzsuche eingebrockt hatte. Auf dem Weg zu dem Verwaltungsgebäude überlegte er sich tausend Antworten auf tausend ungestellte Fragen und hoffte, dass er nicht durch diese blöde Geschichte auch noch seinen Arbeitsplatz verlor. Das was ihn allerdings in der Verwaltung erwartete, übertraf all seine heimlichen Befürchtungen.
Kaum hatte ihm die freundliche Sekretärin den Weg in das Konferenzzimmer gewiesen, in dem er seine Abmahnung wegen der eigenmächtigen Organisation seiner Feier und anschließenden Durchführung erwartete, kam erst der richtige Schock. Die Besitzerin der Freibergwerke höchstpersönlich hatte sich die Zeit genommen, ihn wegen seiner unerlaubten Aktion während der Arbeitszeit zusammenzustauchen. Er ahnte schlimmes. Das würde einen Empfang daheim bei seiner Familie geben, wenn er anstatt des angekündigten Reichtums mit den Entlassungspapieren auf die Erde zurückgeschickt wurde.
Christina musterte den jungen Mann, der gerade mit gesenktem Kopf den Raum betrat, sehr eindringlich. John Walter, 34 Jahre, ledig, bester Abschlußprüfling im Fach Geovermessungstechnik - hatte sie zuvor aus seinen Personalunterlagen als Informationen entnommen. Er hatte den 32-Kilo-Kristall gefunden und in die Glaskuppel geschleppt. Dass Christina von ihm anstatt einer erwarteten Abmahnung nur den Fundort des Kristalls wissen wollte, ließ ihn erleichtert aufatmen. Diese Konzernbesitzerin schien sehr freundlich zu sein und forderte ihn jetzt sogar dazu auf, sie bei dem kleinen Ausflug zu der Fundstelle zu begleiten. Er wäre nicht bester seines Faches gewesen, wenn er nicht die Fundstelle auf Anhieb wiederentdeckt hätte. Christina hatte ein ganzes Team Wissenschaftler mitgenommen die sich sofort auf die Suche nach Spuren oder Resten dieses Kristallbrockens machten. Nach einer halben Stunde meldete einer der Wissenschaftler, zwischen den Steinen einen winzigen Splitter dieses Materials entdeckt zu haben. Aber ja, das war genau die Stelle, an der John den schweren Brocken abgesetzt hatte um ihn in einem Tragegurtgestell zu verstauen damit er ihn auf dem Rücken transportieren konnte. Beim Absetzen war vermutlich eine der hervorstehenden Kristallnadeln abgebrochen. Christina eilte sofort zu dem Wissenschaftler der mit der ausgestreckten Hand auf die Stelle deutete, an der dieser Kristallsplitter lag.
Vorsichtig angelte Christina den Kristallsplitter zwischen den von der Sonne aufgeheizten Steinen heraus und begutachtete ihn sehr kritisch. Ausser dass sich das Licht der Sonne in seinen vielen Ecken und Kanten brach und ein vielfältiges Muster auf den Boden projizierte, konnte sie aber nichts auffälliges an dem diamantähnlichen Kristall entdecken. Wenn von diesem Kristall irgend welche geheimnisvollen Kräfte ausgingen, dann konnte sie diese durch den Handschuh des schützenden Klimaanzuges hindurch nicht fühlen. John Walter sah mit völliger Überraschung, wie Christina plötzlich, nachdem sie den Kristall von allen Seiten begutachtet hatte, den Handschuh ihres Schutzanzuges auszog und den Kristall direkt mit der Hand umfasste. Sie schien sich zu konzentrieren - als ob sie vermutete, dass von diesem Kristall irgend eine unbekannte Kraft ausging. John sah mit immer größer werdender Verwunderung, dass die sengende Sonne Christina offensichtlich gar nicht störte, den Kristall auf diesem Weg einer Prüfung zu unterziehen. Sie schien es nicht im geringsten zu beeinflussen, dass sie sich praktisch momentan in einer Atmosphäre befand, die etwa der Temperatur eines gut angefachten Grills entsprach. Ungläubig starrte John auf die ungeschützte Hand Christinas und konnte nicht begreifen, wie sie es fertigbrachte, so lange ihre Hand ohne Schutzhandschuh der glühenden Wärme der Mittagssonne auszusetzen. Er hatte einmal erlebt, dass sich einer seiner Kollegen genau um diese Zeit der Sonneneinstrahlung durch Unachtsamkeit eine winzige kleine Beschädigung seines Schutzanzuges zugezogen hatte. Der etwa zwei Zentimeter große Riss, der nach der automatischen "Leckverschließung" übriggeblieben war, hatte dazu geführt, dass sein Kollege sich an der Stelle, wo diese Beschädigung an seinem Schutzanzug entstanden war, schwerste Verbrennungen zugezogen hatte - und dies, obwohl sie ihn sofort in das Basislager in der geschützten Glaskuppel zurückgebracht hatten.
Natürlich stellte sich John jetzt die Frage, ob diese Kristalle eine Kraft besassen, die verhinderte, dass die Sonne ihre zerstörerische Wirkung auf einen biologischen Organismus ausüben konnte. Das würde natürlich erklären, warum diese Kristalle so wertvoll waren und sich diese Christina Freiberg persönlich für den Fundort interessierte.
Christina indessen hatte an dem Kristall keine aussergewöhnlichen Kräfte feststellen können. Er hatte genau die gleichen Strukturen wie ein Diamant - nur mit der Eigenschaft, dass er eine satte, leuchtend grüne Farbe besaß. Sie verstaute den Kristallsplitter in einem kleinen Transportbehälter, und nachdem sie ihren Schutzhandschuh wieder angezogen hatte, gab sie die Order, dass ihr Team wieder zu der Glaskuppel zurückgehen sollte.
Von dem Kristall waren zwar keine besonderen Kräfte ausgegangen, aber Christina hatte seltsamerweise eine unterschwellige Gefahr gespürt. Die Intensität dieser "Bedrohung", die von diesem Kristall auszugehen schien, war so intensiv gewesen, dass Christina keine Erklärung für dieses Gefühl finden konnte. Vermutlich kam dieses Gefühl von der Vermutung, dass der große, von John Walter gefundene Kristall, etwas mit dem Verschwinden des Frachtschiffes zu tun hatte. Den abgesplitterten Teil des grünen Kristalls würde sie mit zur Erde nehmen um in dort in einem ihrer Labors genauestens zu untersuchen und seine Zusammensetzung analysieren zu lassen.
In den Stollen der tiefen Schachtanlage hatte man auch schon Diamanten gefunden, aber nur solche mit der Farbe und Struktur von gepresstem kristallinen Kohlenstoff. Woher der Kristallsplitter seine intensive grüne Farbe besaß, konnte sich Christina nicht erklären. Vielleicht war der über Jahrhunderte dauernde Wechsel zwischen Heiß und Kalt des Klimas ausschlaggebend, dass sich so eine leuchtende Farbe entwickelt hatte. Allerdings wechselten die Diamanten, die man auf der Erde gefunden hatte, selbst innerhalb eines Zeitraumes von Jahrtausenden nicht ihre Farbe.
Der Besuch auf STRATO73-A war von kurzer Dauer gewesen – genau wie vermutet, ein reiner Routineflug – dachte der Flugkapitän, als sich Christina von den Verwaltungschefs der Bergbauabteilung verabschiedete. Auch John Walter war bei der kurzen Verabschiedung zugegen. Während ihm Christina dem Brauch der Menschen folgend die Hand zur Verabschiedung reichte, stockte sie plötzlich in ihrem bereits begonnenen Satz, dem jungen Mann etwas Trost zuzusprechen ob seinem Verlust, den er erlitten hatte. „Haben Sie den Kristall lange Zeit mit den Händen angefasst?“, wollte sie plötzlich von ihm wissen. Blödsinn – dachte sich John – oder sah jemand auf seinen Handrücken etwa Brandblasen von der sengenden Sonne. Er als Mineralogiespezialist wußte doch am besten, dass man solche Funde niemals mit den Händen ohne Schutz berühren durfte bevor sie nicht „desinfiziert“ und von der Behörde für „unbedenklich“ erklärt wurden. Dies war von all den Sicherheitsvorschriften eine der Wenigen, die dazu führten, dass man durch eine Prüfung flog, wenn man die richtige Antwort nicht wußte. Doch halt, er mußte sich leider korrigieren – er hatte den Kristall tatsächlich mit den Händen einmal angefasst. Als er ihn in dem Tresor des Frachtschiffes deponiert hatte, wollte er noch einmal diese geheimnisvoll leuchtende grüne Farbe sehen und hatte den Kristall dazu aus dem Transportbehälter genommen. Jetzt da Christina ihn so unverhofft fragte, wurde es ihm erst so richtig bewußt – er hatte den Kristall wie aus einem inneren Zwang heraus angefasst – auch ohne ihn berühren zu müssen, hätte er sich noch einmal an dessen Anblick erfreuen können. Er hatte ihn aber nur kurz angefasst – aber bestimmt nichts gespürt – wie um alles in der Welt konnte diese Christina Freiberg wissen, dass er den Kristall berührt hatte? Verwundert starrte er auf seine Handflächen, konnte aber nichts aussergewöhnliches entdecken das dazu geeignet gewesen wäre, jemand anderem zu signalisieren, dass er den Kristall angefasst hatte.
Als Christina dem jungen Mann zu der freundlichen Verabschiedungsgeste die Hand reichte, fühlte sie urplötzlich wieder diese seltsame „Gefahr“ die zuvor schon von dem kleinen Kristallsplitter auszugehen schien. Diese Empfindung war so intensiv, dass sie mitten im Satz stockte und von dem jungen Mann anstatt tröstender Worte zu sprechen, aufgeregt wissen wollte, ob er mit dem 32 Kilogramm-Kristall zuvor Kontakt gehabt hatte. Jetzt stand für Christina felsenfest, dass es in dem Kristall irgend eine Substanz gab, die diese instinktive Gefahrwahrnehmung auslöste und sogar bei Berührung auf Menschen übertragen konnte. John Walter indessen war sich keiner Gefahr bewußt – er war momentan nur etwas überrascht von der Tatsache, so hohen Besuch bekommen zu haben und jetzt auch noch gerade im Moment im Zielpunkt aller Blicke zu stehen. Hätte er gewußt, dass in diesem Augenblick nicht nur viele Augenpaare der Umstehenden auf ihn gerichtet waren sondern auch noch der „Blick“ einer Kreatur die alle bisherigen Vorstellungen einer Gefahr weit in den Schatten stellten – vermutlich hätte er sogar draussen vor der Kuppel in der sengenden Hitze eine Gänsehaut bekommen.


Fortsetzung folgt



©2008 by Aabatyron. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

Kommentare


Von Aabatyron
Am 24.08.2008 um 15:21 Uhr

Die leidige Geschichte mit der wörtlichen Rede werde ich wohl doch noch "lernen" müssen - das hast du richtig erkannt. Da bietet so ein Forum eine sehr gute Plattform um durch ein Feedback auf solche Dinge aufmerksam zu machen.
Den ersten Vorstoß, in einer neuen "Art" zu schreiben, habe ich im Kapitel 3 der SF-Geschichte "Zeitkanal" probiert (auf Anregung eines anderen Lesers)

Werner May


Von Nymphadora
Am 24.08.2008 um 07:34 Uhr

Hallo,

Ich habe gerade den ersten Teil deiner Sci-Fi Geschichte gelesen und ich glaube, die Story hat Potenzial. Es gibt aber eine Sache, die ich vermißt habe, und das ist wörtliche Rede. Falls das Absicht ist, und das Teil deines Schreibstils sein soll, dann vergiß es, aber ich finde, daß wörtliche Rede Geschichten lebendiger machen. Insbesondere, wenn man Sachverhalte erklären soll, ist es für den Leser oft einfacher, sie von einer Person erklärt zu bekommen. Das ist jedenfalls meine Meinung, aber ich bin selber blutiger Laie. Ansonsten macht die Story schon neugierig. Werde mir die anderen Teile auf jeden Fall durchlesen.




Nana Nymphadore

Bewertungen

Bewertung: 4.6/6
(25 Stimmen)

Es gibt 2 Kommentare


Aktionen


QR-Code als Direktlink


Werbung


Suchwolke